Am Freitag, 13.04. fand nun die finale Veranstaltung der Tempelfestwoche statt. Wir hatten also ein langes schulfreies Wochenende. In allen Familien des Dorfes waren Gäste angereist und somit fanden überall große Familientreffen statt. Auch in unserer Gastfamilie reisten diverse Cousinen, Tanten und Onkel sowie Neffen mit unterschiedlicher Anzahl an Kindern an. Die Familie war jedoch auf zwei Standorte aufgeteilt, zum einen unser Farmhaus und zum anderen Annas Haus im Dorfzentrum. Insgesamt waren wir über das gesamte Wochenende verteilt 25 bis 30 Personen, die immer zwischen diesen beiden Standorten hin und her wechselten. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie bei uns in Deutschland die privaten Vorbereitungen für solch ein Familientreffen aussehen würden, angefangen mit der exakten Planung der Ankunftszeit der Gäste, die Prüfung der Übernachtungsmöglichkeiten, gefolgt von einer Essens- und Menüabfolge sowie einer Getränkeeinkaufsliste und nicht zu vergessen diverser Dekorationen, um auch ja nichts zu vergessen. Tage im Voraus wären wir mit der Eventplanung beschäftigt und ungeniessbar für unser soziales Umfeld.
Hier lief dagegen alles sehr unspektakulär und völlig stressfrei ab. Ein Teil der Gäste reiste ohnehin kurzfristig nicht an, ein anderer Teil kam erst zur Hauptzeremonie 22 Uhr, ein weiterer Teil der Gäste reiste erst einen Tag später und auch nicht wie erwartet 14 Uhr sondern erst 17 Uhr. Egal! Es ist, wie es ist und wer da ist, ist da. Kein Klagen und Jammern!
Große Vorräte anzuschaffen, ist ohnehin nicht möglich, da es ja keinen Kühlschrank gibt, bzw. der vorhandene wegen regelmäßiger Stromausfälle nicht kühlt. Das Standardgetränk- Wasser- wird einmal am Tag in ein großes gemauertes Auffangbecken gepumpt und von dort direkt weiter verwendet. Nur wir bekommen 20 Liter gefiltertes Wasser aller zwei Tage geliefert. Andere Getränke wie z. B. Wein oder Bier gibt es nicht. Nur heimlich brauchen einige Familien im Dorf Alkohol, der „unter der Hand“ verkauft wird. Softdrinks sind jedoch im „Dorfladen“ erhältlich.
Kurz vor der Ankunft der Gäste muss noch schnell die Terrasse von 1 Tonne getrocknetem Mais freigeschaufelt werden. Selbstverständlich helfen wir.
Danach ist duschen und ankleiden angesagt. Shria wickelt mich in den Sari, zupft, faltet und steckt zwei drei Sicherheitsnadeln irgendwo fest. Ich hoffe nur inständig, dass diese Wickelei nicht aufgeht. Wobei das eher unwahrscheinlich ist, da der Unterrock so fest gezogen wird damit man die 10 Meter Stoffbahnen darin festklemmen kann, dass mir schon fast wieder schlecht wird und das Band im europäischen Schmerbauch einschneidet. Die extra für diesen Anlass gekauften „Goldohrringe“ darf ich nicht tragen, da sie nicht aus echtem Gold sind. Ich bekomme Shrias echten Schmuck, der mich als verheiratete Frau charakterisiert. Es wir hier noch eine Brosche festgesteckt und dort noch ein „Faltenhalter“ festgeklemmt, nun ist meine Ankleidedame zufrieden. Ich fühle mich allerdings wie ein kitschiger Weihnachtsbaum. Thomas findet mich aber toll. Also gehe ich mal davon aus, dass es nicht wirklich so schlimm ist.
Alle sind angezogen und wir machen ein „Familienfoto“.
Wie kommt man nun in dieser Robe zum Fest ins Dorf? Na logisch, mit dem Motorrad. Zum ersten Mal muss ich mich seitlich sitzend, fahren lassen. Das geht jedoch nur im Schritttempo, da das Gleichgewicht nicht mitspielt. Der Schwerpunkt ist ein anderer und so hat Thomas Mühe mit dem Fahren und ich mit dem Festhalten aufgrund der holprigen Feldwege. Was wir uns aber auch immer so anstellen müssen, es geht doch auch anders…
Aufgrund meiner letzten Erfahrungen mit den religiöse Feierlichkeiten im Dorf haben Thomas und ich verabredet, dass wir uns auf keinen Fall separieren lassen. Wir gehen also gemeinsam mit einem Teil der Familie auf den Tempelplatz. Dort feiern Menschenmassen ekstatisch nach Trommelrhythmen, die Lautstärke ist gigantisch. Die Gottesfigur ist von etlichen Fakelträgern umgeben, wird mit pinken Farbpulverbeuteln beworfen und dadurch geehrt. Der Tempelplatz siehe noch Tage danach verheerend aus.
Die Massen drängen zu der Gottesfigur und wir mittendrin. Alle wollen vor ihr beten und ebenfalls gesegnet werden. Ich bekomme Platzangst in diesen drückenden, schiebenden Menschenmassen. Thomas bringt mich raus und zurück zu Annas Haus. Dann lieber stundenlang auf die Dinge warten, die geschehen sollen. Auch eine Herausforderung aber machbar.