Gemälde – Lockdownhilfe

Da die Wirtschaft und der Dienstleistungssektor hier in Ruanda wesentlich weniger stabil entwickelt sind als in Europa, hat der zweite Corona- Lockdown gravierende Auswirkungen auf die einheimische Bevölkerung. Ohnehin leben 40% der Menschen unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Damit belegt Ruanda im aktuellen Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen Rang 157 von 189 (Stand 2018). Einige Reiseführer „Ostafrika“ erwähnen, dass sogar 50% des Bruttoinlandproduktes Ruandas mit Hilfe ausländischer Finanzen entsteht.

Überwiegend die Kleinverdiener wie z. B. Haushaltshilfen, Kindermädchen, Handwerker, Gärtner, Schneiderinnen, Friseure und Studenten sind von den massiven Einschränkungen des Lockdowns betroffen. Sie haben in dieser Zeit ihre Jobs verloren. Ihnen fehlt jegliches Einkommen und damit entfallen auch die Versorgungschancen für viele Familien. Ausgleichszahlungen durch den Staat gibt es auch nach dem zweiten Lockdown nicht. Daher mussten wir leider erneut beobachten, dass das Betteln auf den Straßen, selbst hier in der Hauptstadt Kigali, zugenommen hat. An unserer Toreinfahrt stehen wieder öfter Frauen mit Babies auf dem Rücken und bitten um Geld. Schulkinder rufen uns „I am hungry!“ (Ich habe Hunger!) entgegen. Das geht durch Mark und Bein.

Hilfe kommt durch die hierarchisch organisierte Nachbarschaft. Unsere „Umudugudu-Chefin“ hatte per WhatsApp zur Unterstützung der unmittelbaren Nachbarschaft im angrenzenden Dorf aufgerufen. Spenden wurden gesammelt und namentlich in einer Liste vermerkt, wer bereits gespendet hat. Sich nicht zu beteiligen, ist damit ausgeschlossen. Der tatsächliche Barbetrag jedes Einzelnen wird jedoch nicht erwähnt. Es kam eine ganz ordentliche Geldsumme zusammen, die abschließend offiziell auf WhatsApp verkündet wurde. Davon kauften die Distrikt-Verantwortlichen zentnerweise Reis, Zucker und Bohnen aber auch literweise Bratöl und Milch. Alles wurde im Dorf verteilt und vereinzelt arrangierten sich auch persönliche und längerfristige Unterstützungspatenschaften. Selbstverständlich haben auch wir einen finanziellen Beitrag geleistet, und so standen wir mit „Family Thomas“ namentlich auch mit auf der Liste. Doch es bleibt ein nicht zufriedenstellend Gefühl bezüglich der Hilfe in Not bei mir zurück.

Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, wie demütigend es für Familien sein muss, oft auf finanzielle Hilfe anderer Nachbarn oder weitläufiger Familienmitglieder angewiesen zu sein, ohne jemals eine Chance zu haben, einen eigenen Beitrag leisten oder etwas zurückzahlen zu können. Von der Hand in den Mund und das ein Leben lang. Nachhaltige Lösungsansätze durch die Gesellschaft für die erwähnten Sachverhalte gibt es bisher leider nicht. Immerhin sind jedoch ernste Bemühungen sichtbar.

Über die bereits geleistete nachbarschaftliche Unterstützung hinaus wollten Thomas und ich gern unser monatliches Budget für Spendenzwecke sinnvoll einsetzen. Doch was konnte als angemessene finanzielle Unterstützung in der aktuellen Corona-Lockdown-Situation angesehen werden, ohne das Bild eines generös geldverteilenden Muzungus abzugeben? Eine nicht leicht zu beantwortende Frage.

Auf unseren bisherigen Ausflügen im Land waren wir bereits mit der Kunstszene Ruandas auf die eine oder andere Art und Weise in Kontakt gekommen. Wir hatten schon kleine „Art-Galerien“ (Gemälde und Fotos einheimischer Künstler) besucht oder in Cafés aushängende Bilder bestaunt. Auch die zur Dekoration ausgestellten Bilder an den Wänden von Lodges oder Guesthouses hatten auf Reisen ab und an unsere Aufmerksamkeit erregt.

Viele Kreative versuchen mit ihrem Talent durch traditionelle aber auch moderne Kunst ihren Lebensunterhalt zu verdienen denn offizielle Jobangebote bzw. ausgeschriebene Stellen gibt es in Ruanda nur sehr wenige.

Das war also unsere Chance! Wir könnten Bilder von einheimischen Künstlern erwerben, hätten damit schöne Erinnerungsstücke an unseren Aufenthalt in Ruanda und wir würden ihnen damit zeitweise einen gesicherten Lebensunterhalt ermöglichen. Zwei Bilder hatte ich auch schon ganz konkret vor Augen.

Ein Bild in schwarz-weiss mit einer Darstellung von vier Frauen hing in der „Women’s Bakery“. Vor 1,5 Jahren hatte ich es zum ersten Mal gesehen und es hatte mich von Anfang an fasziniert. Es gehörte zur Serie einer Ausstellung 2019 zum Thema „Motherhood“ (Mutterschaft). Ich nahm mit dem Künstler Innocent Buregeya Kontakt auf und es stellte sich heraus, das er mehrfach in Berlin zu Besuch gewesen und an Kunstprojekten mitgearbeitet hatte. Das Bild ist schlicht, einfach und trotzdem ausdrucksstark.

Das zweite Bild war uns ebenfalls bereits vor einem Jahr bei unserem ersten Aufenthalt in der „Bugesera Lodge“ aufgefallen. Die Inhaberin, Jocelyne unterstützt junge einheimische Künstler seit vielen Jahren. Sie bietet ihnen kostenlos Platz zum Ausstellen ihrer Werke an, da es in Kigali keine üblichen Galerien oder andere professionelle Ausstellungsräume gibt. Von diesem Arrangement profitieren beide Seiten. Die „Bugesera Lodge“ hat zahlreiche beeindruckende große und kleine Gemälde, die eine ganz gemütliche Atmosphäre für die Gäste während ihres Aufenthalts kreieren. Den Künstlern bietet sich dadurch die Möglichkeit, ihre Werke den ausländischen Touristen und einheimischen Gästen auf unkomplizierte und unaufdringliche Art und Weise vorzustellen.

In diesem Gemälde widmet sich der Künstler Patrick Nizeyimana dem Thema „Familie und Gesellschaft“. Jede Familie lebt mit ihren persönlichen innerfamiliären Werten aber auch Differenzen innerhalb bestimmter Grenzen. Doch alle Familie vereinen sich zu einer Nation, einer Gesellschaft und sogar zu einer (Welt) Gemeinschaft, die ebenfalls Grenzen zu wahren und Differenzen zu meistern hat.

Beide, sehr unterschiedlich Gemälde haben Thomas und mir von Anfang an sehr gut gefallen. Die Erläuterungen der Künstler fanden wir in der aktuellen Pandemie- Situation und auch für unseren persönlichen Lebensabschnitt in Ruanda überaus passend.

Vorerst hängen die Bilder in unserem Haus in Kicukiro. Aber auch in Berlin werden wir einen geeigneten Platz finden und uns gern an die Zeit hier in Kigali erinnern.

Nilpferde in freier Wildbahn?

Wir versuchten dem Lockdown-Blues zu entkommen und reisten das verlängerte Feiertags-Wochenende (Heroes Day) wieder einmal zur Bugesera-Lodge. Ein Jahr lang hatten wir Jocelyne, die Inhaberin, nicht mehr besucht, obwohl wir es uns fest vorgenommen hatten. Dabei ist sie eine ganz wunderbare Gastgeberin und ihre traditionellen runden Bungalows mit tollem Blick auf die Wetlands sind ganz liebevoll eingerichtet und dazu nur 30 Minuten Autofahrt von Kigali entfernt.

Die Wanderung in den Wetlands über schwankende Papyrus-Schilf-Brücken hatten wir bereits im vergangenen Jahr absolviert. Nun erfuhren wir von Jocelyne, dass eine Nilpferdfamilie in den Wetlands gesichtet worden war. Na die könnten wir doch besuchen! Da die „kleine Trockenzeit“ in Rwanda begonnen hat, wird es bereits ab 9:00 Uhr schon ziemlich warm und eine längere Wanderung über die Mittagszeit ist nicht mehr zu empfehlen. Daher brachen wir mit weiteren fünf jungen Leuten, die auch in der Bugesera Lodge übernachtet hatten, am Sonntag bereits 7:30 Uhr auf.

Unterwegs mussten wir Einheimische fragen, wo im Dickicht des Schilfes denn nun wirklich Nilpferde zu sehen seien sollten. Nur gegen Zahlung eines Geldbetrages wollten sie uns einen Tipp geben. Für 2000 RWF (2 EUR) verrieten sie uns das Geheimnis und wir marschierten in Begleitung eines jungen Farmers direkt durch das dichte Schilf. Das konnte doch unmöglich ein Weg sein! Der verarscht uns doch und lacht sich hinterher über uns Muzungus schlapp. Aber wir wollten daran glauben und liefen hinterher, immer tiefer in die Wetlands hinein doch mit „Sichtschutz“ zur nahegelegenen Zivilisation.

Plötzlich eröffnete sich vor uns ein kleiner Fluss der weiter stromabwärts in den „Akagera“ mündet und in den gleichnamigen Nationalpark im Süd-Osten Rwandas fließt. Hier sollten sich also Nilpferde aufhalten? Wir schauten links und recht, sahen aber nur den braunen, lehmigen Fluss. Also doch alles nur ein Fake!

Doch nein! Schaut mal! Eine single Nilpferddame tauchte direkt vor uns auf. Sie war in dem braunen Schlammwasser des Flusses fast nicht zu erkennen. Wir waren beeindruckt, doch sie blieb von unserem Besuch völlig unbeeindruckt.

Dieser kleine Ausflug hatte sich definitiv gelohnt. Wir konnten es kaum glauben, dass sich nur eine halbe Autofahrt-Stunde von Kigali, der Hauptstadt entfernt Nilpferde in freier Wildbahn tummeln. Die anderen Familienmitglieder, so wurde uns berichtet, leben an einem anderen Ort inmitten der Wetlands. Sie werden wir bei unserem nächsten Lockdown-Blues besuchen.

Lockdown-Aktivitäten

Während des 2. Lockdowns waren gerade Lotti und Josy bei uns zu Besuch. Die vielen schönen geplanten gemeinsamen Unternehmungen waren nun leider gar nicht mehr oder nur eingeschränkt und mit polizeilicher Genehmigung möglich. Täglich stellte eine*r von uns einen Anfrage bei RDB (Rwanda Development Board), um für unsere touristischen Aktivitäten eine Genehmigung zu erhalten. Es war wie ein Lotteriespiel: mal bekam man umgehend eine Bestätigung, mal erst am nächsten Tag und auch nicht für den beantragten Zeitraum. Im schlechtesten Fall erhielt man gar keine Rückmeldung und wartete und wartete und war voller Hoffnung auf die „movement clearance“, die einem ein wenig Bewegungsfreiheit im Lockdown ermöglichen würde.

Bis heute verstehe ich das System nicht, nach welchen Kriterien Anträge bewilligt oder abgelehnt werden. Je wahrheitsgetreuer die Angaben in der Antragstellung sind (meine Anträge), um so eher wurden sie bisher abgelehnt. Thomas beantragte dagegen stets mutiger und für großzügigere Zeiträume und fiktive Orte, bekam jedoch stets einen positiven Bescheid. So sind wir z. B. eine Woche lang abwechselnd mit seiner „Movement clearance“ unterwegs gewesen. Er hatte sie gleich zu Beginn der offiziellen Regierungserklärung über die neuen Anti-Corona-Maßnahmen und der Verkündung des Lockdowns beantragt. Thomas wollte das System „ausprobieren“ und testen, was möglich war. Und siehe da, eine ganze Woche „Bewegungsfreiheit“ wurde ihm genehmigt. Unbegreiflich! Unterdessen haben sich die Regeln jedoch mehrfach geändert und man kann nur noch einmal pro Person und Tag für den Folgetag einen „Antrag auf Freigang“ stellen. Auch scheint es für die zu beantragenden Möglichkeiten wie z. B. Einkaufsgenehmigung, Krankenhausbesuch, Bank sowie Begleitung zum Flughafen unterdessen begrenzte und vorgeschriebene Zeiteinheiten zu geben. Das System lässt einen zwar den Anlass und den Zeitraum der gewünschten „Bewegungsfreiheit“ wählen, jedoch alles andere und damit im Zusammenhang stehende wie beispielsweise Zeit für einen Covid Tests oder für die Buchung einer Hotelübernachtung werden nicht berücksichtigt. Daher sind die Bewilligungen oft willkürlich und unlogisch und die allgemeine Bewegungsfreiheit nunmehr doch erheblicher eingeschränkt, als ursprünglich von der Regierung kommuniziert.

Trotzdem war es uns möglich, einige Ausflüge zu planen. So fuhren wir einen Tag vor dem ausgerufenen Lockdown noch ins „Umusambi Village“, ein Schutzgebiet für Kaiserkraniche in den Wetlands etwas außerhalb von Kigali. Elisabeth und ihre Tochter Atete begleiteten uns ebenfalls.

Außerdem wanderten wir erneut an den „Twin Lakes“, setzten mit einem Boot ans andere Ufer über und bekamen abermals einen traumhaften Gesamtblick auf die Virunga- Vulkan-Bergkette.

Es ist jedoch nicht immer nur Reisen angesagt. Auch bei uns herrscht Alltag, den wir uns so schön wie möglich machen. Dazu gehört, dass wir ab und an mal etwas Leckeres aus einem Restaurant zum Essen bestellen oder versuchen, regelmäßig morgens vor 8:00 Uhr eine kleine Joggingrunde in unserem „Umudugudu“ zu drehen. Das ist als einzige Aktivität ohne polizeiliche Genehmigung und ohne Covid Test erlaubt. Auch Yoga auf unserer Sonnenterrasse ist sehr beliebt bei Alt und Jung. Manchmal schwitzen wir sogar beim „Youtube Kickbox-Aerobic“ und wünschen uns insgeheim, dass die Internetverbindung diesmal ruhig ein paar Minuten länger ausfallen könnte.

Aufgrund des Lockdowns kann unsere Haushaltshilfe nicht mehr zu uns kommen. Motorradtaxis dürfen keine Passagiere mehr mitnehmen, sondern nur Bestellungen an Lebensmitteln ausfahren. Innerstädtische Busse fahren gar nicht mehr. Also bliebe Betty nur die Option, 2 Stunden (sie wohnt ca. 10 km von uns entfernt) mit einer polizeilichen Genehmigung zu uns nach Kicukiro zu laufen. Da Haushaltsreinigung jedoch im Gegensatz zu Security nicht zu den „notwendigen Tätigkeiten“ lt. Regierungsverlautbarung zählt, komme ich nun doch mal wieder in die Verlegenheit, selbst den Haushalt zu schmeißen und sauberzumachen. Trotzdem wird Betty von uns, wie im 1. Lockdown auch, in vollem Umfang weiter bezahlt. Sonst hätte sie gar kein Einkommen.

Die Krönung in unserem 2. Lockdown war jedoch ein erneuter Wasserschaden in unserem Haus. Wir kamen von einem Kurztrip am Wochenende zurück und fanden 4 Handwerker in unserem Haus vor, die auf beiden Etagen großflächig die Wände aufgehackt hatten. Neue Rohre waren verlegt, die Dusche ausgebaut und neu gefliest worden. Beide Bäder inkl. Toiletten im OG waren unbenutzbar und unser Wohnzimmer 20 cm vom Boden ringsherum gezeichnet von dunklen Beton-Putzflecken. Der feine Baustaub hatte sich überall im ganzen Haus ausgebreitet und einen dünnen grauen Film auf den Fussbodenliesen hinterlassen. Auch die dunkelbraune Holztreppe zum OG war nunmehr sehr schön hell aufgrund des feinen grauen Staubes. So war das aber nicht abgesprochen! Aber dieser Einwand half uns nun auch nix mehr.

Sogar die Wandfliesen in der Küche hatten sich aufgrund der Feuchtigkeit dunkel verfärbt. Doch der Hausverwalter ging davon aus, sie würden schon noch trocknen. Es war ein fürchterlicher Anblick nach einem so gelungenen Wochenendausflug. Doch wir wollten uns die gute Laune nicht verderben lassen. Jeder Handwerker bekam daher eine kalte Cola und auch wir setzten uns entspannt auf die Terrasse und tranken einen „Wochenend-Abschlusswein“. Der Dreck würde auch morgen noch dort liegen, wo er jetzt schon war. Afrikanische Gelassenheit haben wir zwangsweise schon ein klein wenig gelernt und kommen damit immer besser zurecht. Aber nur manchmal!

Einheimische Bierbraukunst

Generell wird in Rwanda viel Bier getrunken. Es gibt etliche Sorten Lager- und Malzbier und damit eine recht große Auswahl. Auf dem Land findet man jedoch am häufigsten das selbst gebraute Bananenbier. Auf unseren Wanderungen z. B. dem Kongo-Nil-Trail wurde es uns bereits immer wieder mal angeboten, doch wir waren skeptisch bezüglich des „Reinheitsgrades“. Daher wollten wir uns eine touristentaugliche Bananenbierprobe auf keinen Fall entgehenlassen und stimmten zu, eine Familie zu besuchen, die für ein gesamtes Dorf das Bier braut. Das war unsere Chance! Mit Ferdinand, unserem Toureguide, würden Josy und ich erneut eine Wanderung im Umland von Musanze und abschließend einen kleinen Abstecher in die einheimische Brauereikunst unternehmen. Thomas und Lotti blieben in der „La Locanda“ bei Alberto und seinem Team und arbeiteten von dort aus im Homeoffice.
Nachdem wir zu dritt das belebte Stadtzentrum von Musanze passiert hatten, wanderten wir drei Stunden relativ abgeschieden entlang eines kleinen Flusses und durch eine angrenzende Sumpflandschaft, vorbei an kleinen Wasserfällen, Ziegeleien und Abbaugebieten von nichtmetallischen Mineralien. Die Virunga- Bergkette immer im Hintergrund weit sichtbar.

Schließlich erreichten wir ein kleines Dorf. Wir spürten skeptische Blicke von den Einheimischen und waren froh, mit Ferdinand unterwegs zu sein. In der Mitte der Dorfstraße stand unweit von uns entfernt ein kleiner Mann in schmutzigen zerrissenen Sachen, lallte Unverständliches vor sich hin und schwankte auffallend. Auch im Dorf selbst sahen wir weitere Männer mit glasigen roten Augen und verschwommenem Blick. Selbst Frauen schauten uns mit leeren trüben Augen an. Oh je, das waren also vermutlich die ersten Auswirkungen der einheimischen Bierbraukunst, der wir uns gerade erst interessiert widmen wollten.


Josy und ich traten nach Aufforderung von Ferdinand durch eine kleine Tür in eines der am Wegrand stehenden Lehmhäuser. In dem sich anschießenden winzigen Innenhof sassen auf der rechten Seite Frauen mit Kleinkindern und Babies auf dem Arm auf schmalen Holzbänken. Auf der linken Seite hatten es sich einige Männer bequem gemacht. Zu unserer großen Überraschung tranken nicht nur sie das offensichtlich trübe Bananenbier. Auch die Frauen hatten etliche Flaschen mit Strohhalmen in der Hand und ermunterten sogar die Kinder zum Trinken. Wir waren sprachlos und wütend, obwohl uns klar war, dass die Dorfbewohnerinnen vermutlich aus Unkenntnis handelten und sich der tragischen Konsequenzen von Alkohol bei stillenden und schwangeren Müttern nicht klar waren. Wir tauschten die üblichen Begrüßungsworte in Kinyarwanda aus und schon wurden wir in ein Seitengebäude geschoben. Dort befanden sich drei winzige dunkle Räume, alle ohne Fenster, nur mit kleinen Lüftungsschlitzen versehen. In einem Raum stand eine Kuh, mit einem Seil eng an einer Stange festgebunden. Bewegungsspielraum gleich Null. Ein anderer Raum war pechschwarz, die Wände rußverschmiert und der sandige Fußboden mit Asche und Schalenresten bedeckt. Drei Steine lagen auf der Erde, die als Feuerstätte dienten. Wir befanden uns offensichtlich in der Küche. Der dritte Raum diente als Vorratsraum, in dem u.a. die Bananen lagerten. Sie waren in eine große LKW-Plane eingeschlagen und lagen in einem Loch, welches in den sandigen Boden des Raumes gegraben worden war.

Wir entnahmen einige Bananenstauden und wechselten in den Nachbarraum. Dort sollten wir Platz nehmen, die Bananen schälen und in einen ausgehöhlten Baumstamm legen. Gesagt, getan! Zu den geschälten Bananen gaben wir einige Blätter der Bananenstauden hinzu. Beides wurde von der Hausbesitzerin in heftigen Bewegungen geknetet, bis sich weiße Flüssigkeit absonderte. Die Bananen werden somit unter Verwendung der Bananenblätter wie durch ein Sieb gedrückt und es bleiben fast keine sichtbaren Rückstände übrig. Der Bananenblättermix wird anschließend an das Vieh verfüttert. Die milchige Flüssigkeit seiht man ab, versetzt sie danach mit Hirsekörnern und lässt sie drei Tage in einem Bottich zugedeckt stehen. Danach ist das Bananenbier fertig.

Nach diesen Erklärungen und praktischen Einsichten in die Bierherstellung wollten wir das Gebräu eigentlich nicht mehr selbst probieren. Doch aus Höflichkeit tranken wir selbstverständlich das bereits vor drei Tagen angesetzte Bananenbier aus einem kleinen Emailletopf. Na dann Post! Möge es unserem Magen und Darm wohl bekommen! Das Bier war auch gar nicht so unlecker. Es erinnerte uns vom Geschmack ein wenig an Federweißer.

Zum Abschied liessen wir uns noch einen kleinen gelben Plastikkanister Bananenbier abfüllen, denn schließlich sollten auch Lotti und Thomas mal in den Genuss kommen. Was sie wohl dazu sagen würden?

„Church in the Rocks“

Vor dem 2. Lockdown trafen wir uns noch einmal mit Anna. Sie würde in wenigen Tagen mit ihrem Rwandischen Mann Paco und ihrer 7 Monate alten Tochter Nella nach Deutschland zurück gehen und ihren Entwicklungshelferjob hier in Kigali aufgeben.

Da Anna schon einige Jahre in Rwanda gelebt und gearbeitet hatte, kannte sie viele Leute, schöne Wander- und Klettermöglichkeiten sowie Ausflugsziele jeder Art. Die „church in the rocks“ (Kirche in den Felsen) wollte Anna uns unbedingt noch zeigen. Ein kleines Klettergebiet unweit von Kigali und außerdem ein beliebter Ort für viele Einheimische, die dort in den Felsen regelmäßig openair Gottesdienste feierten.

Wir wanderten durch die bizarren Felsen, blickten in das unter uns liegende Dorf und über die landwirtschaftlich genutzten Felder. Schüchtern folgten uns auf unserem Weg ein paar Kinder, die sich ab und an hinter den Felsen versteckten, um einen unbeobachteten Blick auf uns Muzungus werfen zu können. Zwei, drei ganz besonders mutige Jungen waren jedoch von unverhohlener Neugierde geplagt und hefteten sich ganz eng an unsere Fersen.

Eine in die Felswand eingelassene Tafel wies darauf hin, dass hier ein „Platz Gottes“ einlud, mit Besinnlichkeit und weitem Blick auf die Schönheit Rwandas zu beten und innezuhalten. Das taten wir dann auch mit einem kleinen Picknick und einem Dankesgebet dafür, dass wir uns alle hier in Rwanda kennengelernt hatten. Wir waren uns Begleiter*innen in einer ganz besonders intensiven Lebensphase und jede*r Einzelne hat diese Bekanntschaft auf eine ganz persönliche Weise wertgeschätzt.

Alles Liebe und Gute für dich und deine Familie, liebe Anna!