Nachdem wir im August bereits an der standesamtlichen Trauung von Callixte und Eugenie teilgenommen hatten, waren Thomas und ich nun im November offiziell zur kirchlichen Trauung mit weiteren 300 Gästen eingeladen. Wir sollte jedoch auch eine spezielle Rolle in einer Hochzeitszeremonien einnehmen, so dass wir dazu natürlich beide die traditionelle Kleidung- Mushanana- tragen würden. Das Organisationsteam einer jeden Hochzeit stellt dafür einen Ankleideraum mit Personal zur Verfügung, wobei Männer und Frauen selbstverständlich getrennt angekleidet und vorbereitet werden. Jeder von uns bekam zusätzlich auch noch einen persönlichen Übersetzer zugeteilt. Mir wurde Beth und Thomas ein Freund von Callixte zur Seite gestellt, von denen wir komplett abhängig waren, da wir nicht die geringste Ahnung hatten, was wann an diesemTag passieren würde und wo wir ganz konkret in Erscheinung treten würden.
Am Samstag den 11.11. war ich mit Beth um 8:30 Uhr verabredet. Sie hatte auf meine Empfehlung hin für uns einen Kosmetik-Termin für ein professionelles Make up organisiert denn auch das ist in Rwanda üblich in Vorbereitung auf große Feste und Feierlichkeiten. Danach würden wir beide in den Mushanana gekleidet, der in den von der Braut gewählten Farben bei einem Hochzeitsausstatter ausgeliehen wird. Für Thomas gab es bis dahin noch keinen festen Zeitplan zum Ankleiden. Doch das sollte sich bald ändern.
Zufällig wachte ich an dem Samstag schon gegen 6:00 Uhr auf und schaute instinktiv auf mein Handy. Beth hatte in der Nacht noch eine Nachricht geschickt. Thomas müsste 7:30 Uhr bereits zum Ankleiden bei Callixte eintreffen und wir beide würden uns auch schon um 7:00 Uhr treffen, um alle Vorbereitungen zeitlich zu meistern. Ich weckte Thomas und schon waren wir mehr im Stress, als zu unserer eigenen Hochzeit.
Beth holte mich tatsächlich 7:00 Uhr ab und fuhr mit mir zu „light-veil“, einem Kosmetik-Studio in der City, um einen zeitigeren Termin zu bekommen, was jedoch nicht möglich war. Alles ausgebucht! Wir sollten bis zu unserem offiziellen Termin 8:30 Uhr warten. Die erste Hochzeitszeremonien war jedoch bereits für 9:00 Uhr geplant. Wie sollte das zeitlich funktionieren? Beth war jedoch optimistisch und wollte die verbleibende reichliche Stunde nutzen, um mich bei einem Friseur unterzubringen. Ich war überrascht denn davon war nie die Rede gewesen. Welcher Friseur hatte schon Erfahrungen mit dünnem langen leicht ergrauten europäischen Haar und konnte in kurzer Zeit eine festliche Frisur daraus zaubern? Doch Beth liess von dieser Idee nicht ab. Der erst Friseur war zwar bereits geöffnet, doch das entsprechende Personal noch nicht vor Ort. Der zweite Friseur lehnte es ab, meine Haare in der verbleibenden Zeit von 40 Minuten zu stylen. Der Dritte Friseur stimmte mürrisch und genervt zu, da Beth verzweifelt insistierte. Nun wurde das Glätteisen rausgeholt, Spangen und Klemmen bereitgelegt und ich nahm auf einem der üblichen Friseurstühle Platz. Beth erklärte in Kinyarwanda, was in nur 30 Minuten das Ergebnis auf meinem Kopf sein sollte und fragte mich immer wieder nach meiner Vorstellung von der Frisur. Ich hatte gar keine Idee aber auf alle Fälle eine Meinung und bekam immer mehr Bedenken hinsichtlich des möglichen Resultats in der verbleibenden Zeit. Meine Haare dampften unterdessen im Glätteisen und wurden abwechselnd mit dem Föhnt und einer Rundbürste bearbeitet. So wird das nix! Ich sah schon meine zarte Haarpracht in Rauch aufgehen oder zu einer Kurzhaarfrisur zusammenschrumpfen. Eine „normale“ Hochsteckfrisur würde bei meinen glatten Haaren nicht halten, doch das schien außer mir niemanden zu interessieren. Ein Friseurhelfer kam dazu und beide Männer begannen zu drehen, zu knoten, steckten Klemmen auf meinem Kopf fest und sprühten mehr als reichlich Haarlack. Beth hatte von dem Friseur Sprechverbot bekommen, da sie immer wieder Anweisungen gab und somit die Profis nervte.
30 Minuten später und um mindestens 35 Haarklemmen reicher, zahlte ich 20.000 RwF (14,90 EURO) und war relativ zufrieden mit dem Ergebnis. Mehr war einfach nicht machbar und ich sah definitiv festlicher aus, als vorher und das war die Hauptsache. Wir verliessen eilig den Salon. Nun schnell noch das Make up in weiteren 30 Minuten- eine erneute Herausforderung! Das Gesamtergebnis konnte sich dann aber sehen lassen. Beth war zufrieden und ich ebenfalls, wobei mir bereits der Kopf leicht schmerzte aufgrund der festgezwirbelten Hochsteckfrisur.
Die erste traditionelle Hochzeitszeremonie begann ruandisch pünktlich um 9:30 Uhr und war eine zweistündige Verhandlung des Brautgeldes. Dieses wird in der Tat noch von der Familie des Mannes an die Familie der Frau gezahlt und üblicherweise auch verhandelt. Die Zeremonie ist dagegen eine Art Theaterstück, welches auf unterhaltsame Art und Weise diese Tradition darstellt. Dazu sitzen sich Vertreter der Familie des Bräutigams und der Braut als Gruppen in einem großen Saal gegenüber. Ein Moderator leitet die Zeremonie und die Kommunikation zwischen den Parteien und unterstützt auch bei der Übergabe der Gastgeschenke an die Familie der Braut. Sie soll schließlich positiv gestimmt werden, um möglichst zügig der Hochzeit zuzustimmen. Alle anderen Gäste sitzen ebenfalls getrennt nach Zugehörigkeit zur Braut oder zum Bräutigam und verfolgen aufmerksam die Brautgeldverhandlungen.
Da ich mit Beth in der ersten Reihe platziert wurde, bekam ich nach ca. 1 Stunde plötzlich das Mikrophon vor’s Gesicht gehalten und sollte im Rahmen der Verhandlungen als Vertreterin der Braut dem verabredeten Hochzeitsprozess vor allen 300 geladenen Gästen zustimmen, was ich auch zum richtigen Moment tat, da Beth das Geschehen schnell noch übersetzt hatte und ich somit wusste, worum es ging bzw. welche Frage gerade an mich gestellt worden war.
Während ich im traditionellen Mushanana gekleidet in der ersten Reihe bei der Familie der Braut sass, war Thomas einer von Callixtes „Junggesellen“ ebenfalls im historischen Mushanana gekleidet und mit Stock. Die Männergarde begleitet den Bräutigam auf die Bühne, wo er auf die Ankunft seiner Braut wartete.
Den Gästen werden unterdessen Getränke gereicht, so dass die ersten in der Realität nach dem zweiten Bananenbier schon leicht angetrunken dem weiteren Verlauf der Brautgeldverhandlungen beiwohnen. In unserem Fall gab es Fanta, Cola, Wasser und verschiedene Sorten Bier, die außer dem traditionelle Bananenbier ausgeschenkt wurden.
Nachdem das Brautgeld verhandelt und beide Parteien dem Datum der Hochzeit zugestimmt hatten, wurde das Mittagsbuffet eröffnet. Leider ist das nach nur wenigen Minuten kein appetitlicher Anblick mehr. Jeder Gast schaufelt so viel er kann in einem Berg auf einen mittelgroßen Teller, wobei unberücksichtigt bleibt, ob es sich um eine Vor- oder Hauptspeise oder um Obst als Desert handelt. Sehr befremdlich.
Etliche der Gäste waren, wie auch der Bräutigam und die Braut, blind. Auch von meiner Partnerorganisation „Rwanda Union of the Blind“ waren Kolleg*innen und Vorstandsmitglieder gekommen. Callixte ist in der Gemeinschaft sehr anerkannt und durch seine Fähigkeiten im Bereich der unterstützenden Technologien ein sehr gern gesehener Partner und Kollege.
Anschließend wurde gesungen und vereinzelt getanzt. Callixte spielte für seine Eugenie Gitarre, Seeing Hands sang für beider ein Lobpreis-Lied und zwei Künstler spielten auf traditionellen Instrumenten. Fotos wurden selbstverständlich auch geschossen und wir hoffen, davon noch das eine oder andere als Erinnerung zu bekommen.
Am Nachmittag folgt die eigentliche kirchliche Trauung, die ebenfalls 2 Stunden dauerte und ab 18 Uhr waren alle Gäste zur Übergabe der Geschenke eingeladen. Das Überreichen erfolgt nach Aufruf durch den Zeremonienmeister und dauert weitere 2-3 Stunden. Wir waren in der Gemeinschaft von „Seeing Hands Rwanda“ an der Geschenkübergabe beteiligt und überreichten von uns aus noch einen separaten Umschlag mit Geld. Das wird nach solch einer Feier mit 300-350 Gästen mit Sicherheit gebraucht und ist sehr willkommen.
Wir hatten einen wundervollen Tag und auch Callixte schien glücklich, uns dabei zu haben. Die gegenseitige Wertschätzung mit der Bemühung einer wechselseitigen Einbindung in den sehr unterschiedlichen Alltag des anderen ist im Rwandischen Kontext nicht immer gegeben. Daher sind wir umso dankbarer für die Möglichkeit dieser Erfahrung.