Am 04.08. war ein weiterer Feiertag in Rwanda, der uns ein verlängertes Wochenende bescherte. „Umuganura“, das Äquivalent zu unserem Erntedankfest wird jährlich am ersten Freitag im August gefeiert. Wörtlich übersetzt bedeutet „Umuganura“ das „Fest der ersten Frucht“. Die Tradition besagt, dass die Erträge der neuen Ernte von den Vorfahren gesegnet werden. Dies erfolgte zuerst in der Familie, indem die älteste Generation die neue Ernte (vor)kostet. Danach trifft man sich in der Gemeinde und feiert gemeinsam den Erfolg der ersten Ernte des Jahres. Verbunden sind die Feierlichkeiten mit traditionellen kulturellen Darbietungen (Tanz, Musik, kleine Aufführungen).
„Umuganura“ hat in Rwanda nach wie vor eine große Bedeutung, jedoch wird eher in den Familien und weniger in der Gemeinde gefeiert. Da wir nicht die Möglichkeit hatten, an einer Umuganura Feier teilzunehmen, wollten wir das Event auf andere Art und Weise würdigen. Christina- unsere Security Frau in der Tagschicht und Janvier- unser Hausverwalter vor Ort und Mann für alle (Not) Fälle bekamen eine kleine finanzielle Extrazuwendung von uns, um später mit ihren Familien „Umuganura“ feiern zu können. Sie haben in der Hauptstadt keine Möglichkeit, selbst Obst und Gemüse anzubauen und die Ernte zu teilen, aber auf diese Weise konnten sie es doch irgendwie.
Wir nutzten den Feiertag und das damit verbundene lange Wochenende jedoch auch, um einen unserer Lieblingsplätze aufzusuchen, die „Rhino Lodge“ außerhalb des Akagera Nationalparks mit phantastischem Blick über den Park.
Im April (Regenzeit) waren wir letztmalig hier. Jetzt befanden wir uns in der Trockenzeit und die Landschaft schaute ganz anders aus, viel karger und staubiger. Auch von den sonst so zahlreichen, laut zwitschernden Weaver war kein einziger zu sehen und zu hören. Ihre Nester waren verlassen, sie hingen vertrocknet in den Ästen und baumelten im Wind.
Wir wollten eine weitere Tour mit Startpunkt an der „Rhino Lodge“ erkunden und wanderten diesmal auf dem Bergkamm oberhalb des südlichen Einganges zum Akagera Nationalpark. Drei Kinder aus der nahegelegenen Ortschaft folgten uns über die Felder und Hügelketten. Sie fragten erstaunlicherweise nicht sofort nach Geld sondern waren fasziniert von unserem Interesse an der Natur. Wir beobachteten mit dem Fernglas Vögel, fotografierten dunkelrote Disteln, die vereinzelt aus dem trockenen Erdboden ragten. Ab und an blieben wir stehen, um den Blick schweifen zu lassen, in die Weite des Nationalpark zu schauen, ausgetrocknete Wasserlöcher zu erkunden und bizarre Gesteinsformationen zu betrachten.
Erstmalig erlebten wir eine Kontaktaufnahme initiiert durch die Kinder, jedoch unabhängig von der Frage nach Geld. Sie pflückten Blüten von ansonsten kahlen Sträuchern und überreichten sie mir als Haarschmuck, sie zeigten uns Beeren und besonders stolz ihre selbst gebastelten Holzboote mit Styropor Segeln. Auch die Verwendung der getrockneten Distelköpfe als Rad-Ersatz für selbst hergestelltes rollendes Spielzeuge demonstrierten sie uns in Windeseile. Wie selbstverständlich wurden wir einbezogen in das Erkunden und Erklären ihrer Alltagsumgebung, für uns eine bisher unbekannte, zurückhaltende Offenheit.
Da unsere Tour lt. Navigations-App ca. 15km lang sein würde, verabschiedeten sich die Kinder nach einiger Zeit, und wir stiegen vom Kamm hinab ins Tal und bahnten uns unseren Weg durch dorniges Gestrüpp und abgeerntete Maisfelder zurück zur „Rhino Lodge“. Dort tranken wir ein kühles Radler, selbst gemischt aus dem einheimischen Primus Bier und Zitronen-Fanta.
Ich war ein wenig erschöpft von der Sonne, zerkratzt von den Dornen der robusten flachwüchsigen Bergvegetation aber zufrieden über die unerwartete zwischenmenschliche Kommunikation trotz Sprachbarriere.