Am Vormittag hatten wir den ersten Spatenstich im staubigen Boden hinter dem Schulgebäude gemacht und damit „unseren“ Neubau des Klassenraumes für eine 9. Klasse begonnen. Nach offiziellen Fotos und dem dazugehörenden Tempelbesuch im Dorf konnten wir dann endlich mit dem Motorrad aufbrechen. Wir wollten einen etwas längeren Ausflug machen, was bei den hiesigen Strassenverhältnissen max. 35 km für eine Richtung bedeutet.

Wir hatten auf unseren diversen kleinen Touren oder Einkaufsfahrten nach Sangola immer mal wieder unterschiedliche Motorräder. Je nachdem, wer seines gerade entbehren konnte. Man muss sich das wie bei uns mit dem Car-Sharing vorstellen, nur dass das ganze Dorf involviert ist. Es wird per Handy herumtelefoniert und abgefragt, wer sein Motorrad ab wann nicht mehr bzw. bis wann wieder benötigt. Selbstverständlich haben alle landwirtschaftlichen Aktivitäten Vorrang, d.h. erst wird der Mais zum Füttern der Kühe transportiert, das gebündelte Getreide zum Dreschen, dann müssen nach dem Melken die Milchkannen zum Dorf gefahren werden, auf dem Rückweg transportiert man dann noch kleinere Kannen mit Büffelmilch oder man fährt auf dem Markt vorbei und holt noch Obst und Gemüse.

Da das Motorrad das einzige Fahrzeug und Transportmittel (neben dem Ochsenkarren) ist, kann es eigentlich keiner wirklich entbehren. Daher ist es manchmal eine längere Herumtelefoniererei, bis man einen „Motorradtauschring“ zusammengestellt hat, um uns ein Motorrad für Ausflüge zur Verfügung stellen zu können. Wir beschäftigen also ein ganzes Dorf mit unserem Wunsch, die Umgebung zu erkunden.
Da sich alle untereinander ihre Motorräder leihen, tankt jeder Besitzer auch immer nur für einen kleine Betrag Benzin und jeder Nutzer muss für seine Fahrt dann gleich erst einmal ebenfalls nur für einen kleinen Betrag nachtanken. So ist keiner irgendwem Benzinkosten schuldig.

Das Motorrad wird im Vergleich zu anderen „Besitztümern“ verhältnismäßig gut gepflegt, nicht ganz so fanatisch wie Motorradfreaks in Deutschland ihr Schmuckstück hegen und pflegen aber immer hin schenkt man ihm auch mal Blumen…

Jedenfalls sind wir ab 10:30 Uhr unterwegs und genießen etwas kühlen Fahrtwind bei ansonsten 37°C. Die Landschaft ist sehr unterschiedlich. Mal gibt es nur weite trockene Flächen ohne Vegetation. Mal sehen wir grüne kleine Palmen- Oasen mit nur einem Haus aber auch Täler, die trotz der Hitze erstaunlich grün sind.
Wir fahren noch einmal zu dem Tempel, den wir bereits mit dem Lehrerteam der Schule besichtigt haben. Dort wollen wir etwas laufen. Die Umgebung, viele Steinbrüche, sah bereits beim ersten Besuch spannend aus.

Zur größten Mittagshitze angekommen, laufen wir noch einmal um den Tempel herum und wollen auf der anderen Seite erst einmal ein Straßencafe oder -restaurant aufsuchen. Ein Volleyballfeld ist auch davor und Musik wird gespielt…klingt doch ganz nach einem entspannten Sonntag. Als wir vor dem Gebäude stehen, erkennen wir einen überdachten Schlafsaal. Etliche junge Männer entspannen auf kleinen Holzliegen im Schatten. Nebenan ist ein großer Koch- und Essbereich, den drei Frauen gerade sauber machen. Wäsche hängt auch auf einer langen Leine. Also nix mit Straßencafé oder -restaurant. Wir gehen schnell vorbei, merken aber, dass wir „verfolgt“ werden. Einer der jungen Männer überholt uns und spricht uns in englisch an…woher wir kommen, woher wir diesen Ort kennen, was wir hier wollen… und wir erfahren, dass wir in einem Armee-Trainigscamp gelandet sind. Für 6 Monate trainieren die jungen Männer an diesem Ort, unmittelbar neben einer wunderschönen Tempeloase ihre Skills für den Kampfeinsatz. Was für ein krasser Gegensatz! Nun kommt wieder die übliche Fotoaktion, alle wollen auf’s Bild!
Das Gelände ist für Militärtrainig allerdings gut vorstellbar: Steinbrüche, weites karges Land, ein ausgetrocknetes Flussbett und in der Regenzeit ein reißendes Gewässer. Da kann viel Technik trainiert werden.

Wir verabschieden uns und machen einen kleinen Spaziergang auf der Anhöhe.

Auf dem Rückweg halten wir zum Lunch in einem Dorf. Dort ist gerade Markttag und wir kaufen frisch zubereitetes „Fastfood“. Zum Essen kehren wir in ein Strassenlokal ein und sind ganz schnell wieder Mittelpunkt aller Gespräche. Alle wollen wissen, was wir denn hier wohl machen. Plötzlich taucht der Fahrer eines unser Schulbusse auf. Wir sind in seinem Heimatort gelandet. Er erklärt allen, das wir die Schule unterstützen und die Begeisterung ist groß. Wir brauchen nix zu bezahlen, wir sind schließlich die „Gäste Indiens“ und allerherzlichst willkommen. Sofort bekommen wir Süßigkeiten, eine Flasche Wasser und ein Curry in Windeseile serviert. Ein wenig plaudern wir noch und fahren dann weiter nach Hause.

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