Die Insel der Affen

Nachdem wir am Kivu Lake bereits die „Insel der Fledermäuse“ erkundet hatten, stand nun bei einem erneuten Besuch mit Freunden die „Insel der Affen“ auf dem Plan. Einheimische hatten berichtet, dass dort eine Affenart lebe, die himmelblaue Testikel hätte und auch nur dort zu finden sei. Ja ja, wieder ein Mythos, um verrückte Touristen zu einer Bootsfahrt zu bewegen. Bei unserer letzten Tour auf dem Kivu Lake passierten wir zahlreiche Inseln und Inselgruppen, hatten jedoch keinen einzigen Affen auf besagtem Island gesehen.

Solange und Jacob, Arbeitskollegen von Thomas, hatten uns mit ihren beiden Söhnen (2 und 4 Jahre alt) und der Nanny an den Kivu Lake begleitet und wir verbrachten ein sehr schönes Wochenende in der GIZ-Lodge, direkt am See. Wir kochten gemeinsam und Thomas hatte frische Brötchen gebacken, die mit der selbst gemachter Marmelade von seiner Mutter bereits ein Highlight des Tages waren. Abends diskutierten wir bei Wein und Bier eine „spezielle Tradition“ in vielen afrikanischen Ländern, die Polygamie bzw. Polyamorie. Dabei erfuhren wir für uns schier unvorstellbare „Möglichkeiten“, die es im intimen Zusammenleben von Mann und Frau hier gibt. Davon möchte ich nichts aber auch gar nichts mit in unsere europäische Kultur übernehmen!

Um den Muzungu-Preis für eine Bootsfahrt zu umgehen, hatte Jacob eine Tour zur „Affeninsel“ gebucht und die Kids freuten sich total auf dieses einmalige Erlebnis. Einen Ausflug oder Urlaub hatte es in der Familie noch nie gegeben. Sofern Solange und Jacob nicht arbeiten, besuchen sie die Familie oder bleiben zu Hause und die Familie kommt zu ihnen zu Besuch. Daher war dieses Wochenende auch für sie etwas ganz besonderes.

Aufgrund der Regenzeit waren das Licht und die Wolken am Nachmittag und damit der Gesamteindruck vom Lake Kivu auch für uns noch einmal ganz anders als bei unseren vorherigen Besuchen.

Entspannt schipperten wir mit dem Boot über den See. Für Jacob und Solange schien die Aktion perfekt für ein Familien- Fotoshooting geeignet zu sein. Zu unserem Erstaunen begann ein Posen und Motivehaschen, was fast nicht zu stoppen war. Deren Begeisterung und Aufregung über das Erleben war für uns unerwartet groß. Schließlich machten wir doch „nur“ eine Bootsfahrt auf einem See.

Auf unserem Rückweg passierten wir die legendenumwobene „Insel der Affen“ und erneut war kein einziges Tier zu sehen. Ha! Hatten wir es doch gewusst, alles nur ein Mythos. Trotzdem werden wir wieder an den Kivu Lake fahren und eine kleine Auszeit am See geniessen.

Doch halt! Was war das…??? Die sind ja tatsächlich himmelblau!!!

Abschluss Blutbank Projekt

Nach 5 Monaten habe ich das „Blutbankprojekt“ nun beendet. Es war für mich sowohl inhaltlich als auch in der Zusammenarbeit mit den lokalen Fachkräften sowie in der Nutzung technischer Ausstattung eine neue Erfahrung.

Die technische Ausstattung war dabei noch das Einfachste, was es für mich zu lernen galt und das sage ich als absolute „Technikverweigerin“. Das Anschließen großer Flachbildschirme an Laptop oder Mobiltelefon mit unterschiedlichen technischen Schnittstellen bedingt unterschiedliche Anmeldeprozesse, die ich schrittweise „abspeichern“ musste. Die Nutzung der Screens für Präsentationen ist jedoch genial und es macht Freude, Arbeitsinhalte so übermitteln zu können. Das simple Anwenden eines Headsets in online Diskussionen zur Vermeidung von akustischen Rückkopplungen und Audio Feedback oder anderen Störgeräuschen ist unterdessen selbstverständlich. Auch die Einwahl bei „Zoom“ oder „Microsoft Teams“ für online Meetings, in denen man Dateien auf seinem Laptop-Bildschirm teilt, gehören nun zu meinem neuen Repertoire. Unglaublich, dass das so etwas Neues für mich war, denn in der Wirtschaft sind das alles übliche Methoden, Tools und eine normale Arbeitsplatzausstattung. Von Thomas kenne ich das gar nicht anders. Jedoch im digital schmalspurig ausgebauten und ausgestatteten Sozial- und Bildungsbereich waren diese Arbeitsmittel bisher ein Novum. Ausgerechnet in Afrika und durch die Corona-Pandemie beflügelt, kam ich nun in deren Genuss.

Aus ursprünglich geplanten 8 Hauptprozessen habe ich 12 detailliertere Prozesse in BPMN designed. Sie sind alle in ihrer Komplexität sehr unterschiedlich und so haben die Diskussionen über die Inhalte und Handlungsabfolgen sowie zu den damit verbundenen Aktivitäten ebenfalls unterschiedlich viel Zeit in Anspruch genommen. Entstanden sind:

  1. Prozess zur Spenderakquisition und -mobilisation
  2. Prozess zur Spender Auswahl und Anmeldung
  3. Prozess des Blutspendens
  4. Prozess zur Bestimmung der Blutgruppe und der Antikörper
  5. Prozess zur Bestimmung von TTI (Transfusion Transmitted Infection)
  6. Prozess zur Herstellung von Blutkomponenten
  7. Lagerungsprozess
  8. Prozess zur Anforderung von Blutkonserven (Vorrat)
  9. Prozess zur Anforderung von Blutkonserven (Notfall)
  10. Kreuzprobe vor Bluttransfusionen
  11. Prozess zur Verteilung von Blutkonserven (Erhalt, Ausgabe und Rücksendung)
  12. Prozess der Hämovigilance

Bei den Diskussionen war für mich die größte Herausforderung, dass der Vertreter der Blutbank Rwanda, ein junger approbierter Mann, uns zwar die Prozesse in ihrem Ablauf genurös erklärt hatte, zwei Wochen später jedoch ganz andere Inhalte darstellte. Daher hatte ich mehrfach die Prozesse anpassen oder sogar umfangreich verändern müssen, um sie danach erneut „rückanzupassen“. Was für ein unermüdlicher Kreislauf und ein wunderbares Spielchen, was er sich da für mich ausgedacht hatte.

Aber wie sagt man in einer Kultur, in der Offenheit und sachliche Kritik nicht üblich sind, dass das einfach Mist ist? So entbrannte dann auch in meiner erhofften Abschlusspräsentation aller 12 Prozesse eine erneute Discussion mit ihm um grundlegende und bereits mehrfach geänderte Inhalte. Selbst zwei anderen anwesende Herren konnten mit ihren Argumenten den Vertreter der Blutbank nicht zur eigentlichen Abnahme der Prozesse oder auch nur ansatzweise zu Kompromissen bewegen. So wurden zwei Hauptprozesse von ihm einfach komplett gestrichen. Die brauche man ja eigentlich gar nicht, war seine Aussage. Hmmm! Wieso hatten wir dann Tage und Wochen mit deren Ausarbeitung zugebracht und Korrekturen eingearbeitet, um die Prozesse zu vereinfachen? Lag hier etwas das „Mann-Frau“ Thema zugrunde? Schließlich hatte ich mit „meinen Prozessen“ die seinen und bisherigen hinerfragt. Durften meine Prozessmodelle einfach nicht richtig und konsistent sein? Bedurfte es seines letzten Wortes, um das Projekt abzuschließen?

Ich gab auf, zerriss die Abbildungen mit den von ihm abgelehnten Hauptprozessen und schlug vor, letztmalig kleine Einarbeitungen vorzunehmen und damit das Projekt abzuschließen. Es konnte mir doch egal sein, ob die Prozesse gut dargestellt, inhaltlich konsistent und zur weiteren Nutzung für die Erstellung einer IT-Architektur geeignet waren.

Ich hatte bisher viel Freude an der Arbeit mit den unterschiedlichen BPM-Notations- Programmen. Außerdem hatte ich erst vor einem Monat extra eine Signavio Jahreslizenz für 1000 EUR erworben. Mein Favorit! Es machte richtig Spaß, damit zu zeichnen, verschiedene Ebenen darzustellen, Datenträger und genutzte IT-Systeme zu hinterlegen, Standards zu definieren und schließlich zu sehen, wie ein Prozess wächst.

„Learning by doing“ hat für mich gut funktioniert. In wenigen Tagen habe ich auch noch ein Signavio Webinar, in dem ich bestimmt noch viel mehr Details in der Anwendung kennenlernen werde. Diese werde ich dann gleich weiter an den Blutbankprozessen ausprobieren und sie weiter optimieren. Das Projekt ist jedoch erst einmal offiziell beendet.

Bettys Business (Teil 2)

11 Tage nach unserem ersten Treffen mit Betty und ihrem Team erhielt ich eine WhatsApp von ihr. „We need another meeting!“ Das hörte sich dringend an und so planten wir ein Treffen am nächsten Tag. 18:30 Uhr, nach Thomas Arbeit, würden wir uns im Java Café des Shopping Centers „Kigali Height“ treffen. Diesmal wäre auch Innocent, 50%-iger Anteilseigner, mit dabei. Oh! Dann schien sich das Team ja zu all unseren inhaltlichen Fragen vom letzten Treffen verständigt zu haben. Wir waren gespannt!

Als wir im Java Café eintrafen, war zu unserer Überraschung noch ein weiteres neues Teammitglied mit dabei. Wieso wurden es eigentlich immer mehr Personen? Wir hatten doch bereits beim ersten Treffen gefragt, wer alles von dem Business betroffen bzw. darin involviert sein würde. Egal! Immerhin waren nun alle Erwarteten anwesend und es konnte los gehen.

Wir waren etwas skeptisch, was nun folgen würde. Innocents Rolle im Business kannten wir bereits und der andere junge Mann stellte sich als Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit vor. Wie bitte? Somit gab es eine Marketing-Chefin, einen Public Relations Manager, einen Technical Advisor, zwei „Maschinenbesitzer“ und die Geschäftsführerin. Wer aber würde denn in der neuen Firma eigentlich arbeiten?? Thomas schaute mich an und murmelte nur „…ich fang gleich an zu lachen!“ Wir wurden ganz förmlich vom neuen Public Relations Manager mit „…er freue sich, dass wir seiner Einladung gefolgt seien…“, begrüßt. Auch ich musste mich nun zusammenreissen und ein Schmunzeln unterdrücken. Was sollte das denn jetzt werden? Hatte Thomas Erscheinen im Anzug (direkt nach der Arbeit) für so viel Respekt gesorgt, dass ein unkompliziertes Gespräch und ein inhaltlicher Austausch nicht mehr möglich waren?

Unbeirrt informierte uns der junge Mann über seine Funktion in der neu gegründeten Firma und stellte uns den geplanten Ablauf des Treffens vor. Ach nee! Bitte! Auf übertriebene Formalitäten stehen Thomas und ich ja nun gar nicht. Daher hatten wir versucht, locker ins Gespräch zu kommen und Themen aufzugreifen. Schließlich hatten wir beim letzten Mal drei klare Verabredungen für ein zweites Treffen formuliert, die wir nun durchsprechen sollten und wollten. Egal, es half alles nichts. Eine allgemeine Einleitung zu den Zielen des Unternehmens, erklärende Hintergründe und besondere Absichten mussten wir über uns ergehen lassen.

Danach ging es inhaltlich aber endlich zur Sache. Uns wurde mitgeteilt, dass eine überdachte Terrasse für 80.000 FRw (= 80 EUR monatlich) gleich neben dem bereits angemieteten Grundstück für begrenze Zeit zusätzlich angemietet wurde. Dort würde man die Maschinen regensicher unterstellen und täglich arbeiten können. Parallel würde mit dem Bau einer eigenen Arbeits- und Lagerstätte auf dem Grundstück begonnen werden. Letzteres kostet monatlich auch 25.000 FRw.

Zum wiederholten Male erklärten wir, dass aus unserer Sicht der Bau einer Arbeits- und Lagerstätte auf angemietetem Grund und Boden wenig sinnvoller ist, da der Besitzer ihnen jederzeit kündigen und sie dann ihr Eigentum nicht ohne Weiteres „versetzen“ könnten. Ausserdem hatten wir mehrfach betont, dass es aussichtsreicher scheint, sich auf das eigentliche Produkt zum Verkauf statt auf Investitionen in den Bau geeigneter Räumlichkeiten zu konzentrieren. Besonders in Anbetracht geringer finanzieller Mittel. Doch die Jungunternehmer wollten scheinbar nur theoretisch unsere Erfahrungen und Anregungen hören und hielten statt dessen für uns unbegründet und nicht nachvollziehbar standhaft an ihren eigenen Vorstellungen und Ideen fest.

Ich versuchte durch Nachfragen zu klären, wie denn die Finanzierung des geplanten Vorhabens ausschauen würde und ob denn Alternativen geprüft worden seien. Es sei besonders bei einem jungen innovativen Unternehmen notwendig, in vielen Belangen flexibel zu sein und Dinge auszuprobieren, da noch keine Sicherheit am Markt bestünde. Schweigen! Den Hinweis auf einen Businessplan verbunden mit einem finanziellen Budget zur Vorlage bei Banken und zur Beantragung von Fördergeldern aber auch gegenüber privaten Spendern hatten die jungen Leute auch nur halbherzig aufgenommen. Uns lag zwar ein recht gutes inhaltliches Konzept vor. Das zeigte jedoch überwiegend die von uns erstellten Fotos vor Ort und beschrieb große Produktionsträume, allgemeine und nachweislich nicht belegte Statements sowie einen noch größeren finanziellen Bedarf (Wunsch). Wie sollten wir zwischen diesem Anspruch und der Realität vermitteln?

Thomas verging die Lust auf weiteres Engagement bei den wiederkehrende Diskussionen, deren Ergebnisse offensichtlich nicht ansatzweise in weitere Überlegungen einbezogen werden würden. Daher fragte er ganz direkt und unmissverständlich „Was wollt ihr eigentlich von uns? Erfahrungen und Anleitung im Aufbau eures Businesses oder Geld für Investitionen?“ Die Antwort kam verhalten aber trotzdem eindeutig: Geld!

Nun war das Eis gebrochen und die Karten lagen auf dem Tisch. Wir hatten es befürchtet und trotzdem gehofft, dass Wissen und inhaltliche Unterstützung gern und stärker angenommen würden. Thomas Antwort kam ebenso klar und eindeutig. Es würde bei all den ungeklärten Themen und ohne inhaltliche Weiterentwicklung von unserer Seite kein Geld geben.

Dieser Klarheit schien notwendig gewesen zu sein, denn nun fand eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung statt und erneut wurden konkrete Verabredungen getroffen.

  1. Prüfen unterschiedlicher Möglichkeiten für eine Arbeits- und Lagerstätte (mieten oder selbst aufbauen)
  2. Klärung der Besitzverhältnisse über die Maschinen
  3. Erarbeitung eines finanziellen Budgets (antizipierte Einnahmen durch den Verkauf des Produktes vs. feststehende notwendige monatliche Ausgaben)
  4. Fokus auf das eigentliche Produkt und die Herstellung von Beispielprodukten für das Marketing

Beim Auseinandergehen signalisierten Thomas und ich trotz einer gewissen Enttäuschung weiterhin die Bereitschaft, am Aufbau von Bettys Business mitzuhelfen. Als Ansprechpartner für fachlich-inhaltlichen Austausch. Bei der Erstellung des Budgets und der Konzeptüberarbeitung würden wir unterstützen und beides auch an entsprechend geeignete Stellen und Institutionen weiterleiten.

Mal sehen, ob es ein weiteres Treffen gibt oder ob die Enttäuschung der Gegenseite noch größer ist, als unsere.

Tilapia und Katfisch

Nur eine Autofahrtstunde von Kigali entfernt, befindet sich eine Fischfarm, die man besichtigen kann. Außerdem verfügt das Gelände über ein Kleintierstreichelgehege, einen Spielplatz und Übernachtungsmöglichkeiten im eigenen oder gemieteten Zelt oder in einem von drei Ferienhäusern. Diesen Ausflugstipp hatten wir von Natalie und Mirko bekommen, die gern mit uns gemeinsam dorthin fahren wollten. Da kindergeeignet, luden wir auch wieder Elisabeth und ihre Tochter Atete ein, mitzukommen. Das Mittag- und Abendessen musste im Vorfeld bestellt werden, da die Selbstversorgung ausschließlich aus fangfrischem Fisch und vor Ort angebautem Gemüse besteht und daher sehr limitiert ist.

Nach einem vorzüglichen gegrillten Tilapia mit gedünstetem Spinat und Kartoffelecken und einem Glas Rosé, fühlten wir Erwachsenen uns im Wochenendmodus angekommen. Ein Angestellter der Fischfarm holte uns zu einem Rundgang durch das Gelände ab. Zur großen Freude der Kids konnten sie im Kleintiergehege junge Ziegen, Schweine, Schafe aber auch Hasen und Meerschweinchen streicheln. Die Hauptattraktion war ein Esel, der alle Besucher forsch nach Essbarem beschnupperte. Die Erwachsenen fanden einen dicken grau-schleimigen „Lungenfisch“ am interessantesten. Er kann sowohl mit Kiemen im Wasser, als auch an Land durch Lungen atmen und ist sowohl Fleisch- als auch Pflanzenfresser.

Wir erhielten während der Besichtigung der Fischfarm weitere spannende Informationen zur Aufzucht von Tilapia und Katfisch, die in manchen Details für mich jedoch eher abschreckend als bereichernd waren. Wollte ich wirklich zum Abendessen noch einmal einen dieser Zuchtfische? Trotzdem waren die zahlreichen großen Wasserbecken, die einzelnen Stadien der Aufzucht inclusive der Entnahme reifer Eier von den weiblichen Tieren interessant zu sehen.

Am Abend lernten wir noch ein anderes Paar mit ihren zwei Kindern aus Berlin kennen, die sich uns zum Essen anschlossen. Thomas hatte bereits während des Lockdowns im Homeoffice mit dem Mann, Daniel, beruflich Kontakt. Nun sah man sich also auch endlich mal persönlich. Was für ein Zufall. Daniels Frau Katharina war vor ihrer Ausreise nach Rwanda Chefdesignerin für Handtaschen bei der Modefirma Liebeskind. Solche Kontakte kann man (Frau) doch immer gut gebrauchen! 🙂 So ergaben sich wieder einmal zahlreiche interessante Gesprächsthemen über Konzeptionen, eigenes Business, die Entwicklungszusammenarbeit in Afrika im allgemeinen und die Besonderheiten der GIZ aber auch über Reiseerfahrungen und Auslandsaufenthalte. Dabei reflektiere ich immer auf die eine oder andere Art und Weise auch meine bisherige Lebensgeschichte und stelle fest, dass ich gar nicht so viel hätte anders gemacht haben wollen. Jeder Lebensabschnitt hat seine Zeit, seinen Ort und auch die Menschen, die einem begegnen und vorübergehend begleiten. Zufriedenheit, ein schönes Gefühl!

Am Lagerfeuer sitzend mit Bier und Wein ging der Abend schneller als erwartet zu Ende und für Elisabeth und Atete begann das Abenteuer der ersten Übernachtung im Zelt. Würden sie es mögen? Manchmal sind es nur ganz kleine und einfache Dinge oder Erlebnisse, die uns zufrieden sein lassen. Davon gern mehr!

Beth und ihre „Seeing Hands“

Beth lernte ich als Gründerin der NGO „Seeing Hands“ (sehende Hände) im vergangenen Jahr auf dem „German Christmasmarket“ kennen. Sie unterstützt mit ihrer Organisation blinde Menschen im Alltag. Davon gibt es laut ihrer Aussage in Rwanda sehr viele, da aufgrund von unbehandelten Augenerkrankungen, dramatischen Unfällen, Mangelernährung aber auch durch den Genozid „erworbene Blindheit“ häufig auftritt. Hilfsmittel gibt es dagegen nur sehr wenige. Daher sind Blinde komplett von ihrem sozialen Umfeld abhängig und leben häufig in absoluter Armut, die weitere Erkrankungen und Langzeitauswirkungen nach sich zieht.

Einige junge Frauen wurden durch Beth’s Initiative bereits zu Masseurinnen ausgebildet, doch das Business lief nicht gut und der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit war nicht zu realisieren. Blinde Menschen werden in Ruanda als „verflucht“ angesehen und von der Mehrheit der Bevölkerung gemieden. Daher war Beth sehr froh, als ich ihr von meinen Erfahrungen in der Blindenschule mit angeschlossenem Internat in Königswusterhausen berichtete und über weitere Möglichkeiten, blinde Menschen beruflich in Deutschland zu integrieren. Von diesen Anregungen inspiriert, bat sie mich um Unterstützung für weitere Projekte mit diesem Personenkreis.

So treffen wir uns nun regelmäßig an unterschiedlichen Orten und planen Aktivitäten und neue Projekte.

Über die Amerikanische Botschaft hat Beth bereits eine Förderung für ein IT-Schulungsprojekt von 17.000 $ US zugesagt bekommen und ein entsprechendes Gesamtbudget eingereicht. Die Summe musste jedoch noch detailliert budgetiert und beantragt werden. Das war also der erste Schritt zur Realisierung des IT Projektes.

Die Schwierigkeit bestand nun darin, dass Beth sich zwar um die Alltagsbedürfnisse blinder Frauen und Männer kümmert, jedoch kein Hintergrundwissen zu den Spezifika der Behinderung hat. Diese müssen jedoch bei einer IT Schulung selbstverständlich berücksichtigt werden, anderenfalls fehlen jedwede Nachhaltig- und Sinnhaftigkeit. Der Teufel steckt ohnehin wie immer im Detail und somit beginnen die Probleme in der Planung bereits bei den vermeintlich kleinen und selbstverständlichen Dingen wie z. B.:

  1. Wie erreichen die Teilnehmenden aus den umliegenden Dörfern und Randbezirken Kigalis den Tagungsort in der Innenstadt?
  2. Wie bekommt man den aktuellen Bildungsstand vieler blinder Menschen in Übereinstimmung mit den IT-Schulungsinhalten?
  3. Wer zahlt die täglichen Transportkosten (Motorrad-Taxi) an die Teilnehmenden aus, damit sie den Hin- und Rückfahrt bewältigen?
  4. Woher kommt die behinderungsspezifische technische Ausstattung, mit der trainiert werden soll?
  5. Wer assistiert während der gesamten Schulung und steht als Ansprechpartner zur Verfügung?
  6. Wie erfolgt die Versorgung zum Mittag?
  7. Wer plant die Inhalte der Schulung und stimmt diese mit den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Teilnehmenden ab und berücksichtigt die behinderungsspezifischen Eigenschaften?
  8. Wie werden die Corona-Maßnahmen während der Schulung (Hände waschen und Geräte desinfizieren, Abstand halten) umgesetzt?

Diese zahlreichen ungeklärten Details verdeutlichen die Ausgangssituation, mit der sich Beth unerwartet nach dem „amerikanischen Geldregen“ konfrontiert sah und mich daher um Unterstützung bat.

Das detaillierte Budget haben wir unter Zeitdruck bei der Amerikanischen Botschaft unterdessen eingereicht, da die Frist zur vollständigen Beantragung fast abgelaufen war. Die Planung sieht nun vor, dass 18 blinde Personen zweimal wöchentlich für 6 Monate geschult werden. Meine Erfahrungen sprechen gegen diesen langen Zeitraum, da die Konzentrationsfähigkeit und die Bereitschaft zur regelmäßigen Teilnahme häufig begrenzt und die damit verbundenen organisatorischen Anstrengungen enorm sind. Beth wünscht sich jedoch einen Einsteiger- und einen Fortgeschrittenkurs mit je 9 Teilnehmenden. Sie hatte auch bereits mit einer Organisation in Kigali (RATA = Rwanda Assistive Technology Association) ein Trainingskonzept und dessen Finanzierung abgestimmt. Daher ist für Veränderungen nicht viel Spielraum.

Trotzdem hatte ich ihr vorgeschlagen, einen Gesprächstermin mit Vertretern von nationalen Blindenorganisationen und potentiellen Kursteilnehmern durchzuführen. Wir würden die Fähigkeiten der Schulungsteilnehmer aber auch Anforderungen und Wünsche an den geplanten IT-Kurs abfragen. Außerdem sollte ein Treffen mit RATA stattfinden, in dem wir die Ergebnisse des Gespräches vorstellen und in die konkrete Planung der einzelnen Trainingseinheiten einfließen lassen würden.

Die zwei Gesprächstermine sind nun konkret geplant, entsprechende Personen eingeladen und ich werde den inhaltlichen Austausch moderieren. Danach geht es weiter mit der Suche nach entsprechenden Räumlichkeiten, die wir für den Schulungszeitraum anmieten und möglichst mit einer guten Grundausstattung nutzen können.

Es ist toll, bereits 17.000 $ US für das IT-Projekt zugesagt bekommen zu haben und daher macht es viel Freude, zu organisieren und zu planen. Doch wie bereits gesagt, steckt der Teufel im Detail und wir werden viel improvisieren und all unsere Kreativität einsetzen müssen.

Bereits jetzt bemerke ich eine Veränderung in der Einstellung und Wahrnehmung von Beth. Während in ihrem ersten Budget nur die ganz groben Beträge für Versorgung, Raummiete und Schulungs- sowie Transportkosten überdimensioniert berücksichtigt waren, denkt sie nun an viel kleinere Planungseinheiten. Ich hoffe sehr, dass die Amerikanische Botschaft das neue und detaillierte Budget bewilligt und wir somit wenigstens einiges an DAT (digital assistive technology) anschaffen und für die Schulung einsetzen können. Diese technischen Geräte (Orbit-reader, Laptops und Smartphones) würden, bei Bewilligung der Förderung, der NGO auch nach der Schulung zur Verfügung stehen, so dass weitere Trainingseinheiten geplant und durchgeführt werden könnten.

Ziel erreicht, Nachhaltigkeit!