zweites Corona-Weihnachten

Auch in diesem Jahr entschieden wir uns wieder schweren Herzens gegen ein Weihnachten in Berlin. Das zweite Jahr in Folge verzichteten wir zwangsweise auf ein winterlich-gemütliches und kerzen-beleuchtetes Weihnachtsfest mit der Familie. Dabei war in meinen Gedanken alles schon gut vorbereitet und verschiedene Ideen kreisten. Meine Eltern würden nach Berlin kommen. Alex hätte für uns einen schönen und herrlich duftenden Weihnachtsbaum besorgt, den ich dann traditionell mit meinem Väterchen am 24.12. vormittags schmücken würde. Abends ein gemeinsamer Gottesdienst in der Friedrichshagener Christophorus Kirche. Unser aller Weihnachtsgeschenk wäre ein Besuch in einem fancy Restaurant irgendwo in Berlin am 1. Feiertag zum Mittagessen. Lotta, Leo und Larissa würden am 2. Feiertag zu uns kommen und gemeinsam zaubern wir im Thermomix ein veganes drei Gänge Menü. Dazu gäbe es Lillet, Whisky oder Rotwein.

Doch die, durch die neue Omikron Variante enorm ansteigenden Corona- Zahlen in Deutschland, machten mir Ende November diese schönen Vorstellungen zunichte und unterstützen unsere Entscheidung gegen einen Flug in die Heimat.

Zusätzlich fehlten uns in diesem Jahr auch gute Freunde, mit denen wir in den vergangenen zwei Jahren öfter gekocht, gebacken, gegrillt und gefeiert hatten. Natalie und Mirko waren Mitte des Jahres mit ihren beiden Kindern nach Niger gezogen, um dort im Rahmen der Internationalen Entwicklungszusammenarbeit für die GIZ Projekte voranzubringen. Gemeinsames Plätzchen backen fiel also ebenso aus, wie Glühwein und Kartoffelsalat. Daher kam für uns in diesem Jahr noch einmal weniger Weihnachtsstimmung oder Adventsfreude auf, als im vergangenen Jahr.

Doch einige Traditionen müssen beibehalten werden und so schmückte ich am 24.12. vormittags unsere kleine Zimmertanne im Garten mit den spärlich vorhandenen Dekomaterialien. In Berlin habe ich drei riesige IKEA-Kisten voll mit den vielfältigsten Weihnachtsdekorationen und könnte die gesamte Wohnung in ein Weihnachtswunderland verwandeln. Wie sehr ich das hier vermisse!!

Lange hatte ich im Vorfeld hin und her überlegt, wie Heiligabend unter diesen Umständen für Thomas und mich doch noch zu einem etwas besonderen Tag werden könnte. Irgendwie wollte mir jedoch nix einfallen und die Zeit lief mir davon. Dank der hier von allen sehr umfangreich genutzten sozialen Medien bin ich kurz vor knapp auf „250picnic“ gestoßen. Was für ’ne schöne Idee! 250 Picknickvarianten! Na da würde doch auch etwas für uns dabei sein. Ich rief Betty, die Inhaberin, am 23.12. an und gemeinsam planten wir ein „Weihnachtspicknick“ für zwei Personen in unserem Garten. Am 24.12. würde sie dann 14 Uhr alles auf unserer Terrasse vorbereitet haben und wenn Thomas und ich von unserem Spaziergang zurück kämen, wäre die Überraschung bereit. Das gefiel mir!

Doch vorab musste noch zahlreiche Fragen geklärt werden: Art der Snacks, süss oder herzhaft? Ich entschied mich für Muffins mit dem Schriftzug „Merry Christmas“, schließlich ist ein wenig Kitsch in dieser besonderen Zeit erlaubt. Außerdem einigen wir uns auf Obstsalat und Chicken Wings, was in der Kürze der Zeit gut machbar schien. Der Sitzplatz sollte mit einer Holzpalette, Tischdecke und Kissen in orange und blau gestaltet sein und echte Blumen würden ein natürliches Flair abrunden. Mineralwasser war im Preis enthalten aber alle anderen Getränke würde ich organisieren. Der Wein stand ja auch bereits im Kühlschrank.

Das Vorbereitungsgespräch wirkte professionell und wir hatten die wesentlichen Dinge besprochen. Nun konnte ich nur hoffen, dass die Umsetzung auch meinen Vorstellungen entsprach. Ich war spät dran, daher überwies ich das Geld im Voraus und freute mich über die spontane schöne Idee.

Am 24.12. waren Thomas und ich am späten Vormittag noch für einige kleine Besorgungen in der City unterwegs. Im „Question Coffee“ in Gishushu wollten wir noch Kigalis „berühmten“ Kaffee trinken. Außerdem konnten unsere bestellten bunten, aus Sisal geflochtenen, Blumenübertöpfe bei „Talking through Arts“ -einer NGO zur Unterstützung behinderter Frauen- abgeholt werden.

Gegen 13 Uhr meldete sich Betty via WhatsApp und teilte mir mit, dass sie 14 Uhr mit dem Picknick auf keinen Fall schaffen würde. Ihr Auto habe eine Panne und nun warte sie auf ein Taxi. Na wunderbar, das lief ja schon wieder ganz im gewohnten „afrikanischen Stil“. Nein, jetzt nur keine Vorurteile bedienen, sondern geduldig warten. Es würde alles schon zur rechten Zeit passieren.

Generell war ja die Verschiebung meines detailliert geplanten Zeitablaufes auch kein Problem, schließlich war Heiligabend und es gab keine Termine, Besuche oder Veranstaltungen, die berücksichtigt werden müssten. Es bedeutete lediglich, dass ich noch eine weitere Stunde außer Haus mit Thomas überbrücken müsste, bis wir nach Hause zurückkehren könnten und die Picknicküberraschung vorbereitet wäre. Ok, also wieder einmal improvisieren, unterdessen Standardrepertoire! Wir könnten doch noch etwas Wein einkaufen, schlug ich vor und anschließend für die Übertöpfe auch gleich noch passende Hängepflanzen besorgen. Sehr gut! Damit war die Zeit gleichermassen gut genutzt und überbrückt.

14:15 Uhr erhielt Thomas plötzlich einen Anruf von unserem Tages-Guard. Er informierte ihn darüber, dass eine Frau am Tor stand und auf unser Grundstück wollte. Kurze Verwirrung! Ich nahm Thomas sofort das Handy aus der Hand und übernahm das Gespräch, da ich ahnte, wer sich gerade meldete. Eigentlich hatte ich unsere Security informiert, dass Betty von „250picnic“ kommen würde. Doch die Vorschrift besagt, dass Fremden der Zugang zum Grundstück nur mit Zustimmung des Mieters erlaubt werden darf. Unsere Guards hatten bisher stets jeden, der bei uns klingelte umgehend reingelassen. Daher waren sie regelmäßig von uns daran erinnert worden, in unserer An- aber noch viel mehr in unserer Abwesenheit stets erst einmal nachzufragen. Nun waren sie verunsichert und fragten vorschriftsmäßig immer nach, auch wenn sie unsere Zustimmung bereits im Vorfeld erhalten hatten.

14:30 Uhr klingelte Betty erneut durch, um sich zu vergewissern, wo sie das Picknick aufbauen sollte. Ich hatte ihr im Vorfeld bereits Fotos von unserer Terrasse und dem Garten geschickt, um ihr einen Eindruck zu geben für mögliche Ideen. Im Garten war es unterdessen ohnehin viel zu heiss, also bot die überdachte Terrasse eine perfekte Alternative. Sie würde dann jetzt alles vorbereiten, teilte sie mit. Prima, das klang gut! Ich war erleichtert, dass sich unser Zeitplan nicht unendlich verschob.

Als wir 15:00 Uhr zu Hause ankamen, war Betty noch immer nicht fertig sondern werkelte, laut telefonierend auf der Terrasse herum. Mit einem kurzen Erklärungsversuch schleuste ich Thomas durch den „Dienstboteneingang“ über die Küche ins Haus. Er würde noch etwas lesen und später könnten wir gemeinsam Kaffee trinken. Ein wenig verwundert über den unbekannten Besucht, ergab er sich in den veränderten Nachmittagsablauf.

Das Picknick entsprach nur in einigen Teilen den getroffenen Verabredungen und die Qualität war auch ein wenig ernüchtern. Daher standen Preis-Leistung für mich in keinem Verhältnis aber das war nun nicht mehr zu ändern und ärgern wollte ich mich nicht. Trotzdem konnte sich das Ergebnis seherlassen! Ich war zufrieden, da sich Thomas riesig über diese Überraschung freute.

Merry Christmas! Frohe Weihnachten!

„White Cane Day“

Der weisse Langstock wird jährlich am 15. Oktober international als Symbol der weltweit aktiven Blinden- Community gefeiert. Darauf bezogen hatte auch meine Partnerorganisation „Rwanda Union of the Blind“ (RUB) eine Festwoche organisiert. In deren Rahmen fand am 26.11. die feierliche Einführung eines in Rwanda konzipierten und local entwickelten digitalen weissen Langstockes statt.

Die Veranstaltung wurde auf dem Gelände der Blindenschule von RUB in Masaka, einige Kilometer außerhalb von Kigali, durchgeführt. Da ich nun auch zum RUB-Team gehörte, war es mir möglich, daran teilzunehmen und so das Schulkonzept kennenzulernen.

Alle ankommenden Gäste bekamen eine Führung über das Gelände und umfassende Erklärungen zu den Hintergründen und Zielen der Bildungseinrichtung. Jährlich werden ca. 40 Menschen in der Schule in Brailleschrift unterrichtet und in Orientierung sowie Mobilität mit dem weissen Langstock trainiert. 6 Monate können betroffene Personen an einem entsprechenden Rehabilitationsprogramm teilnehmen. Es ist für Menschen initiiert worden, die im Verlauf ihres Lebens aufgrund unterschiedlicher Ursachen (oft unerkannte und unbehandelte Augenerkrankungen) erblindet sind. Sie alle leben dann zeitlich begrenzt auf dem Gelände und lernen hier viele alltägliche Aktivitäten wieder neu unter dem gegebenen Umstand des fehlenden Sehsinnes.

Meine Chefin, Dr. Donatilla Kanimba – Executive Director von RUB, unterstrich in ihrer Ansprache die Bedeutung der Schule für viele blinde Menschen, die ihr Leben komplett umstellen müssen und hier wieder Hoffnung und Unterstützung bekommen.

Unter Präsenz etlicher UNDP- und Botschaftsvertreter sowie der Rwandischen Ministerin für ICT, die alle die Entwicklung des Langstockes unterstützt hatten, wurden 10 Exemplare an blinde Menschen übergeben. Ihnen ist nunmehr eine ganz andere Orientierungsfähigkeit gegeben und ihre persönliche Mobilität sowie die damit verbundene Unabhängigkeit von Dritten erhöht sich. Dafür ist jedoch erst ein umfangreiches Training in der Nutzung des Langstockes notwendig.

Ein solcher oder vergleichbarer weisser Langstock kostet in der Produktion hier in Rwanda ca 100 USD (88,50 EUR) und ist daher für viele privat im Erwerb unerschwinglich. Der Import jedweder Art von „Assistive Technology“ aus Europa oder den USA ist aufgrund des bestehenden bürokratischen Prozesses leider auch nicht ohne Weiteres möglich.

Insgesamt leben lt. statistischen Angaben aus 2012 rund 56.000 blinde Rwandische Bürger*inne (Zahl steigend) ohne unterstützende Hilfsmittel und leiden an ihrer eingeschränkten Mobilität. Im Ergebnis bleiben sie oft sozial isoliert und fühlen sich nicht in die Gesellschaft integriert.

In Deutschland dagegen kostet ein faltbarer Langstock ab 40 EUR. Vielleicht gelingt es uns ja mit Spenden, einige Langstöcke zu bestellen und von unserer nächsten Deutschlandreise mitzubringen. Sicherlich würden wir damit einige Menschen hier sehr glücklich machen. Ein guter Vorsatz für 2022!

Das Nationalmuseum in Kanombe

Durch meine Arbeitskolleginnen der GIZ hatte ich einen Hinweis auf eine Ausstellung bekommen. Der ehemalige Präsidentenpalast ist seit drei Jahren das „Rwanda Art Museum“ (Nationalmuseum) und beherbergt einige Gemälde aus der Zeit nach dem Völkermord und kleinere Skulpturen. Außerdem sieht man die Trümmer des Flugzeuges des Rwandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana, das im April 1994 abgeschossen wurde und damit den Völkermordes auslöste.

Das Gelände besteht aus einer großflächigen Parkanlage, einem alten und unterdessen ungenutzten Swimmingpool, der ebenfalls Teil eines Kunstobjektes ist, sowie einer gut erhaltenen zweietagigen Villa aus den 1970er Jahren.

Thomas und ich hatten uns schon vor längerer Zeit vorgenommen, den ehemaligen Präsidentenpalast zu besichtigen. Heute sieht man nur noch einen Teil des ehemaligen präsidialen Schlafzimmers mit einem eingebauten massiven Schrank aus dunklen Holzkassetten. Eine typische 70-er Jahre Treppe führt in einem leichten Halbkreis vom EG ins 1. OG. Die Stufen sind mit Teppichboden bespannt, das Geländer ebenfalls aus dunklem Holz und einige Wände mit groß-gemusterten Wandfliesen dekoriert. Im Lichtschacht der Treppe zwischen beiden Etagen hängt ein riesiger Kronleuchter aus Glas.

Einige Ausstellungsobjekte sind im Freien in ganz wunderbarer Art und Weise mit dem Charm vergangener Zeiten in Szene gesetzt. Bei anderen Objekten hatte man jedoch den Eindruck, sie seine in Eile und ein wenig wahllos in einem Wirrwarr aus weissen von der Decke herabhängenden Stoffbahnen im Inneren der alten Villa arrangiert worden. Die Schilder mit den Objektbeschriftung in englischer Sprache und in Kinyarwanda klemmten teilweise schief und nicht auf das Ausstellungsstück ausgerichtet unter den Gemälden. Spuren vorheriger Aufhängungen mit Dübelresten und offenen Löchern waren teilweise noch an den Wänden sichtbar und wurden nur unzureichend durch die neuen Ausstellungsstücke verdeckt.

Ich musste an meine Freundin Kerstin denken, die im Stadtschloss und -museum Hoyerswerda zahlreiche Sonder- aber auch Dauerausstellungen konzipiert und mit unendlicher Sorgfalt und Akribie praktisch umgesetzt sowie anschließend in den sozialen Medien erfolgreich beworben hat. Diesbezüglich wurden zuerst interaktive und multimediale Konzepte erarbeitet, um auch ganz sicher die beabsichtigte Zielgruppe anzusprechen und zu erreichen.

Eine solche arbeitsintensive Herangehensweise habe ich bisher bei Ausstellungsbesuchen in Deutschland nicht so zu schätzen gewusst und auch gar nicht richtig wahrgenommen. Es ist für mich bisher stets eine Selbstverständlichkeit gewesen, gut aufbereitete Ausstellungsstücke mit korrekt recherchierten Hintergrundinformationen in ansprechender Art und Weise präsentiert zu bekommen. Die Gegenwart bietet dafür schließlich zahlreiche technische und (innen)architektonische Möglichkeiten.

Doch aufgrund unserer aktuellen „kulturellen Unterversorgung“ fallen mir nun diese bedeutsamen Einzelheiten bei unseren Besuchen einheimischer Kunst- und Kulturangebote viel stärker auf. Ein Grund dafür sind sicherlich die für Kunst und Kultur zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel aber auch das besondere nationale Verständnis von und das Interesse an Kultur.

Kunstobjekte müssen in Szene gesetzt werden, um richtig wirken zu können. Das Ambiente spielt eine nicht unerhebliche Rolle und trägt zum eigentlichen Kunsterlebnis mit bei. Außerdem sind Kunst und Kultur Bildungsbereiche, die die eigene Identität stärken. Gleichzeitig fördern sie aber auch die Auseinandersetzung mit Zeitepochen und länder- sowie generationsübergreifenden Themen.

Um die Gegenwartskunst Rwandas aber auch die Historie für die Zukunft zu erhalten und nachhaltig wirken zu lassen, ist die Art und Weise deren Präsentation wichtig. Dann bewegt Kunst, verbindet die unterschiedlichen Betrachter, regt sie zum Austausch an und bildet Generationen.

Das „Rwanda Art Museum“ hatte für uns einen ganz eigenen Charm. Ehrfürchtig sind wir mit einer lokalen Begleiterin durch die Räume und über das Gelände gegangen, haben Informationen bekommen und konnten uns umsehen. Die Schwere und Dramatik der erst 27 Jahre zurückliegenden historischen Ereignisse war deutlich zu spüren. Trotzdem sahen wir mindestens 4 Hochzeitspaare, die sich zeitgleich mit ihrer gesamten Gästeschar in dem Gelände professionell fotografieren liessen. Es herrschte eine ausgelassene lustige und feierfreudige Stimmung. Sogar die Hochzeit eines Militärangehörigen wurde an diesem Sonntag bildgewaltig festgehalten.

Der Umgang mit der eigenen Landesgeschichte und mit der durch sie entstandenen Kunst ist in Rwanda ein anderer, als wir in Deutschland erwarten würden oder für möglich halten. Für uns einerseits erst einmal befremdlich aber andererseits auch erkenntnisreich und bildend.

Somit hatte Kunst auch diesmal wieder einer verbindende Komponente, Auftrag erfüllt!

Mein erster Arbeitstag

Am 23.11. war es soweit. Der erste Arbeitstag in meiner Partnerorganisation „Rwanda Union of the Blind“ (RUB) war gekommen.

RUB Head Office

Über WhatsApp stand ich bereits mit meiner lokalen Kollegin Rachel im Kontakt. Sie informierte mich darüber, dass wir eine Dienstreise in die Südprovinz des Landes machen würden, um an einem District- Meeting in Gisagara teilzunehmen. Die Autofahrt dorthin würde 4 Stunden dauern. Morgens 6:00 Uhr wurde ich von einem Fahrer abgeholt und los ging die Reise. Unterwegs sammelten wir Rachel und Tito, einen weiteren neuen Kollege von RUB gegen 7:00 Uhr ein. Beide wohnen außerhalb von Kigali. Sie stiegen an der Hauptstraße nach Huye ins Auto zu. Im Hauptoffice von RUB in Kigali hatten wir vorher noch einen junge Mann abgeholt, ein Jurist, der im Verlauf seines Lebens erblindet war und seither Lobbyarbeit für RUB betreibt.

Die Veranstaltung in Gisagara war vom dortigen District-Officer organisiert worden. Er hatte ca. 40 Personen eingeladen, die in unterschiedlicher Art und Weise mit Sehbeeinträchtigung/Blindheit zu tun hatten. Es waren Lehrer*innen aus Grundschulen gekommen, die vereinzelt blinde Kinder in den Schulbetrieb integrieren sollten. Außerdem waren Beamte*innen aus lokalen Ministerien und locale Vertretungen der staatlichen Dachverbände für Menschen mit Behinderung aber auch Familien mit blinden Kindern anwesend.

RUB war als unterstützende NGO eingeladen worden und sollte über die Wichtigkeit von Schulbildung für blinde Kinder aufklären. Eine Veränderung in der persönlichen Einstellung von Verantwortlichen in der Community gegenüber Menschen mit Behinderung und speziell gegenüber blinden Menschen war das Ziel dieser Aufklärungsveranstaltung. Ich wurde als Ehrengast förmlich begrüßt und aufgefordert, für die offiziellen Fotos neben dem District Officer platzzunehmen.

Obgleich ich keine Vorstellung vom Ablauf der Veranstaltung und den Anliegen der anwesenden Gästen hatte, versuchte ich mich nützlich zu machen. Ich gab Wasserflaschen an die Anwesenden aus, überreichte Notizblöcke und Stifte und begleitete blinde Anwesende, sobald ich bemerkte, sie wollten den Saal verlassen.

Meine Kollegin Rachel hatte eine PowerPoint-Präsentation vorbereitet, in der sie die NGO vorstellte, deren Ziele benannte und über Möglichkeiten der Aus(Bildung) für blinde Menschen referierte. Voraussetzung ist zweifelsfrei eine entsprechende Selbständigkeit in der Mobilität der Betroffenen und eine adäquate technische aber auch sächliche Ausstattung in den Bildungseinrichtungen.

Der Vortrag und die anschließende Diskussion wurde in Kinyarwanda gehalten, so dass ich nur wenig Inhaltliches ableiten konnte. Trotzdem wurden Emotionen transportiert und ich bemerkte deutlich die Unsicherheit und Verzweiflung der anwesenden Familienmitglieder. Überrascht war ich jedoch über die Offenheit in der Meinungsäußerung und über die allgemeine Bereitschaft zum gegenseitigen Austausch. Schließlich waren sehr unterschiedliche Hierarchieebenen anwesend, die alle ihre verschiedenen Erfahrungen, Meinungen und Problemlösungsvorschläge präsentierten.

Nachdem etliche lokale Führungspersönlichkeiten zusammenfassende Reden gehalten und sich gegenseitig ihrer Unterstützung versichert hatten, wurde mir spontan das Wort erteilt. Ich sollte meinen Eindruck von dieser Veranstaltung und weitere thematische Umsetzungsschritte darstellen. Mir verschlug es kurz den Atem denn ich hatte nur meinen Namen gehört und ahnte, was erwartet wurde. Rachel übersetzte für mich das Gesagte in englisch und schaute mich erwartungsvoll an.

Improvisieren war wieder einmal angesagt denn ich war weder persönlich vorbereitet noch von RUB gebrieft worden. Dabei konnte ich mich noch nicht einmal auf das bereits Gesagt während der Diskussion oder auf die Ausführungen der Führungsverantwortlichen beziehen. Davon hatte ich ja leider sprachlich bedingt gar nix mitbekommen. Doch meine ausreichenden praktischen Erfahrungen in einer Schule für blinde und sehbehinderte Schüler*innen in Königswusterhausen sowie meine Diplomarbeit zu „Entwicklungaufgaben und Bewältigungsstrategien von blinden Kindern und Jugendlichen“ ermöglichten mir einen halbwegs fachlichen Vortrag über Herausforderungen und Umsetzungsstrategien mit der Betonung auf partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Akteuren.

Geschafft! Nach insgesamt drei Stunden gingen alle auseinander mit der Verabredung, gemeinsam an einer möglichst inklusiven Bildung für blinde Kinder zu arbeiten. RUB versprach weitere Treffen auf lokaler Sektor- und District- Ebene und inhaltliche Unterstützung.

Das war nun also ein erster Einblick in meine zukünftige Tätigkeit: Begleitung der Umsetzung des Rechts auf Bildung für Menschen mit speziellen Bedürfnissen. Ein gelungener Start und definitiv ausbaufähig!

Indien- Deutschland- Afrika

Für uns war es eine riesige Freude, als Sagar, ein Freund aus Indien, uns mitteilte, er käme mit Kollegen dienstlich nach Rwanda und würde uns selbstverständlich in Kigali besuchen. Wir hatten uns durch Corona zwei Jahre nicht gesehen. Mit seiner Familie, bei der wir 6 Monate in Maharashtra gelebt hatten, stehen wir noch regelmäßig in Verbindung.

Gemeinsam wollten wir ein Wochenenden an den Twin-Lakes (Zwillings-Seen) verbringen, eine kleine Wanderung unternehmen und auf einer Insel übernachten. Dafür heuerten wir unseren lokalen Tourenguide und unterdessen auch schon Freund, Ferdinand, in Musanze an. Er stellte uns eine ganz wunderbare Route zusammen und organisierte Verpflegung, Bootstour, Transport und Unterkunft.

Am ersten Abend trafen wir uns im „Habesha“ einem Äthiopischen Restaurant zum traditionellen „Injera“ (Sauerteig Fladenbrot) und am Wochenende ging es gemeinsam nach Musanze. Dort hatten wir uns im „Café Crema“ mit Ferdinand verabredet. Dieses Café war vor einigen Jahren von einer Community gegründet worden und hat sich unterdessen zu einem gemütlichen und sehr besonderen Kunst-Café entwickelt. So konnten wir z. B. auch einem Künstler unmittelbar bei der Arbeit zuschauen.

Gegen Mittag brachen wir dann zu unserer Wanderung auf. Landschaftlich beeindruckt uns die Gegend um die Twin-Lakes immer wieder. Ein Boot holte uns am Ufer eines der beiden Seen ab und wir schipperten auf eine kleine Insel. Dort kann man, umgeben von idyllischer Landschaft und mit traumhaftem Blick auf den See im Zelt übernachten. Ein einmaliges Erlebnis!

Abends sassen wir noch beim Lagerfeuer zusammen, bestaunten dahinziehende Wolkenformationen, diskutierten über Gott und die Welt aber auch über Indien, Deutschland und Afrika. Was für ein Privileg, das alles gemeinsam erleben und mit Freunden so offen diskutieren zu können.