Pünktlich zum Jahreswechsel waren Thomas und ich ab 30.12. wieder in Kigali. Der Temperaturwechsel von um die 0°C in Deutschland auf 25°C in Kigali hatte mir kurz vor dem Jahresende einen kleinen Infekt gebracht. Doch davon wollten wir uns nicht abhalten lassen und das neue Jahr in einem Dachterrassenrestaurant mit Blick über Kigali, leckeren Cocktails und vorzüglichem Essen feiern.
Der letzte Arbeitstag für Thomas war der 31.12. danach waren 5 freie Tage geplant, da der 02.01.2020 Brückentag in Ruanda ist und sich spontan zusammenhängend freie Tage ergeben hatten. Daher wollten wir gleich am 01.01. mit dem Auto nach Uganda an den Bunyonyi See fahren, eine ca. 2- 3 Stunden Fahrt.
Am Silvestermorgen fuhr Thomas erst einmal wie üblich zur Arbeit und wurde von unserem Security-Guard darauf aufmerksam gemacht, dass wir einen platten linken Vorderreifen hätten. Nein! So ein Mist! Ich war doch am Tag zuvor noch mit dem Auto zum Einkauf unterwegs gewesen und hatte es ohne Defekte vor dem Haus wieder abgestellt. „Kein Problem!“, meinte Thomas. Er würde zeitiger von der Arbeit nach Hause kommen und dann den Reifen wechseln. Und auf jeden Fall könnten wir am nächsten Tag nach Uganda fahren. Ich schlug vor, unseren Bekannten anzurufen. Schließlich hatten wir schon einige Reparaturen und Werkstatttermine mit ihm gemanagt. Aber Thomas wollte nicht schon wieder auf fremde Hilfe angewiesen sein und so kurz vor den Silvesterfeierlichkeiten jemanden nerven. Schließlich hatte er ja auch schon mehrfach die Winterreifen an unserem Scoda in Berlin gewechselt, also alles kein Problem. Klang logisch!
Nach seinem Feierabend sollte es gleich mit dem Reifenwechsel los gehen. Doch wir mussten feststellen, dass wir gar kein Werkzeug hatten bzw. dass, was wir hatten durch eingedrungenes Regenwasser im Kofferraum verrostet und die Maulschlüsselgröße für die riesigen Schrauben zu klein war. Ich klopfte bei unserem Nachbarn und fragte nach passendem Werkzeug, schließlich hatten alle hier so einen Land Rover oder einen anderen Jeep, der ja mal repariert werden musste. Doch Fehlanzeige!
Somit musste Thomas mit dem Motorrad doch noch zur „Werkstatt unseres Vertrauens“ fahren, um sich dort Werkzeug abzuholen. Zu meinem großen Entsetzen kam er jedoch mit einem schweren Hammer und einem eisernen Stemmkeil zurück. „Die Verankerung des Reserverades muss aufgemeißelt werden!“, war die Antwort in der Autowerkstatt auf die Schilderung unseres Problems. Na dann viel Spass!
Ich war schon fast ausgehfertig in feinster Abendgarderobe, doch nun stand erst einmal schweißtreibende körperliche Arbeit an, für Thomas und Alex (unser diensthabender Security-Guard) jedenfalls. Sie hämmerten 1 Stunde lang abwechselnd um die Wette, bis die riesige Schraube, mit der das Reserverad an der Heckklappe des Autos befestigt war, durchgeschlagen und das Rad abnehmbar war.
Das eigentliche Reifenwechseln ging dann natürlich fix und Thomas fuhr erneut zur Werkstatt. Dort sollte der Reifen geflickt und auch gleich noch ein ausstehender Ölwechsel gemacht werden. Unterdessen war es 18 Uhr und von Ausgehstimmung zum Jahreswechsel noch keine Spur.
Thomas kam mit der Info aus der Werkstatt zurück, man hätte kein Loch im Reifen finden können, uns hätte wahrscheinlich jemand die Luft rausgelassen. Na das wurde ja immer besser. Wie konnte das denn sein? Das Haus wurde doch täglich 24h bewacht! Ich war zuletzt mit dem Auto gefahren, ohne einen Platten zu bemerken und das hätte ich bestimmt bei diesen Straßenverhältnissen, da war ich mir sicher. Sehr merkwürdig das Ganze, aber wir fanden keine Erklärung.
Egal, nun war ja alles wieder gerichtet und auch durch die Werkstatt professionell abgesichert.
Thomas machte sich ausgehfertig. Festlich gekleidet spazierten wir 30 Minuten zur nächsten Bushaltestelle, um mit dem lokalen Bus in die Innenstadt zu fahren. Schließlich wollten wir ja auf das neue Jahr anstoßen und danach sicher nach Hause zurückkehren. Leider fuhr der uns bekannte City-Bus 203 zu dieser Zeit wohl nicht mehr und wir mussten einen Umweg bzw. eine Umfahrung mit einem anderen Bus nehmen. Der war erstaunlich voll und wir standen dicht gedrängt. Außerdem sorgten wir ein wenig für Aufregung, da mein elektronisches Bus-Ticket vorerst nur für eine Fahrkarte ausreichte. Ich hatte vergessen, die Anzahl der Reisenden beim Einsteigen in den Ticketscanner einzugeben. Nun mussten wir warten, bis die Karte erneut scannbar war. Skeptische Blicke vom Busfahrer! Im Gespräch mit einigen Mitreisenden erfuhren wir, dass viele Einheimische zur ihren Heimatgemeinden in die Kirche fuhren, um den Abend lang für ein gutes neues Jahr zu beten.
An einer uns bekannten Kreuzung stiegen wir aus, da der Bus ja eigentlich in eine ganz andere Richtung unterwegs war. Von dort mussten wir dann noch einmal 30 Minuten zu Fuß bergauf zum Restaurant laufen. Durchgeschwitzt kamen wir gegen 21:00 Uhr an dem Hotel mit der vielfach empfohlenen Dachterrasse an.
Auch ohne Reservierung ergatterten wir den letzten Tisch für zwei Personen etwas abseits des Trubels und mit Blick auf das Geschehen im Saal sowie auf die Lichter der Stadt. Wunderschön! Für 25 EUR pro Person konnten wir an einem gigantischen Buffet teilnehmen, was keine Wünsche offenließ. Dann spielte noch eine Live-Band, die wir aus „unserer“ Freitags-Bar, dem 514, gut kannten. Der Sänger winkte uns zu und es fühlte sich fast an wie zu Hause. Wir kannten jemanden und waren nicht allein.
Sobald afrikanische Popsongs oder auch traditionelle Lieder erklangen, sprangen wie erwartet alle von ihren Sitzen auf, sangen und tanzten. Väter mit ihren kleinen Töchtern, kleine Gruppen junger Frauen aber auch Männer, die sich mit erstaunlichen Schrittkombinationen rhythmisch bewegen konnten. Sehr schön anzusehen! Unerwarteterweise wurden wir von unseren Tischnachbarn, einer Gruppe junger Männer und Frauen sowie einer Mutter mit ihren 3 Kindern umgehend zum Mittanzen aufgefordert. Wir ruinierten zwar die Choreografie, hatten aber trotzdem richtig Spaß!
Wenige Minuten vor Mitternacht drängten sich alle an den Rand der Dachterrasse und zückten ihre Handys. Was würde wohl passieren? Nix! „Nun sind wir im neuen Jahr angekommen!“, verkündete plötzlich der Sänger der Band. Kurzes Jubeln und Anstoßen, drei aufleuchtende Feuerwerksraketen am Himmel über dem Convention Center und…Stille! In der ganzen Stadt Stille! Keine einzige Rakete, kein Böller, kein Glockenläuten. Stille!
Ein wenig wurde noch getanzt, aber allmählich leerte sich der große Saal und auch wir bestellten ein Taxi und fuhren nach Hause.
Es war ein sehr schöner Abend. Wir hatten etwas Zeit, beim Essen das alte Jahr auszuwerten und unser Tätigsein zu reflektieren aber Ziele für das neue Jahr haben wir uns nicht gesetzt. Wir hoffen nur inständig, dass es uns und all unseren Freunden sowie der Familie auch 2020 gut gehen wird, dass alle gesund bleiben oder werden und wir uns bald alle wiedersehen.
Auf ein schönes neues Jahr!
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