Der weisse Langstock wird jährlich am 15. Oktober international als Symbol der weltweit aktiven Blinden- Community gefeiert. Darauf bezogen hatte auch meine Partnerorganisation „Rwanda Union of the Blind“ (RUB) eine Festwoche organisiert. In deren Rahmen fand am 26.11. die feierliche Einführung eines in Rwanda konzipierten und local entwickelten digitalen weissen Langstockes statt.
Die Veranstaltung wurde auf dem Gelände der Blindenschule von RUB in Masaka, einige Kilometer außerhalb von Kigali, durchgeführt. Da ich nun auch zum RUB-Team gehörte, war es mir möglich, daran teilzunehmen und so das Schulkonzept kennenzulernen.
Alle ankommenden Gäste bekamen eine Führung über das Gelände und umfassende Erklärungen zu den Hintergründen und Zielen der Bildungseinrichtung. Jährlich werden ca. 40 Menschen in der Schule in Brailleschrift unterrichtet und in Orientierung sowie Mobilität mit dem weissen Langstock trainiert. 6 Monate können betroffene Personen an einem entsprechenden Rehabilitationsprogramm teilnehmen. Es ist für Menschen initiiert worden, die im Verlauf ihres Lebens aufgrund unterschiedlicher Ursachen (oft unerkannte und unbehandelte Augenerkrankungen) erblindet sind. Sie alle leben dann zeitlich begrenzt auf dem Gelände und lernen hier viele alltägliche Aktivitäten wieder neu unter dem gegebenen Umstand des fehlenden Sehsinnes.
Meine Chefin, Dr. Donatilla Kanimba – Executive Director von RUB, unterstrich in ihrer Ansprache die Bedeutung der Schule für viele blinde Menschen, die ihr Leben komplett umstellen müssen und hier wieder Hoffnung und Unterstützung bekommen.
Unter Präsenz etlicher UNDP- und Botschaftsvertreter sowie der Rwandischen Ministerin für ICT, die alle die Entwicklung des Langstockes unterstützt hatten, wurden 10 Exemplare an blinde Menschen übergeben. Ihnen ist nunmehr eine ganz andere Orientierungsfähigkeit gegeben und ihre persönliche Mobilität sowie die damit verbundene Unabhängigkeit von Dritten erhöht sich. Dafür ist jedoch erst ein umfangreiches Training in der Nutzung des Langstockes notwendig.
Ein solcher oder vergleichbarer weisser Langstock kostet in der Produktion hier in Rwanda ca 100 USD (88,50 EUR) und ist daher für viele privat im Erwerb unerschwinglich. Der Import jedweder Art von „Assistive Technology“ aus Europa oder den USA ist aufgrund des bestehenden bürokratischen Prozesses leider auch nicht ohne Weiteres möglich.
Insgesamt leben lt. statistischen Angaben aus 2012 rund 56.000 blinde Rwandische Bürger*inne (Zahl steigend) ohne unterstützende Hilfsmittel und leiden an ihrer eingeschränkten Mobilität. Im Ergebnis bleiben sie oft sozial isoliert und fühlen sich nicht in die Gesellschaft integriert.
In Deutschland dagegen kostet ein faltbarer Langstock ab 40 EUR. Vielleicht gelingt es uns ja mit Spenden, einige Langstöcke zu bestellen und von unserer nächsten Deutschlandreise mitzubringen. Sicherlich würden wir damit einige Menschen hier sehr glücklich machen. Ein guter Vorsatz für 2022!