Beth und ihre „Seeing Hands“

Beth lernte ich als Gründerin der NGO „Seeing Hands“ (sehende Hände) im vergangenen Jahr auf dem „German Christmasmarket“ kennen. Sie unterstützt mit ihrer Organisation blinde Menschen im Alltag. Davon gibt es laut ihrer Aussage in Rwanda sehr viele, da aufgrund von unbehandelten Augenerkrankungen, dramatischen Unfällen, Mangelernährung aber auch durch den Genozid „erworbene Blindheit“ häufig auftritt. Hilfsmittel gibt es dagegen nur sehr wenige. Daher sind Blinde komplett von ihrem sozialen Umfeld abhängig und leben häufig in absoluter Armut, die weitere Erkrankungen und Langzeitauswirkungen nach sich zieht.

Einige junge Frauen wurden durch Beth’s Initiative bereits zu Masseurinnen ausgebildet, doch das Business lief nicht gut und der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit war nicht zu realisieren. Blinde Menschen werden in Ruanda als „verflucht“ angesehen und von der Mehrheit der Bevölkerung gemieden. Daher war Beth sehr froh, als ich ihr von meinen Erfahrungen in der Blindenschule mit angeschlossenem Internat in Königswusterhausen berichtete und über weitere Möglichkeiten, blinde Menschen beruflich in Deutschland zu integrieren. Von diesen Anregungen inspiriert, bat sie mich um Unterstützung für weitere Projekte mit diesem Personenkreis.

So treffen wir uns nun regelmäßig an unterschiedlichen Orten und planen Aktivitäten und neue Projekte.

Über die Amerikanische Botschaft hat Beth bereits eine Förderung für ein IT-Schulungsprojekt von 17.000 $ US zugesagt bekommen und ein entsprechendes Gesamtbudget eingereicht. Die Summe musste jedoch noch detailliert budgetiert und beantragt werden. Das war also der erste Schritt zur Realisierung des IT Projektes.

Die Schwierigkeit bestand nun darin, dass Beth sich zwar um die Alltagsbedürfnisse blinder Frauen und Männer kümmert, jedoch kein Hintergrundwissen zu den Spezifika der Behinderung hat. Diese müssen jedoch bei einer IT Schulung selbstverständlich berücksichtigt werden, anderenfalls fehlen jedwede Nachhaltig- und Sinnhaftigkeit. Der Teufel steckt ohnehin wie immer im Detail und somit beginnen die Probleme in der Planung bereits bei den vermeintlich kleinen und selbstverständlichen Dingen wie z. B.:

  1. Wie erreichen die Teilnehmenden aus den umliegenden Dörfern und Randbezirken Kigalis den Tagungsort in der Innenstadt?
  2. Wie bekommt man den aktuellen Bildungsstand vieler blinder Menschen in Übereinstimmung mit den IT-Schulungsinhalten?
  3. Wer zahlt die täglichen Transportkosten (Motorrad-Taxi) an die Teilnehmenden aus, damit sie den Hin- und Rückfahrt bewältigen?
  4. Woher kommt die behinderungsspezifische technische Ausstattung, mit der trainiert werden soll?
  5. Wer assistiert während der gesamten Schulung und steht als Ansprechpartner zur Verfügung?
  6. Wie erfolgt die Versorgung zum Mittag?
  7. Wer plant die Inhalte der Schulung und stimmt diese mit den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Teilnehmenden ab und berücksichtigt die behinderungsspezifischen Eigenschaften?
  8. Wie werden die Corona-Maßnahmen während der Schulung (Hände waschen und Geräte desinfizieren, Abstand halten) umgesetzt?

Diese zahlreichen ungeklärten Details verdeutlichen die Ausgangssituation, mit der sich Beth unerwartet nach dem „amerikanischen Geldregen“ konfrontiert sah und mich daher um Unterstützung bat.

Das detaillierte Budget haben wir unter Zeitdruck bei der Amerikanischen Botschaft unterdessen eingereicht, da die Frist zur vollständigen Beantragung fast abgelaufen war. Die Planung sieht nun vor, dass 18 blinde Personen zweimal wöchentlich für 6 Monate geschult werden. Meine Erfahrungen sprechen gegen diesen langen Zeitraum, da die Konzentrationsfähigkeit und die Bereitschaft zur regelmäßigen Teilnahme häufig begrenzt und die damit verbundenen organisatorischen Anstrengungen enorm sind. Beth wünscht sich jedoch einen Einsteiger- und einen Fortgeschrittenkurs mit je 9 Teilnehmenden. Sie hatte auch bereits mit einer Organisation in Kigali (RATA = Rwanda Assistive Technology Association) ein Trainingskonzept und dessen Finanzierung abgestimmt. Daher ist für Veränderungen nicht viel Spielraum.

Trotzdem hatte ich ihr vorgeschlagen, einen Gesprächstermin mit Vertretern von nationalen Blindenorganisationen und potentiellen Kursteilnehmern durchzuführen. Wir würden die Fähigkeiten der Schulungsteilnehmer aber auch Anforderungen und Wünsche an den geplanten IT-Kurs abfragen. Außerdem sollte ein Treffen mit RATA stattfinden, in dem wir die Ergebnisse des Gespräches vorstellen und in die konkrete Planung der einzelnen Trainingseinheiten einfließen lassen würden.

Die zwei Gesprächstermine sind nun konkret geplant, entsprechende Personen eingeladen und ich werde den inhaltlichen Austausch moderieren. Danach geht es weiter mit der Suche nach entsprechenden Räumlichkeiten, die wir für den Schulungszeitraum anmieten und möglichst mit einer guten Grundausstattung nutzen können.

Es ist toll, bereits 17.000 $ US für das IT-Projekt zugesagt bekommen zu haben und daher macht es viel Freude, zu organisieren und zu planen. Doch wie bereits gesagt, steckt der Teufel im Detail und wir werden viel improvisieren und all unsere Kreativität einsetzen müssen.

Bereits jetzt bemerke ich eine Veränderung in der Einstellung und Wahrnehmung von Beth. Während in ihrem ersten Budget nur die ganz groben Beträge für Versorgung, Raummiete und Schulungs- sowie Transportkosten überdimensioniert berücksichtigt waren, denkt sie nun an viel kleinere Planungseinheiten. Ich hoffe sehr, dass die Amerikanische Botschaft das neue und detaillierte Budget bewilligt und wir somit wenigstens einiges an DAT (digital assistive technology) anschaffen und für die Schulung einsetzen können. Diese technischen Geräte (Orbit-reader, Laptops und Smartphones) würden, bei Bewilligung der Förderung, der NGO auch nach der Schulung zur Verfügung stehen, so dass weitere Trainingseinheiten geplant und durchgeführt werden könnten.

Ziel erreicht, Nachhaltigkeit!

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