Nein, diesmal ist es nicht unsere Abschiedsparty. Dafür ist es noch etwas zu zeitig! René, ein Arbeitskollege von Thomas, verabschiedet sich. Er wird vom Staat Ruanda delegiert, für 3 Jahre nach Korea zu gehen, um dort an der Uni seinen Dr. zu machen. Danach kommt er zurück und arbeitet weiter bei RISA (Ruanda Information Society Authority) im ministerialen Staatsdienst. In diesen 3 Jahren wird er weiterhin mit 80% seines bisherigen Gehaltes von RISA bezahlt. Vor Ort erhält er zusätzlich noch ein Stipendium. Näheres dazu haben wir allerdings nicht erfahren. Im Rahmen seiner Doktorandentätigkeit muss und wird René mehrere Projekte durchführen. Diese will er natürlich in Kigali ansiedeln, um ab und an auch mal für eine länger Zeit wieder in der Heimat zu sein und seine 3,5 Jahre alte Tochter sehen zu können. Sie lebt bei ihrer Mutter. Renè war bzw. ist nicht verheiratet, sondern im wahrsten Sinne ein “serial Womaniser” (Frauenheld).
Die Abschiedsparty fand in “unserem” Fitness-Studio statt, im “Tequila Paradise”. Es war eine lustige Truppe, die dort zusammensaß: 2 Frauen (Eva und ich) und 7 Männer, einer davon sogar aus Japan, in froher Runde.
Alle sprachen recht verständlich
englisch, und so kam dann auch bald eine sehr intensive und interessante Diskussion auf. Das Thema “Männer und Frauen” ist mit dem Thema “Geld” eines der Themen, das immer und nationenübergreifend kommuniziert wird, nachdem die erste Vorstellungsrunde sowie die Arbeitsthemen durch sind. Und auch wir waren nach zwei, drei “Mützig-Bieren” bzw. zwei Gläsern Wein bei diesem Thema angekommen. Aufgrund der temperamentvollen Diskussion, der Hintergrundmusik in der Bar und den unterschiedlichen englischen Akzenten musste ich mich sehr konzentrieren, um allem Gesagten folgen zu können.
Es war für mich spannend zu hören, dass die Männer im Alltag oft noch das “traditionelle Rollenbild” leben wollten. Eva jedoch, in Vertretung der ruandischen Frauen, dagegen sehr emanzipiert und für meinen Geschmack fast schon feministisch ihre Sichtweisen in Bezug auf eine “neue
Rollenverteilung” vertrat. Die Männer beklagten sich außerdem darüber, dass die ruandischen Frauen es mit der wahren Liebe nicht ernst meinten. Sie würden im heiratsfähigen Alter von ca. 25 Jahren eher irgendeinen Mann heiraten und mit ihm Kinder bekommen wollen, als auf ihre große Liebe zu warten und diese dann in ein paar Jahren zu heiraten, wenn “…der Mann dann soweit sei…”. Das löste energische Reaktionen bei Eva aus und ich hatte das Gefühl, ein Streit bricht aus aber die Diskussion wurde nur im Tonfall lauter, blieb aber weiterhin sachlich.
Viele junge Frauen, die erfolgreich ein Studium abgeschlossen und einen festen Job hätten, verhielten sich so, klärte uns Eva auf. Sie sei das beste Beispiel dafür. Schließlich hätten diese Frauen alles erreicht, bis auf einen Ehemann. Daher würden sie auch “…nicht auf ihre große Liebe warten und darauf, dass der Mann irgendwann heiratswillig sei..”. Eher würden sie einen bereits heiratswilligen und oft älteren Mann heiraten. Dies sei auch dem Druck der Familie und des Freundeskreises geschuldet, die ständig nachfragten. Somit riskierten gebildete, erfolgreiche Frauen lieber Alleinerziehende zu sein, da nach der zeitigen Heirat oft eine Trennung nur wenig später folge. Sie wollten lieber ein Kind allein erziehen, als wartend auf ihre große Liebe und ohne Kind zu leben. Das Thema Nachwuchs scheint so fest im biologischen Rhythmus verankert zu sein, dass ein Leben ohne Kinder und nur mit Erfolg im Job auf keinen Fall vorstellbar ist.
In der weiteren Diskussion wurde uns auch erklärt, dass es schon eine enorme Erwartungshaltung der Angehörigen gebe, dass sowohl Männer, als auch Frauen im heiratsfähigen Alter eine Familie gründeten. Nur als Paar zusammenzuleben, wäre nicht akzeptiert. Auch in Ruanda ist eine Hochzeit in der “Normalbevölkerung” ein riesiges Event und läuft nach bestimmten traditionellen Regeln ab. Individuelle Vorstellungen wie z. B. nur in einem “kleinen Kreis” zu heiraten, sind nicht üblich.
Im Alltag habe ich bisher auch keine Paare Hand in Hand durch den Ort gehen sehen. Es besteht zwar eine größere Freiheit für die Frauen, als wir sie in Indien kennengelernt haben. Trotzdem ist auch diese Freiheit noch weit entfernt von unseren europäischen Ansprüchen und Vorstellungen nach Individualität und persönlicher Identität.