Heute wollten wir am Sonntag in‘s Kino nach Sangola, auch wenn wir bestimmt Probleme mit dem Verständnis gehabt hätten. Das Kino ist ewig weit außerhalb. Man fährt über eine staubige Landstraße vorbei an vereinzelt hingespuckten Wellblechhütten und noch nicht ausgewachsenen Bauwerken bis man irgendwo im Nirgendwo auf ein riesiges Multiplexkino stößt, dass Sonntags leider geschlossen ist. Wir hatten eigentlich vorgehabt, die Mittagshitze schön klimatisiert im Kino zu verbringen und standen nun in der brutzelnden hirnwegschmelzenden Hitze mitten in der Pampa. Wir haben uns dann zu Fuß ein wenig durch das staubige Gelände gewagt und stießen hinter einem Damm auf eine grüne Gemüseplantage, verbunden mit einem riesigen Bewässerungssystem. Inzwischen hat man angefangen, hier Wasser als Bodenschatz abzubauen. Wer auch immer etwas Geld zusammenkratzen kann, bohrt ein paar 200m tiefe Löcher – und wenn Strom da ist, gibt es auch Wasser.

Der Effekt ist gewaltig, wie man auf den Bildern sehen kann. Auf der einen Seite wüstes Brachland – auf der anderen Seite blühende Landschaften.

Der Tag begann heute mit einer erneuten Zeremonie. Der serpanch (Dorfvorsteher) von Alegaon hatte extra zu unserer Begrüßung dazu eingeladen. Allerdings waren nur männliche Vertreter unserer Gastfamilie Babar gebeten worden zu kommen. Demnach war Thomas diesmal die Hauptperson und musste Teile der Zeremonie übernehmen. Wir bekamen beide den uns schon bekannten orangefarbenen Turban und durften als besondere Ehre das Innere des Tempels betreten und dort beten. Das Heiligtum wird normalerweise nur von Tempelverantwortlichen betreten. Selbstverständlich musste Thomas eine kurze Rede halten, auf englisch und auf deutsch. Die Herren wollten unsere Muttersprache einfach mal hören. Dass wieder zahlreiche Fotos gemacht wurden, brauche ich eigentlich nicht erwähnen.

Auch den zweiten Teil des Tages, unseren Workshop mit den Lehrern, haben wir in 2 Stunden gut geschafft. Zwar konnten wir nicht mit unserer vorbereiteten PowerPoint Präsentation starten, da der Strom gerade dann wieder ausfiel. Damit hatten wir jedoch gerechnet und waren auch anderweitig gut vorbereitet! Der typische Plan B für deutsche Projektmanager.
Da das englische Sprachniveau der einzelnen Lehrer sehr unterschiedlich ist, musste oft in Marathi übersetzt werden. Jeder Lehrer musste je 3 positive und 3 zu verbessernde Inhalte im Schulalltag aufschreiben und diese dann vor den anderen Kollegen/innen vorstellen. So eine offene Kommunikation ist eher untypisch. Ich hatten den Eindruck, dass es für einige der Frauen noch etwas schwieriger war, vor den anderen (Männern) zu sprechen. Aber sie brachten gute Inhalte. In der Kommunikation der Männer ist mir aufgefallen, dass sie überwiegend zu uns und weniger zu den (weiblichen) Kolleginnen gesprochen haben. Auf Fragen wird sehr schnell zugestimmt, „Yes, yes…“ oder „Ha, ha…“ in der Muttersprache. Dabei wird aber der Kopf geschüttelt! Obwohl ich diese konträre Verhaltensweise kenne, bin ich immer mal wieder verunsichert und werde stutzig. Zweimal kam eine Diskussion in der Muttersprache auf zu einem Thema, welches unterschiedlich, also positiv und negativ, von den Lehrern bewertet wurde. Da mussten wir dann deutlicher strukturierend eingreifen. Ansonsten lief alles ganz prima. Strom war auch nach einer gewissen Zeit wieder vorhanden und so verlief alles zu unserer Zufriedenheit. Wir haben auch Ergebnisse erzielt. Diese müssen jedoch jetzt schrittweise in 5 Arbeitsgruppen umgesetzt werden. Das wird, aufgrund anderer Vorstellungen von Pünktlichkeit und Disziplin, eine weitere Herausforderung für alle!

Lektion gelernt

Unterdessen haben wir vier Unterrichtstage miterlebt und morgen, Samstag ist auch noch ein Schultag. Das System kennen Thomas und ich teilweise auch noch aus unserer Schulzeit.
Am ersten Tag waren wir erstaunt, ja teilweise schockiert, was hier Unterricht bedeutet. Nach vier Tagen haben wir unsere Lektion jedoch gelernt! Die Bedingungen unter denen die Lehrer ihren Unterricht gestalten und die Schüler lernen müssen, sind um ein vielfältiges härter, als man es sich nur ansatzweise vorstellen kann. Alle Klassen bzw. Jahrgänge-angefangen von der Kita bis zur 8. Klasse-sind mit 10 bis 16 Schülern in kleinen, überdachten halbwandigen Räumen untergebracht. Wunderbar denkt man, dann kann in der Hitze ja etwas Luft zirkulieren. Stimmt! Allerdings ist der Geräuschpegel dadurch auch gigantisch. Man hat an jedem Klassenraum immer mind. 2 angrenzende Räume, in denen lautstark andere Unterrichtseinheiten abgehalten werden. Liest in der 7. Klasse z. B. gerade jeder Schüler leise für sich einen englischen Text, singt dahinter die Kitagruppe, nebenan referieren die Schüler der 6. Klasse in Marathi und auf dem Hof toben die Kids der Lehrerinnen, die (noch) nicht in die Einrichtung aufgenommen wurden. Auf dem Gang unterhält sich ein Lehrer mit dem Schulleiter in Hindi, der Hausmeister scheppert mit Wasserkübeln durch angrenzende Flure und Schulhelferinnen kehren singend den Abstellraum. Ich bin komplett überfordert! Ich höre alles und verstehe doch gar nichts!

Ausversehen hatte ich gestern in der 7. Klasse Interesse an ihrer Yoga-Stunde bekundet. Das hatte ich mir wohl nicht gut überlegt. Pünktlich 12 Uhr ging heute die Tür des Klassenzimmers auf, in dem wir gerade versuchten, dem Unterricht zu folgen. Ich wurde mit strahlendem Lächeln von einer Schülerin eingeladen, nun Yoga mitzumachen. Ich konnte auf keinen Fall ablehnen! So saß ich in der größten Mittagsglut mit 3 Schülern und 4 Schülerinnen auf einer überdachten kleinen Terrasse im Schneidersitz. Schnell wurde klar, dass meine bisherigen Yogastunden (immerhin 1 Jahr) diesen Anforderungen nicht genügen würden aber ich gab mein Bestes: dehnte, atmete und Omm´te, was auch immer möglich war. Zur Freude aller versteht sich und mit Fotoaufnahme durch den Schulleiter. Klassenbeste war ich natürlich nicht!

Thomas und ich sind jedoch nicht nur in der Schule präsent. Diese erste Woche war zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Kontakte knüpfen. In Indien läuft alles sehr hierarchisch. Ohne bestimmte Personen geht einfach gar nichts. Man muss immer bedenken, den Schulstifter zu fragen, danach erfolgt noch die Abstimmung mit dem Schulleiter, im besten Fall auch noch mit dem Schuladministrator und selbstverständlich mit dem Lehrer. Gott sei Dank, kennt Thomas das System schon. Ich hätte sicherlich zahlreiche Fettnäpfchen erwischt.

Unsere Aufgabe ist es, die Schule finanziell sicherer zu stellen ( neue Web-Site für spendende Unterstützer), die Unterrichtseinheiten zu verbessern und die Sichtbarkeit der Schule in der einheimischen aber auch in der internationalen Öffentlichkeit zu erhöhen. Eine RIESEN Aufgabe. Aber ich reise ja mit meinem persönlichen Profi-Projektmanager und gemeinsam haben wir unter Beachtung aller Hierarchien eine Plan gemacht, der nun noch Struktur bekommen soll. Dazu veranstalten wir morgen mit den 12 Lehrern, dem Schulleiter und dem Schuladministrator einen mehrstündigen Workshop. Wir wollen versuchen, aus der Lehrerschaft für die Zielerreichung tragfähige Ideen zu generieren. Nur dann werden diese auch praktisch im Alltag umgesetzt. Es gibt nur ein Problem…das ist ein typisch deutsches Vorgehen, mit Struktur und Flipchart, Witheboard, Kartenmaterial, Brainstorming…na ja mit den ganzen Moderationsmodulen. Wir haben keine Ahnung, ob das hier „wirkt“ also ob das System der offenen Meinungsäußerung und der selbstkritischen Reflexion möglich ist. Sicher ist, dass der Workshop morgen richtig schwer für uns wird. Alle Lehrer sind total motiviert und freuen sich, mit uns was zu machen. Ha, noch wissen Sie ja nicht, was morgen auf sie zukommt. Viele haben heute nach der Schule gemeinsam mit uns den Raum für morgen vorbereitet. Die Gesichter hättet ihr sehen müssen… Pinnwand? Großflächiges Papier? Flipchart? Textmarker? Beamer? Letzteres haben wir, alles andere ist total improvisiert. Erstaunlich, was man alles anders als ursprünglich gedacht nutzen kann. Ich muss an mein Väterchen denken: „ …erst brauchen wir eine vernünftige Ausrüstung und dann fangen wir an…“ So funktioniert hier gar nichts! Ausstattung? Kann doch alles irgendwie verwendet werden und was wir nicht haben, können wir auch nicht nutzen, also Improvisation ist hier das A und O!

Ich bin sehr gespannt auf den Workshop und ob es uns gelingt, die doch etwas träge Masse zu aktivieren. Auf keinen Fall wollen wir als die besserwissenden Europäer daherkommen und jahrelange gute Aufbauarbeit kritisieren. Und trotzdem müssen bestimmte Dinge angesprochen werden, die die Routine der Lehrerschaft unterbrechen werden. Das ist unser Auftrag, dafür wurden wir eingeladen. Morgen geht es also richtig los. Bitte alle Daumen drücken!

Internationaler Frauentag in Indien

Jeder Schultag beginnt 8:30 und endet 12:50 Uhr. Unsere Arbeitszeit!
Es ist kaum zu glauben, heute am 8. März wird hier der Internationalen Frauentag richtig und ganz offiziell gefeiert. Alle Mädchen wurden gestern bereits aufgefordert, in festlichem Sari zur Schule zu kommen. So durfte auch ich nicht europäisch angezogen erscheinen. Gott sei Dank hatte ich bereits in Pune von unserer dortigen Gastfamilie traditionelle Sachen mitbekommen, die nun gleich zum Einsatz kamen.
Als Frau und noch dazu als Europäerin, war ich die Hauptperson der Zeremonie. Was ich natürlich nicht wusste und auch in dem anstehenden Umfang bzw. mit dieser Wichtigkeit nicht geahnt hatte. Thomas bekam zwar auch extra einen orangefarbenen Turban verpasst aber mir wurde die Ehre zuteil, die Zeremonie abzuhalten unter verbaler Anleitung des Schulstifters (Baba). In größter Hitze das Richtige tun und das Falsche unterlassen vor den Augen von 200 Schülern und 12 Lehrern und noch etlichen Schulhelfern sowie Neugierigen das war eine Herausforderung. Unzählige Male wurden wir fotografiert. Ich musste ständig wegen des grellen Sonnenlichtes (ohne Sonnenbrille) blinzeln und daher dauerte das Fotografieren noch länger. Bereits nach den ersten Fotos war ich fix und alle.
Danach referierten 5 Schülerinnen aus der 7. Klasse in englisch kurz zu jedem Frauenbild wichtige Lebensdaten zur Person. Anschließend sollte auch ich spontan ein paar Worte zur Wichtigkeit dieses Tages und zu den neuen Errungenschaften für Frauen sagen. Gar kein Problem! Das mache ich doch in englisch jeden Tag… mir wurde noch heißer! Aber einige allgemeine Sätze habe ich dann doch geschafft! Somit war das Thema Frauenrechte bzw. die Rolle der Frau gleich am dritten Tag abgehandelt und eine an mich gestellte Anforderung erreicht.

10:30 Uhr sind wir von Baba ins Dorf zum Tempel begleitet worden. Uns wurde ein Motorrad zur Verfügung gestellt, damit wir ein wenig Fahrtwind bekommen. Der Weg ins Dorf ist nicht weit, wäre zu Fuß von der Schule auch möglich gewesen aber wie gesagt, bei diesen enormen Temperaturen, bewegt sich eigentlich niemand. Also absolvierten wir erneut in größter Hitze das gewünschte Mittagsgebet und das ganze Dorf war zufrieden und hatte uns nun auch einmal life gesehen und nicht nur von uns gehört.

Das reichte jedoch an Ereignissen noch nicht aus. Gerade heute wurde auch noch das 100-jährige Bestehen des örtlichen Kreditinstitutes (Dorfbank) gefeiert. Also ging es 12 Uhr erneut ins Dorf zur nächsten Zeremonie. Auch hier war ich kurz Teil der Zeremonie und es folgten gefühlte 100 Fotos. Jeder aus dem Dorf musste, wollte und sollte mit uns aufs Bild. Mein Lächeln wurde verkrampfter, die Schweißtropfen rannen den Rücken runter und die Performance hörte schier nicht auf. Zum krönenden Abschluss wurde uns und allen anderen Teilnehmenden ein Becher Tee gereicht und es gab etwas Brot, kleine gründe Pepperoni und einen frittierten Kartoffelball (den indischen Namen dafür habe ich schon wieder vergessen). Alle waren nun gespannt, was wir mit den Pepperoni machen würden. Thomas hatte damit gar kein Problem und ich knabberte Mikro- nein Nanostückchen und freute mich, dass mir nicht die Tränen in die Augen schossen. Gut für Magen und Darm, dachte ich…und nur weg damit!

Wie selbstverständlich werden wir in alles einbezogen. Das ist manchmal anstrengend, da die Kommunikation in englisch nur mit wenigen Personen möglich ist. Hindi sprechen wir nur ein paar wichtige Sätze bzw. Worte und Marathi (separate Sprache in Mittelindien) gar nicht.
Es war ein toller Tag mit vielen Eindrücken. Jetzt freue ich mich aber auf den Nachmittag: entspannt im Schatten vor dem Haus sitzen und NICHTS machen, nur Wasser trinken und darauf warten, dass das leckere Abendessen fertig ist. Fein!

Nun sind wir eine Woche in Indien und Magen und Darm sind (noch) in Ordnung. Während wir in Mumbai noch relativ milde Gerichte bekommen haben, nimmt die Schärfe jetzt von Tag zu Tag zu. Unser Besucherbonus scheint aufgebraucht, wir sind in die Familie aufgenommen und bekommen „keine extra Wurst gebraten“ und das im wahrsten Sinne. Die Schwiegertochter bekocht alle und muss daher früh als Erste aufstehen (4:30), da die Männer aufs Feld und zu den Tieren müssen. Sofern es dann der unterschiedliche Arbeitsalltag in der Landwirtschaft und in der Schule zulässt, essen wir gemeinsam mit der Familie. Morgens gibt es Grieß oder Reis mit gerösteten Erdnüssen, Koriander und zahlreichen anderen Gewürzen.

Wasser gibt es zu den Mahlzeiten offiziell nicht. Wir brauchen das jedoch, schon wegen der zu erwartenden Hitze. Ansonsten wird immer nur ca. eine halbe Stunde vor dem Essen getrunken, da bekommen alle gesüßten Schwarztee mit Milch.
Mittagessen entfällt für uns aufgrund der Hitze. Wir bekommen ohnehin keinen Bissen runter und trinken literweise Wasser. Zu Hause schaffe ich es oft nicht einmal, einen Liter zu trinken aber hier kann es nicht genug sein!
Das Abendessen wird für jeden auf einem kleinen runden Tablett mit einem etwas höherem Rand serviert. Darauf stehen zwei bis drei winzige Schüsseln, in denen sich eine Sauce, gedünstetes Gemüse oder ein Curry befinden. Alles unterschiedlich scharf. Außerdem sind auf dem Tablett Chapati (Fladenbrot) und verschiedene kleine, ebenfalls sehr unterschiedlich scharfe Gewürzhäufchen angerichtet. Alles wird irgendwie mit den Inhalten der kleinen Schüsseln „vermanscht“. Man hat darauf zu achten, nur und ausschließlich die rechte Hand zu benutzen. Ich schaffe das bisher nicht und muss nach einem Löffel fragen. Das trägt oft zur Belustigung aller bei. Thomas isst fast wie ein Einheimischer und bekommt daher auch schneller immer wieder Nachschlag. Ich versuche das „Fingerfood“, nutze jedoch irgendwann immer den Löffel.
Die Lebensmittel für die Mahlzeiten kommen alle aus Eigenanbau und sind absolut biologisch. Was nicht auf natürliche Art und Weise wächst, gibt es nicht. Somit ist die Vielfalt auf dem Land, im Gegensatz zu Mumbai, doch sehr eingeschränkt. Aber alles ist immer richtig lecker und nicht nur salzig sondern phantastisch gewürzt. Auch hier bleibt abzuwarten, wie ich das in einigen Wochen oder gar Monaten einschätze.

Um unsere Gastfamilie zu unterstützen, waren wir am Spätnachmittag mit dem Motorrad auf einem lokalen Lebensmittelmarkt ca. 30 Minuten von unserem Farmhaus entfernt. Der Geruch auf dem Markt… unbeschreiblich! Fisch und Fleisch auf engstem Raum bei Temperaturen von immer noch 30 Grad.
Wir wollten Hühnchenfleisch kaufen, da sich das die Familie nicht leisten kann. Sofort bekamen wir ein lebendes Huhn angeboten aber was sollten wir damit auf dem Motorrad. Also wurde fix ein herumhängendes, ausgenommenes blutiges Huhn in kleine Einzelteile zerhackt und in eine Plastiktüte gestopft. Ich bin nur nicht zusammengebrochen, da ich durch meinen Schnupfen starkes Eukalyptusöl unter der Nase hatte, das war meine Rettung!
Außerdem wollten wir auch noch Obst, Gemüse und Wasser kaufen. Alles haben wir bekommen und um den Preis gefeilscht, wie die Profis. Zum Schluss hatten wir von allem und so viel, dass der Rücktransport mit 10 Liter Wasserflaschen und einem vollen Rucksack auf dem Rücken eine kleine Herausforderung war.
Bin gespannt, wie weitere Einkäufe ablaufen und ob ich mich auch daran gewöhnen werde.