Holzanbau

Wenn von Holz und Bäumen die Rede ist, denke ich zu aller erst an einen Laub- oder Mischwald in Deutschland. Besonders schön ist er ja im Herbst, wenn die Sonne eine ganz besondere Farbenpracht durch leuchtend bunte Blätter hervorbringt. Im Winter assoziiere ich eher einen Brandenburgischen Nadelwald mit großen dichten Tannen und Kiefern. Als potentieller Weihnachtsbaum können auch diese Baumarten prächtig glänzen und dazu noch frisch und harzig duften.

In Rwanda dagegen sehen wir riesige Bananen-Plantagen und Aufforstungsgebiete mit unterschiedlichen Eukalyptusarten. Diese Bäume sind immergrün und schnellwachsend und verströmen auch einen ganz wunderbaren intensiven Duft. Daher werden Eukalyptuszweige in den hiesigen Saunen für das Feuer und selbstverständlich auch für einen natürlichen Aufguss verwendet.

Ausserdem gibt es noch Anpflanzungen von Mahagonibäumen und den Croton (Wunderbaum). Letzteren kennen wir in Europa nur als dekorative aber auch empfindliche Zimmerpflanze. Die Nüsse des Baumes werden zur Herstellung von Biokraftstoff verwendet.

Eukalyptusbäume bringen aufgrund ihres schnellen Wachstums in kurzer Zeit gute Erträge. Holz ist in Rwanda neben Coltan, Tee und Kaffee, ein sehr wichtiger Rohstoff. Er wird als Baumaterial (Nutzzweck), zum Erosionsschutz und als Wasserspeicher (Schutzzweck) verwendet. Außerdem kochen 97 % aller Haushalte zusätzlich zu modernen Gasherden auch noch mit Holzkohle und offenem Feuer. Daher kommt einer nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft eine ganz immense Bedeutung zu, die auch von der GIZ unterstützt und vorangetrieben wird.

Auf unseren Wochenendausflügen zum Kivu Lake kommen wir immer an großen Eukalyptus Aufforstungsgebieten vorbei und man sieht ganz deutlich, weshalb der Erosionsschutz so wichtig ist. Ruanda, das Land der 1000 Hügel, hat da besondere Herausforderungen zu meistern. Die Schwierigkeiten zeigen sich ganz massiv an den schlechten Straßen. Obwohl einige erst vor wenigen Jahren in die Berge hineingegraben, geteert und befestigt wurden, sind zahlreiche Löcher das traurige Ergebnis von Erdrutschen und Steinschlägen. Die steilen Hänge werden nicht mit Netzen oder Gitterkonstruktionen stabilisiert. Auch die in der Regenzeit herabströmenden Wassermassen tragen erheblich zu dem bestehenden Straßenbild bei.

Die Forstwirtschaft ist ein guter Arbeitgeber denn zahlreiche junge Menschen, gerade in den ländlichen Regionen, bekommen dadurch die Chance auf ein kleines Arbeitsentgelt. Männer schlagen meterhohe Bäume und nutzen dafür ihre Macheten. Diesen fehlt jedoch oft ein Griff und daher sind sie mit Stofffetzen umwickelt, um die Klinge besser greifen zu können und Verletzungen zu vermeiden. Andere sägen zu zweit Bretter aus den langen Baumstämmen, die auf einem erhöhten Gestell gelagert werden. Dafür kommt eine überdimensionierte Fuchsschwanz-Säge zum Einsatz. Zur besseren Haltbarkeit für den Bau wird ein Teil der Stämme mit einer teerhaltigen Lösung behandelt. Alle Arbeiten erfolgen ohne Schutzbekleidung und ohne Gefahrenzulage. So etwas kennt man hier natürlich nicht.

Auf langen Fußmärschen transportieren meist Frauen Feuerholz auf ihren Köpfen balancierend und haben noch ein Baby auf den Rücken gebunden. Wir würden dieses Arbeitsaufkommen und die damit verbundene körperliche Belastung keine 5 Minuten durchhalten. Da helfen auch regelmäßige Fitness-Studiobesuche nicht weiter. Wir sind jedes Mal auf’s Neue erstaunt, was nur durch Menschenkraft und auf ganz herkömmliche Art und Weise doch noch machbar ist und auch gemacht wird.

Wir fahren auf dieser Strecke immer mal wieder, um am Kivu See ein schönes entspannte Wochenende (wovon eigentlich?) zu verbringen und nach einer kleinen Wanderung im Gelände den Sonnenuntergang mit einem Cocktail zu geniessen. Was für eine Ungerechtigkeit aber für uns trotzdem schön!

Ein Jahr Ruanda

Der 15.08. war mein Jubiläumstag, ein Jahr Kigali! Es war ein erlebnisreiches aber auch anstrengendes Jahr mit vielen Herausforderungen für mich im neuen Umfeld, ohne Job und mit äußerst eingeschränkten Sozialkontakten. Witziger Weise waren Thomas und ich an diesem Tag gerade noch auf Heimaturlaub in Berlin. Anyway!

Nach unserer Rückkehr aus dem Haus unserer Freunde in Kiyovu in unser eigenes Haus in Kicukiro im August hatten wir uns vorgenommen, einiges im Alltag anders zu machen. Das vergangene Jahr hatte gezeigt, dass die Strukturen und Abläufe, die wir uns bisher geschaffen hatten, für mich nicht passten.

Da Kicukiro ein Außenbezirk Kigalis ist, wohnen wir etwas abgeschnitten von vielen kleinen Attraktivität, die für Muzungus interessant sind. Beispielsweise fehlen kleine Expat-Shops mit Naturkosmetik (made in Rwanda) oder Bioläden mit Tofu und Soja-Milch aber auch eine gewisse Vielfalt an fußläufigen Restaurants und Art-Galerien. Damit verbunden ist natürlich auch ein kommunikativer Austausch mit anderen Muzungus. Doch dadurch lebt man dann in einer kompletten „Expat-Blase“ und bekommt von Land und Leuten gar nix mehr mit. Man hat sich in Rwanda mit all den luxuriösen Dingen ausgestattet, die man aus der Heimat gewöhnt ist. Kein Verzicht, keine Einsicht und keine minimale Adaption an das Land der eigenen Wahl. Schade! Deshalb sind wir in Bezug auf einen Umzug auch sehr ambivalent. Einerseits wohnen Freunde und Bekannte in den „In-Stadtteilen“ Kiyovu, Kimihurura oder Kacyiru, die wir gern öfter und spontan treffen wollen würden. Andererseits lieben wir auch unsere ländliche Idylle mit tollem Blick in’s Tal und auf das Dorf „Muynage“, in dem wir wohnen. Hmmm! Was machen wir also?

Damit es für mich trotzdem nicht (mehr) so einsam ist, haben wir uns klitzekleine Veränderungen überlegt, die jedoch eine immense Auswirkung auf meinen Alltag und mein Wohnbefinden haben werden.

  1. Thomas und ich gehen einmal in der Woche gemeinsam Mittag essen in der City
  2. Ich fahre mindestens einmal in der Woche früh mit Thomas in die Stadt und arbeite dort im Office der GIZ im „Karriere Center für DSSD“ (Career Center for Digital Solution Sustainable Development)
  3. Wir beginnen den Tag entweder mit Yoga oder einer kleinen Joggingrunde in unserem Kiez

Wenn man es sich mal genau überlegt, sind das die üblichen „Neujahrsvorsätze“, von denen man weiß, wie sie normalerweise enden. Daher werden wir uns besonders bemühen, wenigstens einen guten Vorsatz dauerhaft beizubehalten. Die ersten drei Wochen waren wir so motiviert und haben selbstverständlich alle drei durchgezogen. Warten wir es ab und schauen in einem halben Jahr noch einmal auf unsere ganz persönliche Bilanz.

Allerdings habe ich unterdessen nach einem Jahr auch das Gefühl, Dinge haben sich für mich zum Positiven entwickelt. Beispielsweise bin ich stärker in das „Blutbankprojekt“ eingebunden. Während unseres 4-wöchigen Urlaubs in Berlin, haben die Kollegen erkannt, dass meine Unterstützung in der Prozessentwicklung und im -design hilfreich ist und das Projekt vorwärts bringt. Nun haben sie von sich aus kommuniziert, zweimal wöchentlich Termine mit mir zum gemeinsamen Designen nach BPMN planen zu wollen. Das unterstützt mein Vorhaben, außerhalb der eigenen vier Wände tätig und mit anderen im Austausch zu sein. Dafür ist das Career Center mit seiner Hightech-Ausstattung ein ganz großartiger Ort.

Außerdem kennen wir mehr (und vermutlich unterdessen auch die „richtigen“ Leute). So unterstütze ich zwei Frauen, ihre persönlichen beruflichen Wünsche durch neue Konzepte umzusetzen. Ich schreibe oder überarbeite die Konzeptentwürfe, bin mit ihnen inhaltlich im Austausch und unterstütze die beiden abschließend, ihre Ideen als Projekte bei der GIZ einzureichen und zu beantragen.

Zusätzlich planen Mirko und ich, uns mit einem eigenen Beratungskonzept selbständig zu machen. Da wir beide aus dem Sozialbereich kommen, umfangreiche Erfahrungen zu den Themen Inklusionspädagogik, Change- und Prozessmanagement haben, wollen wir beratend für NGO’s und staatliche Organisationen in Kigali tätig werden. Der Bedarf ist hundertprozentig da, allerdings wissen das die Betroffenen bisher oft noch nicht. Das wollen wir ändern.

Alles in allem würde ich sagen, „läuft gerade“! Ideenüberschuss! Die nächsten Monate werden somit auch wieder eine Herausforderung aber ganz anderer Art. Mit viel Geduld und Ausdauer müssen wir uns mit einem eigenen Business als Muzungus ins Gespräch bringen. Bin gespannt, ob uns das gelingt. In „Selbstvermarktung“ habe ich definitiv noch Nachholbedarf. Aber erst einmal muss ein Konzept geschrieben, Visitenkarten erstellt, Workshop-Angebote geplant und Kontakte geknüpft werden. Also dann, los gehts!

Ein Tisch hat doch vier Beine!

Über adäquate Arbeitsbedingungen verbunden mit Arbeits- sowie Datenschutz braucht man hier in den meisten Bereichen gar nicht reden. Es gibt sie schlichtweg nicht. Die zentralen Vorgaben für Staatsbedienstete sind sehr umfangreich aber es gibt keine Diskussion über individuelle Lösungen aufgrund der persönlichen Situation des Arbeitnehmers.

So haben auch unsere Security Guards ein schweres Los. Sie arbeiten in zwei Schichten zu je 12 Stunden. Irgendwann gibt es mal einen freien Tag für jeden aber von regelmäßiger Dienst- und Schichtplanung kann keine Rede sein. Auch die Versorgung mit Mundschutz, Händedesinfektion oder selbst einfachem Handwaschmittel übernimmt der Arbeitgeber nicht. Daher hatten wir uns mit dem Ausbruch von Corona teilweise darum bemüht.

Bei normalen Temperaturen laufen die Guards auf dem Grundstück herum und versuchen, uns beim entspannten Sitzen auf unserer Terrasse nicht zu stören. Anderenfalls ziehen sie sich diskret hinter das Haus zurück. Dort steht ihnen, gerade bei extremeren Temperaturen oder in der Regenzeit, in einer Wellblechbaracke ein Raum von ca. 4 qm zur Verfügung. Er ist kahl und es gibt nur einen Haken an der Wand, einen weißen Plastikstuhl und ein großes Schicht-Notizbuch. Das wird in Ermangelung einer adäquaten Ausstattung auf dem Boden abgelegt. In diesem Raum oder besser Räumchen können sich die Guards umziehen und die Privatsachen gegen die Uniform tauschen. In einer Ecke des Raumes steht meist ein Rucksack mit Essen und einer Flasche Wasser, sowie das Schuhputzzeug. Letzteres ist super wichtig, da vor jeder Schicht die schwarzen Lederstiefel geflimmert werden (müssen!).

Neben dem winzigen Raum befindet sich ein Stehklo, allerdings mit Wasserspülung und einem Eimer, falls diese einmal ausfallen sollte. Nun muss man nicht denken, dass nur unser Haus bzw. Grundstück so mangelhaft für das Servicepersonal ausgestattet ist. Das ist der traurige Standard in allen Muzungu- Anwesen bzw. auch auf allen Grundstücken der einheimischen Mittelschicht. Manchmal sind es sogar nur Nischen, in denen die Guards allem Wetter trotzen müssen.

Daher hatten Thomas und ich überlegt, die Arbeitsbedingungen unserer Guards ein wenig zu verbessern. Wir schlugen ihnen vor, einen neuen Stuhl und einen Tisch aber auch einen Sonnenschirm zu kaufen. So könnten sie draußen neben dem großen Rolltor sitzen und hätten auch einen besseren Überblick über vorbeigehende Passanten. Begeisterung!

Am nächsten Tag zeigten uns zwei Guards zum Schichtwechsel einen Katalog mit Stühlen. Sie wüssten, wo in Kicukiro ein „Studio“ wäre, wo man so etwas kaufen könnte. Wir waren überrascht und verabredeten uns mit Donatien, der gerade die Nachtschicht verliess, am nächsten Tag, Samstag um 8:30 Uhr zum gemeinsamen Einkauf. Schließlich sollte die Ausstattung den Wünschen der drei Guards entsprechen.

Nach einem gemeinsamen Frühstückskaffee brachen wir auf. Allerdings wurde uns schon an der ersten Kreuzung klar, dass Donatien keinen Plan hatte, wo er mit uns den Stuhl kaufen wollte. So fuhren wir zu unserer Verärgerung am verkehrsreichen Samstagmorgen mit dem Auto in die Innenstadt. Ziel- und planlos!

Auf dem ersten Großmarkt, dem bekannten „Kigali Wood-market“ gab es zwar unzählige Möbelstücke jedweder Art, Form und Größe. Allerdings waren alle aus Holz, wie der Name des Marktes ja bereits vermuten liess. Aufgrund der bevorstehenden Regenzeit und der generellen Nutzung des Stuhls im Freien hatten wir jedoch in unserer Vorstellung ein anderes Material im Auge. Also brachen wir nach den üblichen ersten Verhandlungs-gesprächen die Aktion ab und fuhren weiter. Einmal quer durch die Innenstadt. Der Stadtverkehr ist zwar nicht so chaotisch wie wir ihn aus Indien kennen, jedoch trotzdem nichts für schwache Nerven und ungeduldige Fahrer. Um die wahl- und sinnlose Suche nach einem „Möbelstudio“ zu beenden und vielleicht trotzdem noch erfolgreich unser geplantes Vorhaben umsetzen zu können, entschlossen wir uns schweren Herzens wieder einmal zu „T 2000“ zu fahren. Das zweietagige, von Chinesen geleitete und entsprechend ausgestattete Shoppingcenter trägt zwar nie zur Verbesserung unserer Laune bei, ist jedoch die „erste Adresse“ für alles, was man im Alltag braucht aber auch für alles, was man niemals brauchen wird. Der dortige Qualitätsanspruch passt leider gar nicht mit unserem zusammen, doch es gibt scheinbar wirklich ALLES!

So war das Probesitzen von Donatien auf diversen Stühlen schnell erfolgreich. Ein etwas höherer Bar-Stuhl, sollte es sein. Dazu passend gab es auch einen hochbeinigen runden Tisch mit Glasplatte. Beides aus rostfreiem Metall und schwarz lackiert. Die Ausstellungs-stücke wiesen jedoch schon Abnutzungserscheinungen auf, d. h. der Lack war an einigen Stellen einfach schon ab. Wir signalisierten Interesse an dem Modell und bekamen genau diese beiden Möbelstücke und eine Sprühdose schwarzen Autolack angeboten. Schließlich könne man doch die kleinen Schäden damit ganz leicht selbst ausbessern und es seien ohnehin die letzten Exemplare. Der Verkaufspreis bliebe allerdings der selbe! Wie bitte? Das war doch bestimmt ein Missverständnis!? Aber nein, die meinten das ernst! Thomas versuchte zu verhandeln und plötzlich standen drei junge Verkäufer um uns herum und argumentierten. Donatien war diesbezüglich keine Hilfe, ihm schien das alles nur mega peinlich zu sein. Das Verhandlungsgespräch ging einige Minuten erfolglos hin und her und wir waren gerade dabei abzubrechen. Plötzlich brachte einer der Verkäufer doch noch je ein verpacktes und bis zur Unkenntlichkeit verstaubtes Exemplar aus dem Lager angeschleppt. Na bitte, hatten wir es doch vermutet! Zweite Verhandlungsrunde!

Nun wurde entpackt und die auseinander geschraubten Modelle zur Überprüfung zusammengebaut. Dabei stellte Thomas fest, dass die Tischbeine unterschiedlich lang waren. Zwei kurze und zwei etwas längere waren in der Packung zusammengestellt worden. Diese Erkenntnis kam für uns einerseits zum ungünstigsten Zeitpunkt, da wir bereits 45 Minuten in dem Center zugebracht, gewartet und diskutiert hatten. Andererseits kam die Erkenntnis ja genau richtig, da wir unseren potentiellen Neuerwerb noch nicht bezahlt hatten. Was nun? Ein Verkäufer baute unbeirrt von Thomas Erkenntnis den Tisch manuell weiter zusammen und die zwei anderen Verkäufer standen ungläubig daneben. Auch beim Beobachten der handwerklichen Fähigkeiten bekam man als Kunde keine leuchtenden Augen in Vorfreude auf den neuen Besitz. Im Zeitlupentempo wurden Schrauben gedreht, passendes Werkzeug gesucht, dicke Staubschichten abgewischt und die Maße der Tischbeine mehrfach genommen. Als die praktische Erkenntnis des Nichtpassens nicht mehr zu verleugnen war, wurde kurzerhand noch einmal der Hammer geschwungen und mit Gewalt auf das Tischbein eingehämmert. Doch es half nichts, es passte einfach nicht! Nun sollte das Ausstellungsstück auseinander geschraubt und die Beine ausgetauscht werden. Na das konnte ein ganz guter Plan sein! Weitere 30 Minuten vergingen, bis unzählige verkantete Schrauben manuell raus- und am neuen Modell wieder rein geschraubt waren.

Donatien hatten wir unterdessen Taxi-Geld gegeben und nach Hause geschickt. Er würde ja noch die Nachtschicht antreten müssen und brauchte ein wenig Schlaf. Thomas hatte sich auf einer weiteren Sitzgruppe im Ausstellungsbereich niedergelassen und beobachtete genervt das unvorstellbare Treiben. Stolz zeigt uns der Verkäufer nach weiteren 20 Minuten, dass unterdessen die drei ausgetauschten und neu angeschraubten Tischbeine ganz wunderbar passten, obwohl sie unterschiedlich lang seien. Es sei also alles kein Problem und wir könnten den Tisch nun ruhig mitnehmen. „Ein Tisch hat doch aber wohl 4 Beine!“ rief Thomas etwas lauter als beabsichtigt und war nahe am Explodieren. „Alle Beine müssen passen, sonst wird das hier nix!“ Genervt nahm nun er den Schraubendreher und half dem völlig verunsicherten Verkäufer beim weiteren Austauschen, Auseinanderbauen und Zusammensetzen. Im Endergebnis kippelte der Tisch immer noch etwas. Ein wenig Druck mit dem gesamten Körpergewicht und ein kräftiger Faustschlag auf die Tischplatte durch den Center Manager und der Tisch stand perfekt. Na bitte, wer sagt’s denn, passt doch! Dritte Runde! Wir kauften und bezahlten endlich den verdammten Tisch und den dazu passenden Stuhl und verliessen nach zwei Stunden „T 2000“. Der Samstagvormittag war unglücklicherweise leider vorbei, unsere Guards jedoch waren mehr als happy über die neue Sitzmöglichkeit in unserem Garten. Nun fehlt uns nur noch ein passender großer Sonnenschirm aber das wird bestimmt eine weitere lustige Begebenheit.

Geburtstagsüberraschung

Gerade einen halben Tag zurück in den eigenen vier Wänden in unserem Haus in Kicukiro und schon stand mein Geburtstag vor der Tür. Thomas war ein wenig traurig, da ihm keine ausreichende Vorbereitungszeit durch unseren längeren Quarantäneaufenthalt im Hotel geblieben war. Er hatte sich das alles ganz anders vorgestellt. Ich war früh noch mit dem Auspacken unserer zahlreichen Koffer beschäftigt, sortierte die Wäsche und verstaute die mitgebrachten Lebensmittel- und Kosmetikvorräte. Thomas begann ab 8:30 Uhr im Homeoffice zu arbeiten und hatte bereits Kopfhörer auf für die erste Videokonferenz.

Dienstags kommt auch Betti immer zu uns und hilft uns im Haushalt. Ich hatte ihr eine „to do Liste“ für die Zeit unserer Abwesenheit erstellt und war mir daher nicht sicher, ob sie an diesem Dienstag erscheinen würde. Schließlich hatten wir in den letzten Tagen und Wochen nur sehr sporadisch Kontakt per WhatsApp gehabt. Doch pünktlich 9:00 Uhr klingelte es und sie begrüßte uns Freude strahlend. Im Flüsterton erklärte ich ihr, dass Thomas arbeiten müsse und wir daher beide oben mit dem Saubermachen und Wegräumen beginnen sollten.

Nach einer Weile hörte ich Thomas von unten aus dem Wohnzimmer rufen: „Oh nein, so ein Mist! Sonni, komm doch mal und sieh dir das hier an.“ Was war denn nun schon wieder? Gab es etwa wieder einen Wasserschaden oder war während unserer Abwesenheit der 2000 Liter Wasserspeicher kaputt gegangen? Wurde die Straße wieder aufgerissen, da man vergessen hatte die richtigen Kabel zu legen? Nein! Bitte, nur das nicht!

Thomas stand in der halb offenen Tür, schaute nach draußen auf die Terrasse und plötzlich hörte ich jemanden singen: „…happy birthday to you, happy birthday to you…!“. Vor der Tür standen Betti und unsere drei Security-Guards mit einer Torte auf der ein kleines Feuerwerk sprühte. Mir kamen die Tränen! Ein Guard war extra nach der Nachtschicht noch einmal zurückgekommen und ein anderer hatte seinen freien Tag für mich geopfert und war 1 Stunde zu uns gelaufen. Er würde auch noch die Nachtschicht übernehmen. Es war unglaublich! Dazu muss man wissen, dass es hier in Ruanda für die normale Bevölkerung eigentlich nicht üblich ist, Geburtstage richtig zu feiern. Das ist ein ausschließliches Privileg der finanzkräftigeren Mittelschicht. Daher war ich um so mehr gerührt über die Anteilnahme an meinem Geburtstag.

Schnell kochte ich Kaffee und Tee. Sogar Soft-Drinks hatten meine Überraschungsgäste mitgebracht. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Gemeinsam probierten wir die leckere Torte.

Am Nachmittag kamen weitere Überraschungsgäste. Natalie und Mirko mit ihren beiden Kids und Elisabeth standen mit Blumen und Geschenken vor der Tür. Damit hatte ich auch gar nicht gerechnet und freute mich daher riesig! Was für eine Wiedersehensfreude auf allen Seiten. Jeder hatte etwas Aufregendes zu berichten und war von den erneuten Einschränkungen durch die Corona-Schutzmaßnahmen auf ganz eigene Art und Weise betroffen. Trotzdem war es ein fröhlicher Nachmittag.

Thomas hatte als dritte Überraschung sogar noch einen traumhaften Strauß 49 dunkelroter Rosen und eine Rwandische „Schwarzwälder-Torte“ besorgt. Das Wort „Kirsche“ fehlte allerdings, da es diese hier nicht gibt. Beides war einmalig und ich richtig glücklich.

Ankunft in Kigali

Nachdem unser Rückflug dreimal verschoben wurde und wir von Brussels Airline über Türkisch Airlines zu KLM wechseln mussten, sind wir am 05.09. wieder in Kigali angekommen. Aufgrund meiner Thrombose, die erst vor einer Woche diagnostiziert worden war, hatten wir auf Business Class upgegradet. Eine kluge Entscheidung, wie sich nach 10 Stunden Flug und weiteren 10 auf den Beinen herausstellte. Außerdem konnten wir so auch mehr Gepäck mitnehmen. Zusätzlich hatten wir auch noch unsere Fahrräder in speziellen Packtaschen verstaut und wollten sie als Sperrgepäck aufgeben.

Vor Flugantritt mussten wir etliche Papiere online ausfüllen und bekamen einen individuellen Gesundheitscode zugeschickt, nachdem wir erneut einen PCR-Corona-Test hatten machen lassen müssen. Außerdem war eine Buchungsbestätigung für ein Hotel in Ruanda erforderlich, wo wir 24 Stunden in Quarantäne bleiben würden. Das Hotel konnten wir aus einer doppelseitig bedruckten A4 Liste, die die Ruandische Regierung zusammengestellt hatte, auswählen. Die Kosten würden von uns getragen werden müssen und begannen bei 200 US$ p.P. und Übernachtung. Eines der preiswerteren „Angebote“, welches wir dann auch wählten, lag bei 65 US$ p.P.

Nach all diesen Recherchen und Vorbereitungen dauerte unser Check in auf dem Flughafen Tegel 45 Minuten. Schließlich mussten alle Unterlagen geprüft und gescannt sowie das Sperrgepäck bezahlt und gesondert aufgegeben werden. Beim Umsteigen in Amsterdam war ein erneuter Temperaturcheck notwendig. Dazu war Gate E1 zum „medical check Gate“ umfunktioniert worden. An unzählige Reisende wurde ein Formular ausgegeben. Der aktuell gemessene Körpertemperaturwert musste dort eingetragen und einige persönliche Fragen beantwortet werden. Ein offizieller Stempel des Flughafengesundheitsdienstes bescheinigte die Richtig- und Wichtigkeit. Damit ging es dann für uns zum Terminal F5 für den Weiterflug nach Kigali.

Bei Ankunft in Kigali wurden alle Reisenden vom Flughafenpersonal mit mobilen Desinfektionsmittelflaschen zur Reinigung der Hände angehalten. Auch vor den Passkontrollschaltern, nur wenige Schritte danach, mussten sich alle erneut die Hände an einem Automaten desinfizieren. Durch einweisendes Personal wurden alle Angekommenen aufgefordert, sich in perfekt ausgemessenen Wartereihen mit Markierungen in einem Abstand von 1,50 Meter zu jeder Seite anzustellen. Diese durften auch auf keinen Fall übertreten werden und nur nach Aufforderung durch das Militär war ein Vorwärts oder ein Seitwärtswechsel in eine andere Reihe möglich. Medizinisches Personal in kompletter Schutzkleidung befragte erneut jeden einzelnen Einreisenden und die gesamten Papiere (individueller Gesundheitscode, Covid-Test, Hotelbuchung, Einreisegenehmigung etc.) mussten erneut vorgezeigt werden. Trotzdem dauerte die Passkontrolle nur 35 Minuten. Alles war perfekt organisiert und bis ins Detail geplant. Nach der Passkontrolle…ja klar, erneute HÄNDEDESINFEKTION! Und weiter ging es zur Handgepäckkontrolle.

Vor dem Flughafen wurden wir bereits erwartet und vom Hotel mit einem Bus abgeholt. Das Hotel hatte sich um die „movement clearance“ (Genehmigung, sich auch nach der Ausgangssperre 19:00 Uhr auf den Straßen Kigali bewegen zu dürfen) gekümmert. Vor dem Einsteigen in den Bus: HÄNDEDESINFEKTION. Nach Ankunft im Hotel: HÄNDEDESINFEKTION. Meine Hände begannen sich bereits wieder „aufzulösen“ in Anbetracht der unzähligen Wasch- und Desinfektionsvorgänge. Aber darum kommt man hier in Kigali nirgends herum. Auch der Mund- Nasen-Schutz ist dauerhaft zu tragen. Aufmerksame Beobachter und extra abgestelltes Personal fordern nachdrücklich dazu auf, sollte man den ausgewiesenen Schutzmaßnahmen nicht selbständig folgen.

Gegen 21:30 Uhr wurde ein dritter Covid-Test im Hotel durchgeführt und all unsere Papiere kamen erneut auf den Tisch. Ich war müde und unterdessen total angenervt von den ewig gleichen Fragen und dem administrativen Papierkram. Aber was half’s? In Berlin kostete ein PCR-Test 200 EUR p.P. (Laborkosten und Leistung des Arztes) dagegen waren in Kigali 60 EUR p.P ja fast Spielgeld.

22:30 Uhr bekamen wir das im Quarantäne-Hotel-Preis enthaltene Abendessen. Die Getränke jedoch würden wir noch zusätzlich bezahlen müssen. Egal! Das machte uns nun auch nicht ärmer, nur ein wenig sprachlos. So gönnte sich Thomas eine Cola Zero und wir waren glücklich, endlich duschen und schlafen zu können.

24 Stunden bis zum Testergebnis war uns versprochen worden, doch es kam am nächsten Tag anders, als erwartet. Die Covid-Testergebnisse ließen auf sich warten und Thomas wurde unleidlich und ungeduldig. Stündlich rief er in der Rezeption an, um aktuelle Informationen zu erhalten. 21:00 Uhr stand dann fest, wir würden noch eine zweite Nacht im „Great Season“ Hotel und ausschließlich in unserem 10qm großen Zimmer verbringen müssen. Im Labor gab es technische Probleme und wir würden den Covid-Test am nächsten Morgen wiederholen müssen. Unsere Stimmung war am Tiefpunkt angelangt.

Die Versorgung zu den Mahlzeiten lief einiger Maßen reibungslos. Wir konnten aus einigen wenigen Gerichten auswählen. Diese wurden dann, oft erst nach einer Stunde in Aluminiumschalen auf dem Hotelflur an uns übergeben. Nach den Mahlzeiten mussten wir das benutze „Geschirr“ ebenfalls auf dem Flur abstellen. Es fühlte sich an, als seien wir Aussätzige. Aber anderen Mitreisenden ging es natürlich ebenso.

Am nächsten Morgen warteten wir auf die telefonische Aufforderung, erneut zum Covid Test in einem extra dafür eingerichteten Konferenzraum des Hotels erscheinen zu müssen. Doch 10:00 Uhr wurde Thomas mitgeteilt, dass das medizinische Personal noch nicht im Haus sei und wir uns gedulden sollten. Da Geduld leider nicht zu unserer beider Kernkompetenzen gehört, stieg die Verärgerung über die fehlende Kommunikation. Aber was hatten wir denn erwartet? Aufgestellte Informationstafeln zum Ablauf des Tests oder persönliche Rückrufe bei fehlenden Ergebnissen? Eigentlich sollten wir es doch unterdessen besser wissen. Sofern man die Verantwortlichen nervt und selbst nachfragt, bekommt man zumindest irgend eine Informationen. Trotzdem sollte man sich nicht (immer) darauf verlassen, dass sie richtig und aktuell ist. Also warten!

11:30 Uhr bekam ich unverhofft die lang erwartete SMS von RBC (Rwanda Biometrical Center), dass mein Covid 19-Test negativ ist! Jubel! Wir konnten „nach Hause“. Leider blieb die gleich lautende SMS für Thomas aus. Aber es konnte ja nun nicht mehr lange dauern. Schließlich waren unsere Abstiche nicht verloren gegangen und das Labor hatte offensichtlich seine „Probleme“ in den Griff bekommen denn mein Ergebnis lag ja schon vor. Doch bis 14:00 Uhr hörten wir weiterhin nichts über Thomas Ergebnis.

Unterdessen hatten wir Mittagessen bestellt und einen Alternativplan überlegt. Ich würde mich mit dem gesamten Gepäck vom Hotel nach Hause fahren lassen und Thomas würde mit einem Motorradtaxi folgen, sobald sein Testergebnis vorläge. Doch der hoteleigene Transporter stand nicht zur Verfügung sondern war im Einsatz auf dem Flughafen. Also ein Taxi musste her. Über das Hotel bekamen wir ein Großraumtaxi vermittelt und mussten nur noch über den Preis verhandeln. Corona führt auch hier zu enormen „Preissteigerungen“. Aber wir wollen fair zahlen und jede Leistung soll auch die dafür angemessene (nicht die preiswerteste!) Vergütung bekommen.

Endlich! 14:30 Uhr kam dann das negative Testergebnis für Thomas. Eilig transportierten wir unser Gepäck in die Eingangshalle und der Fahrer hievte die Packtaschen mit den Rädern auf den Dachgepäckträger. Alles andere verschwand schnell im Kofferraum.

Auf geht’s! Nach Kicukiro!