Am Vormittag hatten wir den ersten Spatenstich im staubigen Boden hinter dem Schulgebäude gemacht und damit „unseren“ Neubau des Klassenraumes für eine 9. Klasse begonnen. Nach offiziellen Fotos und dem dazugehörenden Tempelbesuch im Dorf konnten wir dann endlich mit dem Motorrad aufbrechen. Wir wollten einen etwas längeren Ausflug machen, was bei den hiesigen Strassenverhältnissen max. 35 km für eine Richtung bedeutet.

Wir hatten auf unseren diversen kleinen Touren oder Einkaufsfahrten nach Sangola immer mal wieder unterschiedliche Motorräder. Je nachdem, wer seines gerade entbehren konnte. Man muss sich das wie bei uns mit dem Car-Sharing vorstellen, nur dass das ganze Dorf involviert ist. Es wird per Handy herumtelefoniert und abgefragt, wer sein Motorrad ab wann nicht mehr bzw. bis wann wieder benötigt. Selbstverständlich haben alle landwirtschaftlichen Aktivitäten Vorrang, d.h. erst wird der Mais zum Füttern der Kühe transportiert, das gebündelte Getreide zum Dreschen, dann müssen nach dem Melken die Milchkannen zum Dorf gefahren werden, auf dem Rückweg transportiert man dann noch kleinere Kannen mit Büffelmilch oder man fährt auf dem Markt vorbei und holt noch Obst und Gemüse.

Da das Motorrad das einzige Fahrzeug und Transportmittel (neben dem Ochsenkarren) ist, kann es eigentlich keiner wirklich entbehren. Daher ist es manchmal eine längere Herumtelefoniererei, bis man einen „Motorradtauschring“ zusammengestellt hat, um uns ein Motorrad für Ausflüge zur Verfügung stellen zu können. Wir beschäftigen also ein ganzes Dorf mit unserem Wunsch, die Umgebung zu erkunden.
Da sich alle untereinander ihre Motorräder leihen, tankt jeder Besitzer auch immer nur für einen kleine Betrag Benzin und jeder Nutzer muss für seine Fahrt dann gleich erst einmal ebenfalls nur für einen kleinen Betrag nachtanken. So ist keiner irgendwem Benzinkosten schuldig.

Das Motorrad wird im Vergleich zu anderen „Besitztümern“ verhältnismäßig gut gepflegt, nicht ganz so fanatisch wie Motorradfreaks in Deutschland ihr Schmuckstück hegen und pflegen aber immer hin schenkt man ihm auch mal Blumen…

Jedenfalls sind wir ab 10:30 Uhr unterwegs und genießen etwas kühlen Fahrtwind bei ansonsten 37°C. Die Landschaft ist sehr unterschiedlich. Mal gibt es nur weite trockene Flächen ohne Vegetation. Mal sehen wir grüne kleine Palmen- Oasen mit nur einem Haus aber auch Täler, die trotz der Hitze erstaunlich grün sind.
Wir fahren noch einmal zu dem Tempel, den wir bereits mit dem Lehrerteam der Schule besichtigt haben. Dort wollen wir etwas laufen. Die Umgebung, viele Steinbrüche, sah bereits beim ersten Besuch spannend aus.

Zur größten Mittagshitze angekommen, laufen wir noch einmal um den Tempel herum und wollen auf der anderen Seite erst einmal ein Straßencafe oder -restaurant aufsuchen. Ein Volleyballfeld ist auch davor und Musik wird gespielt…klingt doch ganz nach einem entspannten Sonntag. Als wir vor dem Gebäude stehen, erkennen wir einen überdachten Schlafsaal. Etliche junge Männer entspannen auf kleinen Holzliegen im Schatten. Nebenan ist ein großer Koch- und Essbereich, den drei Frauen gerade sauber machen. Wäsche hängt auch auf einer langen Leine. Also nix mit Straßencafé oder -restaurant. Wir gehen schnell vorbei, merken aber, dass wir „verfolgt“ werden. Einer der jungen Männer überholt uns und spricht uns in englisch an…woher wir kommen, woher wir diesen Ort kennen, was wir hier wollen… und wir erfahren, dass wir in einem Armee-Trainigscamp gelandet sind. Für 6 Monate trainieren die jungen Männer an diesem Ort, unmittelbar neben einer wunderschönen Tempeloase ihre Skills für den Kampfeinsatz. Was für ein krasser Gegensatz! Nun kommt wieder die übliche Fotoaktion, alle wollen auf’s Bild!
Das Gelände ist für Militärtrainig allerdings gut vorstellbar: Steinbrüche, weites karges Land, ein ausgetrocknetes Flussbett und in der Regenzeit ein reißendes Gewässer. Da kann viel Technik trainiert werden.

Wir verabschieden uns und machen einen kleinen Spaziergang auf der Anhöhe.

Auf dem Rückweg halten wir zum Lunch in einem Dorf. Dort ist gerade Markttag und wir kaufen frisch zubereitetes „Fastfood“. Zum Essen kehren wir in ein Strassenlokal ein und sind ganz schnell wieder Mittelpunkt aller Gespräche. Alle wollen wissen, was wir denn hier wohl machen. Plötzlich taucht der Fahrer eines unser Schulbusse auf. Wir sind in seinem Heimatort gelandet. Er erklärt allen, das wir die Schule unterstützen und die Begeisterung ist groß. Wir brauchen nix zu bezahlen, wir sind schließlich die „Gäste Indiens“ und allerherzlichst willkommen. Sofort bekommen wir Süßigkeiten, eine Flasche Wasser und ein Curry in Windeseile serviert. Ein wenig plaudern wir noch und fahren dann weiter nach Hause.

Andere Herangehensweise

Gestern waren Thomas und ich an einem Punkt angekommen, an dem wir beide ernsthaft überlegt haben, ob das hier alles Sinn macht und nachhaltig sein wird. Immer mal wieder sind wir schon im Rahmen des Projektes an unsere Grenzen gekommen. Ein wesentlicher Punkt ist dabei die komplett andere Arbeitsweise. Vieles hat für uns den Anschein der Beliebigkeit. Es kommt, was kommt und es ist, was ist und wie es gerade ist. Eine Tätigkeit in einer bestimmten Art und Weise zu tun, damit das Ergebnis besonders gut genutzt werden kann oder damit ein gerade gekaufter Gegenstand besonders lange hält, ist nicht abgespeichert. Für das persönliche Stresslevel ist diese Herangehensweise ganz wunderbar. Stress hat hier niemand! Wirklich niemand!! Steht z. B. Farmarbeit an, kann ich halt nicht als Lehrer arbeiten und komme 3 Tage nicht zum Unterricht. Ist in meinem Dorf eine offizielle Zeremonie, bleibe ich auch zu Hause, kümmere mich um Gäste und um die Familie. Hat ein PC Fachmann gerade einen alten Computer repariert, wartet er geduldig darauf, dass dieser sich 50 Minuten lang updated. Das auch erforderliche WLAN Kabel schonmal zu verlegen, ist jetzt noch nicht dran (das ist übrigens ein aktuelles und kein Beispiel aus meinem bisherigen Arbeitsumfeld!!!). Alles schön nacheinander, parallel arbeiten geht nicht! Sehr weise, nur leider das komplette Gegenteil zu unserem Arbeitsansatz und zu unserem Arbeitsverständnis. Wir wollen und müssen uns anpassen.

Auch dass Verständnis für konkrete (komplexe) Sachverhalte ist anders ausgeprägt. Komplexität hat ein ganz anderes Ausmaß. Ich könnte z. B. nicht für 25 Personen mehrere warme Gerichte kochen und unterschiedliche Fladenbrote zubereiten. Dagegen ist es eine Herausforderung für die Lehrer, selbständig Arbeitsmittel (Papier, Schere, Locher, Kreide, Ordner) zu verwalten. Dafür gibt es Schulhelfer. Diese holen und bringen den ganzen Tag lang diese Dinge von einem Lehrer zum anderen.

Erschwerend für unser Projekt ist natürlich auch die sprachliche Verständigung. Aber das war ja vorauszusehen.

Diesen Tatsachen versuchen wir uns von Anfang an anzupassen. Wichtige Aufgaben, die von den Lehrern zu erfüllen sind, werden mehrfach und sehr kleinteilig erklärt. Es ist jedoch nicht unbedingt üblich, selbständig zu denken und Verständnisfragen zu stellen. So nicken bzw. schütteln alle Beteiligten bei gestellten Arbeitsaufgaben zustimmend den Kopf aber jeder macht dann das, was er denkt. Ein Beispiel…

Ich hatte gemeinsam mit Thomas für jede Klassenstufe eine Inventurliste in Excel für Unterrichtsmaterial angelegt. Die Struktur dafür, also die Überschriften der Spalten, hatten wir kurz mit dem „head of the teachers“ besprochen. Um die Nutzung möglichst einfach zu machen, bekam jeder Lehrer eine ausgedruckte Liste und sollte diese ausfüllen. Die Tabelle hatte ich in einer Projektrunde vorgestellt und erklärt. Sogar mit zwei Beispielen hatte ich versucht, alles deutlich darzustellen. Die Listen kamen zurück, jedoch waren das „Wunschlisten“, also was möchten wir für neues Unterrichtsmaterial haben. Um den Inhalt in der Tabelle wiederzufinden, den wir eigentlich gewollt hätten, hätten wir folgendes kommunizieren müssen:

  1. Liste zur Hand nehmen
  2. Einen Stift bereit legen
  3. Den Schrank im Klassenzimmer öffnen
  4. Erst alle Bücher zählen und in die Tabelle eintragen
  5. Dann überlegen, wo die Bücher aufbewahrt werden sollten (zentral/dezentral) und ein Kreuz in der Tabelle machen bei zentral oder dezentral
  6. Danach alle Anschauungsmaterialien zählen, die in dem Schrank sind und die Anzahl in die Liste eintragen
  7. Werden Unterrichtsmaterialien benötigt, die nicht vorhanden sind, diese auch in die Liste eintragen und vermerken, wieviel Stück davon gebraucht werden…

Gut, nun habe ich 12 Wunschlisten und werde damit auch etwas anstellen. Die Inventur wird jetzt praktischer:

  1. große Plastikkisten kaufen
  2. Datum für „Monsoonputz“ festlegen
  3. Arbeitsgruppen pro Klassenraum einteilen
  4. Alle Schränke ausräumen
  5. Nutzbares in Kisten verstauen
  6. Unbrauchbares auf dem Schulhof stapeln
  7. Liste erstellen, was wo aufbewahrt wird

Fertig!

Manche Skills sind halt weltweit einsetzbar. Internationales Projektmanagement muss jedoch in seiner Herangehensweise angepasst werden.

Nach reichlich 4 Wochen schlägt sie nun zu, meine „innere Unruhe“ ist wieder da. Sicherlich bringen viele Tage immer noch aufregende Erlebnisse, unerwartete Begegnungen und oft auch ausreichend Arbeit. Es kehrt aber auch etwas Alltag ein. Nach wie vor bin ich 8:30 bis 14:00/15:00 Uhr mit dem Schulprojekt in Anspruch genommen. Danach ist Freizeit. Nun kommt mein Problem. Was mache ich in meiner freien Zeit? Meine Unabhängigkeit habe ich komplett verloren. Ich gehe hier keinen Schritt ohne Thomas, weder ins Dorfzentrum nach Alegaon noch in die Stadt Sangola. Was sollte ich dort auch allein machen? Die Verständigung mit Einheimischen ist nicht möglich oder nur mit einzelnen Personen, die man zufällig trifft. Ein Fitnessstudio gibt es nicht, Freunde habe ich hier nicht und anderen Aktivitäten anschließen, kann ich mich nicht…welchen denn? Private Yogastunden (habe ich zwar noch nicht recherchiert) werden vermutlich in Hindi oder Marathi abgehalten, so dass ich die Anleitung zu den Übungen nicht verstehen werde. In einer größeren Stadt besteht vielleicht die Chance, diese in englisch zu bekommen. Aber dafür umziehen? Als Frau sitzt man hier auch nicht in einem Café und liest, allein schon gleich gar nicht. Abgesehen davon gibt es hier auf dem Land kein Café. Und Frauen treten in der Öffentlichkeit (fast) nicht in Erscheinung. Von meinem eingeschränkten Bewegungsradius hatte ich ja bereits geschrieben. Ich habe auch dafür immer noch keine wirklich gute Lösung gefunden. Somit bin ich ausschließlich in meiner Freizeit (ausgenommen die Wochenenden) im Farmhaus und sitze im Schatten vor dem Haus. Die innere Unruhe treibt mich raus aber es gibt keinen Ort, wohin ich (allein) gehen könnte. Entweder machen mit die Hitze, die zeitige Dunkelheit, regelmäßige Stromausfälle oder die fehlende Anbindung an irgendetwas einen Strich durch die Rechnung. Wie und womit soll ich mir die freie Zeit gestalten? Es gibt keine Abwechslung und keine externen Anregungen. Meine Lernaufgabe: Ich muss mich mit den veränderten Gegebenheiten irgendwie arrangieren und mich in Ruhe und Geduld üben. Dabei möchte ich mich allerdings auch wohlfühlen, also muss ein Kompromiss her.

Darüber haben Thomas und ich gestern lange diskutiert.

Wir wollen versuchen, nun zweimal pro Woche früh Yoga nach einer App zu machen und erst gegen 10:00 Uhr zur Schule zu gehen. Dazu müssen wir uns nur noch einen passenden Ort überlegen. Vor dem Farmhaus im Schatten ist es wahrscheinlich etwas unpassend, wenn um uns herum die Landwirte ihre harte Arbeit verrichten. Eine andere Überlegung ist, gemeinsam 2 x pro Woche am Nachmittag ins Dorf zu gehen und dort in einem Straßencafé zu lesen oder ggf. noch was für unser Projekt zu machen. Wenn sich dann alle an unser regelmäßiges Erscheinen gewöhnt haben, könnte ich auch mal allein auftauchen. Somit hätte ich ein klein wenig mehr Unabhängigkeit.

Im April ist noch viel Aufregendes in Planung. Es gibt kommende Woche eine Zeremonie im Dorf anlässlich der „Hochzeit der Hauptgottheit“ und dazu finden 5 Tage lang Feierlichkeiten statt. Dann stehen im Rahmen unseres Projektes Hausbesuche in den umliegenden Dörfern an, die wir teilweise begleiten werden und nicht zu vergessen…Thomas hat Geburtstag! Wie ich den gestalte, weiß ich noch nicht. Blumenstrauß und Kuchen wird es nicht geben aber viel Sonnenschein! Vielleicht spendiere ich ihm eine kühle Pepsi!

Bereits im Vorfeld hatten Thomas und ich uns Gedanken gemacht, wie wir wohl in diesem Jahr die Osterfeiertage zelebrieren könnten. Ein traditioneller Kirchgang schien unmöglich. Unterwegs hatten wir nur eine unscheinbare Kirche in einem kleinen Ort gesehen. Dort einfach hineinplatzen, kam gar nicht in Frage. Wir hatten also keine Idee. Wieder einmal kam aber alles so, wie es besser nicht hätte kommen können, und wir hatten einen unvergesslichen und feierlichen Ostersonntag.

Auf unserer Rückreise von Aurangabad am Sonntag waren wir mit der Familie Babar 16:00 Uhr in Pandapur verabredet. Pandapur ist ein Pilgerort ca. 40 km von Alegaon entfernt und sehr berühmt wegen seines Tempels und der zahlreichen Glaubensrituale. Normalerweise gibt es vor dem Tempel meterlange Schlangen wartender Gläubiger aus dem ganzen Land, um an einer Zeremonie teilnehmen zu können.

Unsere Gastfamilie hatte umgerechnet 200 Euro gezahlt, um am Ostersonntag in das Tempelinnere zu einer ganz besonderen Zeremonie zugelassen zu werden. Und wir sollten und durften dabei sein!

Alle kamen extra aus Pune (4 Stunden Fahrtweg) angereist und wir waren von Aurangabad ohne Pause auch schon 5 Stunden unterwegs. Finanziell unterdessen völlig ausgebrannt. Die VISA- Karte ist an den Automaten an einem „Bankholiday“ nicht einsetzbar und mit VISA im Landesinneren bezahlen, abseits der großen Städte…total unmöglich. Von unserem letzten Bargeld gönnten wir uns in einem Strassenrestaurant für ein paar Rupies eine sehr leckere Kleinigkeit und waren somit gestärkt für die nächsten Stunden.

Pünktlich 16:00 Uhr trafen wir uns wie verabredet mit der gesamten Babar-Familie und gingen gemeinsam zum Tempel. 16:30 Uhr sollte die Zeremonie beginnen. Kurz vor dem Tempel „versteckten“ wir an einem Süssigkeitenstand unsere Schuhe unter dem Ladentisch und gingen barfuß weiter. Das war eine ziemliche Herausforderung, da der gepflasterte Weg zum Tempel lag und die Steine glühend heiss durch die Sonne waren. Wir wollten am liebsten rennen, hüpften von einem Fuß auf den anderen und suchten angespannt nach halbwegs schattigen Laufmöglichkeiten. Das hatte in der Tat ansatzweise etwas von einem „aufopferungsvollem Pilgerweg“. Im Tempelinneren, kurz vor dem Betreten des eigentlichen Heiligtums, erfolgte die rituelle Fusswaschung, die jedoch auch keine Abkühlung für unsere Füße brachte, da das Wasser aus der Aussenwandleitung lauwarm war. Vor dem „Allerheiligsten“ mussten wir dann noch einige Minuten warten, um als komplette Familie eintreten zu können, wir waren insgesamt immerhin 17 Personen. Für die Zeremonie hatte die Familie zwei große Blumenketten aus duftenden Jasmin- und orangegelben Studentenblumenblüten mitgebracht. Außerdem hatten sie Tüten mit Lebensmitteln und Gefäße mit Wasser dabei.

Nun durften wir alle nacheinander eintreten, erst die Männer und dann die Frauen. Nur einem Ehepaar war es gestattet, direkt vor der männlichen Gottheit „Pandurag Vitthal“ oder der weiblichen Gottheit „Rugmai“ im Schneidersitz platzzunehmen. Alle anderen Familienangehörigen reihten sich dahinter ein. Der Bereich dafür war nur 3 x 4 Meter groß und durch ein Holzgitter mit Blick auf die Gottesstatue abgegrenzt. Er wurde mit noch anderen Gläubigen „aufgefüllt“, so dass wir ziemlich eng nebeneinander saßen. Im Verlauf der Zeremonie ist es jedoch möglich, rotierend als Ehepaar den vordersten Platz einzunehmen.

Die Zeremonie dauerte eine Stunde und bestand darin, dass beide Gottheiten (schwarze Skulpturenbüsten) mit einer Sandelholzpaste von einem Tempeldiener „angekleidet“ und farbig verziert wurden. Dazu erklingt ein monotoner Gebetsgesang, der mit Schellen „musikalisch“ begleitet wird.

Nachdem die Büste „angekleidet“ ist, werden das mitgebrachte Wasser und die Lebensmittel gesegnet. Alle Anwesenden müssen sich erheben und sich einzeln vor der Gottheit verneigen und dabei deren Füße mit dem Kopf berühren. Dabei wird jeder Gläubige wieder mit einem Punkt auf der Stirn, diesmal aus Sandelholzpaste, gesegnet. Abschließend dürfen zur Erinnerung zwei offizielle Fotos im Allerheiligsten mit der Familie gemacht werden.

Wir verlassen den Tempel, suchen unsere Schuhe und nun werden gemeinsam in einem überdachten Außenbereich das gesegnete Wasser und die Lebensmittel (Obst, Süßigkeiten) geteilt und fröhlich gefeiert.

Wir wünschen uns gegenseitig schöne Ostern und sind dabei total ergriffen von der Zeremonie und der hohen Ehre, als Fremde so nah dabei gewesen zu sein. Vor lauter Rührung und Freude fließen sogar ein paar Tränen. Es ist ergreifend wahrzunehmen, dass Glaube sehr unterschiedlich und doch in einzelnen Ritualen wieder sehr ähnlich gelebt wird. Wir versuchen zu erklären, was Ostern für uns Christen bedeutet, welche Ostertraditionen wir in unserer Heimat, der Lausitz, kennengelernt haben und verweisen auf die Gemeinsamkeiten beider Glaubensrichtungen. Nun sind auch unsere Gastgeber noch einmal mehr stolz darauf, uns unseren höchsten christlichen Feiertag, mit einer ebenso bedeutenden hinduistischen Zeremonie verschönt zu haben.

Es schließt sich noch ein Privatbesuch bei einer sehr bedeutenden, politisch einflussreichen und wirtschaftlich hoch gestellten Familie in Pandapur an. Es handelt sich um die Nachkommen der Deshmuks, den ehemaligen Steuereintreibern und lokalen Gutsherren über 100 Dörfer. Diese ist eng mit der Familie Babar verbunden. Das Familienhaus ist in einem phantastisch renovierten Zustand, alles ist noch einmal traditioneller, Frauen und Männer werden strikt getrennt. Thomas darf nur draußen auf der offiziellen Terrasse sitzen, ich darf nur drin bleiben, sehr befremdlich irgendwie und teilweise auch unangenehm. Man fühlt sich durch die strikten Vorgaben doch schon sehr fremdbestimmt. Natürlich werden wir wieder gesegnet, erhalten zum wiederholten Male Turbane. Da es eigentlich Brauch ist, dass weibliche Besucher einen Sari erhalten, für mich aber grad keiner da ist, bekomme ich das Geld dafür in einem kleinen Umschlag.

Erschöpft aber sehr erfüllt von den Eindrücken, Gesprächen und Erlebnissen fahren wir eine weitere Stunde zum Farmhaus zurück.

Unser Fahrer war unfähig – ernsthaft. Den halben Tag hatten wir drüber gesprochen, das wir am Abend nach den ganzen Höhlenbesichtigungen noch in einen Seidenladen gehen wollen, weil Aurangabad für Seidentücher und Seidenstoffe allgemein in ganz Indien berühmt ist.

Gegen halb sechs fuhren wir los. Erst ging es nach Aurangabad hinein, dann wieder aus der Stadt hinaus – weit hinaus… Ein Hilfeanruf in unserer indischen Heimat mit Sprachsupport brachte dann Gewissheit. Der Fahrer wollte uns zu einem „Seiden -Dorf“ ca. 90 km entfern von Aurangabad fahren. Bei den Straßenverhältnissen wären wir vermutlich gegen 22:00 dort angekommen und irgendwann nachts gegen 3:00 erfolglos-ohne Einkauf- wieder zurück. Die Aktion haben wir dann selbstverständlich sofort abgebrochen und umgehend Google Maps bemüht. Uns hätte der Fahrer in seiner Not sonst einfach am nächsten Klamottenladen rausgeschmissen. Aber nicht mit uns!

Nach mehreren engen Gassen, gut gemeinten Ratschlägen von Passanten, die freundlich in eine entgegengesetzte Richtung zeigten als die, in die wir unterwegs waren, kam uns ein großes Werbeplakat zu Hilfe. Dieses wies in Sichtweite eine Seidenmanufaktur aus. Also nix wie hin, ich wollte schließlich ein dezentes Punjabi suit (keinen Sari) noch kurz vor Ladenschluss für einen guten Preis ersteigern.

Ein älterer Herr kam auf uns zu uns fragte in angenehmem englisch, ob wir Interesse an einer Führung hätten. Selbstverständlich! Wissenszuwachs ist immer gut. Und so bekamen wir eine sehr persönliche Führung in einem fast 100 Jahre alten Familienbetrieb.

Einige Maschinen waren tatsächlich noch aus dem Zeitalter der „Maschinenstürmer“ und in England hergestellt. Die automatischen Webstühle arbeiteten z. B. noch mit „Lochmusterkarten“.

In 2 Stunden ist jedoch ein Stoffstück mit Seidenmuster von 1,50 x 2,40 Metern fertig. Mit dem manuellen Webstuhl dauert das Ganze dagegen 2 Monate.

Wir wurden ausgiebig über traditionelle indische Muster in Maharashtra und über die Zusammensetzung der Stoffe (Wolle, Seide, Baumwolle, Mischgewebe) aufgeklärt.

Anschließend ging es in den Verkaufsraum. Da in den Monaten April und Mai jedoch die meisten indischen Hochzeiten stattfinden, gab es keine so große Auswahl mehr.

Wie man es sich üblicherweise vorstellt, begann ein klassisches Verkaufsgespräch in leidlich gutem englisch. In Windeseile wurden unzählige bunte Stoffmuster vor uns ausgebreitet. Alle waren bereits so vorbereitet, dass man daraus ein langes Oberteil und eine Pluderhose (Punjabi Suit)schneidern lassen konnte. Das Kopftuch ist schon fertig und dem Stoffpaket in passender Farbe und Muster zugeordnet. Das war mir jedoch alles viel zu traditionell, zu bunt und zu goldglitzerig. Ich hatte ja vor, diese Sachen wirklich zu tragen! Der Verkäufer hat natürlich verständnislos geschaut, als meine Anforderung „Bitte die Stoffauswahl weniger farbig und weniger goldig“ klar formuliert war. Ich fand schließlich eine schwarz-goldene Kombination, von der ich zwar nicht ganz 100%-ig überzeugt war aber daraus ließe sich auf alle Fälle was machen. Ich war froh, etwas gefunden zu haben und hoffte nun, den Einkaufsprozess beenden zu können. Weit gefehlt! Nun wurden alle Tücher ausgebreitet, die ich aber auch nicht haben wollte. Es half jedoch keine logische Begründung von wegen „In Deutschland ist der Geschmack etwas anders.“ oder „Unsere Traditionen in der Mode sind eher weniger farbenfroh“. Die Stimmung des Verkäufers verschlechterte sich und wir steckten im Verkaufsgespräch fest.

Als nächste kam der Vorschlag, einen Blick auf die Tischwäsche zu werfen, da würden wir bestimmt was finden. Und schon wurden uns zahlreiche farbenfrohe, glänzende Tischdecken, jedoch für winzige indische Tische vorgelegt. Auch hier half die logische Argumentation „Unser Esstisch ist sehr groß, mindestens 2 x 3 Meter.“ nicht als Begründung für eine Ablehnung des Gezeigten. Uns wurde klar gemacht, dass wir mit den Maßen wohl übertreiben, kein Tisch ist so groß. Wir versuchten es auf lustige Art…“Aber wir sind doch auch groß und breit.“ Half aber leider gar nix. Die Stimmung war frostig. „Dann nehmt ihr eben eine Bettabdeckung“, verkündete der Verkäufer und breitete zwei riesige helle Stoffdecken vor uns aus. Und die sahen richtig gut aus. Zwar nicht als Bettabdeckung denn ich bin froh wenn die Betten überhaupt gemacht sind! Aber als große Tischdecke konnte man das Teil gut nutzen. Gekauft! Besser gesagt ausgetauscht gegen mein schwarz-goldiges Punjabi Suit Stoffmuster. War ja nicht ganz so mein Ding. Der Verkäufer war entsetzt. Die Rechnung habe er schon geschrieben und wir müssten jetzt beides kaufen. Nun platze Thomas der Geduldsfaden. „Entweder wir kaufen jetzt diese Bettdecke oder wir gehen!“ Es ging noch ein wenig Gezeter hin und her und ein kleiner Kampf mit der Bezahlung per Visa-Karte aber letztendlich hatten wir es nach 1 Stunde geschafft. Nix wie raus aus der Manufaktur und schnell was leckeres Essen.