Ohne schlechtes Gewissen

Ist das schön! Endlich auch mal wieder ohne schlechtes Gewissen und ohne den kleinen Rucksack für den „Alibi-Einkauf“ auf dem Rücken einen ausgiebigen Speziergang machen zu können. Wir genießen diese Möglichkeit nach dem Lockdown jetzt noch viel mehr.

Am vergangenen Sonntag hatten wir uns zum zweiten Mal zu den „Wettlands“ auf den Weg gemacht. Eine schöne Tour von 10 bis 15 km Länge, je nachdem für welche Runde (mit oder ohne Abkürzung) man sich entscheidet. Thomas und ich hatten so begeistert überall davon berichtet, dass Freunde unbedingt auch einmal mit uns diesen Weg laufen wollten. Er beginnt auch gleich hinter unserem Haus. An diesem Sonntag wollte uns Elisabeth begleiten, obwohl sie alles andere als gern und viel läuft. Nach der großen Mittagshitze starteten wir gegen 14:30 Uhr , kamen in einen kurzen aber heftigen Regenschauer und hatten danach das wundervollste Wanderwetter.

Zu Beginn des Weges muss man durch Gahanga, ein Nachbardorf unseres Dorfes Muyange. Es ist unvorstellbar, dass man sich eigentlich in einem Ortsteil der Hauptstadt befindet. Man fühlt sich eher wie mitten auf dem Land. Auch die Bevölkerung lebt in einfachen Lehmhütten und arbeitet auf den kleinen angrenzenden Feldern an den Berghängen.

Der Dorfkern befindet sich an einer holperigen und vom Regenwasser ausgewaschenen Wegkreuzung mit wenigen schattenspendenden Bäumen am Wegesrand. Unter diesen sitzt gefühlt das halbe Dorf (ohne Mundschutz und social distancing) und ruht sich von der schweren Feldarbeit aus. Gegenüber gibt es sogar einen winzigen Laden, der jedoch nur ganz „ausgewählte“ einzelne Produkte anbietet, da alle Familien Selbstversorger sind. Ringsherum verkaufen Frauen Obst und Gemüse von ihren Feldern.

Vor einer alten Nähmaschine, die auf einem nicht viel größeren Holztischchen befestigt ist, sitzt eine Frau in traditioneller Kitenge-Kleidung (bunt und auffällig bedruckt) unter einem großen ausgeblichenen roten Sonnenschirm. Den sehen wir soger von unserem Schlafzimmerfenster aus, wenn wir bei klarem Wetter auf der anderen Berhangseite das Dorfleben beobachten. Die Frau näht und repariert alles, was aus Stoff ist. An so einem Stand habe ich auch einen meiner Turnschuhe nähen lassen, bei dem eine Seitennaht aufgegangen war. Kostet 50 Cent und hält 100 Jahre! Zusätzlich kommt man mit dem ganzen Dorf ins Gespräch. Die Einheimischen wundern sich, dass die Muzungus ihre Schuhe reparieren lassen und nicht einfach weg werfen, um neue zu kaufen. Schön, dass wir auf diese Art und Weise zu Bildung und Verständigung beitragen können.

Wir haben Durst! Bei einem Seitenblick durch eine schief hängende Holztür erkennen wir eine Art Bar. Klein, dunkel aber mit einem richtigen Tresen. Wir bestellen zwei Cola und Thomas bezahlt mit MoMo (Mobil Money). Die Barfrau holt ihr Mobiltelefon, wirft einen Blick drauf, nickt, bestätigt damit die Zahlung und wir verlassen die Lokalität. Es ist so krass! Eigentlich gibt es nix von Wert zu kaufen, so dass man bargeldlos bezahlen wollen würde. Aber schon bei Alltäglichem springt einen in Ruanda die Digitalisierung förmlich an jeder Ecke an.

Das Sumpfland, was wie gesagt nur wenige Gehminuten von unserem Haus entfernt beginnt, ist für uns landschaftlich einfach beeindruckend. Es gibt unzählige Vögel und so zwitschert es ununterbrochen in einer ungewohnten Lautstärke. Sofern man nicht gerade unmittelbar am Ufer des Flusses entlang spaziert, blickt man von jedem Berg auf den schlammigen Niaborongo-Fluss herab, der sich durch das dichte Papyrus-Grün schlängelt. Schmale Fischerbote gleiten ruhig dahin oder transportieren für ihre Größe relativ viele Menschen auf die andere Flußseite. Doch das probieren wir lieber nicht aus.

Ein seltener und belustigender Anblick sind auch die schwarz-weißen europäischen Kühe, die unter Palmen am Ufer stehen. Ein Stück Heimat, was sich mit dem afrikanischen Kontinent zu vermischen scheint.

Nach so einer Wanderung haben wir aufgetankt, fühlen uns freier und sind zufrieden. Die angespannte Situation des Corona-Lockdowns in den vergangenen Wochen fällt Stück für Stück ab. Wir hoffen, dass wir auch bald wieder innerhalb des Landes reisen und so noch weitere Eindrücke sammeln können. Darauf freuen wir uns!

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