Für das kommende Schuljahr werden die Schülerzahlen an der Englisch Medium School in Alegaon ansteigen. Zum einen wird die Schule um eine 9. Klasse erweitert und zum anderen kommen neue Vorschulkinder dazu. Das ist der große Wettbewerbsvorteil „unserer Schule“. Sie bietet Vorschulunterricht an. Daher brauchen wir dringend Lehrer und Erzieher, die man natürlich nur sehr schwer für den ländlichen Raum findet. Die Problematik des Fachkräftemangels bzw. weniger beliebter ländlicher Standorte gibt es also nicht nur in Deutschland.
Daher waren wir gestern in Sangola, wo zwei Colleges Lehrer und Erzieher ausbilden. Dort haben wir mit den jeweiligen Schulleitern gesprochen, um Werbung für unsere Schule zu machen. Wir wurden sehr offen und herzlich empfangen. Für heute war dann auch gleich ein Präsentationstermin in einem Frauencollege vor 20 Studienabgängerinnen geplant.
Einige von ihnen können wir hoffentlich dafür gewinnen, Aufbauarbeit in der Bildung auf dem Land zu leisten. Allerdings ist die Bezahlung der Fachkräfte nur sehr gering, da unsere Schule eine NGO ist und keinerlei Finanzierung vom Staat bekommt. Das Schulgeld pro Schüler ist so gering kalkuliert damit sich die Landbevölkerung die Bildung ihrer Kinder überhaupt erst einmal leisten kann. Und trotzdem gibt es jede Menge ausstehende Schulgelder.
Wir gehen davon aus, dass die Bereitschaft der Studienabgängerinnen auf dem Land zu unterrichten eher minimal ist. Trotzdem wollten wir noch vor den in wenigen Tagen beginnenden Schulferien die NGO vorstellen und Interesse für unsere Arbeit wecken.
12 von 20 angekündigten interessierte Studentinnen lauschten heute Mittag unseren Ausführungen zur Schule. Es gab nur einen Haken an der Veranstaltung. Es waren nicht die Studienabgängerinnen (Master of Education) anwesend sondern Studentinnen, die erst in einem Jahr ihren Abschluss als Lehrerin machen. Also keine potentiellen Lehrerkandidaten für das neue Schuljahr 2018/2019, was am 1. Juni mit zwei Wochen Vorbereitung beginnt. Diese Tatsache erfahren wir jedoch erst nach der offiziellen Begrüßung und Segnung.
Wir waren enttäuscht! Auch verärgert! Genervt! Hatten wir uns doch sehr spontan auf den Termin eingelassen, um wenigstens eine kleine Chance auf Erfolg zu haben.
Erneut fragen wir uns, weshalb kommt hier in Indien immer alles anders, als verabredet wurde? Sind es wirklich die Sprachbarrieren? Wir hatten eigentlich im gestrigen Vorgespräch einen Übersetzer dabei, einen Lehrer der Schule. Nichts scheint wirklich wichtig oder dringend zu sein. Unser Verständnis von Dringlichkeit ist ohnehin völlig unvorstellbar für Einheimische. Wieso machen die Deutschen nur so einen Druck wegen neuer Lehrer? Ist doch noch Zeit bis zum 1.6.! Einarbeitung? Hä, wie bitte?
Kritisch müssen wir sagen, dass wir viel zu schnell denken und sofort Lösungen anbieten. Auch im Handeln sind wir viel zu schnell und dadurch manchmal unpassend in der aktuellen Situation.
Ein Beispiel: Thomas hat den Schulleiter gebeten, seine regelmäßigen Arbeitsaufgaben in Abgrenzung zu seinen beiden Kollegen mal aufzuschreiben. Da der Kollege schon 8 Jahre in der NGO arbeitet, ist Thomas davon ausgegangen, dass die unmittelbare Aufforderung auch sofort umgesetzt wird. Es kam jedoch keine Reaktion und eine Handlung schon gar nicht. Schweigen! Thomas wiederholte die gerade gestellte Aufgabe. Weiterhin Schweigen und umherschauen. Aufforderndes Anschauen brachte dann die Aussage „Ich denke nach!“ Sofort sind wir angesprungen und haben die aus unserer Sicht notwendigen Arbeitsaufgaben benannt und von dem Schulleiter aufschreiben lassen. Es kommt dann auch kein „… Moment mal, ich mache auch noch…“ oder „…nein, diese Aufgabe übernimmt bisher…“ Und wir wundern uns später, warum Arbeitsaufgaben fehlen oder die Zuordnung nicht stimmt.
Erkenntnis: Wir müssen beide noch viel ruhiger werden und uns und anderen Zeit lassen.