2019 waren wir das letzte mal in Indien zu Besuch, dann brach weltweit das Corona-Virus aus und Reisen war für uns alle unmöglich oder zumindest wesentlich erschwert durch die zahlreichen Tests und die diversen, einschränkenden Schutzmaßnahmen.
Die vergangenen Jahre standen Thomas und ich daher lediglich durch WhatsApp-Nachrichten und kurze Anrufe im Kontakt mit Freunden und Familie in Maharashtra. Somit waren wir jedoch nach wie vor auf dem Laufenden bezüglich des Geschehens auf der Farm in Alegaon und dem Stadtleben in Pune.
Baba feierte im April dieses Jahres seinen 75. Geburtstag, zu dem wir eingeladen waren, jedoch noch nicht anreisen konnten. Wir nahmen ein Video auf, in dem Thomas und ich uns gegenseitig über unsere erste Begegnung mit ihm und seiner Familie 2018 interviewten und die damit verbundenen emotionalen Auswirkungen dieses Zusammentreffens reflektierten. Nach wie vor sind wir alle sehr miteinander verbunden. Das Video wurde in Marathi übersetzt und vor 400 Geburtstagsgästen auf der Feier in Pune präsentiert. Was für eine Ehre, wir waren also trotzdem dabei!
Ende Juli war es dann endlich soweit und wir flogen wieder einmal nach Mumbai. Sagar, der Sohn von Baba, hatte unseren einwöchigen Aufenthalt bereits im Vorfeld mit Thomas abgestimmt und detailliert geplant. So erwartete uns bereits am Flughafen ein Taxifahrer, der uns die gesamte Zeit begleiten würde uns aber erst einmal nach Junnar Nanegath brachte, wo wir ein tolles Wochenende mit Sagar und seiner Familie verbrachten.
Wir feierten gemeinsam unser Wiedersehen nach drei Jahren in einem traumhaften Resort in den Bergen. Regenzeit bedingt eröffneten sich mystische Ausblick über satt-grüne Berge und auf zahlreiche üppige Wasserfälle. Trotz teilweise heftigen Regens unternahmen wir eine geführte Tour und besichtigten ein traditionelles Wohnhaus von Farmern in der nahen Umgebung des Resorts. Wir freuten uns über die gemeinsame intensive Zeit, die wir miteinander verbringen konnten und nutzen jeden Augenblick.
Auf unserem Zwischenstopp in Pune während unserer Weiterfahrt nach Alegaon trafen wir uns dann mit Palavis Familie. Die 25-jährige Patentochter von Thomas hatte vor einem Jahr geheiratet aber Corona hatte uns auch hier eine Teilnahme leider unmöglich gemacht, was wir sehr bedauerten. Daher war die Wiedersehensfreude groß denn wir lernten nun den Ehemann- Dnyaneshwar- kennen und hatten einen sehr positiven Eindruck von der traditionell arrangierten Ehe. Beide schienen glücklich miteinander zu sein. Palavi war schwanger!
Bei einem gemeinsamen Abendessen mit ihrer Familie übergaben wir unser verspätetes Hochzeitsgeschenk, kleine Goldringe, die in Krisenzeiten stückweise verkauft werden könnten und somit das Überleben absichern helfen würden. Hoffentlich ist der Einsatz sobald nicht notwendig.
Nun war es aber auch endlich Zeit, nach Alegaon aufzubrechen. Wir freuten uns unendlich auf das Wiedersehen mit Ravi, Shreya, Sahi, Arush, Tatya, Mangal sowie dem unterdessen 3-jährigen Om. Ihn hatten wir zwar als Neugeborenen auf dem Arm gehalten aber er kannte uns gar nicht.
Wir wurden wieder super herzlich auf der Farm empfangen und einzelne Freudentränen kullerten bei jedem von uns. Unsere Unterkunft war von Sahi mit blühenden Zweigen geschmückt worden. Sie hatte eine Lichterkette aufgehangen, Fotos von Thomas und mir waren liebevoll ausgeschnitten, dekoriert und an die Eingangstür geklebt worden. Wir waren total gerührt. Einerseits reisten wir als Familienangehörige an, wurden gedrückt und herzlich umarmt, was in der indischen Kultur und noch dazu zwischen den Geschlechtern sehr ungewöhnlich ist. Andererseits wurden wir auch als Ehrengäste empfangen denn ein traditionelles Rangoli prangte zu unseren Ehren auf dem Fussboden im Eingangsbereich. Das Gefühl der Wiedersehensfreude nach 3 Jahren zu beschreiben, ist unmöglich. Wir haben diese ungewöhnliche Verbundenheit erneut empfunden.
Auch bei unserem diesjährigen Besuch stand ein gemeinsamer Ausflug nach Sangola auf dem Program. In einem der wenigen Eisläden der Stadt einen „Mango-Mastani“ zu trinken, ist unterdessen zur Tradition geworden, die nicht nur die Kids einfordern. Wir freuen uns alle darauf und das dazu gehörende Foto wurde, ähnlich in den Jahren zuvor, auch wieder gemacht.
Selbstverständlich besuchten wir auch die Schule im Dorf, und auch dort wurden wir auf das Herzlichste von den Lehrer*innen begrüsst. Eine entsprechende Zeremonie wurde abgehalten und anschließend besichtigten wir die Klassenräume. Einige Veränderungen, die Thomas und ich 2018 initiierten, z. B. ein Archiv für Unterrichtsmaterialien hatten die Zeit sogar überstanden. Auch das veränderte Konzept der „Dnyanankur English Medium School“ (Unterricht bis zur 5. Klasse, inklusive Kindergarten und Vorschule) bestand weiterhin.
Die Schule war unterdessen neu verputzt worden. An den Wänden hatten die Lehrerinnen spezifische Lehrinhalte entsprechend der Altersstufe der Schüler kreativ gestaltet. Nun mussten die Auswirkungen der Corona-Pandemie durch fehlenden Online-Unterricht aufgearbeitet und schrittweise erneut die englische Sprachvermittlung initiiert werden.
Thomas und ich hatten die anwesenden 8 Lehrer*innen der Schule zu einem Abendessen eingeladen. Wir alle würden gemeinsam nach Unterrichtsende mit dem Schulbus nach Sangola fahren. Als wir uns an der Schule trafen, hatten sich jedoch 18 Erwachsene und 9 Kinder eingefunden. Ehemalige Lehrer*innen, die unterdessen in anderen Schulen unterrichten, deren Ehepartner und teilweise sogar einige ihrer Kinder waren demnach über unser Kommen informiert worden und wollten unbedingt dabei sein. Damit hatten wir auf keinen Fall gerechnet.
Es war ein toller Abend! Wir lachten und erzählten viel und alle wollten von uns erfahren, wie es in Afrika ist. So viel Interesse von eigentlich fremden Menschen an unserer Person und unserer Arbeit hatten Thomas und ich schon sehr lange nicht mehr erlebt. Auf dem Rückweg wurde im Bus auch noch gesungen.
Leider hatte ich mir diesmal auf unserer Reise bereits am dritten Tag eine Magen-Darm Infektion zugezogen. Daher konnte ich unsere Treffen sowie das leckere indische Essen nicht ganz so unbeschwert geniessen.
Obwohl wir nur wenige Tage in Alegaon waren, liessen wir uns einen Familien-Tagesausflug nicht nehmen. Gegen einigen Widerstand fuhr diesmal sogar Ravi mit. Er hatte organisiert, dass ein Freund die Farmarbeit für diesen Tag übernimmt (10 Kühe füttern und melken).
Wir besuchten auf Empfehlung das „Naldurg Fort“ in der Nähe von Solapur und hielten auf dem Rückweg noch an einem großen Tempel.
Im Krankenhaus von Solapur liessen wir noch unsere Corona-Schnelltest für den Rückflug nach Kigali machen, was jedoch 90 Minuten dauerte, bis alle Unterschriften, Papiere und Zuständigkeiten geklärt waren.
Wir hatten wirklich jeden Tag bis auf die letzte Minute ausgenutzt und alle geplanten Besuche geschafft. Sogar Popat (ehemaliger Lehrer der Schule) hatten wir auf seiner durch Schädlingsbefall leider komplett zerstörten Granatapfel-Plantage in Whaki besucht. Thomas war auch für eine Bart-Rasur extra ins Dorf gegangen. Die Freude des Barbiers war klar zu sehen! Kostenlos und unverzüglich begann die Schönheitsbehandlung inclusive Kopfmassage und abschließendem Tee-Masala.
Am Samstag früh fuhren wir nach tränenreichem Abschied wieder nach Pune, verabschiedeten uns dort von Babar, Sagar und Familie und reisten nach zwei Stunden gleich weiter nach Mumbai. Unser Flug startete noch am selben Abend 22:45 Uhr. Was für eine lange Autofahrt aber alles lief wunderbar und ohne Probleme erreichten wir unseren Nachtflug. Pünktlich landeten wir Sonntagmittag wieder in Kigali.