Transform Africa Summit (TAS)

In Simbabwe fand vom 26.-28.04.2023 die Transform Africa Conference statt, an der auch Rwanda mit verschiedenen staatlichen Repräsentanten, privaten IT Firmen, Entrepreneurs aus dem Bereich Digitalisierung und Vertreter der GIZ teilnahmen. Letztere finanzierte den Präsentations- und Ausstellungsbereich der teilnehmenden Akteure im Elephant Hill Resort in der Nähe der Victoria Fälle. Thomas war mit seinen GIZ Kolleg*innen auch dabei, da er in zahlreichen IT Projekte mit unterschiedlichen Akteuren in Rwanda eingebunden ist.

Die Vorbereitungen für dieses besondere Event begannen in allen Bereichen bereits vor einigen Monaten, wobei eine strukturierte Koordination dieser zahlreichen Einzelaktivitäten fehlte, so dass Thomas vereinzelt angefragt wurde und einspringen musste. Die Flüge musste jeder Teilnehmende eigenständig buchen und sich auch um eine Unterkunft bemühen. Thomas hatte sich über das Kooperationsreisebüro der GIZ den Hinflug am 25.04. und den Rückflug am 29.04. buchen lassen. Er würde im Konferenzhotel übernachten und somit kurze Wege zu den tagesaktuellen Diskussionsrunden, Marketing-Events und Präsentationen haben.

Am Samstag, 22.04. wurde Thomas vom Reisebüro darüber informiert, dass sein Hinflug nach Simbabwe gestrichen worden sei und somit war auch der Rückflug ungültig. Ein anderer Flug konnte jedoch nicht ohne Weiteres gebucht werden, da erst die Übernachtungssituation geprüft werden musste. Die wenigen Hotels und Lodges in der kleinen Resort-Stadt „Victoria Falls“ waren aufgrund der TAS vollständig ausgebucht. Das Event fand nicht in der Hauptstadt Harare statt, vermutlich hatten die Veranstalter bewusst die Nähe zu den berühmten Victoria Fällen gewählt. Nun war guter Rat teuer, da von diesem Flugausgall nicht nur Thomas, sondern auch andere Teilnehmende betroffen waren. Es begann ein Herumtelefonieren, Abstimmen, Verschieben, Umbuchen, Anfragen, Verwerfen aber schlussendlich stand am Samstagabend noch immer keine Alternative für die Reise fest.

Am Sonntagmorgen wachten wir gegen 7:30 Uhr auf. Thomas erster Blick gilt stets den neueste Nachrichten auf seinem Handy und so bemerkte er eine WhatsApp Nachricht, die in der Nacht 2:30 Uhr eingegangen war. In dieser wurde ein zentral von der Regierung organisierter Charterflug für alls TAS Teilnehmenden aus Rwanda für Sonntag früh 9:00 Uhr angekündigt. WHAT? Augen reiben, nochmal lesen aber tatsächlich, das Presidential Office hatte einen Charterflug organisiert, um alle Beteiligten nach Simbabwe einfliegen zu lassen. Das konnte doch unmöglich wahr sein! Aber nach dem dritten Mal lesen, stand es fest und die Information war durchgedrungen. In ca. einer Stunde musste Thomas auf dem Flughafen sein. In Berlin wäre das schon entfernungsbedingt eine Unmöglichkeit, doch in Ruanda muss man mit allem rechnen und Vieles ist möglich.

Nun begann im Hause Wiemann hektisches, jedoch trotzdem geordnetes Packen. Schnell sammelten wir Reisedokumente, business Schuhe, Anzug, Waschtasche und Technik zusammen, und ich fuhr Thomas zum Flughafen. Pünktlich 9:00 Uhr erreichten wir den Abflugbereich. Geschafft! Der Charterflug hatte selbstverständlich den Vorteil, dass Thomas in nur drei Stunden anstatt sieben Stunden in Simbabwe sein würde. Jede Medaille hat wie immer zwei Seiten!

Die nächsten Tage waren für Thomas einerseits arbeitsintensiv bezüglich Netzwerken, fachlichem Austausch zu dem spezifischen Thema der Digitalisierung von Regierungsinstitutionen in Afrika.

Andererseits blieb auch ein wenig Zeit, sich mit Daniel, einem rumänischen Freund und Arbeitskollegen zu treffen, gemeinsam ein Bierchen zu trinken und die bekannten Victoria Wasserfälle zu besichtigen. Sie befinden sich im Dreiländereck von Simbabwe, Zambia und Botswana. Eine Eisenbrücke zwischen Zambia und Simbabwe ermöglicht eine Wanderung entlang der Wasserfälle, wobei man kein Visum für den Grenzbereich benötig aber von allen Seiten einen traumhaften Blick auf die gigantischen Fälle ergattern kann. Dieses Naturschauspiel zu sehen, war mir leider (noch) nicht vergönnt.

Doch vielleicht ergibt sich ja noch einmal eine Gelegenheit, gemeinsam mit Thomas eine Reise nach Simbabwe zu unternehmen. Doch jetzt reisen wir im Mai erst einmal nach Namibia und besuchen unsere Freunde Anja und Olaf, die es seit einem Jahr dorthin verschlagen hat. Ich werde berichten!

Taufe von Atete

Am Samstag nach dem Osterwochenende waren wir zur Taufe von Elisabeths Tochter Atete eingeladen. Die erforderlichen Details (Einladung) zum Event erreichten uns via WhatsApp einen Tag vorher. Der Taufgottesdienst würde 9 Uhr in der Katholischen Kirche „Regina Pace“ im Stadtteil Remera abgehalten werden. Obwohl wir unterdessen schon sehr mit den rwandischen Zeitangaben vertraut sind und diese auch zunehmen gelassener berücksichtigen, trauten wir uns doch nicht wesentlich später als in der Einladung angegeben, zu dem feierlichen Ereignis zu erscheinen. Pünktlich auf die Minute fuhren wir auf den Parkplatz direkt vor der Kirche.

Menschenmassen strömten in die Kirche, da in diesem Gottesdienst anscheinend zeitgleich 5 Brautpaare, mindestens 50 Täuflinge und weitere 30 Konfirmanden gesegnet werden würden. Sie alle standen mit ihren Familien auf dem Kirchplatz. Zu jeder dieser Parteien gehörte außerdem noch ein Fotograf, entweder ein Profi mit entsprechender Ausrüstung und Lichtinstallation oder ein Laienfotograf mit nicht weniger beeindruckender Kamera. Man hatte das Gefühl an einer riesigen Pressekonferenz teilzunehmen, auf der die Welt verkündet wird.

Erstaunlicherweise begann nur wenige Minuten nach 9 Uhr der Gottesdienst. Von Elisabeth und ihrer Familie war noch keine Spur. Lediglich Atete und ihre Taufpatin, Marice, ebenfalls eine Kollegin von Thomas, waren festlich gekleidet im Hauptschiff zu erkennen und winkten uns kurz zu, als sich unsere Blicke zufällig trafen. Es waren mehrere hundert Menschen in der Kirche und mit fortschreitender Zeit füllte sie sich weiter.

Wir sassen im Seitenschiff, um von dort besser Fotos machen zu können. Der Gottesdienst wurde in Kinyarwanda abgehalten und ein kleiner Chor stand bereit und unterstützte mit gewaltigem Stimmvolumen das sangesfreudige Publikum.

Mit einer reichlichen Stunde Verspätung kam Elisabeth und erkannte uns als einzige Europäer in der Masse der Anwesenden natürlich spielend. Sie schien noch bei der Kosmetik oder zumindest beim Friseur gewesen zu sein. Elisabeth sah umwerfend aus in ihrer traditionellen ‚Umushanana‘, bestehend aus einem langen Rock und einer Schärpe, die über einer Schulter geknotet getragen wird. Dazu trug sie hellgraue High Heels und lief damit problemlos und sehr elegant. Ich hätte in diesen Schuhen noch nicht einmal längere Zeit stehen können.

Im Akkord wurde von dem Hauptpriester das Ehegelübde der fünf Brautpaare abgenommen, alle Täuflinge und Konfirmanden gesegnet, die Taufkerzen überreicht und das Abendmahl mit der Gemeinde gefeiert. Da so viele Menschen anwesend waren, kam nicht jede/r Einzelne vor zum Altarraum, sondern der Priester ging mit seinen Gehilfen durch die Reihen und spendete den Segen. Ich fühlte mich ansatzweise an den Ostergottesdienst vor dem Vatikan in Rom erinnert. Die feierliche Zeremonie in der Kirche dauerte fast 4 Stunden.

Im Anschluss daran hatten wir zwei Stunden Zeit um die Tauf- Torten abzuholen, die wir als Geschenk nach Rücksprache mit Elisabeth bestellt hatten. 60 Gäste wurden am Nachmittag erwartet und 14 Uhr würden sich alle zum späten Lunch-Buffet im Hause ‚Ujeneza‘ treffen. ‚Ujeneza‘ ist nicht der Nachname von Elisabeth. Es ist ihr Name in Kinyarwanda und bedeutet „Die, die stets zur richtigen Zeit erscheint“. Das ist eigentlich ein Hohn, da gerade Elisabeth für unser Verständnis nie zur richtigen Zeit erscheint, sondern stets zu spät oder gar nicht auftaucht. Im ruandischen Kontext passt der Name jedoch wie die Faust auf’s Auge. Sehr gute Wahl!

Ein Essen für 60 Personen im eigenen Haushalt vorzubereiten, ist eine Meisterleistung, die nur mit Unterstützung von Freunden oder Profis möglich ist. Auch Elisabeth hatte diese Unterstützung und konnte sich so entspannter ihren Gästen widmen. Für uns war die Vorbereitung des Buffets ein weiterer einmaliger Einblick in die ruandische Kultur. Ähnliches hatten wir in Indien bereits kennengelernt, und so waren wir nicht allzu überrascht von der Gelassenheit und dem Improvisationstalent aller Beteiligten.

Im Haus und auf der hinteren Terrasse herrschte spektakuläres Chaos. Hühner, ein Hund und zahlreiche Kinder jeden Alters wuselten umher. Ein Videofilm auf großem Bildschirm im Wohnzimmer brachte später etwas Ruhe in die Kinderschar.

In riesigen Töpfen kochte Reis, Bananen wurden frittiert und Gemüse geputzt. Zerteilte und scharf angebratene Fleischstücke kochten mit Knochen ebenfalls in großen Pfannen über offenem Feuer. Die Platte eines Esstisches deckte man komplett mit einer dünnen Plastikfolie ab. Darauf wurde in kleinen mundgerechten Portionen das Salatbuffet bestehend aus Karotten, Gurken, rohen Zwiebeln, Avocado sowie hart gekochten Eiern angerichtet.

Gegessen wurde schlussendlich 18:30 Uhr und viele der Gäste, einschließlich uns, waren unterdessen hungrig! Dasher begann im wahrsten Sinne des Wortes ein Ansturm auf das Buffet. In wenigen Minuten sah man nur noch ein Schlachtfeld aus Speisen- und Knochenresten, Schalen von Früchten und Kuchenkrümeln, teilweise auch verteilt auf dem Teppich im Wohnzimmer. Die Rest von Spaghetti, die extra für die Kinder zubereitet und in einer großen Schale serviert worden waren, schienen ebenfalls überall verteilt zu sein. Nun waren alle gesättigt und zufrieden. Ehrengäste hielten eine Rede und es begann der gemütliche Teil des Abends.

Erneut war ich total erstaunt aber auch beeindruckt, wie Elisabeth als alleinerziehende Mutter mit der Organisation eines solchen Events umgeht. Sie ist einerseits an Traditionen gebunden und daher sowohl ihrer Tochter als auch ihrem sozialen Umfeld verpflichtet. Andererseits studiert Elisabeth seit zwei Jahren in Teilzeit an der Cargegie Mellon University (CMU) in Kigali und macht im Mai ihren Masterabschluss in ICT. Unkonventionelle Abweichungen in der Ausrichtung der Taufe ihrer Tochter aufgrund ihrer persönlichen, hoch angespannten Situation sind nur schwer vorstellbar. Daher bedarf es zusätzlichen Engagements von Elisabeth und ihrem Freundes- sowie Bekanntenkreis, um diese Herausforderung zu meistern. Unbestritten schafft sie dies ganz wunderbar auf ihre ganz eigene Art und Weise.

Am Abend wirkte sie ersichtlich müde aber auch sehr glücklich. Nun war nur noch die Frage zu klären, wer das ganze Chaos im und um das Haus am nächsten Tag wieder beseitigen würde. Als Thomas und ich uns verabschiedeten gab es dazu noch keinen „Ausführungsplan“, doch auch der wird sich nach unseren Erfahrungen hier ganz spontan ergeben.

Thomas und ich fühlten uns an diesem Tag sehr geehrt denn wir waren nicht als Arbeitskollegen von Elisabeth eingeladen, wie etliche andere Anwesende. Vielmehr durften wir sogar am Tisch der engsten Familienmitglieder und Ehrengäste sitze. Dementsprechend wurden wir auch bei der Begrüßung vorgestellt. Obwohl wir Elisabeth und Atmete erst seit 4 Jahren kennen und uns auch nur in größeren zeitlichen Abständen treffen, gemeinsam etwas unternehmen oder auch mal ein Bier trinken gehen, hat sich doch unterdessen ein fast familiäres Verhältnis entwickelt. Freundschaft brauch Zeit, die man sich mit- und füreinander nimmt!

Maison Noire (das schwarze Haus)

Vor einem Jahr haben Thomas und ich noch im Stadtteil Kicukiro, außerhalb des Zentrums von Kigali gewohnt. Die Gegend war eher ländlich, es gab nur wenig lokale Läden, einen Gemüsemarkt sowie diverse Gas- und Trinkwasser- Nachfüllstationen. Für einen leckeren Kaffee Latte spazierten wir am Wochenende schonmal 40 Minuten zur Bäckerei Lamane.

In den ersten zwei Jahren fanden in Kicukiro umfangreiche Bauarbeiten an diversen Straßen in unserer näheren Umgebung statt. Später begann auch noch der Bau einer mehrspurigen Fernverkehrsstraße, die den zukünftigen Internationalen Flughafen Rwandas im Nachbardistrict Bugesera mit der Hauptstadt verbinden wird. Dies hatte enorme Auswirkungen auf unser Wohnumfeld bezüglich Verkehr, Abrissarbeiten, Lärm und Internet. Das alles war für uns u. a. der Anlass zum Umzug in die Innenstadt.

Am Wochenende fuhren wir nach längerer Zeit mal wieder nach Kicukiro. Wir waren mit Solange und Jacob in einer Bar, dem „Maison Noire“ (Schwarzes Haus) verabredet. Das hatten wir uns schon sehr lange vorgenommen und wollten damit an Traditionen aus unserer Anfangszeit in Kigali anknüpfen. Vor Corona hatten wir uns öfter mit Thomas Kolleg*innen am Freitag- oder Samstagabend im „514“, einem Club im Stadtteil Kimironko getroffen. Doch die Zeiten scheinen lange vorbei. Viele Clubs sind unterdessen geschlossen und Künstler haben sich andere Jobs erschließen müssen. Nur langsam erholt sich die Szene post-covid.

Umso erstaunter waren Thomas und ich, als wir in unserem ehemaligen Kiez ankamen. Dort tobte das Nachtleben Kigalis wie in seinen besten Zeiten. Unzählige neue Clubs, Restaurants, Bars und Cafés hatten innerhalb eines Jahres in einer Parallelstraße hinter der neu gebauten Flughafenfernverkehrsstraße eröffnet. Zahlreiche Menschen drängten sich auf den Straßen und Taxis brachten immer mehr tanz- und feierfreudiges Publikum. Schnell füllte sich nicht nur das „Maison Noire“ mit internationalem Publikum sondern auch unser Tisch mit Bierflaschen.

Es war nach langem mal wieder ein richtig lustiger Abend ohne anstrengende Diskussionen zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Man verstand zwar sein eigenes Wort nicht aber durch gemeinsamen Trinken und Tanzen unterhielten wir uns alle prächtig.

Anatomie Stunde

Thomas und ich unterstützen nach wie vor Seeing Hands, obwohl unsere gemeinsamen Aktivitäten mit dem Team um Beth und Callixte weniger geworden sind. Allerdings konnte sich Seeing Hands unterdessen auch einen guten Ruf im Bereich Assistive Technology und Web- Accessibility erarbeiten. Mehrfach kam es zu projektbezogener Zusammenarbeit mit dem Digaitalisierungscuster der GIZ, initiiert und unterstützt von Thomas. Weitere Workshops und Trainings sind geplant, die ich mit den Kolleg*innen des Digi-Clusters in meiner Funktion als Consultant für das Mainstreaming Thema „Disability/Inclusion“ übernehme. Somit hat sich eine Verknüpfung unserer ehrenamtlichen Tätigkeit mit unserem beruflichen Engagement entwickelt, für die ich sehr dankbar bin. Die inhaltliche Vielfalt meines Einsatzes als Entwicklungshelferin ist durch diese Zusammenarbeit größer geworden.

Doch nach wir vor liegt der Schwerpunkt des Engagements von Seeing Hands im Massage-Training für blinde und sehbehinderte Frauen und Männer. Beth ist weiterhin sehr ambitioniert und reist mit ihrem Team, bestehend aus ca. 20 Student*innen, zu verschiedenen Veranstaltungen in Ruanda. Z. B. bot sie den Teilnehmenden am „Nyungwe Marathon“ oder auch beim Radrennen zur „Tour du Rwanda“ Massagen an. Es gibt auch immer spezielle Angebote zum Valentinstag oder zum Internationalen Frauentag, der in Ruanda viel Beachtung erfährt. Im Juni findet in Kigali der „International Peace Marathon“ statt, und auch da wird Beth mit ihrem Team sicher wieder mit dabei sein. Beth sorgt jedoch auch dafür, dass „Seeing Hands“ regelmäßig Angebote in den lokalen Communities für andere benachteiligte soziale Gruppen unterbreitet. „Wird dir von der Gesellschaft gegeben, gib auch ihr etwas zurück“, das ist ihre Einstellung, die sie den Student*innen kontinuierlich vermittelt und die sie auch in der praktischen Arbeit einfordert.

All diese Aktivitäten bringen nicht immer sehr viel Einnahmen für das Massage Team, jedoch profitiert Seeing Hands gerade vom Marketing dieser Großveranstaltungen. Um jedoch auch in den Sozialen Medien ihr Engagement noch besser darzustellen, sucht dasTeam einen Volunteer, der/die die Accounts von Instagram, Facebook und Twitter regelmäßig pflegt und auch die Webseite mit kurzen Beiträgen aktuell hält. Doch ehrenamtlich Tätige zu finden, ist in Ruanda sehr schwierig. Der Großteil der Bevölkerung braucht selbst dringend bezahlte Beschäftigung oder eine geringfügige Entlohnung für einfache Tätigkeiten.

Die Zivilgesellschaft hat sich bisher noch nicht so stark entwickelt, dass eine regelmäßige und nicht nur finanzielle Unterstützung untereinander ansatzweise erfolgt und möglich zu sein scheint. Die Erfahrung, dass sich Zielgruppen mit ähnlich gelagerten gesellschaftlichen Herausforderungen durch gemeinsames Engagement und durch das Suchen nach Synergien unterstützen können, ist- bedingt durch die Historie Ruandas- auch nur schwer zu vermitteln. Häufig wird auf „Hilfe von Außen“ gehofft und gewartet und diese sogar mit der Begründung der jahrelangen Ausbeutung während der Kolonialzeit selbstverständlich erwartet. Diesem Thema widmet sich die GIZ zunehmend stärker und organisiert Webinare und Konferenzen für einen internationalen Austausch. Eine einfache Lösung gibt es diesbezüglich nicht!

Daher versuchen Thomas und ich mit unserem persönlichen Engagement bei Seeing Hands ein kleines Zeichen zu setzen, verschiedene Akteuere zusammenzubringen, einen inhaltlichen Austausch zu initiieren, der dann im besten Fall auch zu einer Veränderung in der Einstellung gegenüber blinden und sehbehinderten Frauen und Männern führt. Beispielsweise hat sich eine Kollegin von Thomas erstmalig selbst an Seeing Hands gewandt und nach einer Massage gefragt, als sie Nackenschmerzen hatte. Das hat mich unwahrscheinlich gefreut denn noch vor zwei Jahren kannte sie „Seeing Hands“ nicht einmal.

Damit sich die individuellen Fähigkeiten und auch das Vertrauen in diese bei den Frauen und Männer von „Seeing Hands“ weiterhin positiv entwickeln, fand eine weiter Anatomie-Stunde mit Matthias, Executive Director von Cognos International, statt. Er besucht „Seeing Hands“ regelmäßig und wirbt weiterhin unermüdlich bei internationalen Organisationen aber auch bei der Regierung von Ruanda für die Entwicklung eines Ausbildungsbereiches, der speziell blinde Frauen und Männer fördert.

Das Skelett wurde von ihm in Einzelteilen im Koffer bei seinem letzen Besuch in Ruanda mitgebracht. Nun trainiert Ruth, eine junge sehbehinderte Frau, das Team von „Seeing Hands“ mehrfach in der Woche in Anatomie. Am Skelett ertasten alle Student*innen den Knochenaufbau des menschlichen Körpers und bekommen die Muskelansätze erklärt, die sie dann untereinander mit spezifischen Bewegungen massieren üben.

Die Zusammenarbeit mit „Seeing Hands“ bereitet mir immer wieder unendlich viel Freude und sie gibt mir die Kraft, die kleinen Schritte wahrzunehmen und anzuerkennen, die für eine große gesamtgesellschaftliche Entwicklung nötig sind.

Pfunda-Tea-Plantage

In den vergangenen 4 Jahren, die Thomas und ich nun schon in Rwanda sind, haben wir zahlreiche Wandertouren unternommen. Dabei haben uns die „Twin Lakes“ und der „Lake Kivu“ immer besonders angezogen. Doch bei einer unser letzten Wanderungen im Gishwati Forest im Nord-Westen von Rwanda, sind uns erneut die üppigen dunkelgrünen Tee Plantagen in der Nähe von Rubavu (Gisenyi) aufgefallen. Diese Gegend hatten wir bisher noch nicht näher erkundet. Das musste sich ändern!

Wir starteten am Freitag Nachmittag mit unserem Auto, das wir am Donnerstag Abend gegen 23 Uhr frisch aus der Werkstatt zurück bekommen hatten. Die Kupplung war ausgetauscht worden. Zur Sicherheit hatten wir uns allerdings schon nach Alternativen umgehört z. B. ein Mietauto für 50 USD pro Tag oder auch ein öffentlicher Bus für 3 EUR pro Person aber 5 Stunden Fahrt für 140km. Wir entscheiden uns gegen diese Alternativen, da auch Anja und Ferdinand an der Wandertour teilnehmen würden. Letzteren wollten wir in Musanze abholen. Das war selbstverständlich mit dem eigenen Auto wesentlich einfacher zu organisieren.

Wir hatten uns durch den Wochenendbeginn-Freitagsfeierabend-Verkehr gekämpft und waren 30km von Kigali entfernt, als die Temperaturanzeige unseres Autos kontinuierlich anstieg. Mist, nicht schon wieder! Das Thema war uns gut bekannt. Kein Problem, nur Wasser nachfüllen und alles ist wieder gut. Gott sei Dank waren wir gut ausgestattet. Ein 20 Liter Trinkwasserkanister, unsere Wochenendwasserversorgung, stand im Kofferraum. Thomas füllte damit ca. 3 Liter Kühlwasser auf und weiter ging die Fahrt. Doch nach weiteren 30 km zeigte sich das Problem unerwarteter Weise erneut. Mist! Da stimmt doch was ganz gewaltig nicht! Der Kühlwasserbehälter kochte und schlammbraune Brühe sprudelte Thomas entgegen, als er den Deckel öffnete. Wieder füllte er, bei laufendem Motor, 3 Liter nach. Das hatten wir schließlich schon aus den vergangenen Malen gelernt. Mit Mühe und Not kamen wir so die 93km bis Musanze. Im Café Crema machten wir wie gewohnt Pause, sammelten Ferdinand ein, der dort bereits auf uns wartete. Nach einem Kaffee und der ersten Routenplanung für unsere Wanderung am nächsten Tag füllte Thomas erneut Kühlwasser auf. Bis Rubavu (Gisenyi) waren es nur noch 45 km, das sollten wir schaffen.

Unterdessen war es 18 Uhr und dunkel. Wir hatten auch bereits in freudiger Erwartung eine gegrillten Fischplatte für uns alle zum Abendessen auf dem Zeltplatz bestellt und freuten uns ausserdem auf das Feierabendbier bzw. den Wein. Doch wir kamen nur wenige Kilometer weit bis erneut die Kühlwasseranzeige hochschnellte. Damit war klar, mit unserem Auto würden wir an diesem Abend nicht mehr nach Gisenyi kommen. Gott sei Dank war Ferdinand dabei, der einen Mechaniker organisierte, doch auch er schaute unter dem kargen Licht von Thomas‘ Camping-Stirnlampe nur ratlos unter die offene Motorhaube. Wir riefen Alberto, den Inhaber von „La Locanda“ an und baten ihn, unser Auto unterstellen zu können, denn erst am nächsten Tag wäre eine Reparatur möglich. Thomas hatte unterdessen auch Abdul, den Mechaniker unseres Vertrauens, in Kigali telefonisch darüber informiert, dass unser Auto- frisch aus der Werkstatt kommend- gerade riesige Probleme machte. Abdul war diese Aussage am Telefon hörbar peinlich, so dass er sich umgehend um Detailfragen wie z. B. Rücktransport, Anleitung des Mechanikers vor Ort, Bestellung von Ersatzteilen kümmerte. Er wollte auch persönlich nach Musanze kommen, um den Rücktransport unseres Autos zu begleiten, wofür wir ihm sehr dankbar waren.

Ferdinand organisierte zu guter letzt noch einen Taxifahrer, der uns dann schließlich bis zur „Inzu Eco Lodge“ mit einem wunderschönen Garten und Blick auf den Lake Kivu brachte, den wir jedoch erst am nächsten Morgen sahen. Unterdessen war es 21 Uhr, doch Bier und gegrillter Fisch warteten noch auf uns. Nun begann der entspannte Teil des Wochenendes!

Nur 39km von Gisenyi entfernt befindet sich die Pfunda-Tee-Fabrik. Diese wird mit den Teeblättern aus dem „Pfunda-Valley“, welches wir auf einem Rundweg am nächsten Tag durchwandern wollten, beliefert. 21 km hatten wir uns vorgenommen. Na dann los! Auf gehts!

Es war eine ganz tolle Wanderung mit vielfältigen Eindrücken und Landschaften.

Der Rückweg nach Kigali ohne unser Auto gestaltete sich ausgesprochen unkompliziert. Ein Taxi brachte uns von der Lodge zum Busbahnhof in Gisenyi. Dort buchten wir ein Ticket für 3 EUR und in 4 Stunden fuhren wir mit einem Kurzaufenthalt in Musanze bis zum Nyabugogo Busbahnhof in Kigali. Beth holte uns mit ihrem geliehenen Auto ab, und so kamen wir mit all unserem Gepäck inklusive Trinkwasserkanister 16 Uhr wieder zu Hause an.

Weitere Touren mit Ferdinand folgen ganz bestimmt und mit Anja und Olaf planen wir im Mai in Namibia zu wandern. Doch diesmal wird ein Auto gemietet, nur zur Sicherheit!