Seit 02.06. können wir nun auch wieder überregional reisen und müssen uns nicht nur in Kigali die freie Zeit vertreiben. Diese Option haben wir dann auch gleich genutzt und sind am Wochenende nach Bugesera, 10 km von Kigali entfernt, gefahren. Dort gibt es ein großes Sumpfgebiet, durch das man wandern kann. Dessen Ausläufer ziehen sich bis vor unsere Haustür in Kicukiro. Daher waren wir ja auch schon einige Male zu Fuß in dem Gebiet, nun also noch einmal mit Übernachtung in der “Bugesera Lodge”.
Die Lodge wurde von Joselyne, einer Französin und ihrem Rwandischen Ehemann aufgebaut und unterdessen seit 5 Jahren erfolgreich geführt. Alles ist sehr persönlich und mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Die kleinen Ferienhäuser erinnern an traditionelle afrikanische Rundhütten, eine Herausforderung für die Inneneinrichtung. Es gibt eigentlich nur einen Raum, in dessen Mitte das Bett steht. Drum herum führt ein schmaler Gang, von dem ein jeweils halb-offener Dusch- und Toilettenbereich abgeteilt ist. Hm, in einigen Fällen ist das suboptimal!
Die kulinarische Versorgung übernimmt Joselyne selbst. Sie kocht und bäckt phantastisch, auf französische Art und Weise. Dabei gibt sie ihr Wissen und Können an einheimisches Servicepersonal weiter, das richtig stolz darauf ist, europäisch zu kochen und die Gäste damit zu verwöhnen. Selbstgemachte Marmeladen, Mixedpickles, Käseecken und leckere französische Weine bekommt man zu den Mahlzeiten gereicht. So fühlt man sich einerseits ein wenig wie in Joselynes Heimat, der Provence. Andererseits ist man von afrikanischer Inneneinrichtung, traditioneller Wanddekorationen und einheimischen Kunstgegenständen umgeben.
Mit Einbruch der Dunkelheit wird der Garten mit kleinen Gaslaternen iluminiert und auch im offenen Gastronomiebereich brennen zahlreiche Kerzen, Lichterketten sowie Steh- und Wandlampen. Es ist richtig gemütlich! Die vielen bunten Kissen und Decken, die die unterschiedlichen und ebenfalls zusammengewürfelten Sitzmöglichkeiten dekorieren, lassen eine ganz wunderbare Athmosphäre entstehen. Wir fühlen uns wohl und genießen die anregenden Gespräche mit Joselyne und amysieren uns über ihren lustigen englisch-französischen Akzent.
Die weiteren Gäste waren ebenso international, wie das Gastgeberpaar und seine Freunde. So lernten wir Joselyne Umutoniwase kennen. Sie ist Inhaberin von “Rwanda Clothing” und eine international angesehene Modedesignerin. Sie hat bereits eine ihrer Kollektionen vor Jahren auf der Mailänder Modemesse präsentiert. Zahlreiche Interviews mit der internationalen Presse über ihr kreatives Business, die Selbständigkeit und ihre Rolle als Managerin und Mutter in einem afrikanischen Land wurden mit ihr geführt. Trotz ihres Erfolges ist die 32-jährige sehr bodenständig und spricht mit uns offen über ihr Leben, persönliche Krisen und anstehende Business-Herausforderungen aufgrund der Corona-Pandemie. Darüber hinaus ist Joselyne auch sozial engagiert. Sie arbeitet regelmäßig in Projekten mit einheimischen Frauen, um ihnen Bildung, Arbeit und damit mehr Selbständigkeit zu ermöglichen. Wir diskutieren über Entwicklungszusammenarbeit und den Sinn bzw. Unsinn von Fördergeldern ohne konkrete Zielkriterien und Kontrollinstanzen und finden in weiten Punkten große inhaltliche Übereinstimmung. Ihre aktuelle Projektidee steht im Zusammenhang mit Ausbildungsmöglichkeiten für junge Leute. Sie möchte ein Atelier einrichten, indem Jugendliche verschiedene handwerkliche Fähigkeiten ausprobieren können und gleichzeitig fachliche Anleitung erhalten, um mögliche Talente beruflich einsetzen zu lernen. Das ist u. a. auch ein Ziel der GIZ. Daher hatThomas selbstverständlich Vernetzungsoptionen angeboten.
Ein mitgereistes und befreundetes Ehepaar von Joselyn war auch in die Diskussionen eingebunden und ebenfalls sehr engagiert. Alice ist Rwandarin und im Vorstand von RDB (Rwanda Developement Board) sowie Leiterin einer Schweizer NGO, die Startup-Förderung in Rwanda betreibt. Darüber haben sich die beiden Frauen vor 8 Jahren kennengelernt, als Joselyn das Unterstützungsprogramm für Entrepreneurs nutzte. Ihr Mann, Stefan ist Belgier und lehrt an der Medizinischen Fakultät der Universität Rwanda zum Thema mentale Gesundheit. Wir verbringen gemeinsam mehrere Stunden in anregender Diskussion und sind von deren Enthusiasmus, sozialem Engagement und den spannenden Lebenswegen sehr angetan.
Doch schließlich wollen wir nicht nur diskutieren, gut essen, Wein trinken und den Blick von unserem Ferienhaus in die Weite schweifen lassen sondern tatsächlich in der bizarren Landschaft einmal über den Sumpf laufen.
Es gibt einen Rundweg von ca. 10 km, der uns empfohlen wurde. Aus der Ferne sieht dieser recht normal aus, jedoch mit dem ersten Schritt auf diesem Pfad, wird mir ganz anders. Es schwankt schon mächtig unter den Füßen und man sieht förmlich, wie sich der eigene Auftritt wellenförmig über den papyrusbedeckten Boden nach vorn ausbreitet. Das Gefühl jederzeit versinken zu können und die teilweise schon nassen, leicht schlammigen Füsse sind alles andere als angenehm. Daher hastete ich schimpfend und manchmal vor Schreck kreischend eilig vorwärts. Nur fix auf die andere Seite kommen und durchatmen.
Am Nachmittag sind wir zurück von unserer kleinen Wanderung und entspannen inmitten der Pflanzen- und Vogelpracht im Anwesen der Bugesera Lodge. Außerdem tauschen wir noch Visitenkarten mit Joselyne und Alice aus, um uns auch zukünftig weiter vernetzen zu können. Bin gespannt, ob das tatsächlich klappt. Schön wäre es auf jeden Fall!