Der 2. Kontinent in 3 Monaten

Bei unserer Abreise aus Indien im Rahmen unserer Sabbatzeit im Juli 2018 hatten wir versprochen, zu Diwali (jährliches Lichtfest in Indien, ähnlich unserem Weihnachtsfest) im Oktober 2019 wiederzukommen. Wir freuten uns auf dieses Wiedersehen ganz besonders, da es nach einem reichlichen Jahr an den heiligsten indischen Festtagen stattfinden und wir viele Traditionen miterleben würden. Als dann klar war, wir würden von Afrika aus starten müssen, planten wir alles unter Berücksichtigung dieser neuen Bedingung und buchten unseren Flug von Kigali nach Mumbai für den 26.10.18 um 1:30 Uhr. Nach Ankunft dort sollte es mit einem gemieteten Auto (inkl. Fahrer) in ca. 4 Stunden weiter nach Pune und am Folgetag dann nochmal in 4 Stunden nach Alegaon auf die Farm gehen.
Bereits Wochen vorher hatten wir Geschenke eingekauft: Süßigkeiten für die
Kinder, eine kleine Plüschgiraffe für den 3-Monate alten Sohn- Ohm- von Shriya, ein traditionelles Bambuskorb-Tablett für Mangal zum Auslesen von Linsen oder Getreide, bunte Vorratsstoffbeutel mit Netzgittereinsatz für Knoblauchzehen und Zwiebeln sowie ein ebenso buntes afrikanisches Kinderspielzelt, ein geschnitztes Kürbiskerzenlicht für Diwali sowie afrikanischen Kaffee und Schwarztee. Wir waren also bestens vorbereitet, hatten alles gut verpackt und die Koffer standen bereit.

Doch dann geschah das Unerwartete! Wir hatten am Flughafen bereits die erste Kofferkontrolle mit Drogenspürhund hinter uns und standen mit vier sperrigen Holzstangen vom Kinderspielzelt am Check In. Dort wurde uns dann mitgeteilt, dass wir den Flug nicht antreten könnten, da wir kein gültiges Visum hätten. Natürlich hatten wir kein Visum vorzuweisen, da wir „Visum on arrival“ nutzen würden. Also bei Einreise in Indien würde uns der normale Status eines Touristenvisums in den Reisepass eingestempelt werden. Alles gar kein Problem! Doch so einfach war es leider nicht. Wir hätten uns selbst für diese Form des Visums offiziell bei der indischen Botschaft anmelden und auf eine schriftliche Bestätigung warten müssen. Diese hätten wir nun beim Check In vorzeigen können, doch wir hatten sie nicht. Daher war unsere Reise abrupt beendet, noch bevor sie überhaupt begonnen hatte. Panik kam auf! Das kann doch nicht sein! Thomas war doch schon einige Male in Indien und kennt sich bestens mit den Formalitäten aus. Wie konnte das nur passieren? Zu viel Arbeitsstress in den letzten Wochen? Berechtigte Fragen aber keine erklärende Antwort, die uns geholfen hätte.

Wir waren zeitig genug am Flughafen, denn das Verständnis von Pünktlichkeit ist uns immer noch gegeben und so hatten wir bis zur Abreise noch fast 2 Stunden Zeit. Verzweifelt versuchte Thomas nun, uns noch online für ein Visum anzumelden. Doch dieser Prozess ist wahnsinnig kompliziert. Man muss fast die kompletten biographischen Angaben der Eltern hinterlegen, den letzten Aufenthalt in Indien mit der dazu passenden Visum-Nummer angeben und ein aktuelles Passbild hochladen. Leider passt das Downloadvolumen eines gespeicherten Passbildes nicht zu dem erlaubten Uploade-Datenvolumen der Website zur Visa-Beantragung. Somit ist das Hochladen eines Fotos online eigentlich eine Unmöglichkeit. Thomas probierte bis zum letztendlichen Erfolg zahlreiche Varianten aus. Dieses Prozedere übersteigt meine Geduld und meine technischen Fähigkeiten um ein Vielfaches. Doch Thomas quälte sich durch alle Details, die dann aufgrund eines technischen Fehlers leider nicht einmal gespeichert werden konnten. Zurück auf „Start“ und alles erneut eingeben? Frustriert gaben wir auf und realisierten, wir würden tatsächlich NICHT zu Diwali nach Indien fliegen. Was für ein verdammter Mist. Ein Jahr hatten wir dazu Vorbereitungen getroffen, geplant, gemailt und Erwartungen geweckt. Nun platze alles von einer Sekunde auf die andere!

Unsere Freunde in Indien haben wir umgehend  noch am Flughafen informiert und auch  das gemietete Auto wieder abbestellt. Schließlich wussten wir ja nun noch nicht, wann und ob wir überhaupt in nächster Zeit fliegen können würden. Vorbei! Schweigende Rückfahrt mit dem Taxi vom Flughafen.
Am nächsten Tag wollten wir dann erneut die Online-Bewerbung für ein Touristenvisum starten.

514

Die Zahlenfolge 514 ist der Name einer Bar im Stadtbezirk Kimihurara, in der am Wochenende Livemusik gespielt, gesungen und getanzt wird. Schlicht und ergreifend ist 514 die Straßennummer, auf der sich die Location befindet. Freitags waren wir das eine oder andere Mal auch schon dort und haben uns zum Wochenausklang „after-work“ mit den Kolleg*innen von Thomas getroffen.
Allerdings kommt erst ab 21:30 Uhr richtig Stimmung auf, denn dann beginnt eine Band zu spielen. Mit ihr treten 2-3 Stammsänger*innen auf. Sie singen aktuellen britischen Pop, alt bekannte Reaggy-Songs aber auch Hip-Hop und traditionelle afrikanische Lieder. Erklingen letztere, singt und tanzt der ganze Saal. Selbst in den hintersten Ecken springen die Leute von ihren kuscheligen Couches auf, verschieben den Beistelltisch mit ihren Cocktails und suchen sich ein freies Plätzchen. Alle sind in Bewegung mit weit ausgebreiteten schwingenden Armen und tief versunken im Rhythmus. Es ist ergreifend zu beobachten, wie sich gefühlt eine ganze Nation erhebt und ihre Kultur vor den wenigen Muzungus im Saal präsentiert. Singen und Tanzen können hier alle aber es gibt Bewegungen, zu denen wir Europäer auf keinen Fall in der Lage sind. Es schaut toll aus, wie sich andere bewegen, ist mir aber manchmal auch ein wenig peinlich bei so „intimen Bewegungen“ dabei zu sein, einige Körper scheinen förmlich zu verschmelzen. Auch jeder Gast kann unangemeldet und unaufgefordert auf die Bühne, um sein musikalisches Talent zu zeigen. Nur eine kurze Abstimmung vor dem Auftritt mit der Band reicht aus, damit der gewählte Song auch instrumental begleitet werden kann. Da treten dann schon richtig coole Leute auf, deren Stimme einem die Gänsehaut heraufbeschwört. Ein kleinwüchsiger Mann tanzte sich die Seele aus dem Leib nach einer selbst zusammengestellten Choreographie, passend zur Livemusik der Band. Er wirbelt und hüpft, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Damit sorgt er für standing ovations.

Durch den erweiterten Freundeskreis kennen wir Pakko, einen jungen Mann und Studenten aus Kigali. Er hat sich selbst das Geigespielen über YouTube beigebracht und es klingt sogar ganz passabel. Gemeinsam mit ihm hatte Lotti auf ihrer Klarinette ein Stück geprobt, was hier alle kennen und was auf der aktuellen Hitliste rauf und runter gespielt wird. Ganz selbstsicher hatte nun Pakko verkündet, er wolle mit Lotti im 514 auftreten.
An diesem Freitag waren auf Einladung von Thomas nun besonders viele unserer Bekannten und neuen Freunde im 514 und sie hatten teilweise auch noch ihre Freunde mitgebracht. So waren wir an diesem Abend mindestens 15-20 Personen. Alle warteten ganz gespannt darauf, ob Pakko im Duett mit Lotti auftreten würde. Ich bekam schon bei dem Gedanken daran ein flaues Gefühl im Magen denn der Saal war zu fortgeschrittener Zeit sehr voll. Wir hatten alle bereits einige Gläser Wein bzw. etliche Flaschen Mützig-Bier getrunken und waren daher auch feier- und tanzfreudiger als erwartet. Etliche Songs konnten wir sogar mitsingen, wobei uns das bei den afrikanischen Texten immer nur bei einzelnen Worten lautstark gelang. Außerdem gab es Anleitung zum Tanzen durch die anwesenden bewegungsaffinen Rwandaer. Ich habe die kleinen Schrittfolgen jedoch nicht mehr richtig aufnehmen und schon gar nicht behalten können. Macht nichts! Die Stimmung war prächtig und wir hatten viel Spaß!
Und dann kam der große Auftritt. Lotti wirkte ganz entspannt, hatte ihre Klarinette zusammengebaut, gestimmt und stand mit Pakko auf der Bühne. Sie wurde von ihm kurz vorgestellt. „Meine Begleiterin kommt aus Deutschland!“. Laute Jubelschreie aus unserer Ecke. Dann Stille! Ein ganz ruhiges und zartes Musikstück erklang. Die Töne saßen, das Licht brachte die richtige Stimmung dazu und das Zusammenspiel im Duett passte einfach wunderbar, trotz weniger Proben im Vorfeld. Alle waren begeistert! Was für ein tolles Erlebnis und welcher Mut von Lotti, sich das auch zu trauen. Thomas und ich waren mega stolz. Ein rundherum gelungener Abend. Vom Jubeln, Singen und Tanzen waren wir am nächsten Tag noch etwas angeschlagen aber das Erlebnis war einmalig und kann nicht getoppt werden.

Regenzeit!

Auch in Rwanda kann man sich auf das Wetter nicht mehr ganz hundertprozentig verlassen. Üblicherweise gibt es auch hier vier Jahreszeiten, beginnend mit der „kleinen Trockenzeit“ von Mitte Dezember bis Ende Januar“. Es folgt die „große Regenzeit von Mitte Februar bis Mai, in der ca. 45% der gesamten Jahresregenmenge fallen. Daran schließt sich die „große Trockenzeit“ an, von Juni bis September und die Temperaturen steigen dann auf über 30°C. Das habe ich bereits hinter mir und es war gar nicht so anstrengend. Abschließend folgt noch einmal eine „kleine Regenzeit“ von Oktober bis Mitte Dezember.

Somit befinden wir uns jetzt in der „kleinen Regenzeit“. Allerdings, was soll ich sagen…von KLEIN kann an manchen Tagen hier nicht mehr die Rede sein.
Es ist, als ob der Wettergott uns zeigen wollte, was alles geht. Von einer Sekunde auf die andere ziehen sich die Wolken zusammen, ein heftiger Wind-fast Sturm-kommt auf, die großen Palmen schwingen bedrohlich hin und her und es wird dunkel. Meist folgt ein extremes Wetterleuchten und lautes Donnern und dann beginnt es auch schon so stark zu regnen, dass sich ein Schirmaufspannen nicht mehr lohnt. Man kann sich nur noch schnell irgendwo unterstellen und WARTEN. Manchmal hat man Glück und genauso schnell ist der Wetterspuk wieder vorbei, die Sonne strahlt und alles trocknet in Windeseile. Die Wege schauen aus, als sei gar nichts passiert. Aber es kann auch etliche Stunden dauern, bis sich das Wetter beruhigt hat und man wieder vor die Tür treten kann.

Gerade heute ist ein Platzregen niedergegangen, der so stark war, dass die Regentropfen wie Hagelkörner beim Aufprallen geklungen und einen richtig sichtbaren „Vorhang“ gebildet haben. Es war ein ohrenbetäubender Lärm. Über die ohnehin schon unebenen rostroten Sandwege flossen Wassermassen, die weiterhin alles ausspülen und mit sich reißen, was nicht befestigt ist. Die Luftfeuchtigkeit ist so hoch und die Wolken so niedrig, dass ich nicht über unseren Gartenzaun schauen konnte. Mein täglicher „Yogaausblick“…verschwunden!

Unsere Fenster sind dreigeteilt und nicht alle verschließbar. Die jeweils oberen Bereiche sind nur mit Lamellen versehen und sollen ein klein wenig Luft bringen, ohne dass man die Fenster öffnen muss (Moskitoschutz). Durch einige dieser Fensterschlitze hat es heute sogar reingeregnet und der rostrote Staub lief die Wände herunter. Nur gut, dass der Farbanstrich an den Wänden abwischbar ist.

Obwohl es schon wieder aufgehört hat zu regnen, fließen in den seitlichen, gemauerten Straßengräben noch immer die überflüssigen Wassermassen ab. Etliche Nachbarn schieben mit gummierten Besen das nicht abfließende Wasser im Hof auf die Rasenflächen. Das kann ich von unserem Bad aus beobachten, da wir etwas erhöht wohnen. Auch unser Security-Mann hat vollauf zu tun. Ein Abflussrohr hinter unserem Haus ist verstopft oder vielleicht auch einfach nur zu klein und so steht auch bei uns das Wasser knöcheltief.

Kleine Regenzeit

Generell sind jedoch die Temperaturen auch in der Regenzeit sehr angenehm bei ca. 20°C.  Damit lassen sich die unerwarteten Wassermengen doch ganz gut verkraften. Sie sind mir jedenfalls lieber, als mehrere nass-kalte, vernieselte und dunkle Novmebertage in Deutschland. Daher schicke ich ganz viel Licht und Wärme in die Heimat.

Mein Alltag

Die Zeit am Tag vergeht. Manchmal weiß ich gar nicht, wie sie so schnell vergangen ist. Daher auch für mich eine kleine Rekapitulation:

Pünktlich 6:30 Uhr klingelt der Wecker. Schließich muss wenigstens einer in der Familie arbeiten. Ich bin es nicht! Trotzdem stehe ich mit auf und setze in der Küche auf dem Gasherd mit einem Wasserkessel das Kaffeewasser an. Wenn der Kessel pfeifft und der Kaffee gebrüht ist, haben Thomas und ich ca. 40 gemeinsame Minuten. Wir besprechen die Tagesplanung oder machen uns schon Gedanken fürs Wochenende. 7:30 Uhr ist dann für Thomas Aufbruch ins Büro. Dazu nutzt er bei schönem Wetter das Motorrad und in der Regenzeit fährt er mit unserem klapprigen Land Rover.

Seit ich in Kigali bin, habe ich mich wieder stärker mit Yoga angefreundet. Da ich nicht mehr in dem Umfang wie bisher gewohnt, unterwegs bin, tut etwas mehr gezielte Bewegung ganz gut. Also hatte ich gleich in den ersten Tagen nach meiner Ankunft eine Yogamatte gekauft. Täglich gegen 8:00 Uhr rolle ich diese nun aus und beginne ganz aktiv und sportlich meinen Tag. Dazu rufe ich mir Übungsvideos über YouTube auf, die ich anfänglich nach der Laufzeit ausgewählt habe. Ich hatte keine Ahnung, was die unterschiedlichen Yoga-Arten beinhalten. Mal war es mehr Ohhm und mal krasse Akrobatik mit Dehnungen vom Feinsten. Das geht für mich beides (noch) nicht und daher musste ich die Suche schon etwas intensivieren. Nun habe ich Vinyasa-Flow-Yoga gefunden. Das passt generell ganz gut, selbstverständlich auch hier mal mehr und mal weniger, denn der „Flow“ kann schon ganz schön anstrengend sein mit seinen „herabschauenden einbeinigen Hunden“ und halben Schildkröten“ aber auch „Bäume“ und „Tauben“ sind nicht ganz ohne! Dabei sollte man auch immer noch im passenden Rhythmus atmen, so dass der Flow auch richtig zur (Aus) Wirkung kommt. Na ja, Übung macht die Meisterin. Ich bleibe dran und merke schon jetzt, wie mir die Übungen auf alle Fälle gut tun!

Bei alledem habe ich einen gigantischen Ausblick über das Nachbardorf. Der entschädigt manchmal für die eine oder andere Schweißperle. Außerdem gibt es im Anschluss zur Belohnung einen gesunden und frisch zubereiteten Smoothie. Das hat Lotti immer übernommen. Gestern ist sie wieder nach Berlin zurückgeflogen und nun fehlt mir nicht nur der grüne Smoothie!

Nachdem alle Gelenke gelockert und die Sehnen gedehnt sind, beginne ich mit der Hausarbeit. Obwohl wir zweimal wöchentlich eine Haushaltshilfe für ein paar Stunden haben, bleibt noch ausreichend zu tun. Das liegt unter anderem auch daran, dass gerade um unser Haus herum alle Straßen und Wege aufgerissen sind, in der Absicht, sie zu begradigt oder zu befestigen. Das bedeutet jedoch erst einmal nur Baulärm, Sand und Staub oder bei Regen mehr Schlamm und größere Pfützen!

Auch ein Einkauf steht einmal in der Woche an. Dann laufe ich wahlweise ca. 1 Stunde bis zu einem der stadtbekannten „Simba Supermärkte“ oder 1,5 Stunden zum Expat-Supermarkt „Frulep“. Sofern ich noch Wasserkanister oder mal eine neue Gas-Kartusche besorgen muss, brauche ich das Auto aber auch nur für eine kurze 15 Minuten Fahrt an die übernächste Straßenecke zum Händler unseres Vertrauens.

Unterdessen habe ich auch ein Stammcafé. Das „Lamane“ ist eine Bäckerei und liegt ca. 45 Minuten zu Fuß von unserem Haus entfernt und auch gleich neben einem kleinen Reinigungsservice. Dorthin bringe ich die Business-Sachen von Thomas und verbinde so das Angenehme mit dem Nützlichen! Ein leckerer afrikanischer Kaffee geht immer!

An manchen Tagen folgt dann am Nachmittag der Gang ins Fitness-Studio oder ich sitze über der Literatur meines Fernstudiums oder brüte über den Prüfungsaufgaben. Leider ist mein Tolino-Reader gleich in der ersten Woche kaputt gegangen, so dass ich aktuell keine erbauliche Urlaubslektüre auf der Terrasse schmökern kann. Nach Weihnachten wird sich das auf alle Fälle ändern, denn dann nehmen wir das Ersatzgerät (Garantie hat noch bestanden) wieder mit nach Kigali.

Selbstverständlich wird im Tagesverlauf auch das gemeinsame Abendessen
vorbereitet. Dazu konnte ich in den letzten Wochen den eigenen grünen Salat und unterdessen die ersten Tomaten im Garten pflücken. Alles andere an Obst und Gemüse kaufen wir im Supermarkt oder manchmal auch auf dem lokalen Markt gleich um die Ecke.

Basilikum-Öl mit Knoblauch und Gewürzen können wir auch selbst hergestellt, da wir nun auch frischen Koriander, Spinat, Basilikum und Petersilie im Garten haben. Der Weißkohl ist leider nicht so gut gewachsen. Nur wenige Kohlköpfe konnten wir bisher ernten und zubereiten. Unser Gärtner hat die zweite Bepflanzung vorgenommen und Karotten, Paprika und erneut grünen Salat gesät. Ich bin gespannt, wann da die ersten sichtbaren Ergebnisse kommen.

Zwischen 18:30 und 19:00 Uhr kommt Thomas nach Hause. Dann werten wir die kulturellen Besonderheiten im Arbeitsleben aus, planen unsere Wochenendausflüge, Treffen mit Kollegen und Freunden oder schauen Nachrichten und Videos. Zuletzt haben wir „Hotel Rwanda“ gesehen, einen authentischen Film über die furchtbaren Ereignisse 1994. Das Hotel ist in Kigali sogar wieder in Betrieb und wir sind in der Innenstadt schon das eine oder andere Mal daran vorbei gefahren. Unvorstellbar, was da passiert ist! Dienstags ist im „Goethe-Institut“ in der Innenstadt Filmabend. Es werden Deutsche Filme mit Untertiteln gezeigt, so dass sich ein buntgemischtes Publikum einfindet. Bisher haben wir das Angebot dreimal genutzt. Derzeit laufen spezielle Filme, die sich mit der Deutschen Wiedervereinigung, dem Mauerfall etc. beschäftigen. Alles anlässlich unseres Nationalfeiertages im Oktober!

Und so vergeht halt die Zeit. Mal spüre ich mehr von dem fehlenden Arbeitsleben und mal ist der Tag gut ausgefüllt und ich bin zufrieden. Ab und an übernehme ich ja auch Beratungstätigkeit für Projekte oder bereite den zweiten Teil des Inklusions-Hackathons vor.
Somit entdecke ich nicht nur sportlich Neues sondern auch inhaltlich. Mit der Länge unseres Aufenthaltes wird sich zeigen, ob die bisherige Beschäftigung ausreichend für mich ist oder ob ich mich doch noch einmal anderweitig umschauen muss. Bis Weihnachten bin ich bestimmt noch gut versorgt. Jetzt fliegen wir erst einmal eine Woche nach Indien und besuchen unsere Gastfamilie mit ihrem zweiten neugeborenen Stammhalter. Ich werde später berichten.

Sport frei!

Nur 10 Minuten fußläufig von unserem Haus befindet sich das „Tequila Paradise“. Das ist nicht nur eine Bar, in der es Cocktails gibt. Vielmehr kann man an diesem Ort großzügig Familienfeiern, Hochzeiten etc. ausrichten (lassen).
Auf dem Gelände gibt es eine große Spielwiese sowie einen großen Kinderspielplatz mit Trampolin, fahrbaren kleinen Autos und Motorrädern, Seil-Klettergerüst, Wippe, Schaukel, Rutsche…also alles was ein Kinderherz höherschlagen lässt.
Außerdem kann man in einem Pool baden. Schwimmen können allerdings die wenigsten Rwandaer*innen. Wo sollten sie es auch lernen? Das Meer ist nicht in Reichweite und der Besuch von Schwimmhallen gehören nicht zum Grundschulunterricht. Vielmehr legt man dort Wert auf Ballsportarten und ganz besonders auf Fußball.
Zur Ausstattung des Tequila-Paradise-Areals gehört auch eine großflächige Mehrzweckhalle mit bodentiefen Fenstern. Sie wird je nach Anlass festlich geschmückt und ausgestaltet.

Damit auch für alle Gästen ausreichend und umfassend gesorgt ist, kann man Massagen buchen, einen Saunagang wagen und in einem kleinen Fitness-Studio die am Buffet angefutterten Pfunde der vortägigen Familienfeierlichkeit abtrainieren. Für 2,00 EUR erhält man ein Tagesticket und für 22,00 EUR ein Monatsticket und kann sich auch als Anwohner*in sportlich betätigen. Sauna und Swimmingpool kosten jeweils 2,00 EUR extra.

Auf den ersten Blick schaut der Fitness-Geräteraum gut ausgestattet aus, bis man feststellt, dass einige Geräte nicht oder nur eingeschränkt nutzbar sind. Der Baudenzug ist gerissen, der Sitz lässt sich nicht mehr verstellen oder eine Halterung fehlt. Teilweise sind die Gewichte noch unterschiedlich große Zahnräder einer alten Maschine. Einige Sportgräte z. B. die Beinpresse sind aus Stahlteilen selbst zusammengeschweißt und verfügen über das TÜV-Zertifikat „Nutzung auf eigene Gefahr“. Trotzdem ist die Stimmung toll. Musik dröhnt aus den Boxen, dass die Fenster klirren. Brian, der Trainer, stellt sich gleich bei meinem ersten Versuch sportzumachen vor und erklärt, dass ohne seine Anleitung und ohne einen Trainingscoupon hier gar nichts geht. Na da bin ich ja froh! Hätte sonst nicht gewusst, wie ich das teilweise exotische Equipment bedienen soll. Nach meiner ersten Trainingseinheit von einer reichlichen Stunden bin ich platt und weiß, dass ich am nächsten Tag nicht ein Körperteil mehr bewegen kann. Brian wollte wohl einer Muzungu mal zeigen, was sportmachen bedeutet. Hat er geschafft! Und ich wollte wohl zeigen, dass auch eine Muzungu Sport machen kann! Touché! Er war erstaunt und ich fertig! Seither trainiere ich regelmäßig und auch Lotti war in den letzten 6 Wochen immer mit dabei.