Urlaub in der Heimat

Am 05.08. sind wir endlich nach mehrfachem Hin und Her im Buchungsprozess mit Brussels Airline nach Berlin geflogen, um 2,5 Wochen Urlaub in der Heimat zu verbringen. Corona-bedingt standen andere Reiseziele innerhalb Africas ja auch nicht (mehr) zur Verfügung und daher bestand vorerst auch keine Möglichkeit, diesen Kontinent mit seinen 54 Ländern, vielen Traditionen und Besonderheiten etwas besser kennenzulernen. Schade!

Aber so war es mir immerhin doch möglich, an der Hochzeit einer meiner langjährigen Freundinnen als Trauzeugin teilzunehmen. Wir waren „just in time“ . Am 06.08. , dem Tag unserer Ankunft in Berlin, hatten wir selbst unseren 4 Hochzeitstag. Den verbrachten wir mit unseren Eltern bei einem Abendessen im „Rohland’s Eck“ in Friedrichshagen.

Am nächsten Tag reisten wir gleich weiter in den Spreewald. Auch hier spürte man die Corona- bedingten Auswirkungen an der Zahl der teilnehmenden Hochzeitsgäste. Nur einige Familienmitglieder konnten anreisen. Die Kapazitätsgrenze musste strikt eingehalten und daher viele Freunde des Brautpaares wieder ausgeladen werden.

Wir verbrachten ein hochsommerliches Wochenende auf dem Erlebniscampingplatz in Lübben. Trotz 36 C° (und wenig Alkohol 🙂 war es ein sehr schönes und lustiges Fest mit tollen Erinnerungen an unsere gemeinsame Jugend sowie einer Spreewaldkahnfahrt, auf der traditionell verschiedene Sorten saure Gurken und Schmalzbroten serviert wurden.

Da wir mit unserem Zelt, den Fahrrädern und unserem Paddelboot angereist waren, konnten wir zum Abschluss des Hochzeitswochenendes sogar noch eine Paddeltour durch die engen und schattenspendenden Kanäle des Spreewaldes unternehmen und unsere „Schleuserfähigkeiten“ ausprobieren. Dazu waren sogar Leo und Lotta kurzfristig noch angereist. Wir wollten jede Chance auf gemeinsame Zeit nutzen.

Das Wetter blieb hochsommerlich warm und so verlängerten wir unseren Aufenthalt im Spreewald um eine Woche, zogen auf den komplett ausgebuchten Zeltplatz in Lübbenau um und trafen uns dort mit Freunden aus Berlin und ehemaligen Arbeitskollegen aus Bayern. Lotta hatte auch gerade eine Woche Urlaub und schloss sich uns an. Wir paddelten und radelten gemeinsam eine nicht ganz unsportliche Kilometerzahl. Am einzigen Regentag fuhren wir ins Schloss Branitz, bei Cottbus. Dort spazierten wir in einer regenfreien Wolkenpause im Pückler´schen Schlossgarten. Danach besuchten wir in Bohsdorf „Den Laden“, den Originalschauplatz der gleichnamigen literarischen Trilogie von Erwin Strittmatter.

Bisher hatte es uns im Urlaub immer in die Ferne gezogen, in andere Länder und zu anderen Kulturen. Doch durch die Corona-bedingten Reiseeinschränkungen haben wir erneut erfahren, dass es gerade auch in unserer sächsisch-brandenburgischen Heimat landschaftlich traumhaft schön ist und man dort sehr viel unternehmen kann. Am schönsten ist es ohnehin dort, wo die „Lieblingsmenschen“ sind und man mit Freunden, Kollegen und der Familie entspannt zusammen sitzen kann. Letzteres haben wir versucht, so oft wie möglich zu machen und die gemeinsamen Erlebnisse als schöne Erinnerungen für die so ganz andere Zeit in Ruanda abzuspeichern.

Unser Rückflug war ursprünglich für den 21.08. geplant, verschob sich jedoch dreimal und schließlich waren aus 2,5 Wochen Urlaub in der Heimat ganz schnell 4 Wochen geworden. Thomas arbeitete davon natürlich 2 Wochen aber wir waren Freunden und Familie noch ein wenig länger nah. Sogar den Geburtstag der „Kids“ konnten wir gemeinsam feiern. Ein wenig shoppen mit meiner Freundin Meike, Waffeln backen mit meinen Patenkindern, einen Espresso mit Jensine im Forum Köpenick und ein Eis bei DADALT auf der Bölschestraße mit meinem langjährigen Bekannten Peter sowie grillen am offenen Feuer bei Sandra und Peter in Biesdorf war auch noch drin. Alles zeitlich nicht ausreichend und daher irgendwie unbefriedigend aber für die Seele wichtig und genau das Richtige.

In der dritten Woche bekam ich plötzlich heftige Schmerzen im linken Unterschenkel, fuhr mit Thomas in die Notaufnahme des Klinikums Köpenick und bekam eine tiefliegende Venen- und Muskelthrombose diagnostiziert. Das konnte ich ja nun gar nicht gebrauchen! Unser Rückflug sollte in einer Woche stattfinden. Würde ich weitere Wochen in Deutschland bleiben und ggf. allein und später nach Kigali fliegen müssen? Wie konnte eine Weiterbehandlung in Kigali sichergestellt werden? Bekam ich die verordneten Medikamente auch in Ruanda? Unzählige Fragen stellten sich plötzlich und ein Marathon an Organisation, Recherche und Telefonaten begann. Doch letztendlich konnten wir mit Hilfe von Freunden in Kigali sowie mit ganz besonderem Engagement von Gerd, Thomas bestem Freund aus Schulzeiten und unser behandelnder Internist in Frankfurt Oder, alles klären. Mit sexy blauen Antithrombosestrümpfen, einer Packung mit 200 blutverdünnenden Tabletten und prophylaktischen Clexane Injektionen für spätere Flüge nach Deutschland im Gepäck brachte uns ein Großraumtaxi am 05.09. morgens früh 2:30 Uhr zum Flughafen Tegel. Was für emotional aufregende Wochen!

Danke an alle, die uns diese Tage so schön gemacht, die sich Zeit für uns genommen haben und uns so mit liebevollen Erinnerungen für später bereichern. Fühlt euch alle ganz ganz doll gedrückt.

Bis bald!

Das Prinzenpaar von Kigali

Seit langem war unsere Gegeneinladung zum Abendessen bei Solange und Jacob geplant. Durch den Lockdown und die nachfolgenden Einschränkungen (home office und home schooling) hatte es jedoch bisher noch nicht geklappt. Nun stand unsere Urlaubsreise nach Deutschland kurz bevor und die beiden wollten unsere Verabredung nicht weiter verschieben. Mit ausreichend Wein machten wir uns auf den Weg nach Kicukiro, um in fast unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem dort angemieteten Haus mit den beiden einen gemütlichen Abend zu verbringen.

Das Haus von Solange und Jacob mit kleinem Garten war unspektakulär von seiner Lage. Es war von Mauern umgeben, die den Blick auf die zahlreichen anderen kleinen Stadthäuser im Tal eher einschränkten. Jedoch drinnen residierte das „Prizenpaar von Kigali“ in neoklassizistischer Bescheidenheit. Der zwei- und der vier-jährige Sohn wurden von einer Kinderfrau versorgt und ein extra für den Abend bestellter Koch bereitete in der Küche das Essen vor. Wir nahmen im Wohnzimmer Platz und warteten auf die Ansage „Dinner is ready!“

Als Starter gab es die traditionellen Brochettes, Rindfleischspieße, die normalerweise ohne Gemüse serviert werden. Diesmal ähnelten sie durch abwechselnd aufgespießte Zwiebelscheiben und Parika eher unseren bekannten Schaschlikspießen. Sehr zart und wunderbar gewürzt! Lecker! Dazu einen Rosé für die Damen und Bier für die Herren. Zum Wohl!

Das Abendessen war als Buffet in der Küche angerichtet. Wir wurden mit einer Tansanischen Reisspezialität (scharf gewürzt und mit Fleischstücken) verwöhnt denn Solange und Jacob sind in Tansania aufgewachsen und auch erst vor ca. 5 Jahren zu ihren Wurzeln in Ruanda zurückgekehrt. Außerdem gab es die bekannten und sehr leckeren Backbananen, leicht kandiert sowie gebackene Kartoffelhälften. Dazu passten ganz wunderbar die gegrille Hähnchenkeulen in scharfer Zitronen-Zwiebel-Sauce und der bunte gemischte Salat. Alles war geschmacklich großartig und noch dazu optisch professionell angerichtet.

„So werden Gäste in Ruanda empfangen!“, verkündete Jacob mit einem breiten Lachen. Eigentlich fehle noch ein richtiges Empfangskommittee aus mehreren Personen, die meist auch in weiterer Verbindung zur Familie des Hauses stehen. Dadurch wolle man den Gästen zeigen, wie viel Wertschätzung und Achtung man ihnen entgegenbringe. Für uns war diese Aufmerksamkeit schon vollkommen ausreichend und wir fühlten uns geehrt.

Da 21:00 Uhr die Ausgangssperre beginnt, ist immer nur begrenzt Zeit für ausgiebige Diskussionen über Meinungsfreiheit in Ruanda, Sicherheit im Alltag, Korruption, Pro und Contra im Vergleich zu den Nachbarländern sowie die Chancen für Frauen im Job. Es ist oft sehr schade, die gerade in Gang gekommenen offenen Gespräche bei Besuchen abrupt zu beenden. Aber auch diesmal brachen wir nach einem flüchtigen Blick auf die Uhr 20:37 Uhr umgehend auf, um nicht in die Polizeikontrollen zu geraten.

Abschied von Kiyovu, unserem „Ferienhaus“ und Solange

Unsere verbleibenden Tage hier im Stadtteil Kiyovu können wir nun an einer Hand abzählen. Am 1. Augustwochenende ziehen wir nach 10 Wochen zurück nach Kicukiro. Einerseits freuen wir uns sehr auf „unser“ zu Hause mit neuer Zufahrtsstraße und funktionierendem Wasseranschluss, mit dem wuseligen lauten „Landleben“ bedingt durch Märkte und kleine Straßenstände und der damit verbundenen Betriebsamkeit der Einheimischen. Andererseits müssen wir dringend noch einmal über andere Möglichkeiten für mich in Bezug auf Tagesstrukturierung und soziale Anbindung nachdenken. Ich habe schon ein wenig Sorge, dass mir diese örtliche Abgeschiedenheit nicht so gut bekommt und ich wieder täglich mehr Kraft, Eigenmotivation und Zeit in meine Mobilität investieren muss. Aber noch ist es nicht so weit. Außerdem planen wir nach wie vor im August einen 2,5-wöchigen Urlaub in Deutschland und wollen am 08.08. unbedingt bei der Hochzeit meiner Freundin Tutti im Spreewand dabei sein.

Vorerst nutzen wir somit die Annehmlichkeiten der Citylage noch ein wenig aus, verabreden uns fußläufig zum Mittagessen in einem indischen Streetfood-Restaurant oder spazieren auf einen Kaffee ins „Baso“ oder ins „WOO-HAH“. Das werden wir in dieser Fülle in Kicukiro nicht mehr haben.

Von den Guards, die hier auf dem Grundstück täglich für unsere Sicherheit und einen gepflegten Garten sorgen sowie Solange in unserer Abwesenheit versorgen, haben wir uns mit einem Abendessen bereits „verabschiedet“ . Ich hatte einen Salat vorbereitet, Tofu und Fleisch eingelegt und Bier eingekauft. Thomas brachte auf seinem Feierabendweg noch ein frisches Baguette mit und so konnten wir gegen 17:30 Uhr den Grill anfeuern.

Faustin und Jean Pierre, unsere Hauptansprechpartner für Haus und Garten in der Zeit, freuten sich schon den ganzen Tag auf unser gemeinsames Abendessen. Die Verständigung würde nicht ganz einfach werden, da nur Faustin etwas englisch spricht.

Es wurde ein entspannter und schöner Abend! Beide Männer berichteten uns ein wenig über ihr Leben. Um zu arbeiten, wohnen sie getrennt von ihren Familien. Die Frauen sind in den jeweiligen Heimatdörfern geblieben, versorgen dort 3 bzw. 4 Kinder und arbeiten auf der eigenen kleinen Farm. Unregelmäßig besuchen Faustin und Jean Pierre ihre Familien.

Faustin wohnt auf dem Gelände in der Garage gleich neben unserem Haus und dem Autostellplatz. In dem einzigen Raum steht sein Bett und ein kleiner Tisch sowie einige Regale, in denen sich Vorratssäcke und die Gartengeräte befinden. Eine Toilette und eine Waschmöglichkeit befinden sich hinter dem Haus in einem separaten Verschlag. Die Toilette wird auch von den anderen zwei Guards (Nachtschicht) mit genutzt.

Faustin muss sich selbst versorgen und kocht zum Mittag täglich Reis mit Gemüse auf offenem Feuer gleich hinter der Garage. U. a. hat ihm diese einseitige Ernährung zahlreiche Krankheiten eingebracht. Er ist 52 Jahre alt und leidet an Diabetes, Bluthochdruck, Gelenk- und Magenbeschwerden und sagt selbst von sich, „ich fühle mich, wie ein alter Mann“. Allerdings hat er auch in der Rwandischen Armee gedient und daher viele Dinge erlebt, die die Seele ohne professionelle Begleitung wahrscheinlich nicht verarbeitet. Faustin ist eines von 10 Kindern und so herrschte vermutlich in seiner Familie auch ein anderer Umgang mit den Problemen des Alltages. Er ist in Uganda aufgewachsen und später in seine Heimat Ruanda zurückgekehrt.

Für das tägliche Zähneputzen und das Waschen seiner Wäsche nutzt Faustin den Außenwasseranschluss vor der Garage. Er steht täglich 6 Uhr auf kehrt den Hof, verschneidet Bäume und Sträucher, füttert die Hühner und kümmert sich um den Gemüsegarten. Ab und an putzt er auch das Auto/Motorrad. 17 Uhr macht er zum Abschluss seines Arbeitstages noch einen Spaziergang mit Solange. Das ist alles vertraglich so geregelt und dafür wird er bezahlt. Montags und sonntags hat Faustin frei. Er ist dann natürlich auch auf dem Gelände, da er aus finanziellen Gründen keine Ausflüge unternehmen kann und Besuch bekommt er nicht. So schön das Grundstück auch ist, in meinen Augen ist er im „goldenen Käfig gefangen“.

Jean Pierre teilt sich ein kleines Zimmer mit seinem ältesten Sohn (21 Jahre) im Nachbarstadtteil Kimihurura. Stolz zeigte er uns Fotos von seiner Familie. Die Tochter heißt auch Sonja, daher hatte ich wohl gleich von Anfang an einen Sympathiebonus. Dreimal in der Woche arbeitet er auch auf dem Gelände und kümmert sich um den Garten. Die anderen Tage geht er einer Zweitbeschäftigung nach. Für seinen Weg zur Arbeit braucht er je eine Stunden für den Hin- und für den Rückweg. Das Geld für ein Motorradtaxi hat er nicht.

In den letzten Wochen, da wir uns unterdessen etwas besser kannten, habe ich von unseren Lebensmitteleinkäufen immer mal etwas für die beiden mitgebracht. Sie freuten sich über frisches Obst und Gemüse, zuckerfreie Getränke aber auch über Kekse oder Süßstoff für Diabetiker. Für diese minimale Abwechslung bedankten sie sich hundertmal.

Sofern ich gekocht oder Thomas gebacken hatte, teilten wir ebenfalls mit Faustin und Jean Pierre. Es ist ein bedrückendes und überaus beschämendes Gefühl zu erleben, wie die Basisversorgung an gesunden Lebensmitteln und damit eine abwechslungsreiche Ernährung für sie nicht möglich ist. Nach unserem „Abschiedsessen“ holte Jean Pierre eine Plastikdose und verpackte die Reste zum Mitnehmen für seinen Sohn. Auch das halbe Baguette teilten sich die beiden Männer und waren dafür unendlich dankbar. Es hilft ihnen, mit ihrem schmalen Budget auszukommen.

Wie es mir dabei ging, ist eigentlich unbeschreiblich. Scham, Wut und Hilflosigkeit machen sich breit. Für uns sind „nur“ diese beiden Männer im unmittelbaren alltäglichen Fokus. Jedoch gibt es in Ruanda noch unzählige Familien, nicht nur auf dem Land, die sich um die Sicherstellung der täglichen Lebensmittelversorgung sorgen müssen. Wie kann und soll man diesem Problem begegnen? Es besteht schon so lange und die Welt mit all ihren internationalen Hilfsorganisationen ist nicht in der Lage, nachhaltig zu unterstützen. Das bedrückt mich sehr.

Faustin berichtete uns beim Essen auch, dass in seinem Dorf noch nicht einmal eine zentrale Wasserstelle vorhanden ist. Seine Familie und das gesamte Dorf holen Wasse aus den umliegenden Sümpfen. Das man dadurch gesundheitliche Probleme bekommt, ist absolut vorstellbar. Trotzdem nehmen die beiden Männer die Herausforderungen ihres Lebens an und sind uns gegenüber trotzdem freundlich und auch aufgeschlossen. Ablehnung und Neid spüren wir nicht. Es kommen ihnen keine Klagen oder Forderungen über die Lippen. Das Leben ist, wie es ist und sie leben es.

Bei allen Herausforderungen, die die Coronapandemie für uns und unsere Familien, Freunde und den gesamten europäischen Kontinent noch bereit hällt, werde ich versuchen, immer wieder an diese beiden Männer zu denken und meine Unzufriedenheit damit zu relativieren.

Wanderung am Muhazi See

Mehrfach waren wir bereits am Lake Muhazi und haben dort Wanderungen am See, durch die angrenzenden kleinen Farmen und Dörfer sowie durch waldähnliche Gebiete mit duftenden Eukalyptus-Bäumen unternommen.

Nun hatte uns Thomas erneut eine Tour über „Komoot“ herausgesucht, einen 24 km Rundwanderweg mit einem Anstieg von 450 Metern und mit Blick auf den Muhazi See. Den Anstieg bis auf 1800 Meter Höhe müssten wir bereits auf den ersten Metern bewältigen, dafür ginge es danach aber richtig entspannt auf dem Kamm entlang. Klang wunderbar! Aufgrund der Abgeschiedenheit und der Länge der geplanten Tour hatten wir Essen für ein kleines Picknick mitgenommen.

Nach ca. einer Stunde Anfahrtsweg von Kigali hatten wir unseren Ausgangspunkt erreicht und starteten. Bereits auf den ersten Metern waren wir begeistert. Es ging auf eine angenehme Art und Weise bergauf, so dass man den Blick auf den im Tal liegenden See und die umliegenden Berge noch genießen konnte. Außerdem folgte uns diesmal keine Horde an Kindern, und so genossen wir die Wanderung in vollen Zügen.

In einem Feld unter einem Baum im Schatten picknickten wir. Mit etwas schlechtem Gewissen beobachteten wir dabei die Landbevölkerung auf ihrem Weg mit schweren Wasserkanistern und bei der harten Arbeit auf den trockenen Feldern. Überall wird auf winzigen Flächen Manjok, Süßkartoffeln und Kaffee angebaut. Die Felder sind so gepflegt und sauber wie die holprigen Dorfstraßen und die noch ausgewascheneren Sandwege. Kein abgefallenes, verwelktes Blatt liegt auf dem Boden und kein Unkraut sprießt ungewollt auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Sogar eine sehr gepflegte Krankenstation passierten wir auf unserem Weg durch die Abgeschiedenheit. Sie ist, anders als die Lehmhütten der Dorfbewohner, sogar verputzt und blau angestrichen. In Sprechblasen sind Hygienevorschriften an der Hauswand abgebildet, die die Landbevölkerung bei jedem Besuch an adäquates Verhalten erinnern. So erfolgt Bildung und medizinische Versorgung auf dem Land mit Unterstützung durch Projekte der Entwicklungszusammenarbeit. Angeblich sind 60.000 Freiwillige und nicht medizinisch Ausgebildete, jedoch praktisch geschulte Helferinnen und Helfer auf dem Land unterwegs und versorgen die Bevölkerung. Viele Menschen erreichen im Krankheitsfall die Krankenhäuser in den Städten nicht. Uns bekannte Krankentransportfahrzeuge können in diesem Gelände nicht fahren und es gibt auch keine zuverlässigen öffentlichen Verkehrsmittel. Als privates Fahrzeug besitzen die meisten Familien lediglich ein altes Fahrrad. Daher sind solche „Health-Stations“ eine ganz einfache und praktische Maßnahme zur flächendeckenden Versorgung.

Es freute mich sehr, solch ein nachhaltiges Ergebnisse der Entwicklungszusammenarbeit zu sehen, was nicht nur mit Digitalisierung zusammenhängt. Schließlich sollte nach meiner Meinung erst einmal eine solide Basisversorgung für die Bevölkerung sichergestellt werden, bevor man sich dem technischen Fortschritt widmet. Das wird jedoch von vielen Menschen, die hier arbeiten und leben ganz anders eingeschätzt und wahrgenommen.

Hier einige Eindrücke von unserer Wanderung:

28 Jahre

Vergangenen Freitag kam Betty, unsere Haushaltshilfe, wie üblich gegen 9:00 Uhr zu uns. Wir hatten verabredet, dass sie für die Zeit, die wir nicht in Kicukiro wohnen würden, hier im Haus unserer Freunde sauber macht. Für die etwas weitere Anreise mit dem Moto-Taxi bekommt sie noch einmal extra Fahrgeld, obwohl sie auch mit einem Bus kommen könnte. Das würde jedoch bedeuten, dass sie stundenlang unterwegs ist, da die Busse zwar fahren, es jedoch keinen Fahrplan gibt und daher alle Passagiere bereitswillig warten. Egal, wie lange es dauert, irgendwann kommt schon ein Bus, den man zumindest für ein Stück nutzen kann. So kommen alle auf ihrer Strecke langsam voran. Den Stress wollten wir für Betty definitiv vermeiden.

An diesem Freitag arbeitet Thomas von zu Hause und als Betty ankam, war ich gerade auf dem Weg zum HNO-Arzt. Ich begrüßte sie daher nur kurz und wunderte mich darüber, dass sie in einem feuerwehr-roten engen Kleid „zur Arbeit“ kam. Allerdings ist das eigentlich auch gar nichts Ungewöhnliches. Bereits einige Male hatte ich sowohl bei Betty als auch bei Elisabeth beobachtet, dass sie in für mich unvorstellbar figurbetonten und teilweise hellen Outfits „unschöne“ Haushaltstätigkeiten ausführen. Ich würden mich dafür vermutlich umziehen und bequeme Arbeitssachen tragen. Na ja, andere Länder, andere Sitten.

Da ich beim HNO-Arzt bereits angemeldet war, wurde ich auch umgehend behandelt und verließ nach einer Ohrspülung und mit einer Rechnung von 40 EUR in nur 20 Minuten die Polyklinik. Entspannt schlenderte ich zu Fuß zurück. Vorher wollte ich nur noch schnell mein Handy wieder in Betriebsbereitschaft versetzen, ich hatte es in der Praxis ausgeschaltet.

Plötzlich zeigte mir Facebook an, dass Betty an diesem Freitag Geburtstag hatte. Mist! Und ich hatte beim Verlassen unseres Hauses noch auf ihr schönes Kleid hingewiesen und ihr dafür ein Kompliment gemacht. Wie peinlich ist das denn! Aber wo sollte ich jetzt auf die Schnelle und auf nur 10 Minuten Fußweg eine angemessene Geburtstagsüberraschung herbekommen? Ich rief Thomas an und bat ihn, herauszubekommen, ob das Datum stimmte. Manchmal geben Leute auf Facebook ja auch fingierte Daten an. Elisabeth würde es wissen. Die beiden Frauen sind seit Jahren befreundet und Betty hatte anfangs als ihre Haushaltshilfe auch mal einige Zeit bei ihr gewohnt.

Doch zu unserem Erstaunen wusste es auch Elisabeth nicht. Daher ging ich einen kurzen Umweg und noch bei der französischen Bäckerei „Baso“ vorbei. Dort holte ich drei kleine Törtchen (Schoko, Erdbeere und Apfel-Crumble), die wir gemeinsam bei Kaffee und Tee teilen konnten. Außerdem gab es dort auch noch selbst hergestellte Marmeladen. Davon nahm ich ein kleines Glas Erdbeerkonfitüre mit und war nun sehr zufrieden.

Zu Hause angekommen, stand Betty gerade schaumverschmiert und spülte das Geschirr. Ich sammle dafür immer ein paar Tage, damit dann auch etwas an Geschirr zusammenkommt und sie ihre Aufgabe hat. Viel zu tun ist ja in so einem Zweipersonenhaushalt nicht und richtig unordentlich sind Thomas und ich auch nicht (mehr).

Ein Teelicht war schnell aus einer Schublade genommen, angezündet und das französisch-winzige Erdbeertörtchen mit der -konfitüre auf einem Teller dekoriert. So überraschten wir nun endlich „Happy Birthday…“ singend Betty in der Küche. Sie drehte sich ganz erstaunt zu uns um, ihre Augen wurden immer größer, ihr Blick ging zum Fußboden und wir sahen, dass sie angestrengt Tränen zurückhalten musste. Betty war unendlich gerührt und brachte kein Wort heraus. Wir „entschuldigten“ uns, dass wir nicht eher reagiert und sie an ihrem Geburtstag überhaupt mit Moto-Taxi zu uns hatten kommen lassen. Wir würden gemeinsam Kuchen essen und dann sollte sie nach Hause fahren. Ungläubig schüttelte Betty nur immer wieder den Kopf und wir waren uns gar nicht mehr so sicher, ob sie wirklich heute Geburtstag hatte. Dann sagte sie aber, dass sie 28 Jahre alt geworden sei und noch nicht ein einziges Mal jemand ihren Geburtstag bedacht, geschweige denn gefeiert habe. Nun mussten wir schlucken und tief durchatmen.

Wir wussten, wie hart Betty täglich arbeitet. Sie studiert mehrere Tage die Woche an einem technischen Berufscollege und lern schweißen, Elektrik zu installieren u.v.a.m. Danach geht sie im Dreischichtsystem in einer Müllbeutel-Fabrik arbeiten und putzt zusätzlich zweimal die Woche 3-4 Stunden bei uns. Wobei letzteres eher auf ihrem, als auf unserem Wunsch beruht. Sie braucht einfach jeden Cent und ergreift daher jede Chance, zu arbeiten. Insgesamt verdient sie so 100 EUR im Monat und muss davon ihre Studiengebühren zusammensparen, Miete zahlen und leben. Wie das LEBEN dann ausschaut, kann man sich nur allzu lebhaft vorstellen. Trotzdem ist sie immer gut gelaunt, lustig, offen und vor allem unendlich fleißig. Daher machte es uns traurig zu erfahren, dass 28 Jahre niemand oder sagen wir sehr wenige an sie und ihren Geburtstag gedacht hatten.

Doch heute war ein besonderer Tag, nicht nur für Betty. Ich glaube, Thomas und ich freuten uns mindestens genau so sehr, wie sie. Wieder einmal waren wir gerürt, dass jemand sich so wahnsinnig über für uns so selbstverständliche nette Gesten und Aufmerksamkeiten freuen konnte. Thomas und ich hatten unsere drei kleinen Törtchenstücke schon längst aufgegessen und uns vermeintlich dabei schon Zeit gelassen, da knabberte Betty noch immer genüsslich daran und konnte den tollen Geschmack einfach nicht fassen. Ein herzerweichender Anblick. Und wieder einmal mehr waren und sind wir dankbar für die Liebe, Geborgenheit und Fürsorgen, die wir von Eltern, Geschwistern und Freunden all die Jahre bekommen haben. Das ist, wie wir hier erfahren, auf keinen Fall selbstverständlich!