Aufstieg und Fall der Elisabeth

Seit nunmehr 4 Jahren sind wir mit Elisabeth, ihrer Tochter Atete und den dazugehörenden immer mal wechselnden männlichen Begleitern befreundet. Gemeinsam waren wir in der GIZ-Lodge am Kivu See, sind auf Safari durch den Akagera Nationalpark gefahren und teilten die ersten Zelt-und Wandererfahrungen. Außerdem haben wir diverse Familienfeste sowie Geburtstage gegenseitig miterlebt. Allgemein können wir voneinander sagen, dass wir unseren beruflichen und privaten Alltag mit all den einhergehenden Veränderungen in unterschiedlichem Ausmass gegenseitig mit begleitet haben.

Elisabeth hat sich unter Thomas Mentorship bei RISA zu einer kommunikativen, kritischen und zielstrebigen Software-Developerin entwickelt. Brauchte sie anfangs noch Anleitung zur Einsicht in die Notwendigkeit der Vorbereitung von Meetings oder auch der Nutzung eines professionellen Projektmanagementtools, hat sie unterdessen eine eigene berufliche Professionalisierung erreicht. Dazu trug auch ein dreijähriges Vollzeitstudium an der CMU (Carnegie Mellon University) bei, an der sie ihren Master in Software-Engineering absolvierte. Dies war einerseits nur dadurch möglich, dass sie oft bis spät in die Nacht an Projektberichten geschrieben, vorbereitende Unterlagen gelesen und sich als IT Expertin zu Panel-Diskussionen auf Konferenzen bereiterklärt hatte. Unterstützend war andererseits auch, dass ihr monatliches Gehalt als Bereichsleiterin bei RISA auch ohne eine ersichtliche Arbeitsleistung bei ihrem staatlichen Arbeitgeber weiter gezahlt wurde. Einzelaufgaben hatte Elisabeth an Kolleg*innen übertragen, die jedoch aufgrund der „Arbeitsüberlastung“ im Rwandischen Staatsdienst bald weniger gewillt waren, ihre berufliche Lücken zu füllen.

Allen Herausforderungen trotzend, erhielt Elisabeth im Mai ihren Masterabschluss, und wir feierten gemeinsam mit ihr im „Soy“ ,einer angesagten und sehr gemütlichen Bar mit Lagerfeuer im kleinen Gartenbereich und unglaublichen Cocktails.

Elisabeth hatte sogar ihr in Leder gebundenes Universitätszertifikat mitgebracht und zeigte es uns stolz. Wir freuten uns riesig mit ihr über ihren Erfolgt. Hard work pays off!

Elisabeth strahlte und schien hoch motiviert, wollte Veränderungen unterstützen und Projekte voranbringen. Zusätzlich engagierte sie sich als Mentorin für „Women in Technology“ und leitete junge Frauen in ihren ersten praktischen Erfahrungen in technischen Berufen an. Als Repräsentantin von RISA war sie nicht nur lebendes Beispiel für weibliche Leistungsfähigkeit als alleinerziehende Mutter sondern auch das Aushängeschild staatlich geförderter „Frauenpower“.

Doch das änderte sich schlagartig innerhalb von 2 Monaten. Ende Juli erhielt Elisabeth ohne Vorwarnung oder Ankündigung einen offiziellen Brief vom „Ministerium für Arbeit und Öffentliche Services“, in dem ihr zu ihrer neuen beruflichen Position als „Senior Software Developer im Ministerium für Handel und Industrie“ gratuliert wurde. GRATULIERT! Das muss man sich mal vorstellen, dabei ist diese Position eine offizielle Degradierung um zwei Positionen und zusätzlich die Versetzung in ein anderes Ministerium. Dieser Vorgang wurde auch noch rückwirkend wirksam, so dass Elisabeth umgehend ihre Büro Sachen packen und ohne Verabschiedung oder Würdigung ihrer jahrelangen Arbeit bei RISA gehen musste. Was für eine Demütigung! Unvorstellbar im deutschen Arbeitsrecht. Dieser Verlauf karikiert die Bemühungen Rwandas um eine hochprozentige Frauenquote in wichtigen öffentlichen Positionen und im Management.

Alle waren sprachlos, keiner der Kolleg*innen von RISA traute sich persönlich zu reagieren oder Elisabeth darauf anzusprechen. Dabei hatten viele von diesem Debakel schon etliche Stunden vor Elisabeth gewusst, da ihnen der Nachfolger bereits präsentiert worden war. Die Vorgesetzten waren wie vom Erdboden verschwunden und nicht zu sprechen, obwohl sie davon mit Sicherheit gewusst und ihre Zustimmung erteilt hatten. Den Mut zu einem Gespräch mit Elisabeth vorab brachten sie jedoch nicht auf. Das hatten sie wohl in ihren diversen Leadership Trainings, finanziert von Internationalen Development Kooperationen, nicht gelernt. Vermutlich waren sie an diesem Tag wieder einmal zu einem anderen dringenden und sehr wichtigen Meeting abberufen worden und glänzten mit Abwesenheit. Doch manche Dinge sollte man nicht lernen müssen, sie gehören einfach zum Menschsein dazu. Achtung, Wertschätzung und ein klein wenig gegenseitige Verantwortung.

„Was du nicht willst, das man dir tu, das füg‘ auch keinem anderen zu!“ Weise Worte aus Kindertagen von meiner Großmutter, zu denen es nichts hinzuzufügen gibt!

Wenige Tage nach dem traurigen Ereignis trafen Thomas und ich uns mit Elisabeth und ertränkten gemeinsam unseren Frust mit ein paar Bieren und ein wenig Ironie. Dank Thomas‘ unbändigem Optimismus diskutierten wir zaghaft erste Zukunftsmöglichkeiten und schmiedeten Pläne. That’s what friends are for!

Sossusvlei- die roten Dünen

Als die Digitalisierung noch nicht so massgeblich meinen Alltag bestimmte, kaufte ich mir ab und an einen großformatigen Kalender oder Magazine mit tollen Fotos. Unter anderem ist mir „The National Geographic“ und auch der „Merian“ noch gut in Erinnerung. Abenteuerliche Reisedokumentationen und -tips mit einmaligen Aufnahmen waren darin zu bestaunen und ich fragte mich oft, ob ich jemals die Chance hätte, an einen dieser Orte zu reisen.

Und jetzt waren wir an einem sollten Ort: Sossusvlei.

Die Dünen sind bekannte Fotomotive, die besonders schön in der aufgehenden Morgensonne zu fotografieren sind. Die durch den hohen Eisengehalt rot-braunen klaren Siluetten lassen einen minutenlang staunend davor stehen und der Auslöser des Fotoapparates klickt und klickt und klickt. Mit jeder kleinen Veränderung des Sonnenstandes hat die Düne einen anderen Schattenwurf, Details treten hervor oder zurück und man kann sich nicht entscheiden, welches Motiv nun das schönste ist.

Die Dünen von Sossusvlei sind Teil eines 32.000 km² großen Gebietes im Süden der Namib Wüste des Namib Naukluft Nationalparks. Mit 3-5 Mio Jahren sind sie die ältesten Salz-Sand-Dünen der Welt. Einige erreichen eine Höhe von bis zu 388 Metern.

Von Sesriem, dem Eingang zum Sossusvlei-Gebiet, fährt man 60 km auf einer Asphaltstraße bis zu den für Touristen freigegebenen Dünen. Die letzen 6 km muss man jedoch zu Fuß oder in einem entsprechenden Jeep zurücklegen. Wir entschieden uns als einzige der an diesem Morgen anwesenden Touristen, für eine Wüstenwanderung und wurden trotz der Hitze und Anstrengung mit unbeschreiblichen Eindrücken und Fotomotiven belohnt.

Sossusvlei ist eine elliptische Vertiefung (Becken) mit einer Kruste aus salzhaltigem Sand, geformt durch den Tsauchab Fluss . Nur selten führt jedoch der Fluss noch Wasser, so dass das Becken geflutet wird. Ein Spaziergang auf den Dünen und in dem Salzbecken sind ein ganz besonderes Abenteuer. Die bizarre Landschaft gleicht einer Filmkulisse und die Sonne brennt unerbittlich vom strahlend blauen Himmel.

Ohne Sonnenstich und Sonnenbrand, Dank Lichtschutzfaktor 50, kamen wir erschöpft von den zweimal 6km Fußmarsch im Wüstensand am frühen Nachmittag wieder auf unserem Zeltplatz an. Dort tankten wir, liessen den Reifendruck noch einmal prüfen, füllten unsere Trinkwasserreserven wieder auf und los ging es zur nächsten Station unserer Reise, zur „Mount Durban Campsite“.

Unterwegs hielten wir immer mal wieder an, um erstaunliche Fotomotive von Fauna und Flora einzufangen. So erkundeten wir u. a. auch ehrfürchtig ein Vogelnest des in Namibia bekannten „Social Weaver“. Ein kleiner grauer Vogel, der nicht als Paar lebt und brütet sondern in der Community. Daher haben die Nester ein enormes Ausmass denn viele kleine runde Nester verschmelzen zu einem riesigen Lappen, der von Bäumen oder auch Strommasten herunterhängt. Die Lautstärke unter einem solchen Baum bei vollständiger „Nestauslastung“ sollte uns an einem anderen Zeltplatz noch überraschen.

Swakopmund: Wüste und Meer

Swakopmund liegt an der Westküste Namibias und ist für Touristen u a. ein Eintrittspunkt in den Namib Naukluft Nationalpark sowie in die gleichnamige Wüstenregion. Von der Walvis Bay starteten wir eine geführte Wüsten-Jeep-Safari.

7:30 Uhr begannen wir unsere Halbtagestour bei kühlen Temperaturen und kräftigem Wind und fuhren an der Atlantikküste entlang. Endlose Sandwüste soweit das Auge reicht. Zahlreiche und sehr unterschiedliche Spuren von Tieren im Sand, die Wüste lebt! Wir sahen riesige Schwärme rosa-pinkfarbener Flamingos, Robben schwammen im Meer und plötzlich erblickten wir einen leichtfüssig dahin schleichenden Schakal. Er war fast nicht zu erspähen, da die Farben seines Fells ihn wunderbar tarnten und mit den Gelb-Orange und Brauntönen der Sanddünen verschmelzen.

Besonders beeindruckend ist die Gegend, in der die gigantischen Sanddünen auf den Atlantik treffen. Man hört das Rauschen der Wellen. Die Luft ist klar, der Wind weht kräftig, so dass wir unsere Basecaps mit der Kapuze vor dem Wegfliegen schützen mussten. Es ist einmalig!

Der Jeep fuhr anfangs langsam durch die feinkörnigen Sandmassen, so dass wir die unendliche Weite und auch die dezenten Licht- und Farbveränderungen am frühen Morgen richtig wahrnehmen und bestaunen konnten. Es ging vorbei an großflächigen ausgetrockneten Salzlaken und Salzabbauanlagen.

Während der Tour erklärte uns der Fahrer, dass aufgrund der Sandstruktur jede Düne lediglich 38 Grand von ihrem Scheitelpunkt abfällt. Wir hatte einen ganz anderen Eindruck, es kam uns wesentlich steiler vor. Wichtig sei jedoch, sagte er, dass man stets gerade die Dünenwand herunterfährt denn anderenfalls kann das Fahrzeug kippen. Um uns einen Eindruck davon zu vermitteln, rasten wir nunmehr mit enormer Geschwindigkeit über die Dünen. Unvergesslich!

Am Ende der beeindruckenden Wüstensafari wurde noch ein Mini-Buffet auf einer Düne angerichtet. Es standen Sekt und Austern auf einem kleinen weiss-gedeckten Tisch sowie vegetarische Wraps und delikate süße Leckereien. Ich konnte mich zum Verkosten der Austern nicht aufraffen, dafür genoss Thomas meine Portion. Im Windschatten des Jeeps, die Sonnenbrillen und Kapuzen tief ins Gesicht gezogen konnten wir diesen Augenblick fast nicht begreifen.

Dekadenz und natürliche Einfachheit liegen manchmal sehr nah beieinander. Wir konnten diesmal beides geniessen!

Namibia- ein Urlaubsreisebericht in Etappen

Wir machen 3 Wochen Urlaub in Namibia! Jedem, dem ich von unseren Plänen berichtete, war begeistert und freute sich mit uns. Schon Monate vor Reisebeginn waren wir in großer Vorfreude, hatten eine Packliste unserer Campingsachen erstellt und eine Shoppingliste für die vielen kleinen Luxusgüter, die wir nach Rwanda mit zurücknehmen wollten.

Namibia ist doppelt so gross wie Deutschland, hat jedoch nur 2.5 Mio Einwohner und ist somit das am zweitdünnsten besiedelte Land der Erde. Die Kalahari und die Namib Wüste bedecken weite Teile des Landes. Wir hatten keine Vorstellung davon, wie sich das auf die Fahrtstrecken auswirken würde.

Nun war es endlich soweit, vom 13.05. bis 03.06. würden Thomas und ich mit einem Ford Ranger 4×4 pick-up mit Dachzelt Teile des Landes bereisen. Anja und Olaf, die beide in Windhoek leben, hatten uns wesentlich bei der Reisevorbereitung geholfen. Sie gaben uns nicht nur Kartenmaterial, Reise- und Car-rental Tips sondern buchten auch tolle Übernachtungs- und Ausflugshighlights für und mit uns. Gemeinsam würden wir u.a. 3 Tage den Fish River Canyon im Süden des Landes durchwandern. Anne, eine Freundin von Anja und Olaf würde sich uns anschließen.

Unser Flug mit Äthiopien Airlines dauerte 12 Stunden und hatte einen Zwischenstopp in Addis Abeba. Anja, die gerade eine Woche bei uns in Kigali zu Besuch gewesen war, flog mit uns nach Namibia zurück. Olaf sammelten wir in Addis Abeba am Flughafen noch ein, er kam von einer Dienstreise aus Südafrika zurück. Gemeinsam ging es nun also nach Windhoek. Jeder von uns war von den vergangenen Arbeitswochen müde und vom Flug erschöpf, doch trotzdem in Vorfreude auf das große Reise- und Hiking- Abenteuer.

Nach unserer Landung in Windhoek gegen 10 Uhr wurden wir mit einem Kleinbus der Autovermietungsfirma abgeholt und zum Hauptbüro in die Innenstadt gefahren. Dort übernahmen wir unser Mietauto und bekamen eine professionelle Einweisung in das Einmaleins des Reisens in Namibia. Einige sehr wichtige Dinge waren unbedingt zu berücksichtigen:

  1. Der Reifenluftdruck sollte ständig den sich ändernden Straßenverhältnissen angepasst werden (Asphalt, Schotter oder Sand). Daher war das Auto mit einem Kompressor ausgestattet. Risikomanagement für eine Reifenpanne!
  2. Der Ford Ranger verfügt über ein Zweitank-System, was beim Betanken angesagt werden sollte.
  3. Auf eine ausreichende Trinkwasserversorgung (mind. 4x 5 Liter Kanister) sollte unbedingt geachtet werden, da aufgrund der dünnen Besiedlung des Landes nicht überall uneingeschränkt Wasserkanister nachgefüllt werden können.
  4. Der integrierte kleine Kühlschrank würde nur maximal 2 Tage ohne externen Stromanschluss laufen können, war jedoch zur Stromversorgung an einer zweiten Batterie angeschlossen.
  5. Off-Road-Fahrten sollten stets mit mehreren Parteien in mehreren Fahrzeugen unternommen werden, um im Fall einer Reifenpanne oder eines Unfalls reaktionsfähig zu bleiben.
  6. Das Mitführen eines Satellitentelefons wird ebenfalls empfohlen, sofern man längere Off-Road Touren geplant hatte. Das war für uns jedoch nicht relevant oder doch?

Nach ca. einer Stunde übernahmen wir ein voll ausgestattetes Auto mit Dachzelt, 1 Tisch, 2 Stühlen, 2 Gaskartuschen, 1 Grill, Koch- und Küchengeschirr für bis zu 4 Personen sowie einem 25 Litern Brauchwasserkanister und machten uns im Linksverkehr auf zu Anja und Olaf.

Die beiden warteten schon mit einem Begrüßungsdrink auf uns, nun begann der Urlaub! Gemeinsam gingen wir Lebensmittelvorräte für die nächsten Tage einkaufen. Vier 5 Liter Wasserkanister wurden verladen, unsere Sachen in IKEA-Packsäcken verstaut, die Garmin-Uhren und unsere Mobiltelefone aufgeladen, Routen in das Navigationsgerät eingegeben und sogar Wein- und Bierflaschen im Kühlschrank verstaut. Alles war bereit für unsere Abreise am nächsten Morgen.

Abends legte ein DJ und Freund von Anja und Olaf in einem Club in Windhoek auf. Auch das wollten wir auf keinen Fall verpassen. So wurde es dann doch ein etwas längerer und lustiger Abend mit dem einen oder anderen Bier gefolgt von einem Gin-Tonic und Wein. Die Reihenfolge der Drinks war vielleicht nicht ganz optimal aber unsere Abreise am nächsten Tag hatten wir auch erst nach einem späteren Frühstück geplant.

Auswertungsgespräch

Unterdessen sind 1,5 Jahre vergangen, in denen ich in meiner Partnerorganisation arbeite. Daher war es Zeit, in einem offiziellen Auswertungsgespräch mit den Kolleg*innen meiner Partnerorganisation und meinem Vorgesetzten vom GIZ-Programm meinen bisherigen Einsatz zu evaluieren und Ergebnisse zu sichern sowie eine Entscheidung über die weitere Zusammenarbeit im Rahmen der GIZ zu treffen.

Die Spezifika im Ruandischen Arbeitsumfeld sind für mich nicht einfach im beruflichen Kontext zu berücksichtigen. Die Kommunikation ist z. B. weniger spontan, klar und offen, dafür jedoch stark hierarchiegeprägt. Informelle Abstimmung auf pragmatische Art und Weise ist nur sehr begrenzt möglich.

Ruanda ist Weltmeister im Abhalten von Meetings, Trainings und Workshops, da sich hier alle internationalen Entwicklungshilfeorganisationen tummeln. Selbst für kurze Meetings zum Informationsaustausch oder zur Präsentation von Ergebnissen erst recht jedoch zur Erarbeitung von Inhalten muss genau darauf geachtet werden, wer wen einlädt. Obgleich ich ggf. ein Meeting inhaltlich vorbereite, erfolgt die Einladung zur Teilnahme häufig durch andere Autoritäten, die dann auch als Gastgebende allgemeine einleitende Eröffnungsworte sprechen. Erst danach wird mir das Wort erteilt. Es gibt auch immer einen Moderator und einen Facilitator. Ich habe bis heute nicht begriffen, was diese beiden Rollen wirklich voneinander unterscheidet. Wichtig ist nur, beide Rollen müssen vergeben und in der Agenda berücksichtigt werden.

Es ist durchaus üblich, eine Agenda für ein Meeting zu haben, doch oft sind die Themen sehr allgemein gehalten und haben so klangvolle Namen wie „Launching Event“ oder „Technical Exchange“ sowie „Seering Committee“ oder „Stakeholder meeting“. Sie lassen viel Spielraum für wortreichen inhaltlichen Austausch und Diskussionen. Lösungs- und zielorientierte Ergebnisse werden am Ende eines Meetings nur selten festgehalten. Statt dessen gibt es häufig narrative Reports und Präsentationen, die an die Anwesenden versandt werden. Das liest kein Mensch mehr im Anschluss und keiner greift je darauf zurück!

In Diskussionen werden überbordend kommunikative Teilnehmende nicht höflich unterbrochen. Man wartet, bis jeder das gesagt hat, was zu sagen beabsichtigt war. Somit dauern Meetings durchaus auch mal mehrere Stunden und sind trotzdem nach wie vor ergebnisoffen. Zum Haareausraufen! Da habe ich so einige Fettnäpfchen mitgenommen, indem ich zeitbewusst Themen auf ein Nachfolgemeeting verschoben habe. Das gehört sich eigentlich nicht.

Das Thema Eigeninitiative bringt mich auch regelmäßig an meine Grenzen. Selbständiges Handeln ist oft nur in einem sehr begrenzten Rahmen möglich und auch nur in homöopathischen Mengen erwünscht. Vorgesetzte geben im ruandischen Arbeitskontext stärker Anweisungen bezüglich nächster Handlungsschritte und man hat das Gefühl, jeder delegiert an jeden bis keiner zum Delegieren mehr da ist. Reden scheint wichtiger als Handeln! Auch situationsbezogene Entscheidungsfreude im Rahmen der eigenen Rollenverantwortung ist eher unüblich. Übernehme ich keine Verantwortung, kann ich auch nichts falsch machen und dafür kritisiert werden. Unser europäisches Verständnis von Fehlerkultur ist davon Meilen weit entfernt.

Durch meine bisherige berufliche Tätigkeit bin ich komplett anders geprägt, so dass ich pro-aktives Handeln, Eigeninitiative sowie kritisches Nach- und Hinterfragen sehr vermisse, von Pragmatismus und spontanem Austausch ganz zu Schweigen. Es wird oft erst dann reagiert, wenn es keinen Zeitpuffer mehr gibt oder Themen werden „ausgesessen“ und bleiben unbearbeitet. Das hat einerseits den großen Vorteil, dass man nur sehr wenig für den „Papierkorb“ arbeitet denn in letzter Minute sind alle zu berücksichtigenden Umstände zum Handeln klar oder das bisher kritische Thema hat sich aufgrund der verstrichenen Zeit „von selbst“ erledigt. Andererseits ist die Qualität der Aktivitäten durch die Art der Vorbereitung und die fehlende Detailplanung oft nicht die, die durch anderes Handeln möglich wäre. Auch diese Arbeitsweise ist tag-täglich eine Herausforderung für mich. Trotz gegenteiliger Behauptungen wird es, je länger wir hier in Ruanda arbeiten, nicht leichter. Ich kann mich nur schwer umstellen und auf „Morgen reicht auch noch!“ einlassen. Ein Problem!

Dementsprechend scheine ich meine Partnerorganisation teilweise überfordert zu haben mit Nachfragen, Erklärungen, Planungsabsichten, Rückmeldungen, Auswertungen, Vorbereitungen, Verbesserungsvorschlägen, Anregungen… Die Chefin meiner Partnerorganisation meinte zu meinem Vorgesetzten in einem extra einberufenen Zweiergespräch: „Sonja ist schon sehr präsent, die kann man nicht vergessen!“ Das kann ich einerseits als positives Feedback gelten lassen aber es hat durchaus auch einen Hauch von „Die nervt uns schon ein wenig!“

Ansonsten habe ich in meinem Auswertungsgespräch, welches ich mit Agenda, simpler Power Point Präsentation in zwei Stunden mit 7 konkreten Ergebnissen abgehalten habe in der Tat positives Feedback bekommen. Doch darauf sollte man sich in Bezug auf Ehrlichkeit nicht einhundertprozentig verlassen.

Ich bin gespannt, wie die nächsten und vermutlich letzten 6 Monate in der NGO (Vertragende 12/2023) laufen werden und welche neuen Anforderungen jetzt noch an mich gestellt werden. Nun wird es schließlich Zeit zu handeln!

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