Fast am Ziel aber erstmal am Ende

In Kigali gibt es zwar keinen Lockdown mehr, trotzdem ist das Alltags- und Arbeitsleben durch zahlreiche Vorschriften weiter eingeschränkt. Es besteht weiterhin ab 20:00 Uhr Ausgangssperre, nur 30% der Gesamtzahl aller Mitarbeiter einer Firma dürfen im Büro arbeiten, Homeoffice überall sonst- wo möglich, Verbot von persönlichen Meetings und Restaurants laufen ebenfalls nur mit 30% ihrer Platzkapazität. Sportstätten zu! Kirchen zu! Feste und Feiern nur mit 20 Personen. Trotz Corona geht noch was aber halt nicht alles!

Wir wollten eigentlich schon im Februar mit dem geplanten IT Training für 18 blinde junge Menschen begonnen haben, doch daran hindert uns zur Zeit nicht nur das Corona-Virus. Es tauchen immer wieder Probleme auf, wo bisher keine waren. Diese kann man auch nur langsam lösen, da Behörden weiterhin sehr eingeschränkt arbeiten und persönlich ebenfalls nur bedingt ansprechbar sind.

Aufgrund der Corona-bedingten Sicherheitsmaßnahmen hatten wir unseren kostenlosen Traininsort verloren. Das „Career Center“ der GIZ bleibt bis auf Weiteres geschlossen. Daher haben wir die vergangenen Wochen nach einem passenden Raum gesucht und unterdessen auch endlich gefunden.

Wieder einmal bin ich durch Beth mit sehr sozialen und lieben Menschen in Kontakt gekommen, die unser Projekt gern unterstützen möchten. Jedoch bauen auch sie gerade ein eigenes Business (Lebensmittellieferservice) auf und brauchen ebenfalls jeden Rwandischen Franc.

In diesem Haus in Kicukiro soll das neue Business von Fidence „Park & Pick“ starten. Im EG und in den seitlich angrenzenden Baracken werden Lebensmittel gelagert, verpackt und später über Motorradtaxen ausgeliefert. Unser IT-Training soll in einem Raum im 1. OG stattfinden. Ein kleines Bistro ist im hinteren Bereich ebenfalls geplant und wird kleine gesunde Snacks anbieten. Der Betreiber, Felix, steigt gleich mit der Versorgung unserer Trainingsteilnehmer zum Mittagessen ein. Für beide Business-Varianten (Bistro und Lebensmittellieferung) bilden wir blinde Menschen aus, die anschließend idealerweise gleich eine Anstellung finden. So ist jedenfalls unser Kooperationsmodell und unser Konzept der Zusammenarbeit geplant. Bis es soweit war, gab es jedoch zahlreiche Gespräche, persönliche Treffen, eMails, Videokonferenzen und jetzt sind wir bei der Vertragserstellung angekommen und da zeigen sich plötzlich weitere, nicht ganz unerwarteten Schwierigkeiten.

Die monatliche Miete haben wir gut und fair verhandelt. Selbstverständlich muss auch in Lockdownzeiten gezahlt werden, was „Seeing Hands“ jedoch nicht möglich ist, da unser Projekt für 6 Monate zeitlich befristet und noch viel stärker finanziell begrenzt ist. Was nun? Ein Anruf bei der Amerikanischen Botschaft durch Beth brachte leider keine Lösung. Wir müssen lediglich das bewilligte Budget mit all seinen Veränderungen neu einreichen.

Aber wir hatten nur eine winzige Miete im Budget geplant, schließlich sollten wir kostenlos Räume nutzen können. Nun müsste jedoch noch zusätzlich Miete für Zeiten eines möglichen (und wahrscheinlichen) 3. Lockdowns berücksichtigt werden. Wie soll das gehen? Ich bekomme langsam ein Gefühlt dafür, was Selbständige in Deutschland empfinden, die mit ähnlichen Problemen seit Monaten konfrontiert sind.

Ich kürzte also so lange im Budget herum, bis Beth und ich fast gar nix mehr verdienten. Wir hatten für uns beide als Projekt- und als Finanzverantwortliche ein kleines Entgelt eingeplant. Jetzt blieben wohl nur noch 65 bzw. 105 EUR pro Monat übrig, sofern nicht weitere unerwartete Zahlungen auftauchen würden. Phuuu! Selbständigkeit ist nicht lustig!

Doch das allein reichte natürlich nicht aus. Auch mit der bereits gekauften Technik (5 gebrauchte Laptops, 5 Smartphones, 5 Kopfhörer mit Mikrophon) gab es plötzlich Probleme. Die Laptops sind nicht, wie vom Verkäufer behauptet, von 2018 sondern von 2012. Daher ist leider auch die aktuelle Programm- und Sicherheitssoftware nicht installiert, so dass ein Training damit ausgeschlossen ist. Das hat sich alles erst jetzt herausgestellt, als die Installation der blindenspezifischen Software durch den Trainer bei uns im Haus am Wohnzimmertisch vorgenommen werden sollte. Mist! Mist! Mist! Da wurde Beth beim Kauf doch tatsächlich über’s Ohr gehauen. Oder war es nur Unwissenheit auf beiden Seiten? Egal, das Problem hatten wir jetzt und müssten es zeitnah lösen. Die Vertragsunterzeichnung bei „Park & Pick“ stand an und uns lief die Zeit davon.

Pro Rechner hatten wir 290 EUR gezahlt. So stand es jedenfalls auf der Rechnung. Als Thomas und ich am Wochenende die Rechner jedoch zurückgeben wollten, mussten wir feststellten, dass alle im Dezember 2020 eingekauften Produkte hin und her miteinander verrechnet worden waren, um dem Budget zu entsprechen. Was für eine große Schei… ! Nun würden wir keine 290 EUR sondern nur 240 EUR pro Rechner zurückbekommen. Die Verhandlung mit dem Verkäufer dauerte zwei Stunden, kostete mich Nerven und Thomas flippte einmal völlig aus. Es war einfach nicht zu ertragen, wie versucht wurde, trotz offensichtlicher technischer Unwissenheit alle Schuld bei uns abzuladen.

Nach diesem Verhandlungsmarathon, noch dazu an einem Samstag, waren wir beide am Ende und reichlich demotiviert. Immerhin war es Thomas gelungen, eine schriftliche und vom Verkäufer unterschriebene Bestätigung für unsere Transaktion und die Geldrückgabe zu bekommen. Ob das Geld jedoch tatsächlich rückerstattet wird, davon bin ich noch nicht ganz überzeugt. Ich freue mich auf ein kleines Wunder!

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