Mein Geburtstag

Eigentlich ist 50 ja auch nur eine Zahl, um ganz genau zu sein eine Zehnerzahl mit einer Fünf an der Einerstelle und einer Null an der Zehnerstelle. Ganz einfach und trotzdem in diesem Zusammenhang etwas Besonderes. Ich bin ein halbes Jahrhundert alt! Das klingt dann schon wieder weniger schmeichelhaft aber immer noch nach etwas Besonderem!

Dabei begann der Tag weniger besonders, vielmehr ganz normal. Thomas musste bereits 6:30 Uhr aus dem Haus, da er die gesamte Woche in der Eastern Province Rwandas und nicht im Homeoffice in Kigali arbeitete. Wir würden also erst gegen 18:00 Uhr Zeit haben zum gemeinsamen Feiern beim Abendessen im Restaurant. Thomas nahm das Auto, um mich abends abholen zu können. Ich würde gegen 8:30 Uhr mit dem Moto-Taxi ins neue Büro nach Kacyiru zu „Seeing Hands“ fahren. Callixte hatte mich gefragt, ob wir uns der Konzeption und seiner Beantragung einer „Mandela Fellowship“ Fördermitgliedschaft widmen könnten. Klar konnten wir, Zeit hatte ich ja genug.

Es begann leider gleich früh zu regnen (Beginn der Regenzeit) und damit fiel die Moto-Taxitour zum Büro aus. Ich bestellte ein Yego- Cab und liess mich wie die Queen persönlich festlich gekleidet ins Büro chauffieren. Schließlich wird man nicht jeden Tag ein halbes Jahrhundert alt und ein zweites halbes Jahrhundert schaffen nur die wenigsten. Außerdem wollten wir ins „Poivre Noire“ zum Abendessen. Daher durfte ich mich mal ein wenig herausputzen, was hier ja sonst nicht nötig und oft auch nicht angemessen ist. Per WhatsApp hatte ich Thomas noch schnell gefragt, ob ich einen Tisch im Restaurant reservieren sollte aber er hatte selbstverständlich schon alles organisiert.

Mittwochs findet in den neuen Räumen von „Seeing Hands“ ab 8:00 Uhr immer das „Basic IT Training“ für die weniger Erfahrenen statt. Daher waren bei meiner Ankunft auch schon einige Student*innen anwesend und sassen über ihren ersten Aufgaben. Callixte kam aufgrund des Regens erst 9:00 Uhr ins Büro. Nun aber los! Doch Zeit für einen afrikanischen Milchkaffee mit ihm war allemal. Ich bestellte im Bistro unseres Vertrauens, welches auch das Mittagessen für die Trainingsteilnehmer zuverlässig viermal die Woche liefert. Kurz überlegte ich auch noch, einen Geburtstagskuchen zum gemeinsamen Verzehr mit allen gleich mit zu bestellen aber das würde das Training und unsere konzeptionelle Arbeit zeitlich beeinflussen. Vielleicht hätten wir ja dazu noch Gelegenheit, sofern Thomas bereits schon am Nachmittag aus der Eastern Province zurück käme.

Also erst die Arbeit und dann das Vergnügen! Callixte und ich kamen mit unserer Konzeption für das „Inclusive Community Center“, was in den drei neu angemieteten Räumen nun entstehen soll, auch gut voran. Bis zur Mittagspause hatten wir die einzelnen Projekte detailliert in ihren Zielen und Auswirkungen beschrieben. Nach dem Mittagessen wollten wir uns dem Budget zuwenden. Das würde eine umfangreiche Aufgabe werden und viel Zeit in Anspruch nehmen, da wir für jedes Teilprojekt ein eigenes Budget mit anteiligen übergreifenden Finanzen zusammenstellen mussten.

Auf das Mittagessen verzichtete ich zu Gunsten des bevorstehenden Abendessens. Doch ein wenig „Isombe“ wollte ich probieren. Das ist ein traditionelles rwandisches Essen, bestehend aus gekochten Maniok- (Cassava) Blättern, verfeinert mit Erdnuss- Mus und ggf. einigen kleinen mitgekochten Rindfleischstücken. Es erinnert mich sehr an gekochten Spinat, schmeckt aber etwas „strenger“ und ist natürlich noch viel gesünder!

Wie geplant ging es nach dem Mittagessen mit der Budgeterstellung weiter und auch hier kamen Callixte und ich gut voran. Drei von sechs Teilbudgets waren am Nachmittag fertig. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen! Es war bereits 17:00 Uhr und somit war klar, einen Geburtstagskaffee und -kuchen mit Thomas würde es vorerst nicht geben. Umso mehr freute ich mich auf das Abendessen.

Um zu überprüfen, ob Thomas auf der Rückreise im Feierabendverkehr mit. seinen Kolleg*innen gut vorankam, nutzte ich gegen 17:30 Uhr die Ortungs-Funktion auf meinem Handy. Ohhh! Thomas war schon hier! Na das war ja eine zeitliche Punktlandung. Ich rief kurz an, um ihm mitzuteilen, dass ich vor dem Haus warten würden und wir gleich weiterfahren könnten. Doch Thomas informierte mich, dass er leider im Stadtzentrum an einer Kreuzung nur wenige Minuten von meinem Büro entfernt noch im Stau stehe und es noch etwas dauern würde. Vermutlich war meine Ortungs-Funktion aufgrund der instabilen Internetverbindung nicht ganz korrekt. Wäre ja nicht das erste Mal, dass die Technik mich hier im Stich lässt und ein paar Minuten länger konnte ich jetzt auch noch warten. Der Tisch war bestellt und die Ausgangssperre erst ab 22:00 Uhr relevant. Also genügend Zeit!

Ich vertiefte mich also erneut mit Callixte in die Zusammenstellung der detaillierten Projektfinanzen. Plötzlich erklang laute Musik. Ohhh! Die letzten Student*innen verliessen vermutlich gerade froh gelaunt den Schulungsraum und waren auf dem Nachhauseweg.

Hmm? Moment! Den Song kannte ich doch! „Rennrad“ von Dota Kehr. Unser Aufbruchslied zur Radtour anlässlich unserer Hochzeit 2016. Was war hier los? Und schon tauchte Thomas mit einem riesigen bunten Rosenstrauss im Büro auf. Plötzlich kam auch Beth ums Eck, und ich sah Donatien unseren Nacht-Guard und alle Studentinnen des IT- Beginner- Kurses, die eigentlich schon seit einer Stunde zu Hause sein sollten. Marceline, ein Kollege von Thomas filmte mein Erstaunen und die Freude über die unerwartete Überraschung. Sie alle sangen und tanzten und es war Bombenstimmung! Beth hatte auch ihre Tochter und Schwester mitgebracht und selbst unsere Kurs-Assistentinnen und Volunteers waren anwesend. Corona?? Scheiß egal! Alle waren geimpft und einen Schnelltest würden Thomas und ich am nächsten Tag machen, um tatsächlich das kleine Restrisiko auszuschließen.

Beth hatte sogar noch eine Passionsfrucht- Torte mit Feuerwerk organisiert und Fleischspiesse mit Kartoffelecken sowie Getränke zum Abendessen für alle bestellt. Das war ihr Geschenk für mich. Ich war den Tränen nahe. Keiner hat hier viel und das Wenige wurde heute für mich ausgegeben.

Aber auch Thomas hatte am Vortag noch heimlich bis spät in die Nacht einen Nusskuchen gebacken. Bis zum Morgen war der Backduft in der Küche jedoch schon verflogen und ich hatte nix bemerkt. Aufgrund der Anzahl der Überraschungsgäste war alles ruck zuck verputzt und die Student*innen freuten sich mindestens ebenso wie ich über dieses überraschende Abend-Event.

Callixte war nun allerdings sichtlich erleichtert. Seine zugeteilte Aufgabe war es, mich den ganzen Tag über beschäftigt zu halten und dafür zu sorgen, dass ich nicht vorzeitig das Büro verliess. Einige Male hatte er seine ganze Überredungskunst aufbringen müssen, denn ich war gerade am Nachmittag drauf und dran gewesen, aufzubrechen. Aber er fragte immer wieder auf’s Neue nach der Berechnung der Budgets und so wollte ich die gemeinsame Arbeit nicht abbrechen. Es kommt im rwandischen Kontext nicht allzu oft vor, dass Menschen freiwillig so intensiv zusammenarbeiten, um etwas wirklich fertigzustellen. Für Callixte gilt das jedoch auf keinen Fall, die Arbeit mit ihm macht richtig Spass und wir teilen viele Ideen und eine ähnliche Arbeitseinstellung.

Viele Freunde und natürlich Familie hatten sich tagsüber telefonisch, per Videocall oder über WhatsApp mit Fotos gemeldet oder sogar gesungen. Jeder/jede hatte ganz besondere Worte und Wünsche für mich gefunden. Ich hatte somit einen ganz besonders besonderen Tag unter den vielen besonderen Tagen hier in Kigali.

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