Unter Strom

Thomas und ich kamen am Spätnachmittag eines Freitags nach Hause und Emmanuel, unser Haushaltshelfer, war noch immer am Saubermachen. Aufgeregt rief er mich in die Küche und erklärte mir, er hätte den Ofen und den Kühlschrank diesmal nicht reinigen können, da es dann immer unangenehm in seinen Händen kribbeln würde. Er könnte beide Geräte nicht mehr berühren. Er war überzeugt, eine Art Stromschlag zu bekommen. Ich schaute ihn skeptisch an und glaubte kein Wort! Was sollt das denn jetzt schon wieder für eine Ausrede sein. Ich war genervt! Als ich den Ofen und den Kühlschrank berührte, passierte schließlich gar nix. Wie sollte man auch einen vermeintlichen Stromschlag bekommen, völliger Blödsinn. Die Story erzählte ich sogleich Thomas, der auf der Terrasse sass und las. Er ging in die Küche und bei der ersten vorsichtigen Berührung des Ofens bekam er einen STROMSCHLAG, gleiches beim Kühlschrank. Wie war das denn möglich? Beide Männer standen barfuss in der gefliesten Küche. Entsetzen! Was um alles in der Welt war hier los? Irgendwie funktionierte die “Erdung” der Elektrik nicht. Ich war mit Schuhen außer Gefahr, jedoch sobald man barfuss im Haus unterwegs war, lief man Gefahr einen Stromschlag zu bekommen. Das konnte doch nicht wahr sein! Oder lag es daran, dass unser neuer großer Kühlschrank einfach nicht für dieses anfällige Stromnetz gemacht war und daher die Leitungen heiß liefen? Viele Fragen, alle war vorstellbar aber noch gab es keine Erklärung.

Thomas zog erst einmal alle Stecker aus den umliegenden Steckdosen und schaute sich die Sicherungen an. Alles schien in Ordnung. Im gegenüberliegenden Arbeitszimmer jedoch war eine Verlängerungsschnur, made ich China, heißgelaufen und durchgeschmort. Es roch nach verbranntem Plastikkabel. Na bitte, da hatten wir ja den Übeltäter. Also Billigprodukt rausgezogen und Verlängerungsschnur -Made in Germany- eingesteckt, alles war wieder gut!

Unterdessen war unser Haus- und Hofhandwerker eingetroffen. Thomas hatte ihn sofort informiert und umgehend zur Beseitigung dieser Notfallsituation aufgefordert. Das Problem hatte sich jedoch unterdessen geklärt und so zahlten wir ihm 4,50 EUR für die Motorradtaxi- Fahrtkosten, entschuldigten uns für die Panikmacherei und entliessen ihn ins Wochenende.

Im Arbeitszimmer roch es nun zwar noch ein wenig verschmort aber wir richteten es trotzdem für die Übernachtung unseres Freundes, Mirko her. Er würde mit dem Nachtflug 2:30 Uhr aus Niger ankommen und 14 Tage bei uns wohnen. Solange, seine bewegungsfrohe Hündin sollte mit ihm aus Ruanda nach Niger zurückfliegen und endlich wieder in die unterdessen dort lebende Familie aufgenommen werden. Unser Nacht- Guard wusste Bescheid und würde Mirko auf’s Grundstück lassen, so dass er sich leise reinschleichen und gleich hinlegen konnte.

Die Wiedersehensfreude am Morgen war groß. Doch viel gemeinsame Zeit blieb uns leider nicht, da wir mit indischen Freunden, die auch gerade in Kigali zu Besuch waren, zu einem Wochenendausflug verabredet waren.

Am Sonntag Abend waren wir wie geplant gegen 17 Uhr zurück. Thomas und Mirko gönnten sich ein kühles Bier auf der Terrasse und ich trank einen Wein. So konnten wir entspannt quatschen und uns gegenseitig über die letzen Wochen und Monate updaten! Wunderbar! Doch was war das? Es roch schon wieder etwas verkohlt und verschmort.

Thomas sprang auf und ging ins Arbeitszimmer. Die Verlängerungsschnur war erneut heiss geworden und durchgeschmort. Mist! Auch das deutsche Qualitätsprodukt machte keinen Unterschied. Fix den Stecker gezogen und… eine STICHFLAMME kam aus der Steckdose und es brannte.

Um Himmels Willen!! Schnell eine Decke holen und alles abdichten. Fenster schließen und Sauerstoffzufuhr unterbinden ging nicht, da alle oberen kleinen Fenster im Haus immer offen und nur mit Gaze mückensicher abgedeckt sind. Die Flamme züngelte aus der Dose. Nun wurde es Ernst! Wir hatten keinen Feuerlöscher und einen Elektrobrand bekommt man nur schwer in den Griff. Feuerwehr?? Gibt es in Ruanda nicht! Zumindest nicht in unserem Verständnis von Brand-Notfallbekämpfung. Und zu allem Überdruss sind die Wände unseres Hauses nach wie vor nass durch die defekten Wasserleitungen. Das Duschwasser läuft weiterhin nicht nur aus dem Duschkopf sondern auch in die Wand. Diese Kombination von Wasser und Strom liess uns nun doch wieder in Panik verfallen. Geistesgegenwärtig schraubten wir die Gaskartusche unsere Herdes ab und Thomas rief erneut unseren Haus- und Hofhandwerker an. Der fühlte sich natürlich verarscht und wollte nicht mehr kommen. “It is burning!” Riefen wir alle gleichzeitig ins Telefon. “You must come immediately!”

Mit unserem dicken Holzschneidebrett von IKEA konnten wir die brennende Steckdose abdichten und die Flamme ersticken. Holz ist natürlich ein ganz wunderbares Brennmaterial aber was anderes hatten wir nicht. Eine Kunstfaserdecke oder Lappen hatten umgehend kleine Branndlöcher bekommen. Daher war das Holzbrett unsere Alternative.

Der Techniker kam dann auch relativ schnell, schaute nach den Sicherungen und rief umgehend den Hausbesitzer an. “This is a big problem!” bestätigte er uns. Aaaach! Tatsächlich? Nach Verhandlungen und Insistieren durch Thomas sollte bereits am nächsten Tag ein Reparaturtrupp vorbei kommen und alle Steckdosen im EG überprüfen. Doch eins stand fest. Eine “Erdung” war definitiv nicht vorhanden, denn die Sicherungen waren trotz des elektrischen Kurzschlusses und des Brandes nicht rausgesprungen. Andere Länder, andere Sitten. Daran würden wir nix ändern.

Onboarding

Seit 1. November nehme ich am Onboarding teil. Ja! Onboarden, nicht Snowboarden! Und auch kein Onboarding auf einen Flug z. B. nach Ruanda. Das hat ja für mich alles schon stattgefunden. Nein, jetzt steht Onboarding in das GIZ- Universum auf dem Programm und das für exakt einen Monat. Wie geil ist das denn, dachte ich am Anfang. Einen Monat Einarbeitung, Vorstellung der Arbeitsweise der GIZ, Leitbilder und Handlungsrichtlinien, Perspektiven und Vorhaben aber auch vertragsrechtliche Inhalte, Sicherheit und sogar Aus- bzw. Rückreisevorbereitungen. Bei welchem Arbeitgeber gibt’s das schon?

Laut Aussage des Onboarding-Vorbereitungsteams stand mir als neuer Mitarbeiterin pünktlich Sonntagmitternacht 31.10. eine GIZ-eMail Adresse zur Verfügung. Es gab eine Handreichung, die detailliert beschrieb, wie man sich mit den Pass- und Kennworten bestehend aus Teilen des Namens und der Personalnummer anmeldete und registrierte. Klang selbst für mich relativ verständlich, funktionierte jedoch leider NICHT! Schade! Ein Anruf beim IT-Support in Eschborn am Montagmorgen um 9:00 Uhr stellte klar, dass bereits seit zwei Jahren eine andere Handreichung gültig ist. Ahhh! Das hatte ich eher erwartet und das kam mir auch von anderen Arbeitgebern bekannt vor. Ich bekam ein weiteres Passwort genannt und sollte es nun noch einmal versuchen. Na dann, irgendwie hat es bisher ja immer geklappt!

In einer Stunde würde mein erstes online Onboarding Seminar beginnen und ich hatte noch immer keinen Zugang und von MS Teams, meinem neuen Begleiter, keine Ahnung. Das Trainingsvideo konnte ich mir leider nicht anschauen, da ich im Vorfeld keinen Zugang zu der Lernplattform der GIZ hatte.

Mein Webinar begann pünktlich 8:30 Uhr CET also 9:30 Uhr in Rwanda. 67 neue GIZ-Mitarbeiter*innen wurden auf meinem Bildschirm angezeigt. Thematische Chaträume standen zur Verfügung, man sollte auf einem Whiteboard seine persönlichen Erwartungen niederschreiben und diese in selbst zusammengestellten Unterarbeitsgruppen diskutieren. Ich verstand kein Wort, wusste nicht, wo ich das Whiteboard finden und wie ich mich in Untergruppen zusammenfinden sollte. Ich klickte und suchte und fand doch nix. Im Gruppenchat fragte ich nach und bekam auch eine Antwort. Da ich noch nicht als GIZ Mitarbeiterin registriert, sondern mit einem Gastzugang angemeldet war, standen mir bestimmte online Tools nicht zur Verfügung. Gott sei Dank, eine plausible Erklärung und ich war nicht einfach nur zu blöd.

Ich quäle mich durch den ersten Tag, an dem es um allgemeine Informationen zur GIZ (Organgram, Leitprinzipien, Mitarbeiterstruktur u.s.w.) ging. Die Inhalte waren sehr interessant, gut aufbereitet, interaktiv gestaltet und man konnte vielfältige online Tools ausprobieren. Doch das war mir auf einen Schlag alles viel zu viel!

Ich war mehr mit der Technik, als mit den Inhalten beschäftigt und versuchte, so gut es geht, zu folgen. Ich hatte das Gefühl, der IT-Support stand aufgrund meiner Unwissenheit den ganzen Tag nur für mich zur Verfügung. Doch nach einigen Stunden realisierte ich, dass sich auch andere neue Mitarbeiter*innen nicht in den vorbereiteten Untergruppen einfinden und inhaltlich mitarbeiten konnten. Erneut Erleichterung!

17:30 Uhr war der erst Tag meines Webinars zu Ende und ich AM Ende. Die Ohren drücken aufgrund der Kopfhörer, die ich den ganzen Tag getragen hatte. Meine Augen brannten durch das ununterbrochene auf den Bildschirm Starren, die Schultern waren total verspannt und ich angespannt. Aber ich hatte es geschafft und den Tag überstanden! Doch weitere Tage würden folgen.

Abends meldete ich mich noch auf der Lernplattform der GIZ an. Dort öffneten sich nun zahlreiche Fenster, die mit Webinaren, Webbasierten Trainings (WBT) , Videos, Tests, Power-Point-Präsentationen und sonstigen schriftlichen Informationen bestückt sind. Der Umfang faszinierte, war aber auch erschreckend und furchteinflössend. Das alles stellte also nun meine Arbeitsgrundlage als Entwicklungshelferin dar und musste durchgelesen, angeklickt, angehört und durchgearbeitet werden.

“Einen Screenshot des erfolgreichen Abschlusses des verpflichtenden WBT schicken Sie bitte vor Ihrem Webinar am 8.11. per eMail an Frau …..!” So lautet eine E-Mail, die ich Tage vor meinem ersten Seminar bereits erhalten, jedoch nicht berücksichtigt hatte. Ein Zugriff auf die Lernplattform war ja ohnehin nicht möglich gewesen. Das musste ich dann also noch erledigen. Nur wann? Nach 8 Stunden Onlinetraining und 2 Stunden Erklärvideo zu MS-Teams oder doch lieber erst am Wochenende?

Die GIZ arbeitet mit einem in sich geschlossenen, ganzheitlichen System- IDA. In diesem ist MS Teams, ein DMS, Outlook und zahlreiche andere Programme enthalten. Somit musste ich mein privates eMail-Programm und den Kalender auf dieses System umstellen. Alle eMails, die meine Teilnahme an zukünftigen Seminaren bestätigten, mussten aus meinem Privataccount an den neuen GIZ account weitergeleitet und von dort in den Outlook-Kalender überführt werden. Ich war am verzweifeln. Zusätzlich brachte mich die Zeitverschiebung noch durcheinander. Einige Termine waren in CET+1 und andere in UTC +2 angegeben. Zu welcher Zeit fanden sie denn nun verflucht nochmal in Ruanda statt? Wurden beim Übertragen in den Outlook-Kalender die Zeitangaben an die Ruandische Zeit (CAT) angepasst? Ja und Nein! Die Zeitzonen mussten erst eingestellt werden. Es war zum Heulen. Meine mühsam erarbeitete Struktur und mein begrenztes technisches Verständnis lösten sich innerhalb von einem Tag in Luft auf. Gerade hatte ich mich nach zwei Jahren an die Apple-Tools gewöhnt und nun war wieder Mikrosoft angesagt. Das hatte ich nicht erwartet oder vorhergesehen. Das Stand so nicht auf dem Plan! Aber es half nix, da musste ich jetzt durch.

Trotz allem ist diese einmonatige Einarbeitungszeit bei der GIZ genial geplant und inhaltlich sehr gut vorbereitet. Die Umstellung von Präsenz auf digital ist gut gelungen, obwohl ich wie gesagt damit komplett überfordert bin. 8 Stunden vor dem Laptop sitzen und auf den Screen starren finde ich nach wie vor sehr anstrengend aber gleichzeitig bin ich begeistert von den Möglichkeiten der Digitalisierung und des einfachen Austauschen in großen und kleinen Teams. “Landeskunde Rwanda”, ein Sprachtraining und “Spezifika des Einsatzes von Entwicklungshelfern” sind die nächsten Webinare, die für mich online gebucht wurden. Und mit den Angeboten auf der GIZ- Lernplattform kann ich mich ein weiteres Jahr lang beschäftigen und allumfassend qualifizieren. Spätestens dann habe ich auch den Fun-Faktor des Onboardings erkannt. Doch eigentlich wollte ich nur ARBEITEN.

Gute Vorbereitung

Meine Vorbereitung auf den neuen Jobs als Entwicklungshelferin bei der GIZ hat begonnen. Bereits Mitte Oktober durfte ich an einem Strategieworkshop teilnehmen, obwohl mein Vertrag erst am 01.11. beginnt. Die Kolleg*innen des “Rights-based-Programm” (RBP = Menschenrechtsbasiertes Programm) planten die nächste Projektphase von drei Jahren mit fünf ausgewählten NGO’s. In diesem Rahmen trafen sich je zwei Vertreter*innen der lokalen Partnerorganisationen und die ihnen zugeordneten zwei Entwicklungshelfer*innen sowie einige Verwaltungsmitarbeitende. Ich lernte also meine beiden Kolleginnen Anne aus Belgien und Rose aus Schweden kennen. Anne ist Spezialistin für “Monitoring & Evaluation” und hat viele Jahre als Consultant für verschiedene Firmen und in unterschiedlichen Ländern gearbeitet. Statistische Auswertungen jedweder Art und eine detaillierte Berichterstattung sind ihre Stärke. Rose hat ihre Dissertation über “Männliches Verhalten in unterschiedlichen sozialen Gesellschaften” geschrieben und ist “Gender- Spezialistin”. Und nun komme ich dazu. Meine Spezialität ist, in die Hände zu spucken und los zu legen. “Get things done!”

Selbstverständlich ist mir klar, dass ein finanziell so umfangreiches Programm zum thematisch herausfordernden Thema “Menschenrechte in Rwanda” auch sehr detailliert geplant und mit messbaren Ergebnissen hinterlegt werden muss. Schliesslich sollte nach drei Jahren auch eine Entwicklung in der Struktur der lokalen Organisationen sowie in der thematischen Auseinandersetzung mit Menschenrechte erkennbar sein.

Eine entsprechende Planungsmatrix mit den zu fördernden Menschenrechten, den dafür notwendigen Umsetzungsstrategien und den detaillierten Aktivitäten haben wir gemeinsam bearbeitet. Outcomes, Outputs sowie dazu passende Output-Indikatoren wurden festgelegt. Alle Planungsschritte beziehen sich auf die SDG’s (Sustainable Development Goals = nachhaltige Entwicklungsziele), die von der UN und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für die Internationale Entwicklungszusammenarbeit festgelegt wurden. Es gibt exakt 17 SDG’s, doch für das RBP werden u. a. Nr. 3, 5, 10 und 16 fokussiert.

Nun wird es in den nächsten Wochen und Monaten meine Aufgabe sein, mich mit diesen Zielen auseinanderzusetzen und mir zu überlegen, wie die Theorie in die Praxis überführt werden kann. Meine Partnerorganisation ist “Rwanda Union of the Blind” (Vereinigung Blinder in Ruanda). Daher werde ich den Menschenrechtsbasierten Ansatz ganz gezielt noch mit Themen zur Inklusion verbinden, um spezifische Ergebnisse für diese Zielgruppe zu erreichen.

Erste Schritte zur gemeinsamen Planung der späteren praktischen Umsetzung haben wir in dem Strategieworkshop bereits unternommen. Das Konferenz Hotel war auch entsprechend ausgestattet, so dass wir mit der “World-Cafe”-Methode schon gute Ideen zu den drei Hauptzielen des RBP sammeln konnten:

  1. Vernetzung der Partnerorganisationen mit staatlichen Institutionen (Sichtbarkeit der Akteure)
  2. Bewusstsein für die Menschenrechte allgemein schaffen (Human rights based approach)
  3. Marginalisierte Gruppen wie LGBT ( lesbian, gay, bisexual, transsexual) und Menschen mit Behinderung in den Fokus der Gesellschaft bringen

Es ist schön, wieder mit neuem theoretischen Hintergrund und auf strukturierter fachlicher Basis praktisch zu arbeiten. Ansonsten läuft hier doch sehr vieles eher spontan und “aus dem Bauch heraus”. Doch in beiden Fällen gibt es Ergebnisse, die sich sehen lassen können.

Ich freue mich auf die neue inhaltliche und die sprachliche Herausforderung sowie auf die Zusammenarbeit mit allen Kolleg*innen.

Ganz im Zeichen der Familie

Unser Deutschlandaufenthalt zwei Wochen im Oktober stand ganz im Zeichen der Familie. Die Zeit ist immer knapp und die Besuchswünsche sind vielfältig, doch diesmal war die Priorität eindeutig gesetzt. Wir feiern gemeinsam nachträglich meinen 50. Geburtstag, den 80. meines Vaters und den 78. meiner Mutsch.

Der Flug von Kigali nach Berlin über Istanbul begann mit einer mehrstündigen Verspätung. Um 1:30 Uhr zu starten, waren wir pünktlich 22:30 Uhr auf dem Flughafen. Uns wurde dann umgehend mitgeteilt, dass der Flug erst 4:45 Uhr starten würde. Eine Umbuchung unseres Fluges von Istanbul nach Berlin war also erforderlich, jedoch ganz unkompliziert möglich. Erschöpft von einer langen und intensiven Arbeitswoche lagen wir auf dem Fußboden der Wartehalle im Flughafen und versuchten ein wenig zu schlafen. Erfolglos! Das Personal begann mit den Aufräumarbeiten. Reinigungsmaschinen brummten, Stühle und Tische im Gastro-Bereich wurden hin- und her geschoben und benutztes Geschirr klappernd zur Seite gestellt. Dann der Aufruf unseres Fluges! Endlich!

Doch die ersten Tage in Berlin bei sonnigem Herbstwetter entschädigten uns sehr schnell für diese anfängliche Strapaze. Ein Bummel durch das “Schöneberger Südgelände”, einem ehemaligen Eisenbahngelände, welches jetzt mit Industriekunst und einem Cafe zum Park umgestaltet wurde zurück zum Potsdamer Platz und abschliessendem Kinobesuch “007 keine Zeit zu sterben” zeigten uns wieder ganz deutlich, was wir in Ruanda vermissten. Familie und die verrückte Vielfalt der Stadt mit Kunst und Kultur.

Nach nur drei Tagen in Berlin ging es mit meinen Eltern weiter nach Schwerin. Dort würden wir vier Tage gemeinsam in einem Hotel verbringen. Schwimmbad und See-Sauna inklusive. Das Geburtstagsgeschenk zum 80. für mein Väterchen. Entspannt gemeinsam Zeit zu haben, war alles was wir wollten!

Wir hatten sehr, sehr schöne und unvergessliche Tage. Bei weiterhin strahlendem Sonnenschein konnten wir eine Bootstour auf dem Schweriner See unternehmen und das besondere Flair der Stadt mit dem “Märchenschloss” und toll angelegtem Parkgelände geniessen. Abends waren wir sogar noch zur einer Premieren- Aufführung im Theater und sassen in der Herzoglichen Loge. Vorab ein festliches Essen mit Wein und in der Pause noch ein Gläschen Sekt! Perfekt!

Zum Abschluss unseres Deutschland Aufenthaltes waren wir noch in Hoyerswerda, um den Geburtstag meiner Mutsch zu feiern und diesmal waren sogar Lotti, Leo und Larissa mit dabei. Wir trafen uns alle im Branitzer Schlosspark-Restaurant zum Mittagessen und abends in der “Grill & Chill Pyramide” am Lohsa See. Als Bett-Hupferle wurden noch fünf verschiedene Whisky Sorten probiert. Diese hatte Väterchen ein paar Tage zuvor von Thomas Mutsch zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ein guter Anlass, um gemeinsam auf das Leben und die Familie anzustoßen.

Die Waage hat es uns nicht gedankt aber dafür waren wir alle richtig glücklich über die gemeinsame Zeit und die Chance, in bezaubernder Atmosphäre gesund und munter miteinander zu feiern.

Abschied und Neuanfang

Wieder einmal ist es soweit: Abschied und Neuanfang für mich! Nach zwei Jahren in Ruanda habe ich endlich eine bezahlte Arbeit in Kigali gefunden. Bereits vor einem Jahr hatte ich mich bei der GIZ als Entwicklungshelferin beworben und wurde angenommen, doch die Stelle konnte nicht besetzt und das Bewerbungsverfahren nicht abgeschlossen werden. Die Finanzierung des Programmes war zu diesem Zeitpunkt unerwartet nicht mehr gesichert. Nun wurde ich Anfang September zu dem bereits vor einem Jahr geplanten Vorstellungsgespräch bei einer lokalen Partnerorganisation eingeladen. Am 1.11.21 werde ich bei der GIZ anfangen.

Die Ironie des Schicksals ist es, dass ich mich von der intensiven Zusammenarbeit mit “Seeing Hands Rwanda” verabschieden werde, um bei einer NGO “Rwanda Union of the Blind” (RUB) zu arbeiten. Das Thema Organisationsentwicklung mit dem Schwerpunkt “Menschen mit besonderen Bedürfnissen” und ganz speziell die Unterstützung blinder Menschen bleibt mir also weiterhin erhalten. Und selbstverständlich möchte ich versuchen, beide NGO’s zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Das Konzept für ein “Inclusive Community Center” (ICC) habe ich fertig gestellt und nun kommt hoffentlich dessen Umsetzung. Noch fehlen uns allerdings die entsprechenden finanziellen Mittel. Doch vielleicht kann ich meine Arbeit bei der GIZ mit meiner Tätigkeit bei “Seeing Hands Rwanda” verbinden, wobei die Intensität meines Einsatzes von zuletzt 4-5 Tagen pro Woche bei einem GIZ-Vollzeitjob nicht mehr zu gewährleisten ist. Mein Büro werde ich vorerst jedoch weiterhin in Kacyiru bei “Seeing Hands” nutzen.

Als ich Beth von dieser Job-Möglichkeit berichtete, war sie einerseits sehr traurig und es kullerten sogar ein paar Tränen. Andererseits freute sie sich sehr für mich. Ihr ist schon auch klar, dass meine Präsenz nicht mehr in diesem Umfang möglich sein wird aber sie erhofft sich durch meine neue Tätigkeit auch engere Kontakte in der Entwicklungszusammenarbeit und vielleicht sogar Unterstützung durch die GIZ. Mal sehen, ob und wie ich beide Tätigkeiten kombinieren kann. Jedenfalls tut es mir unendlich leid, die weitere Entwicklung von “Seeing Hands” nicht mehr so intensiv begleiten zu können und dabei sind wir auf einem guten Weg der Öffnung und der Vielfalt.