Tag 4 und 2 schmerzende Knie

Für heute liegt ein langer Weg vor uns, jedoch sind nur 300 Höhenmeter zu bewältigen. Bereits auf den ersten Metern der Wegstrecke schmerzen meine Knie. Sie sind von den letzten beiden sehr anstrengenden Tagen schon sehr angegriffen. Ich muss die erste Ibuprophen 600 nehmen, um weiter mithalten zu können.
Es stellt sich im Tagesverlauf heraus, dass wir zwar insgesamt am Ende nur 300 Höhenmeter bewältigen müssen bzw. hinter uns bringen werden. Jedoch geht es nicht sonderlich knieschonend MEHRFACH am Tag 300 Meter aufwärts und dann gleich im Anschluss auch wieder abwärts. Somit bewältigen wir eigentlich dreimal so viele Höhenmeter. Ich bandagiere mein linkes Knie, um es zu stabilisieren.

Mitten auf dem Weg stehen buddhistische Gebetsmühlen oder Stupas. Letztere muss der Wanderer stets linksseitig passieren, damit ihn das Glück auf seinem Weg nicht verlässt. Also machen wir das so in der Hoffnung, meine Knie sind vom versprochenen Glück begünstigt. Um die Stupas herum sind zahlreiche Steine aufgeschichtet. Auf diesen sind in einer “Mischsprache” aus nepalesisch, Sanskrit und einer “Sondersprache der Mönche” Gebetstexte, alte Weisheiten und kleine Erfahrungsberichte oder Geschichten eingemeisselt. So erklären es uns jedenfalls später einige alte Mönche, die wir in einem Kloster besuchen. Auch Symbole und Zeichnungen erkennt man auf den Stupa-Steinen und alles ist noch erstaunlich gut erhalten.

Unterwegs beschliessen wir, unseren Tagesmarsch zu kürzen (nicht nur meine Knie schmerzen, Thomas hat fürchterliche Blasen an den Füßen) und eine Übernachtungsalternative zu suchen. Da wir inzwischen schon ein paar Tagesmärsche von allen anderen Transportmitteln entfernt sind, hoffen wir, damit unseren Körper wieder regenerieren zu lassen. Viel Auswahl gibt es jedoch leider nicht. Wir kommen an einem noch nicht ganz beendeten Neubau eines “Teehauses” vorbei. Dort fragen wir an und können über Nacht bleiben. Es gibt keinen Strom, keine Toilette und an duschen/waschen ist nicht zu denken. Wir fühlen uns ins Mittelalter versetzt. Die Gastfamilie lebt zwischen Müll, Schlamm und Kuhmist. Die Kinder sind so dreckig und in Lumpen gehüllt, dass man sie auf keinen Fall berühren möchte. Als Küche dient ein verdrecktes Zelt mit einem kleinen Gaskocher und zwei Holzbänken. So etwas haben wir noch nie gesehen. Alternativlos ergeben wir uns unserem Schicksal.

19:00 Uhr wird es stockdunkel und wir können uns nur noch mit unseren Taschenlampen halbwegs orientieren. Unser “Zimmer” ist holzverkleidet, das Dach jedoch noch nicht komplett gedeckt. Somit wird es wohl eine klare, kalte Nacht werden. Wir mummeln uns in unsere Daunenschlafsäcke und ich bete, dass ich nicht noch einmal auf die “Toilette” muss.

Gute Nacht!

Der Anstieg auf 3000 Meter Höhe muss auf uns warten, morgen schaffe ich den Aufstieg bestimmt.

Aufstieg auf 2240 Meter, Tag 3

Unser dritter Trekkingtag steht ganz “im Zeichen der Maultiere”. In der Hauptsaison passieren 400 bis 500 Tiere den Trail auf- oder abwärts. Wir sehen an diesem Tag nur ca. 50 Maultiere, die be- oder entladen an uns vorbei trotten, langsam und gleichmässig. Jeweils 10 Tiere werden durch einen Caravanführer begleitet. Der hat meist sein Handy in der Hand, aus dem lautstark traditionelle Musik dudelt. Schliesslich braucht der Mensch ein klein wenig Kultur auf seinem langen Weg ins Tal oder nach China. Dort werden an der Grenze die meisten vorab bestellten Waren auf die Maultiere geladen und über die “Bergstrasse” kilometerweit in den Dörfer verteilt. Jedes Maultier kann ca. 100 kg tragen (sagen die Einheimischen) und wird entweder direkt mit riesigen Säcken an Reis, Grieß o. ä. beladen. Kleinere Verpackungsgrössen werden mit Hilfe von Tragekörben auf die Tierrücken geschnallt.

Unser Tagesziel ist Lopka in 2240 Meter Höhe. Wir passieren einen wunderschönen Canyon, sehen Höhlen, ausgewaschene Felseinkerbungen und weiterhin satte grüne steile Berghänge. Bis dahin ist das unser schönster Tag.

2. Treckingtag

Am zweiten Trekkingtag starteten wir bereits 7:00 Uhr, da der Weg lang und “aufstiegsreich” werden sollte. Am Morgen wurden wir noch mit Sonnenschein verwöhnt und so ertrugen wir die ständig wechselnden Auf- und Abstiegen sehr gefasst. Ausgeruht und optimistisch meisterten wir diese Knien-Herausforderungen recht gut und wollten uns unserem Tagesziel von 1400 Metern schrittweise nähern.
Auch an diesem Tag sahen wir wieder gigantische Wasserfällen, dafür war die Regenzeit halt gut! Unter einem sind wir sogar unmittelbar vorbei bzw. durchgegangen. Was für ein atemberaubender Eindruck!
Die Mittagsrast fand dann in einer bezaubernden Raststätte mit Bergblick statt und wir waren für alle Strapazen entschädigt.

Leider mussten wir auch an diesem Tag an einer Bergsprengung vorbei. In der Regenzeit werden die Treckingwege “gewartet” und mittels kontrollierter Sprengungen “verbessert”. Wir waren entsetzt, dass es trotzdem erlaubt und mit Guide möglich ist, in die Nähe dieser Stellen zu kommen und diese sogar noch zu passieren. Allerdings hätte man auch keine andere Chance, es gibt ja nur diesen einen Weg durch die Berge. Für die Einheimischen ist das alles Alltag und absolut normal. Als wir jedoch, eng an die Felsen gepresst, die Sprengstelle passierten, stürzte von oben ein mittelgrosser Felsblock herunter, verfehlte uns nur um einige Meter, was ich jedoch gar nicht mitbekam sondern nur Thomas panisch verfolgte und nach der Passage berichtete. Eigentlich hatten wir von unserem Guide hier einen besseren Überblick erwartet und organisierten die Kontrolle bei ähnlichen Gebieten in Zukunft selbst. Schock und Erleichterung!

Ab 14:00 Uhr setzte Dauerregen ein und unsere Stimmung trübte sich langsam. Nach mittlerweile 5 Stunden trekking war unser Ziel noch nicht in Sicht. Mittlerweile brannten die Füsse, die Zehen wurden taub, die schweren Wanderschuhe drückten und der Rucksack wurde schwerer und schwerer. Nur mühsam konnten wir uns noch mit unseren Trekkingstöcken die zahlreichen Steinstufen hochdrücken oder steinige Abstiege damit abfedern. Jeder einzelne Schritt war eigentlich zuviel. Doch es gab unterwegs keine Möglichkeit einer anderen Übernachtung. Wir mussten Jagat erreichen, wie auch immer.
17:30 Uhr waren wir endlich durchnässt und mehr als erleichtert und erschöpft am Ziel

Manaslu Circuit 1. Tag: Machhakala 900m

Nach einer unvorstellbaren Anreise von Kathmandu über 13 Stunden im lokalen Bus bei strömendem Regen und auf matschverschlammten Wegen begann nun nach einem traditionellen Frühstück (tibetischer frittierter Brotfladen, leicht süss) unsere Treckingtour. In unseren kühnsten Träumen hatten wir uns nicht ausgemalt, was uns gleich zu Beginn erwartete: Hängebrücke aufwärts über einem Wasserfall und tiefem Abgrund. Es folgte eine Flussüberquerung, die aufgrund der Regenzeit doch erheblich mehr Strömung mit sich brachte. Danach mussten wir 45 Minuten warten, bis ein Beräumungskommando den Weg passierbar gemacht und dicke Felsbrocken mit einem Bagger den steilen Hang hinabgeschoben hatte.

Damit nicht genug! Wir gerieten auf unserem Weg in eine Bergsprengung und mussten weitere 30 Minuten warten, bis die Armee das Weitergehen erlaubte. Auch Einheimische waren mit randvollen Körben unterwegs und wollten ihre gerade gekauften Waren ins Heimatdorf bringen. Andere waren auf dem Weg, um ihre eigenen Waren im Nachbarort zu verkaufen. Somit mussten wir alle durch das frisch zusammengesprengte Gesteinsfeld wackeln, wo überall noch die Zündschnuren herumlagen und es noch vom Dynamit rauchig in den verhangenen Himmel dampfte.

Es folgte ein Geröllgebiet, von einem Weg war keine Rede mehr, was wir mit Gepäck durchklettern mussten. Ich habe meinen Rucksack allerdings an den Guide übergeben. Er schien nicht ganz ausgelastet zu sein, da er stets weit vor uns leichtfüssig über die Steine sprang. Das war zu deprimierend anzuschauen. Dem musste ich Einhalt gebieten. Aber danach war endlich “Land in Sicht”. Aufgrund der enormen körperlichen Anstrengung war es für uns sehr schwer, die Natur richtig zu geniessen. Den Blick ständig nach unten gerichtet, um auch ja keinen Fehltritt zu riskieren! Die Landschaft war jedoch von Anfang an atemberaubend mit dschungelartigen Pflanzen, tiefgrünen steilen Hängen und unzähligen tosenden Wasserfällen.

Den ersten Tag wollten wir eigentlich nach Plan ruhig angehen und nur 4 Stunden wandern. Es sollte lediglich von 700 m auf 900 m aufwärts gehen, ein Kinderspiel! Doch aufgrund der natürlichen und unvorhergesehenen Ereignisse waren es bis zur Ankunft im “Teehaus”, so bezeichnet man die kleinen und sehr einfachen Unterkünfte in den Bergdörfern, insgesamt 9 Stunden. Wir waren total erschöpft und fielen in die überraschend komfortablen Betten.

Schlechteste Busfahrt aller Zeiten

Unsere Anfahrt in die Manaslu-Region sollte laut Aussage unserer Treckingagency eigentlich nur 5 Stunden dauern mit einem lokalen Bus über Land. Durch die Regenzeit waren die Strassen jedoch in einem teilweise unbenutzbaren Zustand. Tiefe ausgewaschene Schlammlöcher, Wassermassen aus denen grosse Feldsteine herausragten, umgefallene Bäume und Bauschutt von vergangenen Strassenarbeiten versperrten die Fahrtwege oder verengten sie auf ein beklemmendes Ausmass. Dadurch kamen wir teilweise nur im Schritttempo voran und letztendlich wurden 13 Fahrtstunden draus – und wir kamen noch nicht einmal an unserem Zielort an.

Der Anfang lief noch ganz entspannt und der Bus startete in Kathmandu auch pünktlich 7:00 Uhr. Es gab sogar reservierte Sitzplätze für uns und unser Guide kümmerte sich um unser Gepäck. Alle Sitzplätzen waren nach wenigen Haltestellen in der City belegt und so hofften wir auf eine zügige Fahrt. Je mehr es jedoch in das Land hinein ging, desto mehr Menschen quetschten sich noch zusätzlich in den Bus. Selbst als kein Stehplatz mehr war klemmten sie sich noch aussen an den Bus. Fremde Kinder wurden sitzenden Passagieren einfach auf den Schoss gesetzt. Die Luft wurde nach kurzer Zeit stickig, da die Fenster entweder nicht mehr aufgingen oder durch den starken Regen geschlossen gehalten wurden. Es roch nach Knoblauch, altem Schweiss und Alkohol. Zum Erbrechen!

In regelmässigen Abständen sprangen einige Männer, die an den Aussenseiten des Busses hingen ab, um dem Fahrer Anweisungen zu geben, welchen Zentimeter des Weges er noch nutzen konnte. Teilweise quälte sich der Bus steilste Abschnitte auf Seitenwegen durch den Morast nach oben, er blieb stecken, fuhr zurück, die Räder drehten durch. Links neben unserem Fenster (es ging noch auf) war bald nur noch ein steiler Abgrund zu sehen, an dem wir in morastigen Rinnen entlang kurvten. Ein wenig “beneideten” wir die Leute, die außen an der Bustür hingen. Sie waren zwar im Regen, konnten aber bei Gefahr wenigstens abspringen. Wir dagegen klemmten auf unseren Sitzen fest und hatten einfach nur Angst. Der Bus neigte sich beängstigend aufgrund des Übergewichts an Menschen und Gepäck nach rechts und links und es gingen Aufschreie der stehenden Passagiere durch den Bus.
Unsere Rucksäcke, die auf dem Dach lagen, waren durchnässt mitsamt den Daunenschlafsäcken, da die Persenning immer wieder geöffnet und nicht wieder richtig verzurrt wurde.

Irgendwann ging es gar nicht mehr weiter, der Bus steckte bis zur Hälfte der Radhöhe im Morast fest. Kein Vor und kein Zurück. Die Alternative war schnell klar – alle raus und laufen. Es goss immer noch in Strömen aber es war dafür sicher und wir wieder an frischer Luft.

Eine Stunde ging es dann für uns zu Fuss weiter durch den knöchel- bis wadenhohen Morast bis wir an eine Stelle kamen, an der ein anderer Bus auf uns wartete und die restlichen Kilometer fast bis an unseren Zielort fuhr. Unterdessen war es stockdunkel, keine Strassenlichter und nur wenige vereinzelte Lichter aus den Häusern. Leider fuhr der Bus nicht ganz bis an den Ausgangsort unserer bevorstehenden Treckingtour, sondern nur bis zu einem kleinen mittelalterlich anmutenden Dorf zu einer abgeranzten schmuddeligen Herberge. Diese roch modrig und alt und sah auch genau so aus.

Irgendwie hatten wir uns das alles wieder einmal ganz anders vorgestellt. Wir waren müde, hungrig und erschöpft. Ausserdem waren heftige Kopfschmerzen von der Anspannung dazugekommen. Trotzdem waren wir froh, endlich irgendwo angekommen zu sein und uns hinlegen zu können. Am nächsten Tag sollte es 8:00 Uhr los gehen, da wir ja noch ca. 1 Stunde bis zum Ausgangspunkt unserer eigentlichen Tour bereits mit Gepäck laufen mussten. Na dann mal los!