Evaluation

Im Rahmen eines Projektes war meine Partnerorganisation angehalten, einen 2-tägigen Evaluationsworkshop abzuhalten. Dieser sollte unter Teilnahme der Kolleg*innen der Verwaltung im Head Office und mit einigen Vorstandsmitgliedern stattfinden. Ziel war es, den “Strategieplan 2018-2022” und den “Sustainability plan” (Plan zur Projektnachhaltigkeit) auszuwerten, um danach neue Projektphasen beginnen zu können.

Dieses Vorhaben stand schon seit einigen Monaten im Raum und wurde im wöchentlichen Management Meeting von meinen Kolleg*innen immer mal wieder angesprochen, doch eine konkret Planung begann nicht. Ich wies dezent darauf hin, dass ich im März und April länger in Europa sein würde und daher in dieser Zeit nicht aktiv unterstützen könnte. Anderthalb Wochen vor meiner Dienst- und Urlaubsreise nach Deutschland konkretisierte sich die Zeitplanung für den Workshop. Selbstverständlich sollte ich dabei und in die Vorbereitung aktiv eingebunden sein. Na dann mal los!

Eilig wurde ein 4-köpfiges Vorbereitungsteam einberufen, um nun die Detailplanung für ca. 25 Teilnehmende anzugehen. Aufgrund bereits geplanter Termine mit externen Partnern und daher bestehender Verpflichtungen zur Teilnahme an externen Veranstaltungen, grenzte sich das Zeitfenster für die Durchführung des Evaluationsworkshops immer weiter ein. Schlussendlich sollte er dann mit nur ZWEI TAGEN Vorbereitung umgehend und noch vor meiner Ausreise nach Deutschland stattfinden.

In Anbetracht der sehr kurzen Vorbereitungszeit kam bei mir Ratlosigkeit auf, denn ich dachte an die zahlreichen Dinge, die noch organisiert werden müssten. Doch das Arbeiten ging Hand in Hand und jede*r schien genau zu wissen, was und wie alles am besten zu organisieren war. Eilig wurde erst einmal telefonisch der Termin mit den potentiellen Teilnehmern abgestimmt und danach umgehend die erforderliche offizielle Einladungen per e-Mail verschicken. Es begann die Recherche nach Tagungshotels außerhalb von Kigali. Das würde die Bereitschaft zur Teilnahme immense steigern, wurde mir erklärt. Nach mehreren Kostenangeboten und telefonischen Verhandlungen wurden die Hotelübernachtung und die Mahlzeiten gebucht. Außerdem sollte ein Kleinbus gemietet werden, um die PÜNKTLICHE Anreise aller Teilnehmenden sicherzustellen. Und alles selbstverständlich im Rahmen eines vorgegebenen Budgets aus den Projekten, die evaluiert werden sollten. Ich war beeindruckt, wie innerhalb so kurzer Zeit alle relevanten organisatorischen Themen nicht nur bearbeitet, sondern auch gut gelöst wurden. Spätestens bei der dritten Absage von einem Tagungshotel hätte ich Panik bekommen aber meine Kollegin telefonierte stoisch weiter sämtliche Optionen durch und …Volltreffer! Wir bekamen für einen erschwinglichen Preis ein traumhaftes Hotel mit einmaligem Blick.

Die inhaltliche Vorbereitung des Workshops lag ausschließlich in meinen Händen und das bereitete mir aufgrund der verbleibenden Zeit ebenfalls ein wenig Sorge. Eine zusätzliche Herausforderung bestand darin, dass die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmenden blind oder sehr stark sehbeeinträchtigt war. Dementsprechend musste das Arbeitsmaterial auch in Brailleschrift erstellt werden. Das wurde vom RUB Rehabilitationscentrum in Masaka (MRCB) übernommen.

Meine Vorbereitung bestand nun darin, die wichtigsten Dokumente und Konzepte (Strategiepapier, Planungsunterlagen) schnell durchzuarbeiten. Dabei bekam ich Unterstützung von meiner lokalten Sparringspartnerin, Racheal. Sie beantwortete mir alle Fragen und erklärte die notwendigen Zusammenhänge. Als Workshop-Methoden wollte ich zum Einen das bekannte “World-Cafe” nutzen und in rotierenden Gruppen die gewünschten Inhalte erarbeiten lassen. Entsprechende Leitfragen stimmte ich mit den Kolleg*innen ab. Die Methode würde ich zu Beginn des Workshops intensiver vorstellen und erklären müssen, da Erfahrungen diesbezüglich nur bei wenigenTeilnehmenden vorhanden waren. Zum Anderen würde auch einfache Gruppenarbeit gut geeignet sein, um die vier Schwerpunkte des Strategieplanes auswerten und im Plenum präsentieren zu können. Innerhalb von nur zwei Tagen war mir eine inhaltlich und methodisch vielfältigere Vorbereitung des Workshops auch nicht möglich. Außerdem hatte ich gar keine Erfahrung und Vorstellung davon, wie bereitwillig, offen und intensiv die Kolleg*innen mitarbeiten würden. Daher verzichtete ich auf “auflockernde” Übungen und “kreative Aktivitäten” sondern beschränkte mich auf das inhaltliche Erarbeiten.

Gesundheitlich ging es mir zu dieser Zeit auch gar nicht gut. Ich hatte ständige recht heftige Kopfschmerzen und leichte Fieberschübe. Doch ich war in mehrfachen Tests, Corona-negativ, was ohnehin die Voraussetzung für eine Teilnahme am Workshop für alle war. Trotz meines Krankheitsgefühle wollte ich auf keinen Fall das Team enttäuschen und meine Teilnahme so kurz vor meiner geplanten längeren Abwesenheit absagen.

Der Evaluationsworkshop war außerdem die Voraussetzung für ein Treffen meiner Kolleg*innen in der darauf folgenden Woche mit den Projektsponsoren aus Dänemark. Es bestand also keine Möglichkeit, ihn nicht durchzuführen denn die Gäste aus Europa waren bereits eingeladen und die Anreise stand kurz bevor. So organisierte ich mit Hilfe von Racheal in letzter Minute den für die NGO so wichtigen Zweitagesworkshop und war gespannt auf die Ergebnisse.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde aller Teilnehmenden begannen wir auch umgehend mit der Gruppenarbeit. Das vorbereitete Arbeitsmaterial wurde ausgeteilt und jeder Gruppe eine sehende Kolleg*in zugeteilt. Die Präsentation der Inhalte sollte gruppenweise ebenfalls mit einer dafür vorbereiteten Vorlage erfolgen. So wollte ich das lästige Protokollieren ersetzen und Zeit für die Nachbereitung sparen. Außerdem konnten dadurch auch blinde Teilnehmende die formatierte Vorlage befüllen und sich diese über die Sprachausgabe-Funktion an ihrem Laptop vorlesen lassen.

Alle waren motiviert, die Stimmung entspannt und die Versorgung durch das Hotel freundlich und sehr gut. Das Personal versuchten den ungewohnten Umgang mit blinden und sehbeeinträchtigten Gästen so gut wie möglich zu gestalten, Hindernisse zu beseitigen und auf besondere Wünsche nach Begleitung einzugehen.

Am ersten Tag arbeiteten wir von 8:00 bis 17:00 Uhr mit einer kleinen Kaffee-Pause und einer einstündigen Mittagspause. Das war ein sehr ambitionierter Zeitplan für Menschen, die sich aufgrund des fehlenden Sehsinnes enorm auf ihr Umfeld konzentrieren müssen und dadurch schneller ermüden. Am Abend waren dann auch alle platt, ich inklusive!

Tagsüber hatte ich bei mir immer mal wieder “Fieberschübe” bemerkt. Die heimliche Temperaturmessung mit dem “Corona Thermometer” des Hotels ergab lediglich 37,6 °C, also nur erhöhte Temperatur. Doch ich fühlte mich schlecht und meine Wangen glühten, so dass mich sogar Kolleg*innen darauf ansprachen. Wird schon! War meine Antwort, was sollte ich auch machen?

Der erste Tag war aus meiner Wahrnehmung erfolgreich. Die Auswertung des mehrere Jahre gültigen Strategieplanes hatte konkret messbare Ergebnisse gebracht aber auch die Offenlegung von Versäumnissen bewirkt. Ich war zufrieden! Daran müsste das Team allerdings im Nachgang weiter arbeiten und Konsequenzen für den zukünftigen Projektablauf ziehen. Eine diesbezügliche Initiierung war bestimmt durch mich erforderlich aber erst nach meinem Deutschlandaufenthalt.

Auch der zweite Tag mit den Themenschwerpunkt “nachhaltiges Arbeiten” verlief ganz gut. Jedoch hatte ich Schwierigkeiten die “World Café” Methode verständlich zu machen. Der Ablauf war mit drei “Thementischen” (Hauptbüro, landesweite Niederlassungen und Rehabilitationnscentrum) sowie den dazu passenden Leitfragen geplant. An jedem Tisch würde ein Gruppen- Facilitator die Moderation übernehmen und jede Gruppe würde jedes Thema einmal diskutieren und Inhalte ergänzen. Die Bearbeitung versprach durch die drei wechselnden Teams umfassender und vielfältiger zu werden. Doch das war den Teilnehmenden nicht so einfach zu vermitteln. Es brauchte eine ganze Zeit bis jeder seinen Platz gefunden hatte und im Arbeitsmodus war. Die Ergebnisse der einzelnen Gruppen wurden erneut in einem vorbereiteten Dokument festgehalten und im Plenum vorgestellt.

Dabei musste ich jedoch feststellen, das der Begriff “Sustainability” (Nachhaltigkeit) sehr unterschiedlich verstanden und interpretiert wurde. Daher wäre eine Klärung für alle im Vorfeld sehr sinnvoll gewesen. So variierten die erarbeiteten Inhalte und die Ideen sehr stark. Trotzdem war es im Nachgang möglich, Schwerpunkte zum nachhaltigen Arbeiten zu clustern (externe Finanzen, Weiterbildung des Personals und Konzepte), mit denen man weiter arbeiten könnte.

Abschließend wollte ich den Fokus meiner Kolleg*innen bezüglich der anzustrebenden Nachhaltigkeit von dem überbordenden Wunsch nach mehr Finanzen und externen Geldgebern ein wenig relativieren. Daher stellte ich die Fragen: “Welchen persönlichen Beitrag wird jeder Workshopteilnehmer leisten, wenn es KEINE externen Gelder mehr gibt?”

Schweigen im Raum! Einige Minuten Bedenkzeit zum Überlegen. Nacheinander musste jeder Einzelne seinen Beitrag formulieren. Was soll ich sagen? Mir kamen fast die Tränen denn es war ein so anrührender und einmaliger Moment. Jetzt zeigte sich tatsächlich, wie stark emotional verbunden alle Anwesenden vom Vorstand über die ehrenamtliche Mitarbeiterin bis zum Chauffeur mit der NGO sind. Es kamen ganz phantastische und kreative Angebote. Aus meiner Sicht war es für die Direktorin der NGO ganz wunderbar zu hören, wie bereitwillig und tatkräftig sich ihre Kolleg*innen mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten einbringen würden. Mehr musste man nicht sagen! Ein gelungener Abschluss, der alle zum Nachdenken angeregt und für weitere Diskussionen gesorgt hat.

Was doch alles mit nur ZWEI TAGEN Vorbereitung möglich ist!

Meine “Fieberschübe” hatten in den zwei Tagen nicht nachgelassen. Daher hatte ich mit Thomas verabredet, dass er mich auf halbem Weg mit dem Auto abholen kommt und wir gemeinsam in ein Krankenhaus fahren würden. Einen Malaria UND einen erneuten Corona-Test wollte ich machen lassen.

Es dauerte mehrere Stunden bis das Ergebnis vorlag. Beide Tests waren negativ. Ich war total erleichtert denn eine Freundin war mit genau diesen Symptomen auf beides positiv getestet worden. Ich hatte also mal wieder das Glück auf meiner Seite!

Organisationsentwicklung

Mein Arbeitsauftrag im Rahmen der GIZ ist es, in Abstimmung mit meiner Partnerorganisation diese weiterzuentwickeln, so dass sie für ihre Klientel in Rwanda die Durchsetzung der Menschenrechte propagieren und praktisch unterstützen kann. Eine sehr umfangreiche Aufgabe, die an verschiedenen Punkten ansetzen kann:

  1. bei den Mitarbeitenden der NGO
  2. bei den Strukturen und den Prozesse in der NOG
  3. bei den (gesellschaftlichen) Umfeldfaktoren, auf die die NGO reagieren muss

Um ein möglichst umfangreiches Bild von meiner Partnerorganisation zu bekommen, habe ich in den vergangenen Monaten versucht, so viele Abläufe und Strukturen kennenzulernen, wie möglich. Dabei habe ich beobachtet, wie Kolleg*innen die Arbeit planen und strukturieren, Ideen umsetzen, Projekte evaluieren und eigene Handlungsweisen reflektieren. Diesbezüglich konnte ich unterschiedliche Methoden und Herangehensweisen nutzen:

  1. persönliche Gespräche
  2. Field-visits
  3. Team- Workshops
  4. Evaluationen und
  5. Recherche von offiziellen Dokumenten

Diese Vielfalt und auch die Freiheit, selbständig zu arbeiten und Themenschwerpunkte zu setzen, fasziniert mich und macht die Arbeit bei der GIZ sehr attraktiv.

Meine Kolleg*innen sind einerseits sehr aufgeschlossen für Neues, wollen lernen und die NGO, bei der sie teilweise schon seit 10 Jahren arbeiten, voranbringen. Andererseits sind sie aber auch sehr von ihrem projektbezogenen Arbeitsalltag eingenommen, so dass wenig Zeit für zusätzliche Aktivitäten und Workshops zur eigenen Weiterentwicklung bleibt. Trotzdem sind Workshops sehr beliebt und werden daher auch immer in Tagungshotels in Kigali oder sogar außerhalb des üblichen Aktionsradius der NGO durchgeführt. Stets ist auch ein gemeinsames Mittagessen mit eingeplant, um dadurch die Bereitschaft zur kontinuierlichen Teilnahme zu erhöhen.

Daher freue ich mich immer ganz besonders, wenn meine Vorbereitungen für solche Veranstaltungen gut ankommen und Ergebnisse produziert werden. Allerdings muss ich noch daran arbeiten, dass meine Partnerorganisation auch in die Umsetzung von Geplantem und Verabredetem kommt und es nicht nur bei der theoretischen Erarbeitung von neuen Inhalten in den Workshops bleibt.

Durch einen von mir angeregten und durchgeführten Workshop zum “Task-Management” mit dem Stammteam von 4 Kolleg*innen ist deutlich geworden, wie viele Arbeitsaufgaben in unterschiedlichen Komplexitätsgraden und in verschiedenen Zeiteinheiten von einzelnen Mitarbeitenden übernommen werden. Nun müssen wir noch erarbeiten, welche dieser Aufgaben inhaltlich tatsächlich in wessen Verantwortung fallen. Dabei sollen Überschneidungen oder sogar Dopplungen vermieden werden. Im besten Fall können sogar Aufgaben an andere übergeben oder einzelne Inhalte ausgelagert werden. Das qualifizierte Stammpersonal sollte dadurch stärker entlastet und leichter in neue GIZ Projekte eingebunden werden können.

Meine Partnerorganisation wurde 1995 gegründet und hat sich über die Jahre von einer selbst initiierten Interessenvertretung von Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit zu einer landesweit operierenden NGO mit internationalen Kontakten weiterentwickelt. Leider ist es bisher noch nicht gelungen, die Strukturen und die Prozesse der Organisation dementsprechend anzupassen. Das wird u. a. nun auch meine Aufgabe im Rahmen der Organisationsentwickung sein.

Diese Entwicklung findet jedoch nicht nur in den Strukturen der NGO oder in der Aufgabenverteilung statt, sondern auch durch die Qualifizierung des vorhandenen Personals (capacity development). Dabei steht nicht unbedingt die reine fachlich-inhaltliche Weiterbildung im Vordergrund. Das tägliche Zeitmanagement und die Büroorganisation sind mir als wesentliche Bausteine aufgefallen, die durch kleine Anregungen und praktische Tips durchaus schnell verbessert werden könnten.

Nachdem wir nun schon eimal die regelmäßig anfallenden Arbeitsaufgaben meiner Kolleg*innen zusammengetragen hatten, habe ich an ganz praktischen und sehr konkreten Beispielen das Modell der Priorisierung von Arbeitsaufgaben erklärt. Da es keine Pinnwände zu kaufen gibt und die allgemeine Büroausstattung auch eher bescheiden ist, müssen einfache Methoden und Hilfskonstruktionen unterstützend genutzt werden.

Die Umsetzung der täglichen Aufgabenpriorisierung im Büro habe ich modellhaft mit meinen eigenen Aufgaben demonstriert. So blieb die Theorie nicht als Anregung für die Kolleg*innen wenig greifbar. Vielmehr konnten sie die Anwendung und Nutzung sofort live erleben. Notizzettel gehen nicht mehr verloren, ein System ist erkennbar und ebenso stellt sich eine “Erinnerungsfunktion” durch das Visualisieren ein. Meine Kollegin war besonders begeistert.

Es muss also nicht immer gleich der “große Wurf” sein, kleine Anregungen stabilisieren eine gute berufliche Zusammenarbeit und ermöglichen zu Beginn ein erträgliches Mass an Veränderung. Trotzdem stehen natürlich auch noch umfangreichere Prozess- und Strukturveränderungen an, doch Schritt für Schritt taste ich mich voran.

Commonwealth Head of Government Meeting (CHOGM)

Ganz Kigali spricht nur noch vom Großereignis “CHOGM”. Ab 20. Juni 2022 halten sich für eine Woche 54 Staatsmänner und -frauen des Commonwealth und deren Delegationen in Ruanda auf und werden über gemeinsame Aktivitäten zur Entwicklung der Nationen beraten. Es werden mehr als 5.000 Besucher erwartet, die alle untergebracht und transportiert werden wollen. Das klingt nicht so wahnsinnig viel, bringt Kigali jedoch an seine Grenzen.

Aufgrund von Corona wurde dieses Event, das ursprünglich 2020 stattfinden sollte, zweimal verschoben. Der Entwicklungsstand der Commonwealth Nationen ist sehr unterschiedlich. Viele afrikanische Länder z. B. Botswana, Cameroon, Gambia, Ghana, Kenya, Lesotho, Malawi, Moçambique, Namibia, Nigeria und Rwanda sind ebenso vertreten wie Canada, UK, Malta, Zypern, Australien und Neuseeland.

Seit einigen Monaten laufen die intensiven Vorbereitungen für dieses Treffen, was unter den höchsten Sicherheitsvorkehrungen und -auflagen stattfinden wird. Kleine Farmhäuser am Straßenrand von Kigali werden abgerissen, um die Straßen zum Regierungs- und zum Botschaftsviertel zu verbreitern. Neue Straßen werden gebaut und die bestehenden neu gepflastert. Auch Grünflächen werden angelegt, Häuserfassaden gestrichen und Parkbänke aufgestellt. Sogar Bordsteinkanten wurden gestrichen und neue Bushaltestellen aufgebaut. Ausnahmezustand überall auf den Straßen!

Vom Straßenbau ist auch ganz extrem der Stadtteil Kicukiro betroffen, in dem wir derzeit wohnen. Dessen Hauptstraße wird zukünftig nicht nur zum neuen Flughafen führen, sondern auch als neues Verkehrskreuz mit Straßenüberführung und -unterführung ausgebaut. Dementsprechend gestaltet sich gerade der Verkehr. Planlos und nicht ausgeschildert wird dieser umgeleitet, was zu einem Verkehrschaos und teilweise zum kompletten Erliegen des Verkehrs zu den Hauptverkehrszeiten führt. Hervorgerufen wird dieses Chaos durch die Vollsperrung der Hauptstraße und zusätzlich vieler Nebenstraßen, die als Ausweichroute genutzt werden könnten, auf denen allerdings parallel auch gleich noch gebaut wird.

Ein Albtraum für mich! Statt der üblichen 20 Minuten brauchen wir jetzt 45 Minuten in die Stadt und dann sind wir schon sehr zufrieden denn länger kann es situationsbedingt immer dauern. Für Berliner Verhältnisse ist das natürlich immer noch eine ganz normale Fahrtzeit, jedoch legen wir hier in diesen 45 Minuten nur 7 bis 10 km zurück und kommen nicht, wie in Berlin einmal quer durch die ganze Stadt.

Zusätzlich musste ich auch noch mein 20 Jahre altes GIZ Dienstauto zur Reparatur geben. Durch das ständige Anfahren am Berg und das langsame Fahren im Stau, hat die Kupplung den Geist aufgegeben. Nun fahre ich entweder mit dem Motorrad-Taxi, was definitiv schneller aber auch gefährlicher ist. Oder Thomas bringt mich früh mit unserem laut rasselnden und mindestens ebenso anfälligen Auto zum Büro und fährt dann im Schritttempo weiter.

Erstaunlicherweise hatte unser altes Auto jedoch gestern zum wiederholten Mal den “TÜV” erhalten und bringt uns weiterhin recht zuverlässig ans Ziel. Doch wenn einem das Auto nach der TÜV Inspektion von der Werkstatt mit leerem Tank übergeben wird, da selbstverständlich eine extra Runde gedreht wurde, und man dadurch mitten zur Hauptverkehrszeit auf der meist bewachten Straße mit vielen Botschaftsgebäuden liegen bleibt, liegen auch bei uns die letzten Nerven blank. Thomas musste zur nächsten Tankstelle laufen und ich “bewachte” unser Auto, so dass es nicht als terrorverdächtiges Vehicle abtransportiert wird. Unendliche Male entschuldigte ich mich bei den immer aufs neue nachfragenden Polizeibeamten, erkläre die Situation und lächle nervös.

Nach solchen Fahrten und Ereignissen sind wir beide immer extrem angespannt. Ich hatte mir sogar vor einigen Wochen eine “kupplungsbedingte” Muskelverspannung im Oberschenkel zugezogen. Selbständig Autofahren war daher in der letzten Zeit ohnehin völlig unmöglich. Dank der Massagen von “Seeing Hands” war das Problem jedoch schneller als erwartet wieder behoben!

Daher sind wir nun unendlich froh, dass wir Mitte Mai in die Innenstadt ziehen werden. Der Fahrtweg zu meinem Büro wird sich extrem verkürzen. Ich kann vielleicht sogar in mein Büro laufen und eine Abkürzung auf Schleichwegen nutzen. Dann bleibt auch wieder mehr Zeit für den Freizeitbereich.

Unter welchen Bedingungen wir uns während des CHOGM in Kigali bewegen können, bleibt abzuwarten. Da wir zukünftig in unmittelbarer Nähe zum Präsidentenpalast in Kiyovu wohnen, sind wir jetzt schon auf die Sicherheitsmassnahmen, Kontrollen u.ä. gespannt.

Kooperativen in Rwanda

Thomas und ich haben uns immer mal wieder gefragt, weshalb es überall in Ruanda unzählige kleine Shops nebeneinander gibt, die alle die gleichen Angebote an Lebensmitteln, Getränken oder Gas-Kartuschen und Wasserkanistern haben. Viele davon scheinen Kooperativen zu sein, die sich die Einnahmen aber hoffentlich auch den Arbeitsaufwand teilen.

Stellt eine Privatperson bei einer Bank eine Anfrage für einen Kredit, wird sie als erstes aufgefordert weitere Partner zu suchen und eine Kooperative zu gründen. Das bedeutet, eine gewisse Anzahl an Gleichgesinnten, abhängig vom bankfinanzierten Vorhaben, vereinigen sich mit einem gemeinsamen Ziel z. B. der Eröffnung eines Lebensmittelladens. Jede der beteiligten Parteien muss monatlich einen festgelegten Betrag in die “Gemeinschaftskasse” einzahlen. Dieses Geld wird gespart. Ist ein bestimmter Betrag zusammengekommen, wird die Bank informiert, die dann ihrerseits einen weitere Geldbetrag dazu gibt und somit das geplante Vorhaben finanziert. Die Rückzahlung scheint auf die gleiche Art und Weise zu funktionieren. Wodurch der soziale Druck auf jeden, sich auch tatsächlich an die verabredete regelmäßige Zahlung zu halten, enorm hoch ist.

Im Rahmen meiner Tätigkeit als Entwicklungshelferin habe ich mit Kolleg*innen drei solcher Kooperativen in Muhanga (zweitgrößte Stadt Rwandas in der Southern Province) besucht. Eine dieser Kooperativen unterstützt Rwandische Jugendliche bezüglich einer Ausbildung als Friseur*in, eine andere bildet Näher*innen und Stricker*innen aus und berücksichtigt dabei auch Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und die dritte hat sich auf die Zielgruppe von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen/Taubheit spezialisiert.

Alle drei Kooperativen werden im Rahmen von unterschiedlichen Projekten von meiner Partnerorganisation “Rwanda Union of the Blind” begleitet und von der DAB (Dänische Assoziation für Blinde) finanziert.

Im City Center von Muhanga befindet sich in der zweiten Etage eines kleinen Geschäftshauses ein Frisiersalon, der jungen Menschen aus der unmittelbaren Umgebung die Möglichkeit der Friseurausbildung bietet. Hier können Jugendliche das Handwerk vom Grund auf erlernen. Der Schwerpunkt liegt allerdings in der Vorbereitung von Braids (Kunsthaarzöpfe), die in den unterschiedlichsten Farben, Dicken und Längen manuell hergestellt werden. Haarschnitte für Frauen gibt es nach unserem Verständnis nicht wirklich, da das afrikanische Haar einfach nur kurz und kraus ist. Deshalb werden die Braids nach unterschiedlichen Katalogvorlagen angeboten und als Frisur verkauft.

Frauen können wählen, ob sie lediglich einzelne Braids oder das Kopfhaar vollständig eingeflochten bekommen möchten. Die Prozedur dauert mehrere Stunden und kostet in diesem Salon zwischen 5.000 und 35.000 FRw (= 31 EUR). Haare färben und glätten werden als Services natürlich auch angeboten, doch nach meinen Beobachtungen stehen die Braids bei den Frauen und vereinzelt auch bei jungen Männern ganz hoch im Kurs. Letztere kommen jedoch ansonsten eher regelmässig zum maschinellen Haarschnitt, jedoch nicht wie in Indien auch zum Rasieren in die Salons.

Sofern die Auszubildenden auch Kund*innen des Friseur-Salons bedienen, werden die Einnahmen untereinander geteilt, so dass jeder ab und an ein kleines Einkommen hat.

Nach einem umfangreichen gemeinsamen Mittagsbuffet mit meinen Kolleg*innen in der Innenstadt für 2000 FRw besuchten wir eine Kooperative, die sehr erfolgreich Arbeitsmöglichkeiten für 5 sprach- und hörbeeinträchtigte Menschen etabliert hat.

Aus Leichtmetallplatten, die in unterschiedlichen Grössen zugeschnitten und über Stahlstangen mit kräftigen Hammerschlägen gefalzt werden, entstehen Boxen. Ohne Schweissen und Löten finden alle Arbeitsabläufe in manueller Kleinarbeit statt. Die Vorratsboxen werden im wahrsten Sinne des Wortes zusammengehämmert. Lediglich Scharniere und Henkel werden mit den Köpfen abgezwickter Nägel befestigt. Zum Abschluss bekommen alle Boxen einen leuchtend blauen oder silbernen Anstrich.

Der Preis pro Box liegt auch hier zwischen 5.000 und 45.000 FRw. Angeblich hat jeder Rwandische Haushalt eine solche Box, denn nach der Hochzeit zieht jede Braut mit ihrem Hab und Gut darin zu ihrem Mann. Und in der Tat habe ich in vielen Läden in Muhanga City diese handgearbeiteten Unikate zum Verkauf stehen sehen. Die Beschäftigten produzieren also tatsächlich für den freien Markt und haben die Chance, ein eigenes regelmäßiges Einkommen zu generieren.

Am Nachmittag besuchten wir eine weitere Kooperative, die durch das Engagement einer sehr resoluten Frau entstanden ist. Durch ihre Initiative und durch zahlreiche private Spenden konnte eine moderne Schule errichtet werden. Auf der Rückseite des Gebäudes führt eine Rampe in die zweite Etage, so dass mobilitätseingeschränkte Auszubildende problemlos an den inklusiven Trainingskursen teilnehmen können. Unter ihnen sind auch blinde und sehbehinderte Männer und Frauen.

In mehreren Unterrichtsräumen werden bis zu 80 Auszubildende theoretisch und praktisch im Nähen und maschinellen Stricken geschult. Unterrichtsstunden in Materialkunde und Zuschnitt/Design werden ebenso abgehalten, wie praktische Übungen. Die vielfältigen Produkte bietet die Schule in einem kleinen Shop in Muhanga zum Verkauf an.

Eine kontinuierliche Finanzierungen der Ausbildung junger Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit in allen drei Kooperativen gibt es leider nicht. Trotzdem sind diese bereits nachhaltige Erfolgsmodelle, die sich mit ihren bisherigen Konzepten selbst tragen und refinanzieren. Durch eine dauerhaft gesicherte Finanzierung bestünde die Chance der Etablierung von Ausbildungsplätzen für blinde und sehbehinderte Menschen. Damit würde sich ebenso die spätere Möglichkeit einer eigenständigen einkommensgenerierenden Beschäftigung ergeben.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, den alle gewillt sind mit gegenseitiger Unterstützung zu gehen. Ich bin selbstverständlich auch gern mit dabei.

Klimawandel

Auch dieses Wort kennt man hier in Rwanda! Und es kann keiner mehr ernsthaft behaupten, dass sich Wetterprognosen in Verbindung mit Jahreszeiten noch genau so eindeutig erstellen lassen, wie in den vergangenen Jahrzehnten.

Eigentlich gibt es in Rwanda eine kleine und eine große Regenzeit und dazwischen strahlt die Sonne und wärmt den Boden tief durch. Die landwirtschaftlichen Aktivitäten auf den kleinen privat bewirtschafteten Feldern sowie auf den zahlreichen unterschiedlichen Kooperativen sind in ihren Arbeitsabläufen seit Jahren darauf ausgerichtet.

Doch das Klima wandelt sich! Heftige Stürme und Dauerregen über die übliche Regenzeitperiode hinaus machen die fragile Landwirtschaft noch anfälliger. Gleichzeitig sind die Trockenperioden noch trockener und der Boden dörrt aus. Die stabilen klimatischen Bedingungen in Rwanda mit ganzjährig angenehmen Temperaturen um die 25°C und einer Ausgewogenheit an Regen und Sonne sind nicht mehr das Alleinstellungsmerkmal und Vorteil für Landwirtschaft und Tourismus in dem kleinen Land. Doch alles ist von diesen beiden Wirtschaftsbereichen abhängig!

Um so dramatischer sind die Auswirkungen des Klimawandels für die Bevölkerung, die ihren Lebensunterhalt durch Beschäftigungsverhältnisse in der Landwirtschaft oder dem Tee- und Kaffeeanbau verdient. Daher sind auch die internationalen Bemühungen zunehmend größer, durch diverse Innovationen und moderne Konzepte eine Anpassung an diese Veränderungen zu unterstützen.

Auf unserem Weg nach Karongi (früher Kibuye) an den “Lake Kivu” sehen wir die unmittelbaren Auswirkungen extremer Witterungsverhältnisse regelmäßig und sind erstaunt über deren Heftigkeit. Nicht nur die sich in Serpentinen dahinschlängelnde Bergstraße verursacht mit ihren ausgewaschenen Schlaglöchern und Erdrutschen immer wieder lange Fahrtwege.

Landstriche werden unterspült und langsam ausgehöhlt, so dass der Boden später in großen Teilen absackt. Kleine Farmen und Plantagen an Berghängen brechen in sich zusammen oder herabströmende Schlammmassen begraben die erntereifen Felder.

Doch die Natur ist trotz aller klimatischen Veränderungen (vorerst) weiterhin beeindruckend. Allerdings müssen auch wir nicht direkt und unmittelbar von ihr leben. Doch zumindest wollen wir bewusst mit ihr im Einklang einen Teil unserer Lebenszeit verbringen.