Königspalast

Am 3. Adventwochenende fuhren wir nach Nyanza und Huye. Beide Orte waren in früheren Jahren ebenfalls eine Zeit lang Hauptstadt des Königreiches Rwanda. Dieses wurde im 14. Jahrhundert gegründet. In einem Volksentscheid 1961 entschied sich eine überwältigende Mehrheit der Einwohner für die Abschaffung des Königreiches und für die Gründung einer Republik. Nach Deutscher Kolonialherrschaft von 1884 bis 1916 wurde Rwanda als Teil Deutsch-Ostafrikas 1923 in Belgische Verwaltung übergeben (Neuverteilung der Kolonialgebiete nach dem 1. Weltkrieg) und erhielt erst 1962 die Unabhängigkeit.

Somit ist die königliche Geschichte des Landes gar nicht so alt. Bis 1931 regierte Yuhi Musinga mit einer stattlichen Körpergröße von über 2 Metern in Nyanza und lebte dort in einem der traditionellen afrikanischen Königspaläste. Er wurde jedoch durch die belgische Kolonialmacht ins Exil verbannt und sein Sohn, Mutare III, statt dessen eingesetzt.

Das historische Gelände kann man besuchen, jedoch sind die zu besichtigenden Gebäude lediglich Nachbauten. Trotzdem zeigen sie eindrücklich das Leben des Königs. Ohne Prunk und Reichtümer führte er ein privilegiertes, aber auch einfaches Leben. Die Tradition besagt, dass der König generell mit allen Rwandaerinnen verheiratet ist. Offiziell gab es jedoch nur eine rechtmäßige Königin an seiner Seite, die mit ihm im Königspalast lebte. Mit ihr regierte der König jedoch nicht. Häufig war die Mutter des Königs inoffizielle Mitregentin und eine einflussreiche Persönlichkeit. Das erklärt sich mit der Wahl des Königs. Er wurde von einer Gruppe hochrangiger Persönlichkeiten der Region ausgewählt. Diese Personen kannten alle Kinder des Königs sehr gut und konnten so entscheiden, welches der Königskinder die besten Eigenschaften hatte und die vielversprechendste Entwicklung nehmen würde. Somit musste nicht zwangsläufig der erstgeborene, älteste Sohn die königliche Nachfolge antreten. Jüngere Söhne wurden dann bei ihrer Wahl zum König in der Ausübung des Amtes von ihrer Mutter unterstützt, die auch nach Heirat des Sohnes weiter mit ihm regierte.

Der Königspalast diente als Empfangsgebäude für Audienzen. Davor befand sich ein großer leerer Platz ohne Überdachung zum Schutz vor Regen oder Sonne für die Wartenden. Erstaunlich! Es gab doch schließlich auch früher schon Regen- und Trockenzeiten, vielleicht nicht unbedingt in diesem klimawandelbedingten Ausmaß. Lediglich der König saß geschützt im Eingangsbereich des Palastes und empfing auf einer kleinen Terrasse nacheinander die angereisten Personen. Für längere Gespräche wurde in das Innere der königlichen Palasthütte eingeladen. Dort befand sich auch eine Feuerstelle, die jedoch nicht zum Kochen sondern ausschließlich zum Heizen an „kühleren Tagen“ genutzt wurde. Schließlich waren der Fußboden und die Wände nicht isoliert und es gab auch keine Fenster sondern lediglich einen offenen Eingangsbereich. So belüftete die dauerhaft durchziehende Luft die großen Räume des Palastes.
Weitere Bambushütten z. B. für das königliche Personal aber auch für den Nachwuchs befanden sich ausschließlich hinter dem Palast. Es gab beispielsweise eine Jungfrau, die sich um die Milchversorgung und -lagerung zu kümmern hatte und einen unverheirateten jungen Mann, der sich dem königlichen Bier(brauen) widmete. Beiden stand dafür eine eigene Hütte zur Verfügung und sie wurden durch die Gemeinschaft für dieses Amt ausgesucht.
Lediglich die Königin hielt sich also mit dem König im Palast auf und beide teilten dort ein gemeinsames Schlafzimmer.

Bei Empfängen durften die begleitenden Ehefrauen der um Audienz ersuchenden Männer den Königspalast betreten, mussten sich jedoch in einem hinter leichten Bambuswänden abgegrenzten separaten Raum aufhalten. So waren sie bei den politischen Gesprächen o.ä. anwesend und trotzdem nicht
dabei. Dadurch konnten sie aber ihren Einfluss auf Entscheidungen im Nachhinein versuchen auszuüben, da ihnen die Gesprächsinhalte ja bekannt waren.

Nach der Palastbesichtigung, auf der wir durch einen studierten Soziologen und Anthropologen mit historischen Inhalten versorgt wurden, ging es hinter dem Palast weiter zu den „königlichen Kühen“. Die besondere Rasse brauner Inyambo Rinder mit den sehr ausschweifenden und furchteinflößenden Hörnern wird
hier nach wie vor gezüchtet. Sie ist nicht heilig. Allerdings gibt es bis heute einen Kuhfriedhof hinter dem alten Palast, auf dem die verstorbenen königlichen Kühe beerdigt werden.

Anschließend sind wir zum neuen Königspalast gefahren. Er liegt auf der anderen Seite des Ortes auf einem weiteren der „1000 Rwandischen Hügel“, ist keinesfalls prunk- oder eindrucksvoll, aber man hat einen gigantischen Blick über die Region Nyanza.

Die Region Nyanza/Huye ist ca. 3-4 Autostunden von Kigali entfernt, daher hatten wir uns für eine Übernachtung in einer sehr schönen kleinen Appartement-Anlage etwas ausserhalb von Huye entschieden. Am nächsten Tag entdeckten wir das „Aboretum“, eine verhältnismäßig große Baumanpflanzung von unterschiedlichen Nadel- und Laubbäumen mit vielen kleine angelegten Wald- und Wanderwegen. Dort konnten wir einen kleinen Spaziergang im Gelände machen und traditionelle „Wickelbienenstöcke“ sowie die stark duftende Eukalyptus-Bäume sehen.

Ein unbedingtes „Must-see“ ist die Kaffeerösterei in Huye. Eingerichtet wie ein großes Wohnzimmer, mit einer „Wasch- und einer Packecke“, versinkt man in tiefen weichen Sesseln und kann eine Tasse frisch gemahlenen Kaffee genießen. Der in Rwanda sehr beliebten Huye-Kaffe ist sehr mild und gut bekömmlich. Einige Tüten haben wir auch gleich als Weihnachtsgeschenke für Freunde und Familie mitgenommen. Auf der Rückfahrt duftete es im Auto ganz wunderbar nach dem Kaffee.

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