Unser Fahrer war unfähig – ernsthaft. Den halben Tag hatten wir drüber gesprochen, das wir am Abend nach den ganzen Höhlenbesichtigungen noch in einen Seidenladen gehen wollen, weil Aurangabad für Seidentücher und Seidenstoffe allgemein in ganz Indien berühmt ist.

Gegen halb sechs fuhren wir los. Erst ging es nach Aurangabad hinein, dann wieder aus der Stadt hinaus – weit hinaus… Ein Hilfeanruf in unserer indischen Heimat mit Sprachsupport brachte dann Gewissheit. Der Fahrer wollte uns zu einem „Seiden -Dorf“ ca. 90 km entfern von Aurangabad fahren. Bei den Straßenverhältnissen wären wir vermutlich gegen 22:00 dort angekommen und irgendwann nachts gegen 3:00 erfolglos-ohne Einkauf- wieder zurück. Die Aktion haben wir dann selbstverständlich sofort abgebrochen und umgehend Google Maps bemüht. Uns hätte der Fahrer in seiner Not sonst einfach am nächsten Klamottenladen rausgeschmissen. Aber nicht mit uns!

Nach mehreren engen Gassen, gut gemeinten Ratschlägen von Passanten, die freundlich in eine entgegengesetzte Richtung zeigten als die, in die wir unterwegs waren, kam uns ein großes Werbeplakat zu Hilfe. Dieses wies in Sichtweite eine Seidenmanufaktur aus. Also nix wie hin, ich wollte schließlich ein dezentes Punjabi suit (keinen Sari) noch kurz vor Ladenschluss für einen guten Preis ersteigern.

Ein älterer Herr kam auf uns zu uns fragte in angenehmem englisch, ob wir Interesse an einer Führung hätten. Selbstverständlich! Wissenszuwachs ist immer gut. Und so bekamen wir eine sehr persönliche Führung in einem fast 100 Jahre alten Familienbetrieb.

Einige Maschinen waren tatsächlich noch aus dem Zeitalter der „Maschinenstürmer“ und in England hergestellt. Die automatischen Webstühle arbeiteten z. B. noch mit „Lochmusterkarten“.

In 2 Stunden ist jedoch ein Stoffstück mit Seidenmuster von 1,50 x 2,40 Metern fertig. Mit dem manuellen Webstuhl dauert das Ganze dagegen 2 Monate.

Wir wurden ausgiebig über traditionelle indische Muster in Maharashtra und über die Zusammensetzung der Stoffe (Wolle, Seide, Baumwolle, Mischgewebe) aufgeklärt.

Anschließend ging es in den Verkaufsraum. Da in den Monaten April und Mai jedoch die meisten indischen Hochzeiten stattfinden, gab es keine so große Auswahl mehr.

Wie man es sich üblicherweise vorstellt, begann ein klassisches Verkaufsgespräch in leidlich gutem englisch. In Windeseile wurden unzählige bunte Stoffmuster vor uns ausgebreitet. Alle waren bereits so vorbereitet, dass man daraus ein langes Oberteil und eine Pluderhose (Punjabi Suit)schneidern lassen konnte. Das Kopftuch ist schon fertig und dem Stoffpaket in passender Farbe und Muster zugeordnet. Das war mir jedoch alles viel zu traditionell, zu bunt und zu goldglitzerig. Ich hatte ja vor, diese Sachen wirklich zu tragen! Der Verkäufer hat natürlich verständnislos geschaut, als meine Anforderung „Bitte die Stoffauswahl weniger farbig und weniger goldig“ klar formuliert war. Ich fand schließlich eine schwarz-goldene Kombination, von der ich zwar nicht ganz 100%-ig überzeugt war aber daraus ließe sich auf alle Fälle was machen. Ich war froh, etwas gefunden zu haben und hoffte nun, den Einkaufsprozess beenden zu können. Weit gefehlt! Nun wurden alle Tücher ausgebreitet, die ich aber auch nicht haben wollte. Es half jedoch keine logische Begründung von wegen „In Deutschland ist der Geschmack etwas anders.“ oder „Unsere Traditionen in der Mode sind eher weniger farbenfroh“. Die Stimmung des Verkäufers verschlechterte sich und wir steckten im Verkaufsgespräch fest.

Als nächste kam der Vorschlag, einen Blick auf die Tischwäsche zu werfen, da würden wir bestimmt was finden. Und schon wurden uns zahlreiche farbenfrohe, glänzende Tischdecken, jedoch für winzige indische Tische vorgelegt. Auch hier half die logische Argumentation „Unser Esstisch ist sehr groß, mindestens 2 x 3 Meter.“ nicht als Begründung für eine Ablehnung des Gezeigten. Uns wurde klar gemacht, dass wir mit den Maßen wohl übertreiben, kein Tisch ist so groß. Wir versuchten es auf lustige Art…“Aber wir sind doch auch groß und breit.“ Half aber leider gar nix. Die Stimmung war frostig. „Dann nehmt ihr eben eine Bettabdeckung“, verkündete der Verkäufer und breitete zwei riesige helle Stoffdecken vor uns aus. Und die sahen richtig gut aus. Zwar nicht als Bettabdeckung denn ich bin froh wenn die Betten überhaupt gemacht sind! Aber als große Tischdecke konnte man das Teil gut nutzen. Gekauft! Besser gesagt ausgetauscht gegen mein schwarz-goldiges Punjabi Suit Stoffmuster. War ja nicht ganz so mein Ding. Der Verkäufer war entsetzt. Die Rechnung habe er schon geschrieben und wir müssten jetzt beides kaufen. Nun platze Thomas der Geduldsfaden. „Entweder wir kaufen jetzt diese Bettdecke oder wir gehen!“ Es ging noch ein wenig Gezeter hin und her und ein kleiner Kampf mit der Bezahlung per Visa-Karte aber letztendlich hatten wir es nach 1 Stunde geschafft. Nix wie raus aus der Manufaktur und schnell was leckeres Essen.

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