Nur 35 km von Kigali entfernt im Süden befindet sich ein 145 km² großes Sumpfgebiet, die Nyabarongo Wetlands. Touristisch nicht erschlossen, für uns daher jedoch besonders interessant. Über staubige Buckelpisten war die Anfahrt dorthin nur mit unserem Geländewagen möglich.
Ein bizarres Bild bot sich uns vor Ort. Ein langer Damm teilte die Landschaft einerseits in trockengelegte und landwirtschaftlich genutzte Flächen für Reisfelder. Andererseits war noch die Sumpflandschaft zu sehen, dicht bewachsen mit Papyruspflanzen. Überall schwelten kleine Rodungsbrände, um das Land weiter nutzbar zu machen, Farmer setzten Reisstecklinge und standen daher knietief im Sumpf. Junge Männer transportieren auf klapprigen Rädern für uns unbeschreibliche Mengen an geschnittenem Schilf, Bambus oder Kochbananenstauden und balancierten den holprigen Damm entlang.
Wir wollten ca. 10 km durch die Wetlands wandern und wurden von zahlreichen verständnislos dreinblickenden Dorfbewohnern umringt, als wir unser Auto abstellten. „Give me money!“, war der erste Satz, den wir hörten. Nun schauten wir verständnis- und sprachlos. Hier im tiefsten Landesinneren, wohin sich mit Sicherheit nur äußerst selten ein Tourist verirrt, wirkte dieser Satz total fehlplatziert. Er war jedoch sehr ernst gemeint, denn Hände wurden ausgestreckt, um das Gesagte zu bekräftigen. Und kein anderer englischer Satz folgte. Wir schauten in ernste, wettergegerbte staubige Gesichter. Ohne Reaktion darauf liefen wir los und hofften, nicht von einem Menschenpulk begleitet zu werden. Unterwegs begegneten uns dann auch immer mal wieder Einheimische auf Rädern oder zu Fuß mit Spitzhacken über der Schulter, die vom Feld kamen. Alle schauten anfangs recht grimmig. Nachdem wir jedoch ein „Mwaramutse!“ gemurmelt hatten (Guten Tag!), erschien dann doch häufig ein zaghaftes kleines Lächeln auf den Gesichtern. Viele Einheimische sind sehr misstrauisch und weniger offen gegenüber „Musungus“ (Weißen), als von uns erwartet. Wo auch immer wir auftauchen, wird lautstark „Musungu, Musungu!“ durch´s Dorf gerufen. Ruandaer mögen auch auf keinen Fall offensichtlich fotografiert werden. Darauf können dann schonmal böse Blicke und ein Kopfschütteln folgen. Mit gutem Objektiv konnten wir doch das eine oder andere Foto schießen. Außerdem waren auch wieder schöne Vogelaufnahmen möglich. Ich wollte es kaum glauben aber sogar Kaiserkraniche, Heilige Ibisse, Schwarzhalskraniche und einen Schopfadler haben wir live gesehen. Sehr beeindruckend!
Der Tag hatte eher bewölkt und verhangen begonnen und unterwegs trübte es sich weiter ein. In Verbindung mit den beißenden Rauchwolken der zahlreichen kleinen schwelenden Brände verdunkelte sich der Himmel noch stärker. Zogen tatsächlich Regenwolken auf? Auf halber Strecke fing es dann auch tatsächlich an zu regnen. Wie aus dem Nichts tauchte ein vollbesetzter Kleinwagen hinter uns auf und fuhr an uns vorbei. 100 Meter weiter hielt er jedoch abrupt an und wartete auf uns. Man bot uns eine Mitfahrmöglichkeit an, da „…der Regen hier doch recht heftig werden könne…“. Wir waren sehr erleichtert, hatten nur so gar keine Idee, wie wir zwei nun auch noch in das vollbesetzte Auto passen sollten. Zwei Kinder mittleren Alters wurden mit auf den Beifahrersitze gequetscht. Vor lauter Schreck fing ein kleiner Junge kurz an zu weinen. Nun zwängten sich Thomas und ich uns zu zwei auch recht korpulenten aber gut gekleideten Damen auf den Hintersitz. Insgesamt waren wir nun 8 Personen.
So viel spontane Offenheit und unaufdringliche Freundlichkeit hatten wir in dieser Situation nicht erwartet. Danke für diese Erfahrung und die Kehrtwende in unserer Wahrnehmung der einheimischen Bewohner*innen.
Trotz aller, auch staatlich unterstützer Bemühungen die Wetlands weiter landwirtschaftlich nutzbar zu machen, hoffen wir doch sehr, dass Sumpf halt Sumpf bleibt und sich die Natur nicht ganz in menschlich formende Hände begibt.