Auch bei „Seeing Hands“ geht es weiter

Seit ich im November 2021 meine Stelle als Entwicklungshelferin für die GIZ angetreten habe, kann ich leider nicht mehr in dem Umfang wie vorher bei „Seeing Hands Rwanda“ mitarbeiten. Trotzdem besteht nach wie vor enger Kontakt mit Beth und Callixte. Wir sehen uns entweder einmal wöchentlich in den Massage- und Büroäumen in Kacyiru oder online zu einem einstündigen Meeting. So können wir nach wie vor die aktuellen Ereignisse und das weitere Vorgehen besprechen.

Für die weitere Arbeit mit „Seeing Hands Rwanda“ mussten wir eine neue Strategie aufsetzen denn weder Beth noch ich sind weiterhin in der Lage, uns so umfangreich in das tägliche Geschehen einzubringen. Daher wollten wir die eigentliche Zielgruppe, blinde junge Männer und Frauen, etwas stärker in die Organisation einbinden. Sie sollten mit unserer Unterstützung lernen, mehr Verantwortung für sich und ihre Belange zu übernehmen. „Seeing Hands Rwanda“ sollte sich von einer NGO für blinde Menschen hin zu einer NGO von blinden Menschen entwickeln. Das Management könnte doch durchaus aus Betroffenen bestehen, die unter Anleitung eigenverantwortlich tätig werden.

Nachdem wir einige Mitglieder und ehemalige IT-Trainingsteilnehmer*innen von „Seeing Hands“ angefragt hatten, ob sie sich vorstellen können, selbst in der Organisation aktiv zu werden, begannen wir mit den wöchentlichen, einstündigen online Besprechungen . Hier berichten nun die Betroffenen über selbständig geplante Aktivitäten, vorbereitete Konzepte und auftretende Schwierigkeiten. Beth und ich greifen jeweils nur noch strukturierend ein. Das funktioniert bisher auch recht gut. Trotzdem ist unser Anspruch natürlich weiterhin, bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten für blinde und sehbehinderte Studienabgänger*innen zu finden. Diesbezüglich liegt der Schwerpunkt in der Planung und Organisation neuer Projekte, für die sich „Seeing Hands Rwanda“ um eine Finanzierung bewirbt. Externe Stellenangebote sind so gut wie nicht vorhanden oder die dementsprechenden Qualifikationen fehlen oftmals.

In einem von mir moderierten Treffen mit Vertretern der Amerikanischen Botschaft, wurde auch nach Beendigung unseres 6-monatigen IT Training eine weiterführende Zusammenarbeit verabredet. Diesbezüglich schickten wir eine Liste mit den Namen, Kontaktdaten und ggf. den Studienabschlüssen der IT Trainingsteilnehmer*innen an die Amerikanische Botschaft. Sie würden bei botschaftsinternen Volontariaten und Praktikumsstellen mit berücksichtigt werden.

Doch vorerst müssten Bewerbungsschreiben erstellt und Lebensläufe aktualisiert werden. Das Wissen darüber war bei fast allen blinden jungen Männern und Frauen so gut wie nicht vorhanden. Bisher bestand schließlich auch keine Notwendigkeit für eine offizielle Bewerbung, es gibt ohnehin keine Jobangebote.

Mit Hilfe einer anderen Supporterin von „Seeing Hands Rwanda“ erstellte ich ein Template, das als Vorlage für den Lebenslauf genutzt werden kann. Die Student*innen brauchen nur noch ihre lebenslaufbezogenen Daten einzutragen. Doch was schreibe ich in einen Lebenslauf, wenn sowohl Ausbildung, Praktika, Weiterbildungen und Berufserfahrungen sehr oft nicht oder nur sehr begrenzt vorhanden sind. Qualitativ überzeugende Aussagen zu erstellen, war und ist diesbezüglich eine riesige Herausforderung. Gleiches wiederholte sich bei den Bewerbungsanschreiben und so war wieder einmal Improvisationstalent gefragt.

Dieses Wort ist mein „Wort des Jahres“, da es für mich hier in Rwanda teilweise inflationär im Einsatz ist. Jeder um mich herum und ich inklusive sind ständig am Improvisieren. Es ist wenig Verlass aus Geplantes, Gesagtes, Verabredete und Übliches. Meine ganz persönliche Tag-tägliche Herausforderung.

Trotz allem hat ein Student, der über einen Abschluss von der Universität Kigali als Geschichtslehrer verfügt die Chance bekommen, Mitarbeitende der Amerikanischen Botschaft im Rahmen eines Weiterbildungszyklus‘ über die Geschichte Rwandas aufzuklären. Sein Thema ist „Die Erinnerungen der Vergangenheit formen die Rwandische Zukunft- ein Vortrag über die Geschichte Rwandas mit anschließender Diskussion“.

Damit hatte jedoch keiner gerechnet. Was kann man mit so einem allgemein formulierten Thema anfangen? Wie bereitet man die Rwandische Geschichte auf und welche didaktischen Mittel sollte man als „Nicht-Englisch-Muttersprachler“ ggf. wählen? Und schon wieder ist Improvisation gefordert, denn der in Rwanda oft gewählte Arbeitsstil mit „copy and paste“ ist in diesem Format aus Referat und Diskussion nicht möglich. Ebensowenig gibt die Internetrecherche zum konkreten Thema etwas her. Spezifisches Wissen muss somit transformiert und die Geschichte des Landes in Bezug zur Gegenwart gesetzt werden. Eine Herausforderung, bei der man sich ganz schnell und unwissentlich auf ein gesellschafts- und systemkritisches Minenfeld begeben kann. Ich bin sehr gespannt, wie der Referent diese Situation meistern wird! Doch die Zeit für eine gemeinsame Vorbereitung der anstehenden „Unterrichtseinheit“ werde ich mir leider nicht nehmen können. Doch anderweitige Unterstützung habe ich bereits organisiert.

Heroes Day (Tag der Helden)

Welche Helden am gleichnamigen Tag genau gemeint sind, kann man nur vermuten. Namentlich werden sie nicht bedacht oder auch nur erwähnt. In Rwanda gibt es drei „Heldenkategorien“: Imanzi, Imena, Ingenzi.

Personen, die zu den ersten beiden Kategorien gehören sind bereits verstorbene Helden, die sich in unterschiedlichem Ausmass für die Gesellschaft eingesetzt und/oder geopfert haben. Die zur Ingenzi Kategorie gehörenden Personen sind gegenwärtige Helden, die sich aktuell für die Rwandische Gesellschaft einsetzen und besondere Leistungen für sie erbringen.

An jedem 1. Februar eines Jahres würdigt Rwanda diese Menschen mit einem landesweiten Feiertag. In diesem Jahr war dieser Tag ein Dienstag und somit ergab sich die wunderbare Gelegenheit für ein verlängertes Wochenende mit einem Brückentag. Diese zusammenhängenden freien Tage wollten wir nutzen, um eine kleine Auszeit auf Sansibar zu verbringen.Bereits im Dezember 2021 wollten wir nach Sansibar, um der Weihnachtseinsamkeit an den Feiertagen zu entgehen aber Omikron und die damit verbundenen Ein- und Ausreisebestimmungen hatten es uns unmöglich gemacht, diese Reise anzutreten, also blieben wir in Kigali.

Im Februar waren nun die Corona Zahlen wieder auf den gewohnten Rwandischen Tiefstand gesunken und wir unterdessen geboostert, so dass ein zweiter Versuch durchaus erfolgversprechend schien. Endlich wieder reisen!

Sansibar, die bekannte Inselgruppe vor der Küste Ostafrikas, hatte ich bisher immer mit Bezeichnungen wie Touristenhochburg, Bade-, Taucher- und Surferparadis verbunden. Daher war ich anfangs gar nicht so begeistert, als der Vorschlag im Raum stand denn diese Freizeitakvitiväten gehören nicht zu meinen Favoriten. Doch gute Freunde und auch Kolleginnen von Thomas hatten alle von der Insel geschwärmt und daher waren nun auch wir neugierig.

Es gibt in Sansibar so viel zu entdecken! Die arabische Kultur hat einen großen Einfluss hinterlassen und zaubert ein ganz besonderes Flair in die unzähligen Gassen von „Stone Town“, der Innenstadt Sansibars.

Durch einen 2-stündigen geführten Stadtrundgang bekamen wir einen kleinen Überblick und ein wenig historischen Hintergrund vermittelt. Wir übernachteten im „Coffee House“- eine Empfehlung, die wir ebenso weitergeben können. Das Ambiente ist einfach bezaubernd und das Frühstück auf der Dachterrasse mit Blick über die Altstadt lässt keinen Wunsch offen. Dazu gibt es einen frisch gemahlenen Kaffee aus eigener Ernte denn der Besitzers ist auch Eigentümer einer Kaffeeplantage. Einmalig und traumhaft schön!

In der Altstadt Sansibars, auf der Hauptinsel Unguja findet man noch alte Häuser des historischen Handelszentrums. Viele Haustüren sind hier noch mit alten Schnitzereien verziert, deren Motive Aussagen über die Hausbesitzer, deren Beruf und Vermögensverhältnisse zulassen.

Sansibar ist die „Stadt der Gewürze“ und so haben auch wir uns mit frischen Pfefferkörnern, duftenden Vanilleschoten und Gewürzmischungen für Pilau (speziell zubereiteter Reis) versorgt. Nach einer geführten Tour über eine Gewürzplantage, hatten wir nunmehr auch eine Vorstellung von den dazugehörenden Sträuchern und Bäumen.

Selbstverständlich kann man nicht auf Sansibar Urlaub machen, ohne einmal in dem türkis-blauen Wasser des Indischen Ozeans geschwommen zu sein. Diese Gelegenheit haben wir bei einer Überfahrt zu „Prison Island“ (Gefängnis Insel) ergriffen.

Auf dieser Insel gibt es ausserdem eine Riesenschildkröten- Zuchtstation, das Highlight vieler Touristen. Und in der Tat ist es schon ein einmaliges Erlebnis diese grossen Tiere live zu erleben, ohne durch eine Glasscheibenfront wie im Tropenhaus von ihnen getrennt zu sein. Füttern ausdrücklich erlaubt!

Ein weiters Highlight in unserem Kurzurlaub war eine geführt Kajak-Tour durch die Mangroven. Das erste Mal erlebte ich die Gezeiten Ebbe und Flut und war erstaunt über die Geschwindigkeit mit der das Wasser sich zurückzieht und dann wieder einströmt. Dass das zu einer Gefahr für unachtsame Wattwanderer werden kann, war für mich nun durchaus vorstellbar. Was für ein Naturschauspiel!

In kurzer Zeit hatten wir so viele tolle Eindrücke auf Sansibar gesammelt und wären gern auch noch ein paar Tage geblieben. Zum Tauchen mag Thomas auf alle Fälle noch einmal auf die Insel reisen, denn das haben wir diesmal nicht geschafft.

Schön wars! Bis zum nächsten Mal!

Hilfe im Haushalt

Es ist ein unwahrscheinliches Privileg, eine Hilfe im Haushalt zu haben, die sich um viele kleine alltägliche Arbeiten kümmert. In unserem Fall ist es ein Haushaltshelfer! Thomas und ich sind so froh, ihn durch Beth vermittelt bekommen zu haben. Im Mai 2021 hatten wir uns von Betty, unserer damaligen Haushaltshilfe, getrennt und seit August 2021 unterstützt uns nun Emmanuel. Anfangs kam er lediglich zweimal wöchentlich. Schließlich macht ein Zweipersonenhaushalt ja auch nicht so viel Dreck.

Emmanuel hatte anfangs noch einen Job als Nacht-Guard in einem Hotel und verdiente insgesamt für beide Anstellungen 80.000 FRw. Allerdings war er mit den ständigen Nachtschichten und der unzuverlässigen Bezahlung unzufrieden. Daher boten wir im weitere zwei Tage bei uns an. Nun kommt Emmanuel viermal in der Woche und verdient 96.000 FRw (= 83 EUR). Er kümmert sich nun auch um unseren Garten, wäscht die Autos, putzt im Haus, reinigt die Terrasse, spült das Geschirr und schrubbt unsere verstaubten Turnschuhe im schäumenden Seifenwasser. Ab und an übernimmt er auch kleinere Besorgungen. Z. B. kauft er Schädlingsbekämpfungsmittel für unsere verlausten Sträucher und Palmen im Garten. Oder er besorgt neue Reinigungsschwämme, sobald die vorhandenen abgenutzt sind und bis zur letzten Möglichkeit eingesetzt wurden. Regelmäßig bringt er auch Thomas Businesshemden in die Reinigung und holt sie wieder ab. Wir hatten ihm anfangs alle Wege in unserem Umfeld gezeigt und nun agiert er komplett selbständig. Lediglich um die Wäsche, die Einkäufe und das Kochen müssen wir uns noch selbst kümmern. Wobei auch kleine Kochvorbereitungen wie z. B. das Putzen von 2kg grünen Bohnen, gelegentlich von ihm übernommen werden.

Anfangs war ich skeptisch, ob dieses Arrangement funktionieren würde, denn viel Zeit zum Erklären und Anleiten bleibt uns nicht. Wir verlassen früh 7:30 Uhr das Haus und sind beide gegen 18:30 Uhr wieder zurück. Ein keiner Geldbetrag an Wirtschaftsgeld ist für Emmanuel hinterlegt und die Ausgaben vermerkt er in einem Haushaltsbuch. Sehr deutsch, oder? Aber diese Idee entstand aus einem Wunsch von ihm, den er vor einiger Zeit äusserte.

Monatlich hat Emmanuel für sich, seine blinde Frau und das Baby sowie eine Haushaltshilfe nur die von uns gezahlten 96.000 FRw zur Verfügung. Für die Verhältnisse hier in Rwanda ist das ein guter Verdienst. Doch sehr weit kommt man damit natürlich auch nicht. Daher versucht Emmanuel an seinen freien Tagen noch irgendeinen anderen Job anzunehmen oder zusätzliche Verdienstmöglichkeiten zu bekommen.

Sein Sohn heißt Dollar, das ist kein Scherz! Er ist für ihn so wertvoll und einzigartig wie ein US Dollar. So erklärte mir Emmanuel die Namensgebung. Für seinen Sohn möchte er Geld sparen. Bereits im vergangenen Jahr äusserte Emmanuel mir gegenüber, er wolle den Umgang mit Geld lernen. Ich solle ihm dabei helfen und ihm erklären, wie man spart. Aber bei so einem geringen Einkommen ist das Ansparen wirklich sehr schwer. Daher haben wir gemeinsam das Haushaltsbuch eingeführt und ihm ganz praktisch damit erklärt, wie er so den Überblick über seine Finanzen behalten kann. Ob er diese Methode auch privat nutzt, weiss ich natürlich nicht.

Meinen Ansprüchen nach Ordnung und Sauberkeit gerecht zu werden, ist nicht so einfach. Oft stören mich selbst kleine Dinge, die herumliegen oder nicht exakt genug verstaut oder abgewischt sind. Das Saubermachen in den Ecken oder unter den Schränken und Betten etc. ist auch nichts, wovon allzu viele Leute schon mal etwas gehört haben. Meine Oma sagte immer „…das Tanzfleckel allein, reicht nicht aus!“ Und sie hatte Recht.

Emmanuel ist daher das Beste, was uns passieren konnte. Er „sieht die Arbeit“ und wartet nicht darauf gesagt zu bekommen, was wann gemacht werden soll. Durch den teilweise heftigen Wind und stürmischen Regen ist es (aus meiner Sicht) dringend erforderlich die Räume doch ab und an gründlicher sauber zu machen und regelmäßig Staub zu wischen. Für Emmanuel ist das alles selbstverständlich. Er verrückt alle Möbel und wischt sogar Geländer, Fensterbänke und Bilderrahmen ab. Danach stehen die Möbel zwar nicht mehr alle an der gleich Stelle sondern sind im Raum verteilt aber sauber ist es auf alle Fälle! Er wischt auch nicht mit einem Eimer Wasser das gesamte Haus. Vielmehr kippt er einen Eimer Seifenwasser in jeweils einem Raum aus, schrubbt den Boden und schiebt das schmutzige Wasser über den Balkon oder die Terrasse wieder raus, ähnlich dem Schneeschieben in Deutschland. Vorher bindet er die bodenlangen Gardinen in dicken Knoten nach oben, so dass diese auch ja keine Wasserflecken bekommen.

Unser Wasserkesse, der täglich und meist-genutzt im Einsatz ist, wurde von ihm so blank geschrubbt, dass man sich darin spiegeln konnte und ich mir fast nicht mehr getraute, ihn zu benutzen. Auch unsere Alu-Töpfe sind frei von den üblichen kleinen schwarzen Gasherdspuren. Dagegen sieht man die richtungsweisenden Schleifspuren des Topfkratzers! Einfach erstaunlich!

Ich war und bin begeistert!

Unterdessen haben wir nach einigem Hin und Her auch die offizielle steuerliche Anmeldung von Emmanuel bei RRA (Rwanda Revenue Authority) und RSSA (Rwanda Social Security Agency) mit einem schriftlichen Arbeitsvertrag hinter uns gebracht. Die eigentliche monatliche Steuerabrechnung und die Zahlung der Krankenversicherung für ihn und seine Angehörigen lasse ich mir von einer GIZ Mitarbeiterin der Personalabteilung noch erklären, so dass wir dann monatlich selbständig alles einreichen können. Das wird hoffentlich kein allzu großer Aufwand. Bin gespannt!

Arbeitsalltag

Die Corona Omikron Variante hat weltweit zugeschlagen und so war auch in Rwanda im Januar die Anzahl an Neuinfektionen stetig angestiegen, nicht dramatisch jedoch wurden nach einigem Zögern wieder verschärfte Maßnahmen durch die Regierung erlassen:

  • Restaurants dürfen nur bis 20 Uhr öffnen und Gäste müssen ihre vollständigen Impfnachweise präsentieren
  • öffentliche Büros arbeiten nur mit 15% ihrer üblichen Kapazität und für private Unternehmen sind immerhin 50% zugelassen
  • ab 22 Uhr ist weiterhin Ausgangssperre
  • für jede Art von Meetings und Veranstaltungen gilt die Regel „vollständig geimpft + Test“ und die Gästezahl für Hochzeiten und Beerdigungen etc. ist massiv eingeschränkt
  • Die Maskenpflicht ist bis heute überall in der Öffentlichkeit dauerhaft erhalten geblieben, obwohl sie unterdessen von vielen sehr lax gehandhabt wird.

Demzufolge war ich erneut im Homeoffice tätig. Meine Partnerorganisation musste, wie jede andere Organisation auch, eine offizielle Zusammenstellung des Einsatzes der beschäftigten Mitarbeitenden entsprechend der Covid Regeln vornehmen und aushängen. Wir arbeiteten, wie gefordert, in zwei „Schichten“. Jeder Mitarbeitende sollte drei Tage im Büro und zwei Tage zu Hause arbeiten. Das wurde jedoch nicht wirklich eingehalten, ein „Schicht-Tausch“ untereinander hatte umgehend nach Bekanntgabe stattgefunden und ganz schnell hatten wir alle den Überblick verloren, wer nun tatsächlich wann anwesend oder doch im Homeoffice tätig war. Bereits vereinbarte Veranstaltungen, Dienstberatungen etc. erschwerten die Einhaltung dieser Regelungen. Eine schwedische Delegation (Langzeitfördermittelgeber) musste in Kigali begrüßt werden, ein Auditorengremium prüfte 2 Tage lang die Umsetzung eines weiteren, extern finanzierten Projektes und auch ich hatte zwei halbtägige Auftaktworkshops mit einem Teil des Teams geplant. Zusätzlich waren zum Jahresanfang von der Partnerorganisation zahlreiche Ergebnisberichte und Projektabschlüsse bei den unterschiedlichsten Geldgebern einzureichen sowie zeitgleich die Neubeantragung von Fördergeldern vorzunehmen. Die Umsetzung der vorgegebenen Regeln war also schwierig, zumal das langfristige und rechtzeitige Planen nicht zu einer ausgeprägten Kernkompetenz in Ruanda gehört.

In meiner Partnerorganisation sind eigentlich genügend Räume vorhanden, die genutzt werden könnten, um Begegnungen zu vermeiden oder zu reduzieren. Auch ich versuchte mich in der Anfangszeit von „Omikron“ so oft es ging zurückzuziehen, ohne unhöflich zu wirken. Fenster und Türen liess ich immer sperrangelweit offen. Dadurch wurde ich zwar extrem von Mücken zerstochen, die am Nachmittag aufgrund der Regenzeit noch zahlreich unterwegs sind. Aber Risikovermeidung steht nunmal an erster Stelle! Schließlich sind 8 Millionen Rwandaer bisher nur einmal geimpft.

Einige meiner neuen Kolleg*innen waren in den ersten Wochen jedoch auch mehrere Tage über Land unterwegs, um Trainingseinheiten außerhalb von Kigali abzuhalten oder die geplanten Termine mit Kooperationspartnern wahrzunehmen. Daher gab es nur wenige unmittelbare Kontakte. Außerdem versuchten wir auch unser wöchentliches Management-Meeting via ZOOM abzuhalten. Ich hatte mich gerade halbwegs in MS Teams eingearbeitet und privat nutze ich Google Meet und nun kam noch das dritte Tool zum Einsatz. Leider gibt es ja unterdessen unzählige dieser Tool auf dem Anbietermarkt und man muss sich immer wieder auf’s Neue einarbeiten. Das nervt (mich)!

Das Meeting war, wie erwartet, aufgrund einiger technischer Hindernisse nicht sehr erfolgreich. Es dauerte fast 30 Minuten, bis sich alle Teilnehmenden eingewählt hatten. Am schnellsten ging es bei den wenigen Kolleg*innen im Homeoffice. Dagegen mussten die 5 Kolleg*innen im Büro einige Anstrengungen unternehmen, um die Technik halbwegs konstant zum Laufen zu bringen, Rückkopplungen zu vermeiden und einen klaren Sound sicherzustellen. Sehr oft wird dieses online Format wohl nicht genutzt werden.

Zum Mittag wird das Team täglich von einer fest eingestellten Köchin bekocht. Alle Anwesenden, häufig bis zu 10 Personen, versammeln sich dann gegen 12:00 Uhr um den Esstisch, der vorher auch schon mal als Schreibtisch genutzt wurde. Nun stehen dort mindestens drei große Kochtöpfe. Jeder bedient sich mit Reis, Bohnengemüse und Kartoffeln. In fröhlicher Runde wird gemeinsam gegessen. Das ist eine ganz wunderbare Tradition und zeigt, wie gut sich alle verstehen und seit Jahren zusammenarbeiten. Doch das vorherige „physical distancing“ ist damit eigentlich außer Kraft gesetzt.

Zum Mittagessen tragen alle abwechselnd in irgendeiner Form bei. Nicht unbedingt finanziell, das regelt die Organisation. Grundlebensmittel werden zentnerweise bestellt und ansonsten bringt jeder mal Brot, kleine Süssigkeiten, Obst oder Gemüse aus seinem Garten mit.

„Tree tomato“ (Baumtomaten)

So hatte auch ich eine Lebensmittelbestellung bei dem in Kigali bekannten Vuba Vuba Lieferservice aufgegeben und direkt zu RUB liefern lassen. Die Freude der Kolleg*innen über Auberginen, Karotten, Kürbis, Paprika und grüne Bohnen war riesig. Ein wenig Abwechslung ist immer willkommen!

Vorbereitungen für die Kaffeepause

Beim Mittagessen bin ich häufig erst einmal aussen vor, alle sprechen Kinyarwanda und ich schaue nur der lebhaften Unterhaltung zu. Aber nach einiger Zeit werde ich immer wieder liebevoll mit einbezogen und dann versuchen alle, mir Kinyarwanda beizubringen. Es wird gesungen, von landestypischen Traditionen erzählt und ich soll von Deutschland berichten. Das Interesse ist groß und wir können gegenseitig über unsere kulturellen Besonderheiten lachen. Das Team ist einfach super und ich wurde bisher ganz herzlich aufgenommen!

In den letzten Wochen habe ich mit meiner Partnerorganisation trotz eingeschränkter Versammlungsmöglichkeit zwei Workshops abgehalten. Einer davon bezog sich auf das MoU (Memorandum of Understanding), welches die Grundlage meines praktischen Arbeitseinsatzes bei der Organisation ist. Ausserdem wollten wir die gegenseitigen Erwartungen und damit verbundenen professionellen Rollen unserer Zusammenarbeit kommunizieren. Der zweite Workshop war als Brainstorming Session gedacht, um ein Konzept für einen Fördermittelantrag zu erstellt. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Sprachkenntnisse in Englisch sind solche Vorhaben immer noch in Präsenz der erfolgversprechendste Arbeitsansatz. Visualisierung ist dabei besonders wichtig, um sicherzustellen, dass die erarbeiteten Inhalte tatsächlich die richtigen sind. Der Einsatz von Zoom oder MS Teams wäre wie gesagt auch möglich gewesen, doch die Internetverbindung ist oft eher schlecht und instabil. Daher war ich sehr froh über unser Treffen face to face.

Meine eigentliche Aufgabe als „Development Advisor“ (DA = Entwicklungshelfer) ist es, die Partnerorganisation zu beraten, anzuleiten und die Mitarbeitenden entsprechend ihrer Wünsche thematisch zu schulen. Allerdings hoffen aus Erfahrungen anderer DA alle Organisationen darauf, dass der ihnen zugeteilte DA doch mehr als nur diese Funktionen übernimmt und tatsächlich im Team mitarbeitet und Aufgaben übernimmt. Das bedeutet für alle, täglich auf’s Neue Grenzen auszuhandeln und ggf. die sichtbare Enttäuschung in den Gesicherten der Kolleg*innen auszuhalten.

Da ich gern Konzepte erstelle und unterdessen auch mit den erforderlichen Details der inhaltlichen Darstellung (Wirkungsmatrix) vertraut bin, habe ich zur Freude meiner Kolleg*innen den Entwurf der Antragskonzeption für ein geplantes Projekt nach unserem „Brainstroming“ erstellt und bin diesen anschließend mit ihnen durchgegangen.

Vermutlich war das schon ein kleiner Schritt über meine eigentliche Grenze hinaus aber Arbeit darf ja auch Spass machen. Ich schreibe nunmal gern und die Kolleg*innen hatten eine kleine Arbeits(zeit)erleichterung. „Win-win“ für beide Seiten!

Silvester 2021-2022

Und wieder geht ein Jahr zu Ende. Auch 2021 war stark geprägt von Corona. Einerseits waren wir selbst betroffen und andererseits an die ständig wechselnden Maßnahmen von Sperrstunden, Lockdown und Reisebeschränkungen gebunden. Reisen war daher 2021 nur begrenzt möglich, und dabei wollten wir den afrikanischen Kontinent ein wenig mehr erkunden und auch die Nachbarländer Rwandas- Kenia, Tansania und Uganda ein wenig besser kennenlernen. Aber vielleicht ergeben sich ja diesbezüglich im neuen Jahr wieder mehr Möglichkeiten.

Silvester haben wir in Alberto’s Pension „La Locanda“ in Musanze verbracht. Bei klarem Wetter hat man von der Stadt aus einen Blick auf die 4 Vulkane. Hier ist das Wetter immer ein wenig trüber, die Temperaturen niedriger als in Kigali und es regnet wesentlich häufiger. Daher freuten wir uns besonders auf die von Alberto selbst gebaute Sauna mit kleinem Kamin.

Diese nutzen wir dann auch täglich und gönnten uns außerdem noch eine „hot stone“ Massage von Jean-Marie. Er ist ein von „Seeing Hands Rwanda“ ausgebildeter Masseur und hat seit 1 Jahr eine Festanstellung bei Alberto in ‚“La Locanda“.

Der Silvesterabend verlief unspektakulär und war der bisher ruhigste Abend zum Jahreswechsel aller Zeiten. Sogar die obligatorische Flasche Sekt hatten wir in unserem Kühlschrank zu Hause in Kigali vergessen.

Egal! Seit zwei Wochen müssen ohnehin ab 21 Uhr wieder alle Restaurants schließen und die Sperrstunden beginnt ab 22 Uhr. Ein nächtlicher Spaziergang war also auch nicht möglich. Daher verzogen wir uns nach einem leckeren 4-Gänge-Menü zum Abendessen und ein paar Gläsern Wein auf unser Zimmer und schauten den Loriot Film „Papa ante Portas!“ So lachten wir uns zielsicher ins neue Jahr.

Prost Neujahr! Wir stossen an auf lustigere und corona-entspannte Zeiten, auf das Wiedersehen im Kreis der Familie, auf das persönliche Treffen mit Freunden und auf schöne Reisen ohne PCR-Tests und Quarantäneunterkunft.

Bleibt alle gesund und behütet!