Mein erster Arbeitstag

Am 23.11. war es soweit. Der erste Arbeitstag in meiner Partnerorganisation „Rwanda Union of the Blind“ (RUB) war gekommen.

RUB Head Office

Über WhatsApp stand ich bereits mit meiner lokalen Kollegin Rachel im Kontakt. Sie informierte mich darüber, dass wir eine Dienstreise in die Südprovinz des Landes machen würden, um an einem District- Meeting in Gisagara teilzunehmen. Die Autofahrt dorthin würde 4 Stunden dauern. Morgens 6:00 Uhr wurde ich von einem Fahrer abgeholt und los ging die Reise. Unterwegs sammelten wir Rachel und Tito, einen weiteren neuen Kollege von RUB gegen 7:00 Uhr ein. Beide wohnen außerhalb von Kigali. Sie stiegen an der Hauptstraße nach Huye ins Auto zu. Im Hauptoffice von RUB in Kigali hatten wir vorher noch einen junge Mann abgeholt, ein Jurist, der im Verlauf seines Lebens erblindet war und seither Lobbyarbeit für RUB betreibt.

Die Veranstaltung in Gisagara war vom dortigen District-Officer organisiert worden. Er hatte ca. 40 Personen eingeladen, die in unterschiedlicher Art und Weise mit Sehbeeinträchtigung/Blindheit zu tun hatten. Es waren Lehrer*innen aus Grundschulen gekommen, die vereinzelt blinde Kinder in den Schulbetrieb integrieren sollten. Außerdem waren Beamte*innen aus lokalen Ministerien und locale Vertretungen der staatlichen Dachverbände für Menschen mit Behinderung aber auch Familien mit blinden Kindern anwesend.

RUB war als unterstützende NGO eingeladen worden und sollte über die Wichtigkeit von Schulbildung für blinde Kinder aufklären. Eine Veränderung in der persönlichen Einstellung von Verantwortlichen in der Community gegenüber Menschen mit Behinderung und speziell gegenüber blinden Menschen war das Ziel dieser Aufklärungsveranstaltung. Ich wurde als Ehrengast förmlich begrüßt und aufgefordert, für die offiziellen Fotos neben dem District Officer platzzunehmen.

Obgleich ich keine Vorstellung vom Ablauf der Veranstaltung und den Anliegen der anwesenden Gästen hatte, versuchte ich mich nützlich zu machen. Ich gab Wasserflaschen an die Anwesenden aus, überreichte Notizblöcke und Stifte und begleitete blinde Anwesende, sobald ich bemerkte, sie wollten den Saal verlassen.

Meine Kollegin Rachel hatte eine PowerPoint-Präsentation vorbereitet, in der sie die NGO vorstellte, deren Ziele benannte und über Möglichkeiten der Aus(Bildung) für blinde Menschen referierte. Voraussetzung ist zweifelsfrei eine entsprechende Selbständigkeit in der Mobilität der Betroffenen und eine adäquate technische aber auch sächliche Ausstattung in den Bildungseinrichtungen.

Der Vortrag und die anschließende Diskussion wurde in Kinyarwanda gehalten, so dass ich nur wenig Inhaltliches ableiten konnte. Trotzdem wurden Emotionen transportiert und ich bemerkte deutlich die Unsicherheit und Verzweiflung der anwesenden Familienmitglieder. Überrascht war ich jedoch über die Offenheit in der Meinungsäußerung und über die allgemeine Bereitschaft zum gegenseitigen Austausch. Schließlich waren sehr unterschiedliche Hierarchieebenen anwesend, die alle ihre verschiedenen Erfahrungen, Meinungen und Problemlösungsvorschläge präsentierten.

Nachdem etliche lokale Führungspersönlichkeiten zusammenfassende Reden gehalten und sich gegenseitig ihrer Unterstützung versichert hatten, wurde mir spontan das Wort erteilt. Ich sollte meinen Eindruck von dieser Veranstaltung und weitere thematische Umsetzungsschritte darstellen. Mir verschlug es kurz den Atem denn ich hatte nur meinen Namen gehört und ahnte, was erwartet wurde. Rachel übersetzte für mich das Gesagte in englisch und schaute mich erwartungsvoll an.

Improvisieren war wieder einmal angesagt denn ich war weder persönlich vorbereitet noch von RUB gebrieft worden. Dabei konnte ich mich noch nicht einmal auf das bereits Gesagt während der Diskussion oder auf die Ausführungen der Führungsverantwortlichen beziehen. Davon hatte ich ja leider sprachlich bedingt gar nix mitbekommen. Doch meine ausreichenden praktischen Erfahrungen in einer Schule für blinde und sehbehinderte Schüler*innen in Königswusterhausen sowie meine Diplomarbeit zu „Entwicklungaufgaben und Bewältigungsstrategien von blinden Kindern und Jugendlichen“ ermöglichten mir einen halbwegs fachlichen Vortrag über Herausforderungen und Umsetzungsstrategien mit der Betonung auf partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Akteuren.

Geschafft! Nach insgesamt drei Stunden gingen alle auseinander mit der Verabredung, gemeinsam an einer möglichst inklusiven Bildung für blinde Kinder zu arbeiten. RUB versprach weitere Treffen auf lokaler Sektor- und District- Ebene und inhaltliche Unterstützung.

Das war nun also ein erster Einblick in meine zukünftige Tätigkeit: Begleitung der Umsetzung des Rechts auf Bildung für Menschen mit speziellen Bedürfnissen. Ein gelungener Start und definitiv ausbaufähig!

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