ein ganz normaler Sonntag

Selbstverständlich sind auch wir nicht an jedem Wochenende in Ruanda unterwegs und erkunden Land und Leute. Wir versuchen zwar immer einen Spaziergang oder eine kleine Wanderung einzubauen, um unseren Bewegungsmangel unter der Woche etwas auszugleichen. Aber eigentlich erledigen wir am Wochenende das, was unter der Woche liegengeblieben ist. Und das ist manchmal gar nicht wenig.

Das Auto muss aus der Werkstatt abgeholt und Brot von einem ganz speziellen Supermarkt eingekauft werden. Alle anderen, ebenfalls noch benötigten Lebensmittel besorgen wir in zwei weiteren Supermärkten. Thomas Businessklamotten können aus der Reinigung abgeholt werden, die entsprechende Nachricht per SMS kam bereits Mitte der Woche.

Außerdem mag Thomas mal wieder einen Kuchen backen, etwas lesen und einfach nur gemütlich einen Kaffee trinken. Alles mit viel Ruhe, Gemütlichkeit und ohne Zeitdruck. Obwohl letzteres haben wir aus unserem Alltag fast komplett gestrichen. Nur ab und an holen uns unsere deutschen Wurzeln wieder ein und wir sorgen selbst für Stress durch enge Zeitfenster oder zu viel Planung und erwartete Pünktlichkeit.

So beginnen wir diesen Sonntag mit einem gemeinsamen Spaziergang mit Solange zum „Sawa-City“ Supermarkt, um German Multigrain Bread zu kaufen. Ein etwas dunkleres Mischbrot, wovon wir jedesmal gleich zwei Stück kaufen und eines einfrieren. Man weiß ja nie, wie man zeitlich wieder mal dazu kommt und ob dann das „kleine Dunkle“ erhältlich ist.

Auf dem Rückweg trinken wir bei unseren neuen Nachbarn, dem „Woo-Hah!“- Cafe einen Cappuccino und telefonieren mit Lotti in Berlin. Solange darf dabei sein und hat sich bereits in die Herzen der Besitzer und der Kellnerin geschlichen.

Nach einer entspannten Literaturstunde in der Hängematte in unserem Garten, brechen wir am Nachmittag erneut zu einer Wanderung auf. Auf dem Kamm des „Mount Reberu“ wollen wir 10 km entlang laufen und über Kigali schauen. Das gelingt uns nur bedingt, es ist diesig! Trotzdem können wir den sich dahin schlängelnden schlammig-braunen Nyabarongo (einen der zwei Quellflüsse des Nils) und auch wieder die Wettlands in der Ferne sehen.

Abends sitzen wir noch einmal im „Woo-Hah!“ und essen Brochette mit frischem Salat. Der Besitzer hat zu einem abendlichen Special eingeladen, um seine Café Neueröffnung in der Nachbarschaft bekannt zu machen. Wir sind als einzige Muzungus anwesend und werden wie Stammgäste bedient. 20:30 Uhr, kurz vor der corona-bedingten Ausgangssperre, schlendern wir nach Hause und beenden mit dem entspannten Abend das ebenso entspannte Wochenende.

Denn nun ist traditionell Nachrichtenzeit mit der Tagesschau und die ganzen Probleme der Welt tauchen wieder auf, nisten sich in unseren Köpfen ein und sorgen für Diskussionen, Unverständnis und sorgenvolle Gedanken. Ändern können wir derzeit nichts, nur engagieren wollen wir uns vorerst weiter hier und später wieder in Deutschland. Das steht fest!

Käse und Kaffee

Thomas und ich lieben Käse und Kaffee! Beides konsumieren wir viel und regelmäßig. In Kigali hat sich der Verbrauch jedoch etwas verändert, denn leckere Käsesorten sucht man hier vergebens. Dafür gibt es um so aromatischeren und trotzdem mild gerösteten Kaffee. Immerhin haben wir unterdessen auch einen Simba Supermarkt gefunden, wo es mit Sicherheit den bekannten und in Deutschland üblichen, eingeschweisten Feta zu kaufen gibt. Allerdings variieren die Preise sehr stark zwischen 4000 und 6000 RWF (4 bis 6 EUR), daher schlagen wir nur vereinzelt zu und kaufen dann auf Vorrat.

Zu unserer großen Freude erwähnte Elisabeth, dass ihr Patenonkel eine Käserei betreibe, die wir am Wochenende auf unserem Weg zum Kivu-See besichtigen und dort dann natürlich auch Käse kaufen könnten. Was für wunderbare Aussichten!

Da Elisabeth ihren Patenonkel 8 Jahre lang nicht mehr gesehen hatte, meldeten wir uns auf dem Hinweg erst einmal bei ihm an und verabredeten den Einkauf für Sonntag auf unserer Rückreise. Das war auch gut so, denn von 60 Ziegen und einem damit verbundenen boomenden Käse-Business waren ihm durch die Coronapandemie nur noch 20 gesunde Tiere und eine kleine Produktion verblieben. Durch den 3-monatigen Lockdown war es seinen Angestellten aus den umliegenden Dörfern nicht möglich gewesen, die Ziegen in den Bergen zu hüten und zu versorgen, daher waren so viele verstorben. Er selbst war in Kigali beschäftigt und hatte sich auf seine Leute verlassen müssen.

Trotzdem freute sich Elisabeths Patenonkel sehr über ihren (unseren) Besuch und führte uns stolz durch die Produktionsstätte. Diese bestand lediglich aus zwei spartanisch eingerichteten dunklen Räumen. In einem wurde die Käsemasse vorbereitet und in Formen gegossen. In dem anderen Raum lagerte der Käse mehrere Wochen. Von den von uns erwarteten Hygienmaßnahmen aufgrund der Verarbeitung von frischer Milch und Lab war weit und breit keine Spur. Die Räume waren jedoch sauber und der Käse roch trotzdem ausgesprochen gut. Wir bekamen 5 runde Käse unterschiedlichen Reifegrades zum Megasonderspezialpreis und eine erneute Einladung, den Besitzer zu besuchen. Er würde in den nächsten Wochen und Monaten neue Räume bauen und die verkleinerte Produktion mit einem angrenzenden Laden innerhalb des Dorfes, von einer auf die andere Straßenseite, verlagern.

Wir hatten weitere 3 Autofahrtstunden und schlechte Straßenverhältnisse vor uns. Unterwegs kamen wir an einer Trockenmühle für Kaffee vorbei. Obwohl es Sonntagnachmittag war, stand ein LKW vor dem großen Tor der Firma und so entschlossen wir uns, spontan einen weiteren Stopp einzulegen und uns das Kaffeemahlen erklären zu lassen.

Die Verständigung in englisch war leider etwas mühsam, daher habe ich nicht jedes Detail verstanden, was uns erklärt wurde. Jedenfalls handelte es sich um eine Trockenmühle, mit der die bereits gewaschenen Kaffeebohnen weiter gereinigt und von diversen Schutzhüllen befreit werden. Anschließend erfolgt eine maschinelle Sortierung in fünf unterschiedliche Bohnengrößen und damit verbunden die Sortierung nach verschiedenen Qualitätsstandards. Abschließend wird noch einmal manuell von vielen fleißigen Frauen nachsortiert, d. h. sie sortieren die unförmigen Bohnen aus und behalten nur die formschönen zurück. So entsteht der noch grüne und ungeröstete Exportkaffee Ruandas, wobei lediglich die ersten beiden Qualitätsstufen dafür genutzt und die anderen drei Stufen im Inland verkauft werden.

Die Arbeit der Männer besteht darin, die grünen Bohnen in 60 kg Säcke zu verpacken und für den Transport zu den Kaffeeröstereien vorzubereiten.

Kaffee riecht auch erst mit der Röstung nach Kaffee und verbreitet den typischen aromatischen Duft. Auch das wollten wir natürlich unbedingt vor Ort erleben und so wurde für uns eine kleine Menge an Kaffee zum Mitnehmen geröstet. Elisabeth und Atete haben vorher noch einmal eine manuelle Reinigung der Bohnen vorgenommen. Ich hätte bei diesem Versuch vermutlich alle Bohnen verschüttet aber bei den beiden sah das schon sehr professionell aus.

Unterdessen war es 16:00 Uhr, es würde in ca. zwei Stunden dunkel werden und nach wie vor hatten wir noch eine weite Strecke zu fahren. Nun aber lost! Wir „picknickten“ aus Zeitmangel im Auto unsere vorbereiteten Sandwiches, Knacker von der German Butchery, Obst und Gemüse.

Für uns alle war es ein ganz besonderes gemeinsames Wochenende mit vielen unterschiedlichen Eindrücken und Erlebnissen. Langsam kommen wir uns näher und wir spüren ganz deutlich mehr Aufgeschlossenheit uns gegenüber und auch mehr Eigeninitiative in der Kontaktaufnahme. Aus Thomas Perspektive hat es dafür 1,5 Jahre kontinuierliches Einladen, Nachfragen, Kommunizieren gebraucht. Das „Durchhalten“ hat sich gelohnt!

Die Insel der Fledermäuse

Der Kivu See hat eine Fläche von 2.650 km² (Vergleich Bodensee: 260 km²), ist 484 Meter tief und liegt auf einer Höhe von ca. 1500 Metern. Mitten durch den See verläuft die Grenze zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo, so dass nur 1/3 des Sees zu ruandischem Staatsgebiet gehören.

Ein besonderes Phänomen am Kivu See ist dessen Kohlendioxid- und Methangehalt aufgrund vulkanischer Quellen auf dem Boden des Sees. Das Methangas wird seit 2005 durch staatliche Insitutionen zur Verbesserung der Energieversorgung im Land genutzt. Daher gibt es in dem See eine Förderplattform, die das Gas aus 350 Meter Tiefe ansaugt und es zu einem nahegelegenen Gaskraftwerk transportiert.

Von diesen hochtechnischen Vorgängen bekommen wir jedoch nichts mit. Wir staunen über die Größe des Sees und die vielen schönen Ausblicke auf Buchten und Berge in der Ferne.

Mit einem Boot und Tourenguide fahren wir zur „Insel der Fledermäuse“. Das Wasser ist glasklar, tiefgrün und an manchen Stellen sogar türkiesblau. Es lädt zum Baden ein, doch wir trauen uns nicht. Der Bilharziose auslösende Erreger, der so genannte Schistosoma-Wurm, hält uns eindeutig davon ab und lässt uns schweren Herzens wiederstehn.

Auf der Insel angekommen, vernehmen wir schon den ohrenbetäubenden Lärm der in den Bäumen zu tausenden herumhängenden Fledermäuse. Es ist ein unbeschreibliches Kreischen, Brummen und Flattern. Die Tiere lassen sich jedoch von uns gar nicht stören und so kommen wir sehr nah an sie heran. In der Masse wirken sie sehr bedrohlich doch einzeln betrachtet, verliert man die Angst. Trotzdem steigen wir schnell weiter den Berg hinauf, um den Ausblick von ganz oben zu geniessen.

Für Atete, die 4-jährige Tochter von Elisabeth ist dieser Ausflug natürlich nicht besonders geeignet. Wir entschädigen sie am Nachmittag mit seltenen französischen Backwaren der „Baso-Bäckerei“ in Kigali und abends mit Nudeln und Tomatensauce. Thomas hat für uns gekocht, was das Essen noch einmal mehr zu etwas ganz Besonderem macht, da ruandische Männer üblicherweise keinen Handschlag im Haushalt übernehmen. Passend dazu gibt es Rotwein, Rosé und Bier sowie interessante Gespräche mit erhellenden Informationen zu Land und Leuten. Danke, Elisabeth für diese offenen Einblicke und das Vertrauen.

Wochenende am Kivu -See

Die GIZ hat für ihre Mitarbeitenden ein Ferienhaus in Karongi (Kibuye) am Lake Kivu . Es ist ein einfaches kleines Haus mit zwei Schlafräumen (für 4-6 Personen, sofern Kinder dabei sind) in traumhafter Lage, direkt am See mit eigenem Bootssteg. An den Wochenenden ist das Haus immer ausgebucht, und so hatten wir erst jetzt nach fast 1 Jahr das Vergnügen, uns dort für 2 Nächte einmieten zu können. Elisabeth und ihre Tochter würden uns begleiten und freuten sich schon riesig.

Da unser Auto seit fast 3 Wochen in der Werkstatt auf die Reparatur des Ölfilters und diverser anderer Kleinigkeiten wartet, mussten wir mit Elisabeths Auto fahren. Wir starteten am Freitag 14:30 Uhr und brauchten für 115km sage und schreibe 4 Stunden. Die Straße war ab der Hälfte der Strecke durch Steinschläge und Erdrutsche so schlecht, dass oft nur Schritttempo möglich war. Elisabeth versuchte heldenhaft, die gesamte Straßenbreite nutzend, den Schlaglöchern auszuweichen.

Belohnt wurden wir mit einem tollen Sonnenuntergang, den wir in der Nähe eines Wasserfalls beobachten konnten und mit einem wunderschönen kleinen Haus am See.

Am nächsten Tag war eine 3-stündige Bootsfahrt zu einigen Inseln im Kivu-See geplant. Eine davon trägt den Namen „Insel der Fledermäuse“ . Was uns dort wohl erwarten würde? Das sind doch nachtaktive Tiere?! Aber wir hatten bereits gehört, dass es hier eine andere Art von Fledermäusen gibt, die auch tagsüber in den Bäumen hängen und ohrenbetäubenden Lärm verursachten. Na dann!

BPMN Prozessdesign

Allmählich kommt das „Blutbankprojekt“ in Fahrt. Jede Woche treffe ich mich mit Nasser, Vertreter der GIZ und Gilbert, Vertreter des Startups „1000HillsSolution“. Letzterer ist im Rahmen der Digitalisierung der Blutbankprozesse mit seinem kleinen Team von 3 Leuten für die Prozessbeschreibung und das Setup der technischen Architektur zuständig. Wir treffen uns entweder online per „Teams-meeting“ oder wir verabreden uns im DSSD-Büro und nutzen die gigantische technische Ausstattung mit riesigen Flachbildschirmen, Whiteboards und mobiler Büroeinrichtung.

Vor einem Jahr wurden bereits 8 Hauptprozesse für das Blutspendewesen vom Projektteam identifiziert. Doch seither ging es nicht richtig voran. Die Komplexität ist hoch und die Projektbeteiligten in ihren Rollen und Ansichten sehr unterschiedlich. Verabredete Termine werden von Einzelnen nur bedingt wahrgenommen und Corona hat dem gesamten Vorhaben auch noch einmal einen Rückschlag versetzt. Seit Anfang Juni gibt es nun einen erneuten Versuch, die bereits identifizieren Prozesse zu analysieren und zu strukturieren:

  1. Spender-Akquisition (Spendenaufruf, Spendermobilisation)
  2. Spender-Auswahl (online Registrierung und Registrierung vor Ort in den mobilen Blutspendeeinheiten)
  3. Blutspende (Phlebotomie und Nachsorge)
  4. Blutanalyse (Blutgruppen, einzelne Blutkomponenten, Blutkonserven)
  5. Anforderung von Blutkonserven und/oder Blutkomponenten durch Kliniken (zentral und dezentral)
  6. Blutbankarchiv (5 landesweite Standorte)
  7. Ablauf der Bluttests zur Spenderverträglichkeit in den Krankenhäusern
  8. landesweiter Transport der Blutkonserven mit Dronen in die Kliniken

Einige dieser Prozesse haben wir bereits in Subprozesse untergliedert, um mehr Übersichtlichkeit zu bekommen und Details besser abbilden zu können. Meist erstelle ich zuerst die Prozesse mit der „SeeMe-Notation“ als Gesamtüberblick (Workflow) und danach wird jeder einzelne Prozess noch einmal in BPMN modelliert. Somit kommen nicht nur die Ästheten sondern auch die Techniker und Programmierer auf ihre Kosten und können mit den dargestellen Prozessen entwas anfangen.

Es ist schon sehr zufriedenstellend wenn man anhand dieser optischen Prozessdarstellungen in Form von Workflows Ineffizienzen, Doppeltätigkeiten, Schnittstellenproblematiken oder komplett fehlende Arbeitsschritte identifizieren kann. Es gibt also stets einen „Basisprozess“, der so lange besprochen und bearbeitet wird, bis er in seiner Abfolge logisch und in allen Komponenten konsistent ist. Das dauert, in Abhängigkeit der Komplexität, manchmal richtig lange. Jeder am Prozess Beteiligte hat dazu noch einen anderen Blickwinkel auf den Ablauf. Diese unterschiedlichen Ansichten muss man erst einmal unter einen Hut bekommen. Aber durch Moderations- und Fragetechniken gelingt es mir trotz der Sprachbarriere recht gut, alles Wesentliche zu berücksichtigen und unterzubringen.

Es macht Spaß, mit anderen im Austausch zu sein und Wissen über Prozessmodellierung zu vermitteln. Diese Art der Entwicklungszusammenarbeit ist aus meiner Sicht die nachhaltigste, da die neuen fachlichen (Er)Kenntnisse im Land bleiben und für zukünftige Projekte anwendbar sind. Auch ich lerne durch diesen wechselseitigen Austausch sehr viel, kann mich ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Vielleicht sind einige davon sogar zukünftig in meinem deutschen Arbeitsalltag anwendbar. Würde mich freuen!