Die Zwillingsseen von Musanze

Den Norden Rwandas hatten wir bisher noch nicht erkundet. Daher fuhren wir an einem Wochenende nach Musanze, Hauptstadt des gleichnamigen Districts. Sie liegt ca. zwei Autofahrtstunden von Kigali entfernt und ist Ausgangspunkt für Besucher des Vulkan-Nationalparks. Zum einen kann man gigantische Wanderungen in der Bergwelt der Virunga-Vulkane unternehmen. Zum anderen sind auch die beiden so genannten Zwillingsseen „Ruhondo“ und „Burera“ in einer beeindruckenden Wanderung sehenswert. Wir hatten uns für letzteres entschieden und einen Wanderführer, der gleichzeitig als Vogelkundler für spezielle Touren gebucht werden kann, engagiert. Ohne professionelle Begleitung kann man diese Wanderung selbstverständlich auch unternehmen. Doch wir wollten bewusst den Rwandischen Tourismus nach 3 Monaten des Lockdowns unterstützen. Dafür sollten wir belohnt werden, denn es wurde eine spannende Tagestour, bestehend aus einer guten Mischung zwischen Vogelbeobachtung, wandern und Bootsfahrt auf einem der Seen.

Am Freitagabend kamen wir in der „La Locanda-Lodge“ an und Ferdinand, unser Tourenguide stellte sich vor. Gemütlich saßen wir am Kaminfeuer und besprachen die bevorstehende Tour. In Musanze ist es abends um einige Grad kälter als in Kigali und dunkel ist es ohnehin ganzjährig ab 18:00 Uhr, daher waren wir für das Feuerchen sehr dankbar. Ein wenig wurden wir an einen Herbstabend in Deutschland erinnert, als es dann auch noch zu regnen begann. Na großartig! Wir wollten am nächsten Tag 8:30 Uhr zu unserer Tour aufbrechen und nun schüttete es erst einmal ordentlich. So schnell trocknet der Boden doch gar nicht und auf Matchwandern hatte ich gar keine Lust. Außerdem befanden wir uns bereits in 2000 Meter Höhe und der Aufstieg von weiteren 200- 300 Metern am nächsten Tag würde auch so für uns ungewohnt und anstrengend werden. Aber abwarten und Wein trinken!

Zum Ausgangspunkt unserer Wanderung wurden wir mit unserem Auto aber von einem jungen Mann gefahren. Man gönnt sich ja sonst keinen Chauffeur! Er würde uns am Ende des Tages wieder abholen, da ein Rundwanderweg in den Bergen nicht möglich war und wir aber auch nicht den gleichen Weg zurück laufen wollten. Was für ein unverschämter Luxus!

Bloss gut, dass unser Tourenguide ein Vogelnarr war und mit dickem Lexikon über die einheimische Vogelwelt zügig voranschritt. So bestand für uns immer mal die Chance, den teilweise doch recht steilen Aufstieg luftschnappend zu unterbrechen und interessiert nach dem einen oder anderen bunten Vögelchen zu fragen. Dann bekamen wir sogleich jedes Detail des Vogel von Schnabelstand, über Federfarbe, besondere Feder-Markierungen und nicht zuletzt Art, Gattung und Geschlecht erklärt. Es war unglaublich! Diese Vielfalt und die Farbenpracht! Auch wenn wir nur wenige der besonders prächtigen Exemplare vor die Fotolinse bekamen. Gesehen haben wir aus nächster Nähe den seltenen „Hammerkopp“ (so schaut er in der Tat auch aus), den „Kingfisher“ und sogar Aasgeier sowie leuchtend gelbe, blaue und rote Canaries.

Auf halber Strecke klingelte plötzlich das Mobiltelefon unseres Guides und wir wurden darüber informiert, dass unser Auto Öl verlieren würde. Das kann doch nicht sein! Das Kühlwasser läuft aus. Ja! Und irgendwelche unerklärbaren Lampen leuchten abwechselnd während der Fahrt auf dem Display. Ja! Aber Öl? Das hatte gerade noch gefehlt! Wo sollten wir denn jetzt am Wochenende eine Werkstatt auftreiben, um am Sonntag unbeschadet und sicher nach Kigali zurückfahren zu können. Ferdinand versprach, zu helfen und einen Kumpel dessen Kumpel… Na ja, so genau müssen wir es dann doch nicht wissen.

Die Ausblicke über die Berge und die beiden Seen waren wieder einmal atemberaubend. Man kann sich einfach nicht satt sehen und hinter jeder Weggabelung ist man erneut versucht, dass x-te Berg- oder Seenmotiv aus einer vermeintlich noch viel schöneren Perspektive aufzunehmen. Ach pack doch die Kamera einfach weg! Aufsaugen und genießen!

Am Ende unserer 18 km langen Wanderung hatten wir die komplette einheimische Tier- und Pflanzelwelt kennengelernt, hatten einer englisch-sprechenden Mädchengruppe geholfen, ihr rückwärtig abgesacktes Auto aus einem Loch zu ziehen und jeder von uns hatte zum Mittag einen gegrillten Tilapia-Fisch verspeist. Zufrieden nach all diesen Erlebnissen kamen wir gegen 18:00 Uhr zurück in die Lodge.

Unsere Autoreparataur war für Sonntag morgen 8:00 Uhr geplant. Nach dem Frühstück fuhren Thomas, unserer Fahrer vom Vortag und sein Freund in eine „Autowerkstatt“. Dort saß Thomas dann vier Stunden lang fest, um die Reparaturarbeiten zu beaufsichtigen. Das war uns so von unserem Guide empfohlen worden. Und es schien nicht die schlechteste Empfehlung zu sein. Dieses Mal lief alles wunderbar und die zahlreichen Macken unseres Land Rovers wurden mehr oder weniger alle beseitigt oder durch andere ersetzt. Allerdings hätte der Ölfilter erneuert werden müssen. Er war zerbeult und hatte Risse. In Ermangelung eines neuen, wurde der alte gelötet und wieder eingebaut. Aber halt! Thomas konnte sich erinnern, dass bereits schon einmal der Ölfilter erneuert wurde und eigentlich ist er auch unter einer Schutzabdeckung eingebaut. Diese hatte jedoch nicht einen Kratzer. Wieso sah dann aber der „neue“ Ölfilter SO aus? Fragen über Fragen, die nicht mehr zu klären sind. Vermutlich wurde bei einer anderen Inspektion der neue Ölfilter bereits gegen einen gebrauchten ausgetauscht und wir hatten es natürlich nicht bemerkt. Egal! Die Reparatur war bezahlbar, die Jungs haben sich gefreut den Muzungus helfen zu können und ab ging die Fahrt zurück nach Kigali. Wir brauchten auch nur 1,5 Stunden. Rekordzeit! Also das Auto läuft wieder!

Schön war’s!

Auf den Hund gekommen

Ich gehöre zu den Menschen, die Hunde lieber mögen als Katzen. Warum, dass kann ich nicht so genau sagen. Es ist einfach so! Schon lange trage ich mich mit dem Gedanken, mir selbst einen Hund anzuschaffen. Ein Grundstück haben wir und die Hundeschule ist in Friedrichshagen auch nicht weit davon untfernt. Aber die Entscheidung für ein Haustier will weise und wohl überlegt getroffen werden. Schließlich hat so eine tierische Beziehung weitreichende Auswirkungen und Konsequenzen.

Das kann ich seit drei Wochen nunmehr gleich praktisch im Alltag erfahren. Mit unserem vorübergehenden Umzug in das Haus von Freunden, haben wir auch eine einjährige Hündin, um die wir bzw. ich mich kümmere, übernommen. Sie ist noch sehr verspielt, möchte bereits früh ab 6:00 Uhr im Garten toben aber da schauen Thomas und ich noch ganz verschlafen aus der Wäsche.

Unterdessen habe ich mich allerdings daran gewöhnt, beim ersten kleinen Jauler aufzustehen und Solange, so der Name der Hundedame, in den Garten zur Morgentoilette zu entlassen. Dann wird frisches Wasser und Trockenfutter bereitgestellt und erst danach ist Zeit für das eigene Kaffeewasser und meinen Mann. So ändern sich die Prioritäten (manchmal zum Leidwesen anderer :-)!

Tagsüber steht dann auch ein ausgiebiger Spaziergang mit Solange auf dem Plan und den sollte ich auf keinen Fall vergessen denn sonst wird gequengelt, bis ich mich von meinem Platz erhebe und das Notebook zuklappe. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob Solange wirklich eine Hündin ist. Sie ist dermaßen verschmust und kuschelt wahnsinnig gern. Bereits beim Frühstückskaffee im Liegestuhl auf der Terrasse springt sie zu mir auf den Schoß, schaut mich mit den sprichwörtlichen großen Hundeaugen an und legt ihren Kopf auf meinen Arm. Bitte kraulen, heißt es dann und der Kopf wird noch um einige Zentimeter in die Höhe gereckt.

Ich glaube, wir sind beide froh darüber, dass wir uns in der aktuellen Situation gefunden haben. Solange ist allein und vermisst ihre Besitzer-Familie und ich vermisse meine umfangreiche externe Tagesstruktur. Jede von uns erfüllt für die andere eine Aufgabe. Wir sind uns in der Tat Alltagsgefährtinnen und kümmern uns gegenseitig liebevoll umeinander. Das hat mich auf alle Fälle vor dem „Absturz“ in die inhaltslose coronabedingte Einsamkeit gerettet.

Jetzt kann ich auch viel besser verstehen, weshalb Hunde- und Katzenbesitzer manchmal „komisch“ auf mich wirkten und mit ihren Tieren zu verschmelzen schienen. Es entsteht eine ganz intensive Bindung und man wird Teil einer Familie.

Allerdings ist auch ganz klar, dass wir bei unseren Unternehmungen nun auch Solange berücksichtigen müssen. In Ruanda ist es nicht üblich, Hunde in Restaurants, Biergärten (gibt es ohnehin nicht), Cafés oder auf Reisen mitzunehmen. Einen Hund vor einem Geschäft anbinden und warten lassen, geht auf gar keinen Fall. Auch im allgemeinen Stadtbild sind Hunde sehr selten. Entgegenkommende Passanten weichen, sobald sie mich sehen, in respektvollem Abstand aus. Die täglichen Spaziergänge finden also nicht unbedingt eingebunden in meine Alltagsaktivitäten statt, sondern zu separaten Tageszeiten.

Planen wir einen Wochenendausflug, bitten wir einen der objekteigenen Security-Guards, sich um Solange zu kümmern. Er füttert sie dann und geht mit ihr spazieren. Dieser Guard ist jedoch gerada für drei Wochen auf „Heimaturlaub“, da er seine Familie coronabedingt seit März nicht mehr gesehen hat. Es muss also anderweitig sichergestellt sein, dass irgendeine bekannte Person für sie da ist. Das bringt eine gewisse Abhängigkeit mit sich, der man sich stellen muss. Alles in allem jedoch eine tolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte!

Silver Bells

Im nord-östlichen Stadtteil Kigalis, Kimironko, liegt „Silver Bells“, die einzige Schule Kigalis, die Kinder mit speziellem Förderbedarf aufnimmt. Zusätzlich zu 90 Schülern in den Jahrgängen der 1. bis 3. Klasse werden hier 29 autistische Kinder im Alter von 3 bis 10 Jahren beschult. Dafür stehen den Kindern und Angehörigen ca. 15 Männer und Frauen mit unterschiedlichen beruflichen und persönlichen Erfahrungen täglich von 7:00 bis 17 Uhr zur Verfügung.

Das jetzige Schulgelände und die sich darauf befindenden Gebäude sowie der Swimmingpool waren vor Jahren ein kleines Hotel. Eva, die Schulleiterin, hat das Objekt nach der Insolvenz vor 3 Jahren privat erworben und die Schule gegründet. Noch ist nicht alles entsprechend umgebaut, angepasst oder ausgestattet, doch das Potential und das Engagement sind groß.

Eva hatte zu mir Kontakt aufgenommen, da eine befreundete Arbeitskollegin von Thomas ihr von mir und meinen beruflichen Erfahrungshintergründen auf dem Gebiet der Assistenz und Inklusion berichtet hatte. Eva ist an einer Zusammenarbeit interessiert, obgleich sie noch keine konkrete Vorstellung diesbezüglich zu haben scheint.

Coronabedingt ist die Schule, wie alle anderen Schulen auch, bis Ende August geschlossen. Lediglich der Schulbereich für die Kinder mit speziellem Assistenzbedarf hat eine Sondergenehmigung zur vorzeitigen Eröffnung in der kommenden Woche erhalten. Daher war ich heute zum zweiten Mal in der Schule, um Kontakt zu den Lehrern, Schülern und den Eltern aufzunehmen. Außerdem wurden wir alle auf Covid 19 getestet. Was für eine Aufregung!

Sofern alle Beteiligten negativ auf das Corona-Virus getestet werden, beginnt ab 15.06. der Schulbetrieb. Ich soll als externe Beraterin erst einmal den derzeitigen Unterricht mit den Lehrern und Therapeuten evaluieren. Gemeinsam besteht danach die Möglichkeit das Schul- oder Bildungskonzept zu konkretisieren, Methoden einzuführen und die Angehörigen inhaltlich zu den Themen Behinderung, Inklusion sowie Alltagsassistenz zu informieren.

Ich bin sehr gespannt, wie sich dieser Kontakt entwickelt und welche Arbeitsmöglichkeit sich evtl. daraus ergibt. Es ist auf alle Fälle eine weitere Chance neben der Prozessgestalung für die Blutbank Rwandas, die ich gern ergreifen würde.

erster Ausflug nach dem Lockdown

Seit 02.06. können wir nun auch wieder überregional reisen und müssen uns nicht nur in Kigali die freie Zeit vertreiben. Diese Option haben wir dann auch gleich genutzt und sind am Wochenende nach Bugesera, 10 km von Kigali entfernt, gefahren. Dort gibt es ein großes Sumpfgebiet, durch das man wandern kann. Dessen Ausläufer ziehen sich bis vor unsere Haustür in Kicukiro. Daher waren wir ja auch schon einige Male zu Fuß in dem Gebiet, nun also noch einmal mit Übernachtung in der „Bugesera Lodge“.

Die Lodge wurde von Joselyne, einer Französin und ihrem Rwandischen Ehemann aufgebaut und unterdessen seit 5 Jahren erfolgreich geführt. Alles ist sehr persönlich und mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Die kleinen Ferienhäuser erinnern an traditionelle afrikanische Rundhütten, eine Herausforderung für die Inneneinrichtung. Es gibt eigentlich nur einen Raum, in dessen Mitte das Bett steht. Drum herum führt ein schmaler Gang, von dem ein jeweils halb-offener Dusch- und Toilettenbereich abgeteilt ist. Hm, in einigen Fällen ist das suboptimal!

Die kulinarische Versorgung übernimmt Joselyne selbst. Sie kocht und bäckt phantastisch, auf französische Art und Weise. Dabei gibt sie ihr Wissen und Können an einheimisches Servicepersonal weiter, das richtig stolz darauf ist, europäisch zu kochen und die Gäste damit zu verwöhnen. Selbstgemachte Marmeladen, Mixedpickles, Käseecken und leckere französische Weine bekommt man zu den Mahlzeiten gereicht. So fühlt man sich einerseits ein wenig wie in Joselynes Heimat, der Provence. Andererseits ist man von afrikanischer Inneneinrichtung, traditioneller Wanddekorationen und einheimischen Kunstgegenständen umgeben.

Mit Einbruch der Dunkelheit wird der Garten mit kleinen Gaslaternen iluminiert und auch im offenen Gastronomiebereich brennen zahlreiche Kerzen, Lichterketten sowie Steh- und Wandlampen. Es ist richtig gemütlich! Die vielen bunten Kissen und Decken, die die unterschiedlichen und ebenfalls zusammengewürfelten Sitzmöglichkeiten dekorieren, lassen eine ganz wunderbare Athmosphäre entstehen. Wir fühlen uns wohl und genießen die anregenden Gespräche mit Joselyne und amysieren uns über ihren lustigen englisch-französischen Akzent.

Die weiteren Gäste waren ebenso international, wie das Gastgeberpaar und seine Freunde. So lernten wir Joselyne Umutoniwase kennen. Sie ist Inhaberin von „Rwanda Clothing“ und eine international angesehene Modedesignerin. Sie hat bereits eine ihrer Kollektionen vor Jahren auf der Mailänder Modemesse präsentiert. Zahlreiche Interviews mit der internationalen Presse über ihr kreatives Business, die Selbständigkeit und ihre Rolle als Managerin und Mutter in einem afrikanischen Land wurden mit ihr geführt. Trotz ihres Erfolges ist die 32-jährige sehr bodenständig und spricht mit uns offen über ihr Leben, persönliche Krisen und anstehende Business-Herausforderungen aufgrund der Corona-Pandemie. Darüber hinaus ist Joselyne auch sozial engagiert. Sie arbeitet regelmäßig in Projekten mit einheimischen Frauen, um ihnen Bildung, Arbeit und damit mehr Selbständigkeit zu ermöglichen. Wir diskutieren über Entwicklungszusammenarbeit und den Sinn bzw. Unsinn von Fördergeldern ohne konkrete Zielkriterien und Kontrollinstanzen und finden in weiten Punkten große inhaltliche Übereinstimmung. Ihre aktuelle Projektidee steht im Zusammenhang mit Ausbildungsmöglichkeiten für junge Leute. Sie möchte ein Atelier einrichten, indem Jugendliche verschiedene handwerkliche Fähigkeiten ausprobieren können und gleichzeitig fachliche Anleitung erhalten, um mögliche Talente beruflich einsetzen zu lernen. Das ist u. a. auch ein Ziel der GIZ. Daher hatThomas selbstverständlich Vernetzungsoptionen angeboten.

Ein mitgereistes und befreundetes Ehepaar von Joselyn war auch in die Diskussionen eingebunden und ebenfalls sehr engagiert. Alice ist Rwandarin und im Vorstand von RDB (Rwanda Developement Board) sowie Leiterin einer Schweizer NGO, die Startup-Förderung in Rwanda betreibt. Darüber haben sich die beiden Frauen vor 8 Jahren kennengelernt, als Joselyn das Unterstützungsprogramm für Entrepreneurs nutzte. Ihr Mann, Stefan ist Belgier und lehrt an der Medizinischen Fakultät der Universität Rwanda zum Thema mentale Gesundheit. Wir verbringen gemeinsam mehrere Stunden in anregender Diskussion und sind von deren Enthusiasmus, sozialem Engagement und den spannenden Lebenswegen sehr angetan.

Doch schließlich wollen wir nicht nur diskutieren, gut essen, Wein trinken und den Blick von unserem Ferienhaus in die Weite schweifen lassen sondern tatsächlich in der bizarren Landschaft einmal über den Sumpf laufen.

Es gibt einen Rundweg von ca. 10 km, der uns empfohlen wurde. Aus der Ferne sieht dieser recht normal aus, jedoch mit dem ersten Schritt auf diesem Pfad, wird mir ganz anders. Es schwankt schon mächtig unter den Füßen und man sieht förmlich, wie sich der eigene Auftritt wellenförmig über den papyrusbedeckten Boden nach vorn ausbreitet. Das Gefühl jederzeit versinken zu können und die teilweise schon nassen, leicht schlammigen Füsse sind alles andere als angenehm. Daher hastete ich schimpfend und manchmal vor Schreck kreischend eilig vorwärts. Nur fix auf die andere Seite kommen und durchatmen.

Am Nachmittag sind wir zurück von unserer kleinen Wanderung und entspannen inmitten der Pflanzen- und Vogelpracht im Anwesen der Bugesera Lodge. Außerdem tauschen wir noch Visitenkarten mit Joselyne und Alice aus, um uns auch zukünftig weiter vernetzen zu können. Bin gespannt, ob das tatsächlich klappt. Schön wäre es auf jeden Fall!

Viel Arbeit aber keinen Job

Es ist schon erstaunlich, dass viel Arbeit nicht automatisch auch in einen Job mündet. Aber ich bin seit einer Woche sehr zufrieden mit meiner neuen Tagesstruktur und den inhaltlichen Möglichkeiten, die sich aufgetan haben. Langsam konkretisieren sich, sagen wir „inhaltliche Türöffner“, die u.U. auch in ein mögliches Vertragsverhältnis münden könnten. In Anbetracht der Vagheit, ist das so ganz passend formuliert. Allzu große Jobchancen erwarte ich nicht aber im Augenblick habe ich, im Vergleich zu den zurückliegenden Monaten, viel Arbeit und trotzdem weiterhin keinen Job.

Für das zentrale Regierungsprojekt zur Digitalisierung der Blutbank- und Blutspendenaktivitäten designe ich gerade die Business-Prozesse. Nach diesen soll es im kommenden Jahr eine internationale Ausschreibung geben, mit der dann die technische Umsetzung erfolgt. 8 bis 10 Hauptprozesse wurden identifiziert und bereits von einem Projektteam schriftlich fixiert. Das besteht aus Vertretern des RNCBT (Rwanda National Center for Blood Transfusion), RISA, GIZ (Mitfinanzierer), Rwanda Biometrical Center, Klinikärzten und 1000 Hills Solution (Startup zur technischen Projektumsetzung unter Anleitung von RISA).
Die vom Projektteam abgestimmten Hauptprozesse überprüfe ich gerade auf inhaltliche Konsistenz und ihre logische Abfolge im Einzelnen. Leider ergeben sich vereinzelt nicht ganz unerhebliche Lücken oder Mitverständnisse, die umgehend zu klären sind. Daher kommt es zu einzelnen Treffen mit den Projektverantwortlichen. Das ist zum Einen Thomas, als Vertreter von RISA zur Unterstützung der technischen Umsetzung und zum Anderen Nasser Kanesa, ein junger Kollege des „DigiCenters Kigali“ in Kooperation mit der GIZ, mit dem wir inhaltliche Dinge klären. Er hält den Kontakt zur RNCBT, so dass die Prozesse auch tatsächlich praktisch und nicht nur theoretisch betrachtet werden.

Sobald die Prozesse final geklärt sind, kann ich anschließend mein im Fernstudium erworbenes Wissen im Prozessdesign anwenden und ausprobieren. Jeder Hauptprozess wird nun mit der „Semistructured Socio-Thechnical Modeling Method“ (SeeMe) dargestellt, so dass alle am Prozess Beteiligten einen Überblick über die jeweiligen Einzelprozesse und deren Zusammenspiel erhalten. Diese Prozessmodelle werden für Präsentationen im Zusammenhang mit der Akquisition von Fördergeldern benötigt.
Bereits mit den Inhalten kann ich für viele Stunden meinen Tag sehr gut füllen. Zusätzlich bin ich erneut in ein Innovationsprojekt involviert. Basierend auf dem bereits im Dezember vergangenen Jahres stattgefundenen „Hackathon for Disability/Inclusion“ folgt nun dessen Fortsetzung. Die 5 bereits nominierten Gewinnerteams werden erneut eingeladen und sollen nun mit ihren technischen Innovationsideen vereinzelt bis zur Marktreife gebracht werden.

Für das kommende Jahr steht bereits 1 Mio EURO aus der Entwicklungszusammenarbeit der EU in Aussicht, um ähnliche Innovationsprojekte in Ruanda zu initiieren. Für weitere 4 Jahre soll mit der jeweils gleichen Summe die landesweite Entwicklung von Entrepreneurship ermöglicht werden. Dazu entwickle ich mit Dr. Said Ngoga, Devision Manager Technology Innovation bei RISA, ein hoffentlich praxistaugliches Konzept zur Umsetzung seiner offiziellen EU-Fördergeld-Antragskonzeption. Zur Vorbereitung darauf lese ich gerade Reports und Stellungsnahmen in Bezug auf die Start up Förderung in Ruanda.

Allerdings kann man nie genau wissen, wie lange das Interesse maßgeblich entscheidungsrelevanter Projektbeteiligter an diesen beiden Themen anhält. Es ist durchaus nicht unüblich, dass spontan andere und plötzlich viel wichtigere Projekte um die Ecke kommen und somit alle Planungen hinfällig sind. Gerade freue ich mich jedoch nur über die inhaltliche Herausforderung und die damit verbundene Möglichkeit, mich sinnvoll zu engagieren und Kontakte außerhalb unserer häuslichen vier Wände zu haben.