Bettys Business

Betty’s großer Traum ist ein eigenes Business. Sie plant das Recycling von Plastikabfällen, um daraus wasser- und hitzebeständige Fliesen herzustellen. Diese sollen dekorativ auf Tischen und Stühlen verarbeitet oder auch als Wandverkleidung genutzt werden können. Dafür arbeitete sie bisher hart im Schichtsystem einer Fabrik zur Herstellung von Müllbeuteln. Das damit verdiente Geld sparte sie teilweise für das notwendige Startkapital. Auch ihre technische Berufsausbildung unterstützt ihr derzeitiges Vorhaben.

Trotz der bestehenden Sprachbarriere hatte ich mich irgendwie inhaltlich mehrfach mit ihr zu ihrem Businesswunsch verständigt und so zeigte sie mir eines Tages einen Teil ihres Businessplanes.

Den diskutierten wir und es war klar, hier würde viel Unterstützung notwendig sein. Das Konzept stellte uns Betty bei einem Treffen mit Elisabeth vor. So konnten Thomas und ich erste Eindrücke sammeln, da die Übersetzung in Kinyarwanda und Englisch sichergestellt war.

Betty hatte auch bereits bei RDB (Rwanda Development Board) ihr eigenes Business registrieren lassen, um eine Steuernummer zu bekommen. Die „SIBO Engineering Company Ltd.“ war somit bereit, mit ihrem Konzept Einnahmen zu generieren und Steuern zu zahlen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Auch wir sind von der Idee überzeugt und haben Betty versprochen, sie und ihr kleines Team inhaltlich zu unterstützen. Als erstes stand daher ein Besuch vor Ort bei der „SIBO Engineering Company Ltd.“ an. Betty hatte bereits mit ihrem Eigenkapital eine Arbeits- und Lagerfläche angemietet, die wir nun besichtigen wollten. Außerdem würden wir einige Fotos machen, die wir dann für das schriftliche Konzept verwenden könnten.

In abgeschiedener Lage, auf einem Hügel neben einem großen Strommast und umgeben von zwei Lehmhütten sowie sandigen Buckelpisten fanden wir Bettys neue Firma. Sie besteht aus einem wackeligen Unterstand für die drei benötigten technischen Geräte: Ofen, Presse und Schredderer. Die ersten beiden Geräte haben die jungen Leute im Rahmen ihrer Berufsausbildung selbst entworfen und zusammengeschweißt.

Der Prozess zur Herstellung der Fliesen teilt sich in folgende Arbeitsschritte.

  1. Plastikkanister von Tankstellen aufkaufen und auswaschen
  2. Abfälle im Schredderer zerkleinern
  3. Plastikschnipsel in selbst zusammengeschweissten Stahlformen (Hexagon, Rechtecke, Quadrate) einfüllen
  4. Formen im Ofen auf 120°C erhitzen und Inhalt ca. 30 Minuten lang zum Schmelzen bringen
  5. Formen aus dem Ofen nehmen und abkühlen lassen
  6. Nachbearbeitung der Plastikfliesen durch sägen, schleifen etc.
  7. Verpackung und Verkauf

Es war so beeindruckend zu sehen, wie enthusiastisch die drei jungen Leute waren. Sie traten uns gegenüber auch in unterschiedlichen Rollen auf: Betty ist der Boss und verantwortlich für die Finanzen aber auch Fachfrau in technischen Fragen, der junge Mann fungiert als Hauptansprechpartner bei allen technischen-elektrischen Fragen und die andere junge Frau ist die Marketing-Chefin. Sie überreichte uns zum Abschluss ihr Gästebuch, in welches wir uns mit Anregungen und konkreten Unterstützungszusagen eintragen sollten. OK, das hätte in diesem Stadium noch Zeit gehabt denn auch vor Ort wurde im Gespräch klar, dass noch viel inhaltliche Arbeit anstand und von einer baldigen „Produktion“ noch keine Rede sein konnte.

Aber auch wir schienen einen guten Eindruck gemacht zu haben, denn wir wurden umgehend gebeten, weiter für Beratung zur Verfügung zu gehen. Kein Problem, das war doch machbar. Also verabredeten wir uns noch am gleichen Tag im „Java Cafe“ in der Innenstadt, um weitere Details und nächste Schritte zu diskutieren.

Die zukünftigen Vorstellungen und die eigene Wahrnehmung der drei frisch gebackenen Businessman/Businesswomen von ihrem Unternehmen war so abweichend von dem, was wir vor Ort gesehen hatten. Für sie stand als nächster Schritt das Marketing an, doch was wollten sie eigentlich vermarkten? Auf Nachfragen kam auch heraus, dass es einen weiteren Studenten und 50%-igen Anteilseigner gab, dem die drei Maschinen gehörten. Damit wurde es ja nun richtig spannend. An Beispielen versuchten Thomas und ich einerseits die Risiken des Organisationskonstruktes aber andererseits auch die nächsten Handlungsschritte zu kommunizieren.

Ein Licht schien den dreien aufgegangen zu sein. Wir verabredeten bis zum nächsten Treffen folgende Aktivitäten.

  1. Erstellen eines schriftlichen Konzeptes zur Beantragung von Fördergeldern bzw. eines Darlehens bei einer Bank
  2. Anfrage beim Anteilseigner bezüglich der weiteren Zusammenarbeit und Absicherung mit einem Vertrag
  3. Recherche zu finanziellen Möglichkeiten zum Rückkauf der Maschinen (Bank Darlehen?)
  4. Suche nach einem geeigneten Ort, um die Maschinen sicher und vor der beginnenden Regenzeit geschützt, unterstellen zu können

Zufrieden, doch etwas weniger euphorisch aufgrund der noch zu klärenden vielfältigen Themen und der bestehenden Unsicherheiten, brachen die drei Neuunternehmer*innen wieder auf. Wir warten gespannt auf eine weitere Kontaktaufnahme. Mal sehen, was passiert.

Das Ergebnis ist aus unserer Sicht nach wie vor vielversprechend. EinTisch entstand bereits im Rahmen der Ausbildung von Betty und wurde an die junge Amerikanerin (Volunteer) verkauft. Nun sollte erst einmal ein weitere Beispielexemplar entstehen, mit dem dann Marketing betrieben werden kann. Aber Schritt für Schritt!

…irendwann klappt’s auch mit den Nachbarn

Von Anfang an haben wir uns bemüht, unsere persönliche und örtliche Nachbarschaft kennenzulernen. Deshalb hatten wir uns in vor- Conona- Zeiten gleich zum Umuganda angemeldet. Diese nachbarschaftlichen Arbeitseinsätze zum Wohle der sozialen Gemeinschaft gibt es unterdessen aufgrund der Pandemie nicht mehr. Auch die Einkäufe auf lokalen Lebensmittelmärkten zur Unterstützung der einheimischen Bauern sind zur Vermeidung von Corona-Hotspots leider passé.

Da auch das nahe gelegene Fitness-Studio nach wie vor geschlossen ist, sporteln wir wie die Einheimischen und laufen morgens immer mal wieder 20 Minuten eine Runde durchs Dorf und begegnen dabei dem einen oder anderen ebenfalls joggenden Nachbarn. Nach Luft schnappend, pressen wir ein „Mwaramutse“, Guten Morgen!“ hervor und werden mit einen freundlichen Nicken, mit einem „Daumen hoch“ oder mit dem Ausruf „Esprit, Esprit!“ belohnt.

Die wenigen und mühsam aufgebauten Sozialkontakte sind durch den Ausbruch der Pandemie, durch unseren Aufenthalt in Kiyovu aber auch durch unseren 4-wöchigen Aufenthalt in Deutschland wieder eingeschlafen bzw. gar nicht erst so richtig zum Tragen gekommen.

Trotz selbst gebackener Weihnachtsplätzchen und einem kleinen Nicolausgruss für unsere Nachbarn im vergangenen Jahr sind unsere Kontaktaufnahmeversuche zu unseren unmittelbaren Haus-Nachbarn bisher stets einseitig geblieben. Daher hatten wir uns unterdessen auf gelegentlichen Smalltalk bei spontanen Begegnungen auf der Straße beschränkt. Nun starten wir erneut durch und hoffen, dass es uns unter den neuen Gegebenheiten gelingt, neue Kontakte zu knüpfen oder bestehende wieder aufzufrischen.

Bei einem unserer üblichen Spaziergänge trafen wir nach langer Zeit unseren Nachbar Étienne. Er fragte gleich, ob wir denn nun wieder hier in Kicukiro wohnen würden und wo die Schokolade für ihn aus Deutschland geblieben sei. Das war seinerseits als Scherz gemeint, und daher schien er etwas überrumpelt, als wir versicherten, eine Tafel persönlich vorbeibringen zu wollen. Eigentor! Er lud uns jedoch umgehend ein, am Nachmittag vorbeizukommen und seine Familie kennenzulernen. Warum eigentlich nicht! Es dauerte dann noch einmal ein paar Tage, bis Étienne an einem Sonntag gegen 20:00 Uhr an unserem Tor klingelte und uns zu sich bat.

Gott sei Dank spricht die gesamte Familie verhältnismäßig gut englisch, so dass eine kleine Unterhaltung mit Étiennes Ehefrau Brigitte und den Kindern Grace und David möglich waren. Tochter und Vater haben ein gemeinsames Business. Sie verkaufen und reparieren Computer, Laptops und andere Großgeräte wie Drucker, Printer usw. Die Mutter ist Krankenschwester und arbeitet in der HNO-Abteilung eines der größten Krankenhäuser in der Innenstadt. David besucht noch das College und wird anschließend Computertechnologie studieren. So hatten wir genügend Anknüpfungspunkte und Gesprächsstoff.

Wir bekamen Bier und Wein angeboten, Brigitte öffnete die Milka Keks 500 g Tafel und teilte sichtlich ungern mit ihrer Tochter. Unerwartet für uns waren die Gespräche trotz einiger Sprachbarrieren sehr humorvoll. Wir hatten viel Spaß und lachten über unsere jeweiligen Eigenarten und die unterschiedliche Mentalität und Lebensweise. Ein sehr gelungenes spontanes Treffen unter Nachbarn.

Das wiederholten wir auch gleich ein paar Tage später und verabredeten uns zum gemeinsamen Abendessen im Restaurant unseres Fitness-Studios „Tequila Paradise“. Die dortigen Hühnchen- und Rinder- Bruschett sind sehr beliebt und richtig lecker. Dazu gibt es selbst gemachte Kartoffelecken. Auf alles muss man allerdings oft länger als eine Stunde warten. Das war diesmal jedoch gar nicht so dramatisch, da unser Zusammentreffen auch diesmal unterhaltsam und sehr freundschaftlich war. Von vornehmer Zurückhaltung oder Skepsis war gar nichts mehr zu spüren. Étienne verkündete stolz, er würde uns zum Essen einladen denn um „richtige Nachbarn“ zu sein, gebiete es die Gastfreundschaft, Neulinge mit einem Besuch und einem Essen willkommen zu heissen. Wir hatten es also geschafft und sind nun ganz offiziell in die Nachbarschaft aufgenommen. Darauf ein „Skol“!

Mein eigener Regenbogen

Regenbögen sind ganz zarte Wunder der Natur und zeigen sich nur als besondere Wetterphänomene. Auf jeden Fall sind sie nicht gewöhnlich und schon gar nicht alltäglich, sondern etwas Seltenes. Man muss schon genau und auch zur richtigen Zeit in den Himmel schauen, um sie wahrzunehmen. Für kurze Zeit schmücken sie dann, den sonst oft grau-blauen Himmel und schlagen scheinbar optisch eine Brücke in den Wolken.

Ich habe nun meinen eigenen Regenbogen. Er strahlt in bunten Farben von Berlin nach Kigali und wurde von meinen ehemaligen Kolleg*innen gemeinsam mit Klient*innen gestaltet. Bekommen habe ich ihn zum Geburtstag mit ganz lieben Grüßen und Wünschen. Das war mein schönstes Geschenk! Als Hintergrundbild auf dem Laptop habe ich meinen Regenbogen nun dauerhaft festgehalten.

Obwohl ich durch unsere Sabbatzeit in Indien und nun durch unseren Aufenthalt in Ruanda bereits seit zwei Jahren aus dem Team ausgeschieden bin, besteht nach wie vor eine ganz besondere Verbindung zwischen einigen von uns. Sie ist wie dieser Regenbogen, ganz zart und unaufdringlich, doch unendlich herzlich und anerkennend. Auch ohne wöchentliche Telefonate oder monatliche Videokonferenzen denken wir in vielen Situationen aneinander. Es ist schön zu wissen, dass man an bestimmten Orten Fußspuren hinterlassen hat. So wünsche ich mir das nun auch hier in Ruanda. Die Fußspuren sind immer unterschiedlich groß, aber sie sind da und formen möglicherweise einen Weg oder auch nur einen schmalen Pfad und manchmal führen sie viel später erst auf eine breite Straße. In diesem Sinne…

„Mögen die Straßen uns zusammenführen und der Wind in deinem Rücken sein, sanft falle Regen auf deine Felder und warm auf dein Gesicht der Sonnenschein.

Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand; und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.

Führe die Straßen, die du gehest, immer nur zu deinem Ziel bergab; hab wenn es kühl wird warme Gedanken und den vollen Mond in dunker Nacht.

Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand; und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.

Bis wir uns mal wiedersehen, hoffe ich, dass Gott dich nicht verlässt; er halte dich in seinen Händen, doch drücke seine Hand dich nie zu fest.

Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand; und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand.“

(Irisches Segenslied)

Made in Rwanda oder made from Germans in Rwanda

Nicht nur unsere eigenen vier Wände gestalten wir nach wie vor um und aus, so dass es wohnlich und gemütlich wird. Auch Elisabeth haben wir nach ihrem Umzug in das Haus ihres Onkels mehrfach mit Anregungen aber auch mit ganz praktischen Tätigkeiten bei der Ausgestaltung geholfen. Für uns haben wir die Rwandischen Firmen Inwood und Dokmai entdeckt. Sie arbeiten mit Naturmaterialien Holz und Leder und kreieren wunderschönes Home design zu einem erschwinglichen Preis und in guter Qualität.

Daher sind wir seit kurzem stolze Besitzer einer neuen Couch, eines kleinen Tisches, eines Sideboards und eines Lounge Chairs. Auch einen großen Spiegel mit schlichtem Holzrahmen haben wir uns angeschafft. Bunte Deko- Kissen und Sitzbezüge aus Ketenge- Stoff sollen noch folgen. Dazu werden wir auf dem bekannten und von Einheimischen wie Muzungus gleichermaßen beliebten Kimironko Markt einkaufen müssen. Doch Corona- bedingt ist derzeit ein Besuch dort nicht zu empfehlen. Es ist zu eng, zu voll und man ist ansteckungsgefährdet.

Thomas hat sich unterdessen als Lampenbauer und Möbeldesigner einen Namen gemacht. „Made by Germans in Rwanda!“ war der Slogan. Zwei Freunde von Elisabeth halfen bei den ungewohnten Tätigkeiten des Lampenbaus und des Umbaus eines alten Kinderbettes zu einem stylischen Terrassensitzmöbel. Und so staunten alle einmal mehr über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Muzungus. Nicht nur handwerklich sondern auch kreativ und in Bezug auf Nachhaltigkeit konnten wir punkten.

Beim gemeinsamen Abendessen erklärte uns Elisabeth, jetzt würden Rwandische Freunde verstehen, weshalb sie mit uns befreundet sein möchte. Schließlich seien wir Deutschen anscheinend doch nicht so verkehrt, wie sie bisher vom Hörensagen anderer angenommen hatten. Oh danke! Das ehrt uns. Immer wieder gern! Ein Schmunzeln können wir uns nicht verkneifen und freuen uns sehr über die liebevolle „Aufwertung“ und Anerkennung.

So kommt „made in Rwanda“ bei uns gut an und „made by Germans in Rwanda“ findet bei Einheimischen Zuspruch. Wenn das keine „win-win-Situation“ ist!

Radtour

Sonntag morgen von 8:00 bis 9:30 Uhr hatte ich zum zweiten Mal seit dem Ausbruch von Corona und seit meiner Thrombosediagnose an einem Aerobic-Kurs im nachbarlichen Fitness-Studio teilgenommen. Verschwitzt und k.o. kam ich nach Hause. Wir frühstückten gemütlich, lasen noch ein wenig und am Nachmittag wollten wir unsere erste Radtour starten. Anfang September hatten wir unsere Fahrräder aus Berlin mit nach Kigali genommen, um flexibler im Alltag und mobiler am Wochenende zu sein.

Ein kleiner Sonntagsausflug sollte es werden aber wer uns kennt, weiss, dass wir nur sehr schwer ohne persönliche Grenzerfahrungen auskommen. 15:00 Uhr brachen wir auf. Dass es eine Geländetour werden würde, war uns klar. Das Umland von Kigali und rings herum um unser Dorf sind nunmal nur Berge und Täler. Also muss man entweder steil oder stetig bergan aber schließlich auch wieder steil oder stetig auf Holperstrecken bergab.

Die ersten 6 km fuhren sich im Gelände relativ entspannt. Wir Radelten an den uns schon bekannten Wetlands vorbei und entdeckten eine Art Brücke, gebaut aus Sandsäcken, aufgefüllt mit Steinen und Lehm, die mitten in die Wetlands hinein führte. Das mussten wir natürlich erkunden. Erneut tat sich eine bizarre Landschaft auf. Einerseits grünes, fruchtbares Marschland, auf dem Tomaten angebaut und gerade geerntet wurden und andererseits trockene, aufgerissene staubige Erde.

Waren wir auf unseren Wanderungen zu Fuß durch die Wetlands schon eine Seltenheit für das Auge der Einheimischen, so waren wir jetzt DIE Sensation. Bauern unterbrachen ihre Feldarbeit oder das Ziegelbrennen und starrten uns ungläubig hinterher. Die wenigen entgegenkommende Motorrad- und Fahrradfahrer hielten kurz an, um sich zu vergewissern, wohin denn die Muzungus wohl unterwegs waren. Und plötzlich standen wir unmittelbar vor ihm, dem Nyabarongo. Rwandas größter, 297 km langer Fluß und einer der Zuflüsse des Weißen Nils. Bisher hatten wir den mächtigen trüben Fluss nur von unseren Bergwanderungen im Tal dahin schlängeln sehen. Nun bemerkten wir die starke Strömung und die zahlreichen Strudel.

Weit ab von jedweder Zivilisation, einzelne kleine Lehmhütten waren nur am gegenüberliegenden Berghang sichtbar, konnten wir den Fluß hier mit den Fahrrädern leider nicht überqueren. Frauen saßen in bunter Kleidung in den Tomatenfeldern und schienen unsicher, was unser Erscheinen hier zu bedeuten hat. Am Ufer standen zwei schmale lange Holzboote, die vermutlich als Fähre genutzt wurden aber das war uns dann doch zu abenteuerlich. Dieses Wagnis würden wir auf einen anderen Tag verschieben aber auf alle Fälle ausprobieren. Also blieb uns nur, den Rückweg anzutreten. Plötzlich trat aus einer Lehmhütte am Ufer ein kleiner uniformierter Mann heraus, ein blaues Notizbuch unterm Arm und, man mag es kaum glauben, ein digitales Thermometer in der Hand. Coronabedingtes Temperaturmessen in der absoluten Einöde! Es war grotesk.

Auf Symptomfreiheit überprüft, machten wir uns auf den Rückweg. Da wir nur ungern den gleichen Weg noch einmal nehmen, bogen wir an der Brücke in eine andere Richtung ab, die uns allerdings von Kicukiro entfernte. Nach nur wenigen Metern ging es heftig und stetig bergauf. Ein kurzer Versuch. Keine Chance! Ich musste absteigen und das Rad schieben. Thomas kapitulierte nach nur wenigen Metern ebenfalls. Verschwitzt und krebsrot kamen wir auf der Höhe in einem Bergdorf an und zur Belustigung der Dorfbewohner schoben wir unsere Räder eine gefühlte Ewigkeit an den verwundert dreinschauenden Dorfbewohnern vorbei. Warum schieben die Muzungus ihre Hightech-Räder und fahren nicht einfach? Das wird die Frage des Jahrhunderts gewesen sein. Egal, auch diese Peinlichkeit haben wir überstanden. Leider endete der Weg nach einer Stunde auf einem Kamm vor einem Steinbruch und wir kamen leider nicht auf „unseren“ Bergrücken und zu unserem Dorf. Nur in der Ferne sahen wir bereits ganz klein unser Haus, unsere Kirche und sogar unser Fitness-Studio. Fuck! Also zurück und einen anderen Weg suchen. Das Navigationsgerät zeigte schon lange keine Wege mehr an. Hier waren offensichtlich ja auch keine. 17:30 Uhr begann die Dämmerung und wir waren immer noch unterwegs. Unterdessen hatten wir jedoch DIE neugebaute Hauptstraße nach Kigali erreicht und radelten „todesmutig“ neben dahin donnernden Lastwagen, hupenden Motorrädern, wild überholenden und ständig blinkenden PKWs sowie anderen Radfahrern weiterhin leicht bergan. Spuren waren auf dieser neuen Asphaltstraße noch nicht eingezeichnet aber hoffentlich irgendwann doch geplant. Mit zitternden Beinen und schmerzendem Nacken kamen wir noch vor der Dunkelheit gegen 18:00 Uhr zu Hause an.

Da hatten wir es doch mal wieder übertrieben und unseren Bewegungsmangel unter der Woche in nur drei Stunden am Sonntag mehr als ausgeglichen. Trotzdem werden wir wohl weiter radeln und hoffen, unseren schlechten Trainingszustand damit auch ein wenig zu verbessern.