Thomas hat eine taffe Kollegin, Solange. Sie ist clever, nimmt die vielen inhaltlichen und methodischen Anregungen von Thomas sehr gern an und möchte sich mit seiner Hilfe beruflich weiterentwickeln. Als sie nun hörte, Ehefrau und Tochter sind auch in Kigali angekommen, wollte sie uns gern kennenlernen. So bekamen wir als Familie eine Einladung von ihr und ihrem Mann zum Abendessen im „ZEN“, einem orientalisch-asiatischen Restaurant. 19:00 Uhr wollten wir uns dort treffen.
Am frühen Nachmittag fuhren wir erst einmal mit dem Auto in die City. Etliche Dinge mussten noch eingekauft werden und wir wollten Lotti unsere „Lieblingsläden“ zeigen. Ich fuhr, da Samstag wenig Verkehr in der Stadt zu erwarten war und parkte auf einem extra großen, kostenpflichtigen Parkplatz eines Einkaufzentrums. Hier hatte ich eine Chance, das Einparken mit dem alten Land Rover zu bewältigen und ohne die Fallstricke einer Tiefgarage rein- und rausfahren zu können.
Der Einkauf bei T 2000, dem chinesischen Billiggroßeinkaufsmarkt, dauerte länger als erwartet. Das liegt an den Abläufen, die man dort einhalten muss: Taschenkontrolle vor dem Betreten des Marktes, gefolgt vom Einschließen aller Taschen und Beutel in einem Safe am Eingang der Einkaufsetagen, Wartschlangen an den Kassen und überforderte Kassierer, die die Preise nicht einscannen können, da die Technik nicht funktioniert. Am Ende des gerade überstandenen Kassierens erfolgt dann noch die Überprüfung des Kassenzettels mit den im Korb liegenden Waren durch die Security und zwar Stück für Stück (ein Kleiderbügel, zwei Kleiderbügel,… es ist für uns jedesmal ein Meditationsauftrag). Erst danach kann man seine Taschen wieder abholen, alles einpacken und aufbrechen. Zu unserem Bedauern wird von den Angestellten alles ganz selbstverständlich mit der notwendigen Ruhe und Sorgfalt ausgeführt. Die kostbare Zeit rennt davon, wobei man nur ein paar Dinge eingekauft hat. Unsere Geduld war überstrapaziert und wir daher beim Verlasse des Einkaufsmarktes alle etwas genervt und angespannt. Die gekauften Sachen luden wir aus unserem vollen Einkaufswagen ins Auto und wollten gerade starten…doch das Auto sprang nicht an. Hatte ich was falsch gemacht? Batterie? Zündung?
Beschämte Blicke, nur das Benzin war alle! So musste Thomas zu Fuß 10 Minuten zur nächstgelegenen Tankstelle laufen und einen kleinen Plastikkanister füllen lassen. Lotti und ich tranken unterdessen einen frisch gepressten Saft in einem Café, welches gleich neben der Parkplatzausfahrt lag und warteten. Das lernt man hier in Rwanda, totsicher!
Anschließend fuhren wir zu „Kigali Hights“, einem sehr noblen und schicken Einkaufsparadies für Kigalis Großverdiener und Expat-Territorium. In unseren Wochenend-Wohlfühl-Sachen entsprachen wir nicht ganz dem Anblick der sich dort tummelnden Mehrheit. Trotzdem bereitete uns der Einkauf in einem Sportladen viel Freude, da wir u. a. für Lotti gute Funktionssachen bekamen.
Unterdessen war es bereits 18 Uhr und wir überlegten, gleich von hier aus in das Restaurant zu fahren, entschieden uns jedoch dagegen. Also fuhren wir noch einmal 20 Minuten zurück nach Hause, um uns umzuziehen und die „Abendgarderobe“ anzulegen. Schließlich war Wochenende und wir waren zum Essen verabredet. Zeitlich würde das alles mega knapp werden, doch afrikanische und deutsche Zeit passen ohnhin nicht zueinander. Mit leichter Verspätung kamen wir im „ZEN“ an. Solange und ihr Mann Jacob saßen bereits am Tisch. Ein tolles überdachtes Gartenrestaurant mit sehr schön eingedeckten Tischen, ein sehr schönes Ambiente (www.zenkigali.com).
Nach sehr herzlicher Begrüßung begann sofort ein lockeres offenes und lustiges Gespräch. Wir erfuhren, dass an diesem Tag Solange Geburtstag war. Wir hatten keine Ahnung gehabt und waren daher ohne Geschenk aber wenigstens noch in ordentlichem Outfit aufgetaucht. Erleichterung! Wir sangen „Happy Birthday“ und selbstverständlich auch noch „Weil heute dein Geburtstag ist.“ Damit unterhielten wir das gesamte Lokal und sorgten für Begeisterung bei allen Anwesenden, einschließlich dem Geburtstagskind. Sehr gut!
Es wurden Getränke bestellt und ein Blick in die Speisekarte geworfen. Man würde mit der Bestellung noch etwas warten wollen, wenn es uns auch Recht sei. So zeitig esse man in Ruanda nicht, erklärte uns Jacob. Obwohl wir richtig hungrig waren, schließlich hatten wir durch unseren Einkaufsmarathon keine Mittagspause gehabt, stimmten wir selbstverständlich zu. Eine weitere Stunde verging mit kurzen fachlichen Gesprächen der Männer und vielen lustigen Kindheits- und Familienanekdoten aus Tansania, wo Jacob und Solange aufgewachsen waren.
Plötzlich erklang „Happy Birthday“ in Kinyarwanda und der Kellner kam mit einer kerzenbestückten Torte an unseren Tisch. Ihm folgte jedoch eine weitere Person und dann noch eine und noch eine…es wurden immer mehr Personen und schließlich realisierte Solange, dass ihre gesamte Familie als Überraschungsgäste mit ihren beiden kleinen Kindern (3 und 5 Jahre) angereist war, um mit ihr zu feiern.
Das Erstaunen und die Freude waren auf allen Seiten groß und Jacob platze fast vor Freude und Stolz über seine gelungene Überraschung, die er gemeinsam mit einer Schwester von Solange organisiert hatte. Nun wurden Tische und Stühle gerückt, Getränke schnell geordert, eine Vorstellungsrunde durchlaufen, Umarmungen folgten, Tränen flossen und wir sahen uns plötzlich in einer großen traditionellen Familienfeier eingebunden. Reden wurden gehalten, Geschenke übergeben, gesungen, erzählt und dabei nun auch ausgiebig gegessen. Es war wunderbar! Alle zeigten sich uns gegenüber so offen und herzlich, als gehörten wir ganz
selbstverständlich mit zur Familie und das schon seit Jahren. Alle bemühten sich, ausschließlich englisch zu sprechen, damit auch wir teilhaben konnten. Die Schwiegereltern waren glücklich über unsere Anwesenheit und fühlten sich, wie wir übrigens auch, sehr geehrt. Thomas bekam in einer Ansprache durch das Geburtstagskind die wohl positivste Rückmeldung zu seinen beruflichen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften, die man sich nur denken kann. Ich war so stolz auf meinen Mann. In dieser Runde als kleine Familie dabei zu sein, machte auch mich glücklich.
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