Am Freitag vor dem Pfingstwochenende kam unser Guard und Hausverwalter Faustin vom Abendspaziergang mit Solange, der einjährigen Hündin unserer Freunde, zurück. Er berichtete ganz aufgeregt, dass sie in der unmittelbaren Nachbarschaft plötzlich von einem großen Hund angegriffen und gebissen worden war. Er habe noch versucht, den Angriff abzuwehren. Mit der Leine habe er auf den anderen Hund eingeschlagen und um Hilfe gerufen aber auch der Besitzer des angreifenden Hundes war nicht in der Lagen, ihn zurückzuhalten. Es bedurfte der Hilfe eines weiteren Spaziergängers, beide Hunde auseinander zu bringen.
Solange blutete am Hinterteil, war völlig verstört, Schwanz und Ohren angelegt und gab keinen Laut von sich. Futter verweigerte sie und außer liebevolles Streicheln fiel uns nix ein. Tierärzte für Notfallbehandlungen gibt es in Kigali nicht, daher könnten wir nur eine von drei im Internet recherchierten Tierarztpraxen am Folgetag aufsuchen. Faustin wollte uns unbedingt begleiten und war mindestens genau so aufgeregt wie wir und die Hündin.
So nahmen wir erst einmal Thomas elektrischen Haarschneider und rasierten vorsichtig das Fell um die Wunde ab, um einen Eindruck vom Ausmaß der Bisswunde zu bekommen und zu desinfizieren. Das sah Gott sei Dank gar nicht so schlimm aus. Also streicheln sollte vorerst reichen. Wir informierten unsere Freunde über das schockierende Ereignis und versprachen, den Tierarzt zur Sicherheit am nächsten Morgen aufzusuchen. Die entsprechenden Gesundheitspapiere lagen in einer Schublade.
Immer mal wieder schaute ich in den folgenden Stunden nach Solange, die ruhig in ihrem Korb saß und bald auch einschlief. So wie Thomas und ich dann letztendlich auch. Es war eine anstrengende Woche mit Umzugsvorbereitungen, ankommen im neuen Wohnumfeld, erkunden der Umgebung und zum Wochenabschluss sogar noch mit diesem “tierischen” Notfall.
Plötzlich spürte ich ein Krabbeln an meinem Fuß. Was war das? Ein Blick auf die Uhr: 2:10 Uhr. Solange schien mich wecken zu wollen. Ich quälte mich aus dem Bett und ging in die Küche, um Thomas nicht auch noch munter zu machen. Ganz langsam folgte sie mir. Plötzlich blieb Solange mitten im Raum stehen und begann am ganzen Körper zu zittern. Außerdem hechelte sie stark und es fiepte beim Atmen. Oh Shit, was wird das denn jetzt? Was sollte ich machen? Keine Ahnung von Haustieren. Na ja, ich hatte in Kindertagen Wellensittiche gehabt, aber einen Hund?
Ich hatte schon am frühen Abend meine langjährige Freundin Kerstin aus Hoy über Facebook-Messenger angeschrieben und ihr die ganze Situation geschildert. Sie hat seit Jahren einen Hund und daher viele Erfahrungen. Umgehend hatte ich von ihr Hinweise erhalten, worauf ich achten sollte und auch noch einen Link “Erste Hilfe beim Hund – Bissverletzung”. Na da konnte ich mal nachlesen und mich informieren. Gerade war ich beim Kapitel “Schockzustand nach Bissverletzung” angekommen, als Solange mit den Augen rollte und zur Seite wegkippte. Nun lag sie in der Mitte auf dem Küchenboden. Fuck! Auch das noch! Was hatte ich doch gerade noch gelesen? Auf die rechte Seite legen und die Hinterbeine erhöht lagern. Fix ein altes Handtuch gegriffen, gerollt und untergeschoben… und nun? Liebevoll streicheln, kann nicht schaden. Nach nur wenigen Minuten, rappelte sich Solange jedoch zu meiner großen Erleichterung schon wieder auf und erhob sich zitternd und hechelnd. Ich prüfte die Schnauzenspitze. Sie war trocken und heiß. Davor hatte mich Kerstin gewarnt, darauf sollte ich unbedingt achten. Ok, nun aber fix. Kleine Schüssel mit Wasser holen und per Hand die empfindliche Schnüffelnasenspitze befeuchten. Sofort begann Solange meine Hand abzuschlecken und dann auch etwas zu trinken. Na bitte, geht doch! Alles im Griff!
So verbrachte ich die nächsten Stunden bis 4:45 Uhr neben Solange auf einer Luftmatratze sitzend, jedes Schniefen, Röcheln, Fiepen ängstlich belauschend. Allmählich beruhigte sie sich, stand jedoch weiterhin apathisch in der Mitte der Küche und bewegte sich keine Zentimeter.
Für ca. 1 Stunde legte ich mich dann doch noch einmal hin. Gegen 6:00 Uhr wurden Thomas und ich von Solange geweckt und ich berichtete kurz von meinen nächtlichen Aktivitäten. Wir planten den Tierarztbesuch umgehen für 9:00 Uhr, dann sollte die Praxis geöffnet haben. Das Ergebnis unseres dortigen Besuches, gemeinsam mit unserem Guard, war sehr zufriedenstellend. Nach einer mehrstündigen Beobachtungszeit konnten keine beunruhigenden Auffälligkeiten oder tiefere Verletzungen festgestellt werden. Solange wurde mit Antibiotika, Desinfektionsspray und Schmerztabletten wieder nach Hause entlassen. Thomas holte sie in einer Tragebox mit dem Auto wieder ab. Auch unser Guard war sichtlich erleichtert und freute sich über den doch noch glimpflichen Ausgang.
Nun wollten wir Kontakt zum Besitzer des angreifenden Hundes aufnehmen, um die Ernsthaftigkeit der Situation noch einmal klar darzustellen und Handlungsbedarf für die Zukunft zu signalisieren. Schließich würden beide Hunde auch weiterhin auf dieser Strecke ausgeführt werden. Absprachen waren also nötig, um erneute Eskalationen zu vermeiden. Aber auch da würde sich hoffentlich eine gute Lösung finden lassen.
Nun müssen wir uns in den nächsten 7 Tagen nur noch der Herausforderung der Medikamentengabe stellen. Das ist alles andere als leicht. Entweder hat Solange das Futter schon hastig weggeschlabbert und wir kamen gar nicht so fix hinterher, die Tabletten unterzumischen oder ihr behagt das Futter gar nicht und somit bleiben natürlich auch die bereit vorbildlich untergemischten Medikamente stehen. Aber auch da haben uns mittlerweile die Tipps und Tricks meiner Freundin Kerstin sehr geholfen. Nun sind auch wir Profis in der Hundeversorgung.