Die erste Woche (16.03. bis 20.03.) mit staatlich verordneten Sicherheitsmaßnahmen aufgrund des Corona Virus haben wir hinter uns, nachdem am 13.03. der erste offiziell bestätigte Corona-Fall in Rwanda verkündet wurde. Es ist schon erstaunlich, wie sich der Umgang mit dieser weltweiten Bedrohung hier gestaltet. Die Rwandische Regierung hat durch die bitteren Erfahrungen in Europa sehr umfassend, umsichtig und vor allem zeitnah reagiert und bereits für Tag 3 nach dem Corona- Erstfall einschneidende Maßnahmen im Alltag der Menschen angeordnet.
Obwohl zu unserer Erleichterung nur wenige Infizierte in der ersten Woche zu verzeichnen waren, wurden die Maßnahmen noch einmal verschärft. Ab der zweiten Woche nach dem Ausbruch des Virus, also ab 23.03. bestand für uns bereits eine komplette Ausgangssperre. Spaziergänge waren nicht mehr erlaubt. Lediglich Lebensmitteleinkäufe berechtigen zum draußen Sein. In der Öffentlichkeit darf kein Sport mehr getrieben werden. Geschäfte bleiben geschlossen. Alle Restaurants, Cafés und Bars dürfen ihren Service nur noch „take away“ anbieten. Busse, Motorrad- und Fahrradtaxis wurden eingestellt, Passagiere werden nicht mehr befördert. Lieferdienste sind nur vereinzelt unterwegs, denn diesen Service kennen und nutzen überwiegend die Muzungus. Einige von ihnen sind unterdessen auch ausgereist, so dass ein Boom dieser Branche nicht zu erwarten ist. Daher ist es ruhig auf den Straßen in Kigali und auch wir bleiben zu Hause.
Für mich ist das eine weitere enorme Herausforderung. Nun wird mein bisher schon geringer Aktionsradius noch einmal mehr eingeschränkt und die wenigen, mühsam aufgebauten Sozialkontakte im unmittelbaren Wohnumfeld entfallen komplett. Wie ich das bewältigen soll, kann ich mir für einen längeren Zeitraum noch gar nicht vorstellen.
Von Freunden und von der Familie werden wir immer wieder gefragt, warum wir nicht auch ausgereist sind, als es die Möglichkeit dazu noch gab. Das ist ganz einfach: Wir haben uns verpflichtet, zwei Jahre hier zu leben und zu arbeiten. Dafür haben wir praktische Anleitung und Unterstützung im Alltag bekommen. Uns ist klar, wie wir uns in Krisensituationen zu verhalten und wo wir uns zu melden haben. Alles ist detailliert geregelt mit Kontaktpersonen und Notfallrufnummern. In der aktuellen Situation würden wir außerdem auch nicht aus einer Krisenregion (Afrika) in das Schlaraffenland (Europa) evakuiert werden. Aktuell haben schließlich alle Länder die gleichen Probleme, wobei Rwanda bisher mit nur 50 Corona-Fällen (2. Woche) wenig betroffen ist. Daher besteht keine verpflichtende Notwendigkeit zur Ausreise oder gar zur Evakuierung. Als „MAP“ (mit ausreisende Partnerin) hätte ich anfangs allein ausreisen können, doch die Überlegung bestand zu keiner Zeit. Als dann das Angebot der Dt. Botschaft und auch der GIZ zur gemeinsamen Ausreise für Ehepaare kam, haben wir lange überlegt und eine Risikobewertung vorgenommen. Dabei haben uns auch die Telefonate mit Bekannten hier in Kigali sehr geholfen. Wir haben uns zugunsten Rwandas entschieden, wie viele andere hier auch!
Außerdem hat man in der Entwicklungszusammenarbeit eine enorme persönliche Verantwortung, die sich im täglichen Handeln und im Umgang mit den Menschen hier klar zeigt. Hätten wir in der jetzigen Situation Rwanda schnellstmöglich verlassen, würden sich die unterschwelligen Rassenkonflikte und die noch immer bestehenden Vorurteile nur bestätigen. So waren wir beispielsweise schockiert darüber, als eine Kollegin von Thomas uns darauf aufmerksam machte, es ginge das Gerücht um, dass für Muzungus bereits ein Heilmittel gegen das Corona-Virus erhältlich sei. Afrika müsse wieder warten und könnte es sich vermutlich ohnehin später nicht leisten. Das Misstrauen der Menschen hier sitzt tief und ihre Erfahrungen kann man teilweise nicht negieren. Daher wollten wir auch bewusst ein Zeichen setzen, allerdings natürlich vor dem Hintergrund, dass wir im Augenblick auch keine persönliche Bedrohung oder ein gesundheitliches Risiko empfinden.
Hoffentlich hält unsere Risikoeinschätzung der aktuellen Situation hier in Rwanda stand und unsere Entscheidung bleibt lange die richtige.
Im medizinischen Notfall oder bei sich verstärkenden sozialen Unruhen und Ausschreitungen (davon wurde uns von einem Bekannten aus Uganda berichtet) werden die Mitarbeitenden der Botschaften und der GIZ sowie anderer deutscher Hilfsorganisationen weiterhin ausgeflogen. Doch so weit ist es Gott sei Dank nicht.