Das neue Jahr war erst wenige Tage alt und wir wollten mit Freunden noch darauf anstoßen. Daher trafen wir uns an einem Samstag im Mamba-Club, einem beliebten Backpacker- Hostel im angesagten Stadtteil Kimihurura. Dieser Teil Kigalis ist bekannt für seine Kunst- und Kulturszene mit vielen kleinen Bars, Restaurants und Galerien. Das wollten nun auch wir mal etwas genauer erkunden.
Der Mamba-Club bietet alles, was Rucksacktouristen und Reisende allgemein lieben: eine Bar, ein Beachvolleyballfeld, einen Billardtisch, einen Spielplatz für die Kinder und sogar einen kleinen Pool. Einfaches Essen, Snacks und Getränke können jederzeit gegen ein überschaubares Entgelt bestellt werden. Um die Attraktivität nicht nur für Touristen sondern auch für die einheimische Mittelschicht zu erhöhen, finden ab und an Konzerte statt oder DJs legen auf. An diesem Samstag war “Fulu Miziki” angesagt, eine kongolesische Band, die sich der traditionellen afrikanischen Musik verschrieben hat. Wir hatten keine Vorstellung davon, was uns musikalisch erwarten würde und waren daher sehr gespannt.
Bei unserer Ankunft gegen 16:30 Uhr, es sollte allerdings schon 15:00 Uhr los gegangen sein, fanden noch die letzten Vorbereitungen auf der Bühne statt: Sound-Check mit den traditionellen Instrumenten und die Scheinwerfer sowie Mikrophone wurden ausgerichtet. Das Mischpult stand überdacht und somit regensicher in der Mitte des Beachvolleyballfeldes. Im Sand eingesunkene Plastikstühle zum bequemen Abhängen standen ringsherum. Alles wirkte sehr professionell. Am Eingang des Geländes hatte man kleine Kunsthandwerksstände aufgebaut, die geschmackvolle Kleinigkeiten verkauften. Etwas abseits schraubten zwei Muzungus im Rasta-Look und Dreadlocks an einem alten klapprigen Wohnmobil herum. Sie hatten eine Afrika-Tour damit hinter sich und am nächsten Tag sollte es weiter gehen. Kinder rannten herum oder schaukelten auf dem Spielplatz. Erstmalig sah ich vereinzelte Personen in der Öffentlichkeit rauchen. In Ruanda ist das und auch das Essen in der Öffentlichkeit verboten!
Die Bar des Mamba-Clubs war geöffnet und es gab Leckeres vom Grill. Überall saßen auffällig alternativ oder betont extravagant gekleidete Leute herum. Wir passten weder zu der einen, noch zu der anderen Gruppe und fühlten uns ein wenig fehl am Platz. Zu normal!
Es war ein buntes Gewimmel an Nationalitäten und wir waren froh, als unsere Freunde mit ihren Kindern gegen 17:00 Uhr auftauchten. Jetzt erst einmal etwas essen und Getränke fassen! Prost aufs neue Jahr! So verging noch einmal eine reichliche Stunde aber das eigentliche Konzert hatte noch immer nicht begonnen. Zur Überbrückung gab es eine Musik-Licht-Performance mit einem DJ und weitere (alkoholfreie) Getränke für uns und die Kids. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit verabschiedeten sich unsere Freunde, die Kinder fingen an zu quengeln, sie mussten ins Bett. Wir wollten dem Ganzen jedoch noch eine Chance geben und warteten noch eine weitere Stunde.
Endlich ging es los. Der Veranstalter forderte alle noch in Plastikstühlen Sitzenden auf, aufzustehen und so der Band ihren Respekt zu zeigen. Die Stühle wurden sogar zusammengestellt und weggeräumt.
Was nun auf der Bühne erschien, war für uns mehr als unerwartet. Weder traditionelle Kostüme noch historische Instrumente. Jeder Einzelne der Band trat in einem total verrückten Kostüm auf, was aus Müll und sonstigen Konsumresten zusammengestellt war. Teesiebe und Gasmasken waren zu einer Brille oder zu einer Kopfbedeckung verarbeitet worden. Einzelne Maschinenteile hatte die Band zu Instrumenten zusammengeschraubt. Zwei Plastikrohre in einem Gestell wurden mit Hilfe eines Flip-Flops an deren Öffnungen angeschlagen und dadurch zu einem dumpfen Klangkörper. Sogar ein rostiger Flaschenzug kam mit seinen alten Ketten und Zahnrädern als Ratsche zum Einsatz. Wir staunten, was alles umbaufähig war und wie kreativ Müll zum Einsatz kommen kann. Damit wollen die Mitglieder vom “Fulu Miziki” auf die konsumbedingte Verschwendung und den Umweltschutz, nicht nur in ihrem Land, aufmerksam machen. Es ist ihnen gelungen!
Ich wurde während des Auftritts unweigerlich an das Musical “Starlight Express” erinnert, in dem die Akteure unterschiedliche Zug-Typen darstellen und auf Rollschuhen, ebenfalls mit verrückten Kostümen, im Saal herumfahren. Diese sind jedoch designed und nicht aus Müll
zusammengetragen.
Was für ein gigantischer Eindruck und ein echtes Erlebnis. Jedoch ist diese Art von Musik (Garbage/Trash) für meine Ohren nur eine sehr begrenzte Zeit gut zu verkraften. Risiken und Nebenwirkungen treten bei längerem Hören auf und trüben dann auch ein wenig die bis dahin überwiegende Freude. Wir blieben nicht bis zum Ende des Konzertes. Obwohl unsere Freunde nicht live dabei waren, haben sie das Konzert trotzdem miterlebt, denn es war weit über den Stadtteil Kimihurura hinaus zu hören.