Ein Dankeschön an Monika und Hermann

Die Nachwirkungen der Corona Pandemie, die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sowie die des Klimawandels sind auch hier in Rwanda zu spüren. Lebensmittelpreise haben sich nicht nur verdoppelt oder verdreifacht, nein teilweise VERZEHNFACHT! Das ist die Aussage meiner nationalen Kolleg*innen in der Partnerorganisation, die mir vor ein paar Wochen beim gemeinsamen Mittagessen die derzeitigen Marktpreise erklärten.

Ein blinder Kollege, der als Projektmanager bei „Rwanda Union of the Blind“ arbeitet und monatlich ein kleines aber regelmäßiges Gehalt bezieht, kam während seines 3 wöchigen Urlaubes zur Mittagszeit ins Büro. Ich fragte ihn, weshalb er vorbeigekommen sei, es stünden doch keine wichtigen Termine an. Er antwortete mir etwas verlegen, dass er hier gemeinsam mit uns das Mittagessen teilen möchte. Anderenfalls würde er mit seinen Finanzen nicht bis zum Monatsende ausreichen und seine Familie mit drei Kindern versorgen können. Ich war schockiert!

Grundnahrungsmittel sind insbesondere für blinde Menschen, von denen nur wenige ein eigenes Einkommen haben und die auch keine soziale Unterstützung vom Staat bekommen unterdessen fast unerschwinglich geworden. In ländlichen Regionen besteht immerhin noch die Möglichkeit, dass zu dem gemieteten Wohnraum ein winziges Stück Ackerland gehört, das bewirtschaftet werden kann, um sich selbst und die Familie zu versorgen. In den dörflichen Strukturen am Stadtrand von Kigali entfällt diese Option jedoch. Von diesen Gegebenheiten hatten Thomas und ich in unseren Telefonaten mit Freunden und Familie immer mal wieder berichtet.

Meine Eltern wollten daraufhin auch aus der Ferne einen Beitrag leisten und somit unser Engagement für die Blinden- Community hier vor Ort unterstützen. Dank ihrer Spende konnten Beth und ich einige Lebensmittel kaufen und uns wieder einmal im Namen von „Seeing Hands Rwanda“ auf den Weg machen und 7 junge Frauen in entlegenen Gegenden außerhalb von Kigali besuchen. Jede erhielt 10 Kg Reis, 10 Kg Bohnen, 10 Kg Mais-Mehl und eine Stange Seife zum Waschen der Kleidung.

Mit diesen Mengen, die sich für uns sehr wenig anhören, reicht eine einzelne Person mehrere Monate, da es täglich nur eine bescheidene Mahlzeit gibt. Obwohl Obst und Gemüse in großer Vielfalt in Rwanda vorhanden sind, können es sich viele Menschen nicht leisten. An gesunde und abwechslungsreiche Ernährung ist nicht zu denken.

Die Freude über unser Kommen und die Lebensmittel war bei den Frauen und alleinerziehenden Müttern so groß, dass Tränen der Dankbarkeit flossen. Dankbarkeit darüber, nicht vergessen worden zu sein. Eine Frau sprach nicht nur Worte des Danke, vielmehr ein 10-minütiges Dankesgebet. Sie konnte ihr Glück kaum glauben. Als ich ihr dann auch noch 5.000 RwF (4,20 EUR) für die nächste Monatsmiete überreichte, fing sie zu singen und zu tanzen an. Nun kamen mir die Tränen und ich schämte mich für unseren Überfluss in Bezug auf so viele Dinge im Leben und die Selbstverständlichkeit diesen ohne weitere Überlegungen anzunehmen.

Community Besuche dieser Art verändern meinen Blick auf das eigene Leben. Ich hinterfrage viele alltägliche Dinge stärker, reflektiere mit Thomas die Politik in Deutschland und unseren möglichen Beitrag an einer Veränderung. Es ist nicht leicht, eine Balance zwischen notwendiger, annehmbarer Unterstützung und unangemessener Großzügigkeit zu finden. Muss ich mich schuldig fühlen für den Wohlstand, in dem ich lebe und den ich nur minimal teile? Was ist angemessene persönliche Hilfe? Muss Entwicklungszusammenarbeit nachhaltig sein oder ist sie vielmehr eine zurecht beanspruchte Reparationszahlung? Darf sie an Bedingungen geknüpft sein, die unsere Zivilgesellschaft an die sich entwickelnde Gesellschaft stellt? Diese Themen diskutieren wir sehr häufig auch mit Ruandischen Kolleg*innen und finden darauf keine zufriedenstellend Antwort. Die Unzufriedenheit mit dem bestehenden System der Entwicklungszusammenarbeit, postkoloniale Anschuldigungen, kulturell inadäquates Verhalten sind Themen, denen wir uns hier täglich und nicht nur im Arbeitskontext stellen müssen. Es gibt dafür keine einfachen Erklärungen, doch die Bereitschaft sich mit anderen und vor allem kritischen Meinungen diesbezüglich auseinanderzusetzen.

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