Heiraten auf Ruandisch

Seit drei Jahren sind Thomas und ich mit Beth und Callixte von „Seeing Hands“ verbunden. Aus dem anfänglichen Arbeitskontext, bezogen auf ein IT Training blinder Frauen und Männer finanziert durch die Amerikanische Botschaft, ist unterdessen eine Freundschaft entstanden.

Wir feiern gemeinsam unsere Geburtstage, sitzen bei uns im Garten während Beth’s Kids im Pool planschen. Sogar Callixte hatte großen Spass daran, mit seinem Blindenstock den Swimmingpool zu ertasten. Er war sogar mutig genug, ins Wasser zu gehen.

So erfahren wir viel von der jeweils anderen Kultur und bekommen Einblicke in besonders schöne aber manchmal auch in besonders dramatische Ereignisse. Ein besonders schöner Moment war für uns die Bekanntgabe Callixtes Verlobung und seine anstehende traditionelle Hochzeit im November dieses Jahres, zu der wir nicht nur als Gäste sondern als Teil der Familie eingeladen sind. Thomas und ich werden in traditioneller Kleidung, gestellt vom Hochzeitsausstatter, eine kleine Funktion übernehmen und die Zeremonie mit begleiten.

Doch erst einmal durften wir an der amtlichen Trauung bzw. an der sich daran anschließenden Familienzusammenkunft im Haus von Calixtes Eltern teilnehmen.

Der Tradition folgend, stellen sich beide Familien und Freundeskreise einander vor. Jede Person wird einzeln vom Moderator der Veranstaltung aufgerufen und muss seine Beziehung zur Braut oder zum Bräutigam kurz darstellen. Es gibt Getränke und eine Torte, die das Brautpaar gemeinsam anschneidet, jedoch gefeiert wird erst nach der traditionellen Hochzeit. Auch erst danach darf das Brautpaar offiziell gemeinsam in einem Haus(halt) zusammen leben und sexuell aktiv sein.

Callixte und Eugenia kennen sich bereits aus der Schulzeit. Sie haben beide eine Blindenschule besucht, können Braille lesen und schreiben und sind im Alltag wahnsinnig selbständig. Auch von ihren Familien haben sie viel Unterstützung erhalten. Eugenia hat ihre Herkunftsfamilie im Genozid verloren und ist bei Verwandten aufgewachsen, die sie durch den Prozess ihrer Erblindung begleitet haben. Sie ist ausgebildete Masseurin bei „Seeing Hands“. Callixte hat an der Universität Informationstechnology studiert und sich später auf blindenspezifische Hilfsmittel im IT Bereich spezialisiert. Regelmäßig trainiert er blinde und sehbehinderte Männer und Frauen in der Nutzung dieser technischen Hilfsmittel und arbeitet mit dem Bildungsministerium sowie dem National Council for Persons with Disability (NCPD) zusammen. An kleineren Projekten im Umfeld der GIZ konnte er mit Unterstützung von Thomas ebenfalls schon mitgearbeitet und so mehr Berufserfahrungen sammeln.

Callixte ist ein zum Leben sehr positiv eingestellter und lernbegieriger junger Mann. Er war 2022 allein 6 Wochen in Amerika, wo er am „Mandela Fellowship Trainingsprogramm“ für junge afrikanische Führungskräfte teilnahm. Mit neuen Ideen, Konzepten und Kontakten kam er nach Ruanda zurück. Er lässt nichts unversucht, um für sich und andere von Blindheit Betroffene Arbeits- und Lernmöglichkeiten zu schaffen. Er selbst probiert alles aus und es gibt nichts, was er nicht wissen, ertasten und verstehen möchte. Daher macht es uns einfach sehr viel Freude, ihn zu unterstützen und mit ihm zu diskutieren.

Sein besonderes Erlebnis für ihn mit uns war eine Einladung in der Vorweihnachtszeit 2021. Thomas hatte Stollen gebacken, es gab Glühwein und Kakao mit Rum sowie selbst gebackene Plätzchen. Außerdem erklärten wir ihm das Prinzip einer sich drehenden Weihnachtspyramide mit den Figuren aus der Bibelgeschichte. Unvergesslich für ihn ist auch das Räuchermännel, der „smoking man“.

Thomas und ich freuen uns sehr auf die Hochzeit am 11.11. 2023 und viele weitere schöne Erlebnisse mit Beth und Callixte und zukünftig auch mit Eugenia, seiner Frau.

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