Wir haben einen regelmäßigen Rhythmus für Sport gefunden. Aufgrund der Temperaturen ist große Anstrengung ja nicht möglich. Also joggen fällt definitiv aus, obwohl ich Laufschuhe dabei habe.
Mindestens zweimal die Woche machen wir uns am Nachmittag auf zu „unserem Fitnessstudio“.
Der Mitgliedsbeitrag hierfür ist sehr erschwinglich, Equipment muss teilweise mitgebracht werden, das Kursangebot ist begrenzt aber nette Mitsportler sind garantiert.
Ab und an treffen wir auch einige junge Männer, die eine Ausbildung bei der Polizei machen und auf dem Gelände der Schule ebenfalls sportlich aktiv sind. Die Sportgeräte (z. B. Kugelstoßen) werden in einem extra Schuppen verstaut.
Gott sei Dank hatten wir vor unserer Reise eine gute sportliche Vorbereitung und Anleitung durch Manfred. Entsprechend unseres aktuellen Trainingszustandes hat er uns für die Reise unterschiedliche Terrabänder geschenkt, die nun regelmäßig zum Einsatz kommen. Eine Trainingsmatte haben wir unterdessen auch angeschafft, Trinkflaschen sind ein tägliches Muss und daher ausreichend vorhanden, das Garmin-Multifunktionsmessgerät klemmt ohnehin am Handgelenk und schon ist die Ausrüstung perfekt. Es kann los gehen!
Wir beginnen, wie durch Manfred gelernt, mit leichten Aufwärmübungen. Das klingt angesichts der Temperaturen irgendwie komisch. Da wir jedoch viel sitzen, oft Motorrad fahren und nur wenig zu Fuß unterwegs sind, ist das warming up allerdings notwendig. Dann üben wir 15 Minuten mit den Bändern und es folgen 15 Minuten Dehnung oder ansatzweise Yoga.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass hier jeder fit ist in Yoga und dass es Unterrichtsstunden dafür gibt. Lediglich die morgendliche Zeremonie zum Schulbeginn beinhaltet eine Yogaübung (Mantra und Gebet zur Fokussierung auf den Tag). Also krame ich meine etwas eingestaubten Yogakenntnisse wieder hervor und probiere die eine oder andere Übung aus.
Obwohl die Schule etwas abseits liegt, wird unser regelmäßiges Erscheinen nach den Unterrichtszeiten von den Farmern wahrgenommen und mit neugierigen Blicken registrieren sie unsere sportlichen Aktivitäten.
Nicht nur wir Europäer haben Sport dringend nötig. Indien ist weltweit an erster Stelle in Bezug auf Diabeteserkrankungen. Die gesunde, abwechslungsreiche einheimische Küche wird auch hier zunehmend von Fastfood, Chips und Softdrinks abgelöst. Die Menschen nehmen zu, da nur noch wenige traditionelle Familien täglich hart in der Landwirtschaft arbeiten. Das Bewusstsein für Bewegung und Sport muss daher hier erst geschaffen und Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Ernährung und Bewegung erklärt werden. Fitnessstudios existieren nur in großen Städten. Auf dem Land trainieren junge Männer in privaten Garagen oder Schuppen mit ausrangierten Metallstangen und gefüllten Wasserkanistern. Klimmzüge erfolgen an der herabhängenden Dachstahlkonstruktion. Verletzungsgefahr hoch!
Gehen wir auf unseren Wochenendausflügen im Landesinneren spazieren oder wollen wir zu Fuß auch nur kurze Entfernungen zurücklegen, werden wir verständnislos angeschaut. Für „unsere Kaste“ ist es nicht üblich so „einfach“ unterwegs zu sein und auf Komfort zu verzichten. Wir müssen unser Vorhaben immer „rechtfertigen“ und verweisen auf unsere wenige Bewegung und das gute Essen hier vor Ort. Unterdessen ist aber angekommen, dass sich die Fremden immer irgendwie bewegen müssen. Vielleicht ermuntere ich ein paar Mädchen, sich mir am Nachmittag anzuschließen. Aber dann wäre es schon wieder ein „Projekt zur gesunden Lebensführung“ und keine Freizeit für mich, also erstmal Abstand davon nehmen und weiter für mich entspannt üben und tief ein und aus atmen.