9 1/2 Wochen

Ganz solange ist es zwar noch nicht – aber es ist trotzdem Zeit für einen Zwischenstand. Am Ende der ersten Hälfte unseres Projektes haben wir uns nun auf den Weg in unseren Urlaub gemacht. In den letzten Wochen haben wir uns mehrfach die Frage gestellt, wie wir die Nachhaltigkeit unserer Aktivitäten sicher stellen können. Wie so häufig setzt das Probleme an der Führung der NGO an. Zusätzlich gibt es unendlich viele Schwierigkeiten durch äußere Faktoren. Wesentlich ist jedoch dann, insbesondere unter diesen Gegebenheiten, eine klare Managementstruktur einzuführen und durchzusetzen. Diese ist bisher nicht gegeben. Nicht nur, dass mit Balasaheb jemand die Schule führen soll, der dazu weder intellektuell noch eigenmotiviert in der Lage ist.

Komplexer wird es noch durch die darüber liegende Managementstruktur. Wir haben Baba als Gründer der Schule, der sich jedoch mehr und mehr aus den operativen Themen herauszieht. Jedoch vereinzelt und gerade bei fehlendem Management, greift er dann doch bei Bedarf immer mal wieder direkt in die operativen Entscheidungen ein. Das eigentliche operative Management verantwortet Sagar, sein jüngster Sohn. Er ist jedoch mit seinen eigenen privaten und beruflichen Themen total ausgelastet und kann nicht die notwendige umfangreiche Zeit für die Schule bzw. das Management investieren. Als dritte Person kommt Milind, der ältere Sohn von Baba ins Spiel, der jedoch mit seiner Familie inzwischen 3 Jahre in Florida lebt. Aufgrund dieser Entfernung ist er nur noch begrenzt aktiv involviert, jedoch bei Entscheidungen und Diskussionen stets angefragt.

Alle drei Männer haben neben einer langen gemeinsamen Familien- und Businessgeschichte bei diesem Projekt natürlich auch unterschiedliche Ansichten, die sie nicht immer in Übereinstimmung bekommen.

Alle Schwierigkeiten, die wir bei der Umsetzung von Veränderungen in der Schule und im Management haben, resultieren letztendlich genau aus dieser „3-Personen-Konstellation“. Es werden oft keine klaren Entscheidung zu konkreten Themen getroffen, die wir vor Ort stellvertretend für die drei Herren bearbeiten sollen. Keinem der Männer kann man persönliches Desinteresse oder fehlendes Engagement vorwerfen aber effektives Management leider nunmal auch nicht.

Wenn wir auf unseren anfänglichen Projektplan schauen, haben wir trotzdem unheimlich viel erreicht, worauf wir gerade unter diesen Bedingungen sehr stolz sind:

  • Die Lehrer bilden sich täglich nach ihrem Unterricht in Englisch weiter.
  • Die Website ist bereit, live zu gehen.
  • Wir haben regelmäßige Trainings für Methodiken und zur Nutzung neuer Technologie (Beamer, Outlook, Smartphone, kurze online Dokumentationen) aufgesetzt.
  • Reparaturen im Schulgebäude sind zum großen Teil durchgeführt.
  • Kleinere Reparaturen werden jetzt selbst vom Schulhandwerker durchgeführt – es gibt eigenes Werkzeug und einen Werkzeugkasten (Ordnung muss sein!)
  • Auch ein Überblick über die notwendigen Investitionen besteht dank Exceltabelle.
  • Das Zeitmanagement (Fingerprint) der Lehrer wurde an deren Gehalt gekoppelt und nun kommen alle pünktlich.
  • Wir haben eine Inventur über vorhandene Unterrichtsmaterialien durchgeführt. Anschließend wurde ein einfaches Aufbewahrungssystem eingeführt (stapelbare rote Kisten)
  • Das ganze Schulhaus wurde komplett sauber gemacht und aufgeräumt- wir haben Tonnen an unbrauchbaren Dingen weggeschmissen.
  • Aus den vorhandenen alten Computern haben wir so eine Art Mini-Computerlab mit nun drei funktionstüchtigen PC’s gebaut.
  • Es gibt ein Power-Backup und seither keine Ausreden mehr von wegen „der Strom ist ständig weg“.
  • Wir haben Google Drive als zentrale und einheitliche Ablage für alle Computer etabliert.

Zusätzlich haben wir noch das Accounting (Ein- und Ausgaben per Excel verwalten) eingeführt. Dank Excel gibt es jetzt auch eine Übersicht über alle Schulgebühren, so das ausstehende Zahlungen leichter eingefordert werden können.

Zur Nachhaltigkeit fehlt nun jedoch noch, dass wir mit dem Management alle oben genannten Themen regelmäßig in den nächsten zwei Monaten wiederholen, bis es tatsächlich verstanden und in gewisser Weise automatisiert ist. Darüber hinaus benötigt es einen Ansatz für die Steuerung des lokalen Managements. Dies funktioniert jedoch nur mit dem vollen Support von Sagar und Milind und einer gewissen Regelmäßigkeit in der Abstimmung mit ihnen. Bisher hat es hier jedoch im Wesentlichen nur Lippenbekenntnisse gegeben. Dies ist eigentlich die Hauptquelle unseres Ärgers und unserer Enttäuschung, die uns manchmal ereilen.

Wenn wir uns nicht mehr sicher sind, dass wir die Nachhaltigkeit hinbekommen, werden wir unsere Arbeit nach unserem Urlaub in Alegaon abbrechen. Wir möchten nicht unsere Kraft und Zeit in eine NGO setzen, deren eindeutig kommunizierten Veränderungswunsch aufgrund fehlenden Managements zum Scheitern verurteilt ist. Dann machen wir lieber noch etwas. Es wäre sehr schade drum – denn die Lehrer und die Schule sind uns sehr an’s Herz gewachsen. Wir drücken uns selbst ganz doll die Daumen, dass in den nächsten Tagen ein paar konkrete und längst überfällige Entscheidungen getroffen werden, die uns dann die weitere Projektarbeit in der Schule ermöglichen.

Projektfreie Zeit

Da nun Schulferien sind, haben auch wir frei und reisen umher. Erste Station war ja, wie schon berichtet, Pune. Doch nach vier Tagen waren wir dann auch froh, die Großstadt wieder verlassen und freier von den dortigen familiären Verpflichtungen sein zu können.

Nun sind wir seit zwei Tagen in Goa, dem kleinsten von 29 Bundesstaaten in Indien. Anreise per Nachtzug im Schlafwagen…sehr abenteuerlich aber auch unschlagbar preiswert.

Auf dem Bahnhof in Pune haben wir anfangs gar nicht durchgesehen…wann fährt unser Zug nun genau und von welchem Gleis? Bis dann Thomas hinter das Anzeigesystem gekommen ist und wir feststellten, dass wir mindestens 1 Std. Verspätung haben werden. Da schimpfe doch nochmal jemand auf die BVG!

Über booking.com hatte Thomas eine schöne kleine Appartementanlage mit mehreren kleinen Bungalows gefunden und gleich eine Nacht gebucht. Jedoch vor Ort angekommen, waren nur eine russische Familie am Pool und zwei Gärtner, die die Anlage pflegten. Sie gaben uns die Handynummer des Besitzers und Thomas rief an, um zu fragen, wie wir zu den Appartementschlüsseln kämen. Der Besitzer informierte uns dann, dass auf keinen Fall an Ausländer vermietet werden dürfe! Hä? Was war das? Wir waren erstmals „DIE Ausländer“ und nicht willkommen! Nach etlichen Telefonaten mit der Objektverwaltung, einem anderen Privatbesitzer und Stornierungsversuch per eMails an booking.com, verließen wir etwas deprimiert das schöne Gelände.

Für 30€ pro Nacht haben wir aber nur wenige Schritte weiter ein ganz nettes (und sauberes) Hotel gefunden, trotz Nachsaison- viele Pensionen und Hotels haben bereits geschlossen oder schließen absehbar. Dafür sind aber auch nur ganz vereinzelt Touristen unterwegs. Nun entspannen wir hier, trinken mal wieder ein Glas Wein, spazieren am Strand (Thomas war sogar schon baden) und lassen es uns gut gehen.

Hochzeitspuja

Michl und Diana kennen wir schon sehr lange – Sonja kennt sie sogar schon seit der Studienzeit – sie gehören mit zu den engsten Freunden, die wir haben. Deshalb fiel es uns auch schwer, die Reise nach Indien anzutreten, obwohl wir wussten dass die beiden nun am 5. Mai heiraten werden.

Beide sind schon seit einer halben Ewigkeit zusammen, haben drei reizende Kinder und haben sich nun endlich dazu durchgerungen, ihr Zusammensein mit einer angemessenen Party zu feiern – also zu heiraten.

Da wir nun am anderen Ende der Welt sind, ist es für uns leider nicht möglich, mal schnell nach Deutschland zu kommen. Daher haben wir  für die beiden mit Hilfe von Baba einen besonderen Gruß aufgenommen .

Die Vorbereitungen zu dieser Puja waren, wie eigentlich alles hier, sehr viel komplizierter als erwartet. Für den Fotoprint von den beiden mussten wir erst wieder zurück nach Pune kommen – direkt auf dem Lande in der Nähe unserer kleinen Farm gibt es das gar nicht.

Dann müssen natürlich noch Blumengirlanden, Räucherstäbchen, Reis und Farbe besorgt werden – alles nicht so leicht. Aber am Ende hat alles geklappt.

Dies hier ist für Diana und Michl, die wir an diesem besonderen Tag ganz besonders grüßen – und mit dem Ritual  verbunden sind die Wünsche, die sich aus den Hilfsmitteln von Baba ergeben, die er während der Zeremonie verwendet.

Möge euer Leben scheinen wie das Gold des Ringes.

Möget ihr immer stark und kraftvoll sein wie das Holz der Betelnuss.

Dem schließen wir uns an – und sind in Gedanken ganz doll bei euch.

Hochzeitspuja (schlechtere Qualität 10 MB)

 

 

Hochzeitspuja (hohe Qualität 181 MB)

Zwei Schulen, zwei Welten

Unsere Gastfamilie in Pune, Sagar und Sarika Babar, ist im Schulbusiness tätig. Sie haben innerhalb von 30 Tagen eine eigene private Schule eröffnet, da es mit dem Eigentümer der bisher schon bestehenden Schule, in der Sarika tätig war, starke Auseinandersetzungen und ein Gerichtsverfahren gab. Diesen Prozess haben wir während unseres kurzen Aufenthaltes hier nun auch mitbekommen.

Die Eröffnungsveranstaltung der „CLARA global“ Schule am 02.05. war sehr professionell und stand mit allem im krassen Gegensatz zu „unserer Schule“ in Alegaon. Zahlreiche interessierte aber auch kritisch nachfragende Eltern waren gekommen, um sich über das neue Schulangebot und die zusätzlichen Aktivitäten für ihre Kinder informieren zu lassen. Es gibt ein Musikkabinett mit 7 Keyboards, ein Computer-Lab und perspektivisch sogar noch eine Schwimmhalle und Reitunterricht. Die Ausstattung ist genial, die Lehrer sehr engagiert und kreativ. Alle sprechen hervorragend englisch. Als Überraschung gab es auf der Einweihungsfeier sogar einen kleinen Roboter, der das Unterrichtsfach „robotics“ unterstützen und die Kinder beim aktiven und modernen Lernen begleiten soll. Sponsored bei IBM! Dort hat Sagar gearbeitet, bevor er mit zwei Freunden eine eigene Marketingfirma eröffnet hat.

Indien, das Land der Gegensätze…so auch hier in Bezug auf die Schulen. Alles auf der einen und (fast) nichts auf der anderen Seite. Das Schulgeld für „CLARA global“ beträgt für 1 Schuljahr 1 Lac = 100.000 IRU = 1250 EUR. In Alegaon beträgt das Schulgeld 3000 IRU = 37 EUR für ein Schuljahr.

Wir sind emotional sehr hin und her gerissen. Natürlich ist es eine große Leistung, innerhalb so kurzer Zeit einen Schulneubau für 250 mögliche Schüler, einen Toilettentrakt und sogar einen kleinen Spielplatz zu realisieren und alles für ein neues Schuljahr arbeitsfähig einzurichten. Das Geld von Sarikas Eltern regiert hier jedoch schon mächtig, in jedweder Beziehung wie z. B. Genehmigungen, zuverlässige Handwerker, Hilfsarbeiter und halt die Ausstattung mit Lehrmaterialien und mit moderner Technik sowie Security für das Gelände.

Sarikas Mutter ist aktiv und sehr bekannt in der Politik und der Vater besitzt viel Land in Pune, was er verkauft hat bzw. auf dem jetzt die neue Schule steht.

Zwischen beiden Schulen gibt es schon seit einigen Jahren einen fachlichen Austausch. Die tollen Schulbücher der Privatschule in Pune werden z. B. kopiert und für die 200 Schüler in Alegaon zur Verfügung gestellt. Auch die bunten Zeugnismappen für die jüngeren Schüler werden in großer Stückzahl in Pune hergestellt und bei einem privaten Besuch der Familie nach Alegaon mitgenommen. Alle Lehrer kommen einmal im Jahr für 2 Tage an die Schule nach Pune zum Hospitieren, um Anregungen für ihren Unterricht zu bekommen. Auch einige Materialien wie z. B. Laminierfolie oder auch Kopien von Unterrichtsmaterialien (Übersichtstafeln, Bilder, Zahlen etc.) werden aus Pune bereitgestellt. Es gibt die Möglichkeit des Kopierens und Laminierens in ländlichen Gegenden ansonsten nicht oder nur auf sehr umständlichem Weg.

Trotz dieser Unterstützung ist jedoch die Ausstattung der Schule in Alegaon noch sehr gering. Weitere Hilfen sind wünschenswert. Wir versuchen nun für das kommende Schuljahr die Zusammenarbeit zwischen der Schule in Pune und den Colleges in Sangola zu intensivieren. Dadurch hoffen wir, die Unterstützungsmöglichkeiten vor Ort stärker zu aktivieren und auch einheimische Kooperationspartner noch stärker einzubinden.

Die Privatstadt

„Lavasa“ ist ein Ausflugsziel für Einheimische ca. 65 km von Pune entfern. Dorthin wollen wir gemeinsam mit Pallavi fahren. Im Internet haben wir dazu gelesen, dass es eine „private Stadt“ ist. Es wurde dort wahnsinnig viel und ausschließlich privat investiert aber leider auch spekuliert. Alle Bauvorhaben sind daher aufgrund eines Korruptionsverdachtes vor einigen Jahren sofort gestoppt worden. Wir sind gespannt, was uns erwartet.

Über Serpentinen schlängelt man sich in die Berge, um dann einen tollen Blick ins Tal zu haben, in dem die besagte Stadt liegt. Für Motorradfahrer sind Serpentinen und Berge Musik in den Ohren. Doch wir entscheiden uns gegen die Zweiradvariante und für ein kleines klimatisiertes Auto. Pallavi möchte und kann nicht allein so weit auf ihrem Moped fahren und ein männlicher Begleiter lässt sich nicht finden.

In stickiger Wärme quälen wir uns zwei Autostunden in die Berge, nördlich von Pune. Leider schafft es die Klimaanlage nicht, die hohen Aussentemperaturen herunter zu kühlen. Ein Fenster zu öffnen, ist alles andere als empfehlenswert, da der Fahrtwind einem dann heiss ins Gesicht bläst und die Augen austrocknen. Wir werden jedoch mit ganz tollen Ausblicken für unser Durchhalten belohnt!

„Lavasa“ liegt im Tal, umgeben von Bergen. Diese sind in der Regenzeit dschungelartig bewachsen, jedoch jetzt im Sommer eher trocken und sandig-felsig. Die Privatstadt zeigt sich einerseits als eine Art Nachbildung einer italienischen Stadt am Meer und andererseits ist sie eine verlassene „Geisterstadt“ mit abrissreifen Bauruinen, rostenden Stahlkonstruktionen, leerstehenden Hotelpassagen, grauen Ferienhäusern und ausgetrockneten Fontainen und Wasserbecken. Einen total bizarres Bild!

Wir schlendern etwas umher, trinken unseren ersten leckeren Milchkaffee nach zwei Monaten Abstinenz und halten einige Motive zur Erinnerung fest.

Auf dem Rückweg kommen wir leider in den üblichen und von Einheimischen erwarteten Hauptverkehr. Der hat jedoch mit unseren Vorstellungen von Rushhour gar nichts zu tun! Schritttempo im absoluten Verkehrschaos. Jeder fährt, wohin er will, wie er will und wann er will. Millimeterarbeit beim Abbiegen! Ich sitze hinten im Auto und habe die Hände vor den Augen, da ich sonst von einem Aufschrei in den nächsten falle. Es ist unvorstellbar und unbeschreiblich! Pallavi sitzt derweilen entspannt neben ihrem „Lieblingsonkel“ und trällert indische Songs aus „Radio Pune“. Ich bin hochgradig angespannt, mir ist übel von den Abgasen, immer noch flau im Magen von den Serpentinen und heiss ist es ohnehin.

Gegen 21 Uhr haben wir es endlich bis vor die Tür von Pallavis Haus, in einem der größten Slums in Pune geschafft. Auch sie ist müde und erschöpft von der Tour aber sehr sehr glücklich. In wenigen Tagen hat sie Geburtstag. Dann sind wir leider schon wieder unterwegs, daher haben wir ihr schon jetzt ein Geschenk überreicht, ein neues Handy, da ihr altes gestohlen wurde. Wir verabschieden uns und verabreden uns erneut in zwei Tagen zum Abendessen mit ihrer Mutter.

Nun sind wir nur noch 15 Autofahrtminuten von Sagars Wohnung entfernt. Alle warten schon auf uns mit dem Abendessen. Nach wir vor sind die Straßen brechend voll und einige Prozessionen sowie Hochzeiten mit zusätzlichen Ansammlungen von Menschenmassen erschweren das Autofahren und Vorankommen. Plötzlich zwei Ruckler, ein Stotterer und unser Auto seht. Ein Hupkonzert bricht los, da wir uns gerade in einer relativ engen Seitenstraße befinden. Zurückhupen geht leider nicht, da ausgerechnet das wichtigste Autozubehör, die Hupe, in unserem Fahrzeug nicht funktioniert. Wir haben kein Benzin mehr! Die Tankleuchte funktionierte schon den ganzen Tag nicht und leuchtete ununterbrochen, der Zeiger rückte selbst nach umfangreichem zweimaligen Tanken keinen Millimeter weiter. Somit hatten wir keine Kontrolle über den aktuellen Benzinstand.

Wir steigen aus und sind sofort von gefühlt hundert Menschen umgeben, die alle auf uns einreden. Mit einigen schieben wir das Auto in eine noch kleinere Seitenstraße, um den Fahrtweg für die anderen nicht komplett zu versperren. Thomas nimmt zwei unserer leeren 2 Liter Wasserflaschen und wird von einem hilfsbereiten jungen Mann mit Motorrad zur nächsten Tankstelle in 1,5 km Entfernung gefahren.

Ich bleibe vor Ort, hole mein Handy heraus und tue so, als ob ich total entspannt damit beschäftigt bin. Nur nicht aufschauen, gefragt werden, weggezerrt werden… nur ruhig auf einem Stein am Straßenrand sitzen und warten. Ich bekomme von einer Frau einen Tee im Pappbecher gereicht, eine andere bietet mir an, mit zu ihrer Familie zu kommen und dort auf meinen Mann zu warten. Ich lehne jedoch höflich ab und gerade in dem Augenblick ruft Gott sei Dank Thomas an. Er teilt mir nur kurz mit, dass an der Tankstelle kein Benzin in unsere Flaschen abgefüllt werden darf. Sein Begleiter füllt daher nun aus seinem Motorrad das Benzin ab, was wir dann in unser Auto umfüllen können und er tankt statt dessen Benzin nach.

20 Minuten später ist der ganze Spuk vorbei und wir fahren erschöpft die letzten Kilometer zu Sagars Wohnung.

Erneut hat uns die übermäßige Hilfsbereitschaft Fremder erstaunt und erfreut. Hätten wir auch so reagiert? Sehe ich in Berlin Touristen fragend vor den Fahrkartenautomaten stehen, spreche ich sie nicht von mir aus an und biete Hilfe an. Fremde spontan zu mir nach Hause einzuladen, ist mir ehrlich gesagt bisher auch noch nicht in den Sinn gekommen. Auch Mitfahrgelegenheiten bieten wir von uns aus eher selten an. Ich werde mich bemühen, zukünftig aufmerksamer zu sein und meine Zweifel und unbegründeten Befürchtungen gegenüber Fremden öfter zu überwinden.