Ein Jahr Ruanda

Der 15.08. war mein Jubiläumstag, ein Jahr Kigali! Es war ein erlebnisreiches aber auch anstrengendes Jahr mit vielen Herausforderungen für mich im neuen Umfeld, ohne Job und mit äußerst eingeschränkten Sozialkontakten. Witziger Weise waren Thomas und ich an diesem Tag gerade noch auf Heimaturlaub in Berlin. Anyway!

Nach unserer Rückkehr aus dem Haus unserer Freunde in Kiyovu in unser eigenes Haus in Kicukiro im August hatten wir uns vorgenommen, einiges im Alltag anders zu machen. Das vergangene Jahr hatte gezeigt, dass die Strukturen und Abläufe, die wir uns bisher geschaffen hatten, für mich nicht passten.

Da Kicukiro ein Außenbezirk Kigalis ist, wohnen wir etwas abgeschnitten von vielen kleinen Attraktivität, die für Muzungus interessant sind. Beispielsweise fehlen kleine Expat-Shops mit Naturkosmetik (made in Rwanda) oder Bioläden mit Tofu und Soja-Milch aber auch eine gewisse Vielfalt an fußläufigen Restaurants und Art-Galerien. Damit verbunden ist natürlich auch ein kommunikativer Austausch mit anderen Muzungus. Doch dadurch lebt man dann in einer kompletten „Expat-Blase“ und bekommt von Land und Leuten gar nix mehr mit. Man hat sich in Rwanda mit all den luxuriösen Dingen ausgestattet, die man aus der Heimat gewöhnt ist. Kein Verzicht, keine Einsicht und keine minimale Adaption an das Land der eigenen Wahl. Schade! Deshalb sind wir in Bezug auf einen Umzug auch sehr ambivalent. Einerseits wohnen Freunde und Bekannte in den „In-Stadtteilen“ Kiyovu, Kimihurura oder Kacyiru, die wir gern öfter und spontan treffen wollen würden. Andererseits lieben wir auch unsere ländliche Idylle mit tollem Blick in’s Tal und auf das Dorf „Muynage“, in dem wir wohnen. Hmmm! Was machen wir also?

Damit es für mich trotzdem nicht (mehr) so einsam ist, haben wir uns klitzekleine Veränderungen überlegt, die jedoch eine immense Auswirkung auf meinen Alltag und mein Wohnbefinden haben werden.

  1. Thomas und ich gehen einmal in der Woche gemeinsam Mittag essen in der City
  2. Ich fahre mindestens einmal in der Woche früh mit Thomas in die Stadt und arbeite dort im Office der GIZ im „Karriere Center für DSSD“ (Career Center for Digital Solution Sustainable Development)
  3. Wir beginnen den Tag entweder mit Yoga oder einer kleinen Joggingrunde in unserem Kiez

Wenn man es sich mal genau überlegt, sind das die üblichen „Neujahrsvorsätze“, von denen man weiß, wie sie normalerweise enden. Daher werden wir uns besonders bemühen, wenigstens einen guten Vorsatz dauerhaft beizubehalten. Die ersten drei Wochen waren wir so motiviert und haben selbstverständlich alle drei durchgezogen. Warten wir es ab und schauen in einem halben Jahr noch einmal auf unsere ganz persönliche Bilanz.

Allerdings habe ich unterdessen nach einem Jahr auch das Gefühl, Dinge haben sich für mich zum Positiven entwickelt. Beispielsweise bin ich stärker in das „Blutbankprojekt“ eingebunden. Während unseres 4-wöchigen Urlaubs in Berlin, haben die Kollegen erkannt, dass meine Unterstützung in der Prozessentwicklung und im -design hilfreich ist und das Projekt vorwärts bringt. Nun haben sie von sich aus kommuniziert, zweimal wöchentlich Termine mit mir zum gemeinsamen Designen nach BPMN planen zu wollen. Das unterstützt mein Vorhaben, außerhalb der eigenen vier Wände tätig und mit anderen im Austausch zu sein. Dafür ist das Career Center mit seiner Hightech-Ausstattung ein ganz großartiger Ort.

Außerdem kennen wir mehr (und vermutlich unterdessen auch die „richtigen“ Leute). So unterstütze ich zwei Frauen, ihre persönlichen beruflichen Wünsche durch neue Konzepte umzusetzen. Ich schreibe oder überarbeite die Konzeptentwürfe, bin mit ihnen inhaltlich im Austausch und unterstütze die beiden abschließend, ihre Ideen als Projekte bei der GIZ einzureichen und zu beantragen.

Zusätzlich planen Mirko und ich, uns mit einem eigenen Beratungskonzept selbständig zu machen. Da wir beide aus dem Sozialbereich kommen, umfangreiche Erfahrungen zu den Themen Inklusionspädagogik, Change- und Prozessmanagement haben, wollen wir beratend für NGO’s und staatliche Organisationen in Kigali tätig werden. Der Bedarf ist hundertprozentig da, allerdings wissen das die Betroffenen bisher oft noch nicht. Das wollen wir ändern.

Alles in allem würde ich sagen, „läuft gerade“! Ideenüberschuss! Die nächsten Monate werden somit auch wieder eine Herausforderung aber ganz anderer Art. Mit viel Geduld und Ausdauer müssen wir uns mit einem eigenen Business als Muzungus ins Gespräch bringen. Bin gespannt, ob uns das gelingt. In „Selbstvermarktung“ habe ich definitiv noch Nachholbedarf. Aber erst einmal muss ein Konzept geschrieben, Visitenkarten erstellt, Workshop-Angebote geplant und Kontakte geknüpft werden. Also dann, los gehts!

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