Thomas arbeitet nun die 3. Woche im Homeoffice. Das bedeutet, es finden
zahlreiche kleine Telefonate über den Tag verteilt statt, zu denen er im Haus oder in einem unserer leeren Zimmer aber manchmal auch im Garten
umherläuft. Ab und an ist auch ein Meeting von mehreren Stunden zur Abstimmung des weiteren Vorgehens in den zahlreichen Projekten angesetzt. Thomas verbringt diese Zusammenkünfte dann mit Headset vor dem Laptop. Manchmal ist auch Ruhe im Haus, dann weiß ich, schriftliche Ausarbeitungen stehen an und höchste Konzentration ist gefordert. Also nur nicht stören!
Durch die instabile Internetverbindung ist es nicht allen Kolleg*innen von Thomas möglich, effektiv von zu Hause aus zu arbeiten. Sie sind es zum
einen nicht gewöhnt, sich selbst zu strukturieren und Arbeit eigenverantwortlich zu planen. Aufträge werden üblicherweise durch das
Management erteilt und dann abgearbeitet. Zum anderen sind Telefonate zur inhaltlichen Abstimmung oder die Bearbeitungen von Dateien auf externen Servern aufgrund der ständig abbrechenden Internetverbindung nur bedingt
möglich. So strukturiert Thomas nicht nur seine Arbeit, sondern auch die der Kolleg*innen. Um etwas mehr Effizienz in den Arbeitsablauf zu bekommen, hat eine Kollegin, die nur 10 Minuten von uns entfernt wohnt,
einen Arbeitstag in “unserem Homeoffice” am Esstisch verbracht mit 2 Metern Abstand zwischen den Laptops und vorherigem Händedesinfizieren.
Unsere Internetverbindung ist mittlerweile zwar auch nicht mehr stabil, aber Thomas hat drei unterschiedliche Anbieter, zwischen denen er im Falle eines kompletten Ausfalls oder einer Unterbrechung wechseln kann. So kommt er über den Tag.
Auch ich reihe mich in diese ungewohnte Organisation noch mit ein. Täglich lese ich meine Studienunterlagen, stelle Prüfungsausarbeitungen zusammen oder recherchiere Methoden, Strategien und Arbeitsansätze im Internet.
Zwischendurch nutze ich eine Vinyasa-Yogaeinheit oder einen online-Sportkurs, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Ich
brauche einfach (viel) Bewegung! Die nunmehr fast vollständige Inaktivität schlägt mir von Tag zu Tag mehr aufs Gemüt. Ich reagiere gereizt und bin
unzufrieden. Dabei gibt es auch etliche Gründe, die diese beklemmende Situation trotzdem ertragbar und sogar schön gestalten. Das Wetter in Kigali ist nach wie vor richtig toll, angenehme 20- 25 °C. Unser Garten ist herrlich grün, die Sträucher blühen, der Ausblick ins Tal mit dem
ländlichen Treiben dort ist weiterhin faszinierend. Sogar abends können wir entspannt auf der Terrasse sitzen, den Sternenhimmel genießen und den Vögeln beim Singen ihres Gutenachtliedes lauschen.
Trotzdem ist der Tag lang und es bedarf äußerster Selbstdisziplin, eine Struktur zu erfinden, die trägt. Wir haben z. B. gemeinsam mit Thomas eine morgendliche Yogaeinheit von 30 Minuten eingebaut. Durch einfache
Dehnungsübungen kommen wir im wahrsten Sinne des Wortes entspannter in den Tag. Abends unternehmen wir ab und an noch einen kleinen Spaziergang in der Nachbarschaft, was eigentlich nicht erlaubt ist. Wir begegnen auch nur wenigen Paaren oder Zweiergruppen, die sich ebenso verhalten. Ganz ohne Bewegung geht es einfach nicht, da leidet das psychische Wohlbefinden. So hangeln wir uns mit einem Minimum an Struktur derzeit von einem Tag zum
nächsten und freuen uns, wenn wir Butter, Brot oder Gemüse brauchen und dann einkaufen gehen (oder fahren) können.
Gestern wollten wir gegen 17:30 Uhr einkaufen. Um mal einen “Tapetenwechsel” zu haben, sind wir mit dem Auto in die Innenstadt gefahren. Auf der Hauptstraße fanden Polizeikontrollen statt und Beamte fragten jeden Einzelnen, wohin er gerade unterwegs sei und warum. Mit einem leeren Wasserkanister auf dem Rücksitz und einer großen Einkaufstasche daneben durften wir passieren, obwohl ein anderer Supermarkt wesentlich näher gelegen und in kürzerer Zeit erreichbar gewesen wäre.
In der Innenstadt fiel uns auf, das hier eindeutig weniger Menschen als in unserem ausserhalb gelegenen Wohngebiet auf den Straßen unterwegs waren. Das Zentrum glich
in der Abenddämmerung einer Geisterstadt. Die Ampeln schalteten zwar noch von grün auf rot aber es gab eigentlich gar keinen Verkehr, der geregelt werden musste. Am Straßenrand standen Polizisten mit Schutzmasken und führten vereinzelte Kontrollen durch. Auch Fussgänger wurden angesprochen.
Nach der üblichen Händedesinfektion am Security-Kontrollstand passierten
wir das Einkaufscenter zogen Einmalhandschuhe an und wollten den Supermarkt betreten, doch der war gerade dabei, zu schließen. Es war kurz nach 18:00 Uhr. Die Regierung hatte vor einer Woche kürzere Öffnungszeiten
verordnet. Das hatten wir ganz vergessen. Trotzdem ließ uns die Security als letzte Kunden noch passieren. Leider konnten wir die tatsächlich
benötigten Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse nicht mitnehmen, da das Abwiegen und Auspreisen zu dieser Zeit nicht mehr möglich waren. Um unsere Anwesenheit zu rechtfertigen kauften wir Teelichter, Lappen und ein
paar Getränke. Auf dem Rückweg hielten wir an unserem “Tante-Emma-Eck-Laden” und tauschten unseren leeren 20 Liter Wasserkanister gegen einen vollen. Thomas nahm auch noch zwei Hühnerkeulen
mit, denn kochen steht nach Sport gleich an zweiter Stelle unserer gemeinsamen Tagesstrukturierung.
Bisher gab es keine offizielle Regierungsbekanntmachung, wie lange die schon sehr umfangreichen Schutzmaßnahmen weiter gelten. Ursprünglich waren
14 Tagen geplant, die am 30.03. beendet waren. Doch auch ohne neue Corona-Fälle (30.03 keine Neuinfektion in Rwanda) halten sich bisher sehr viele an die verkündeten Regeln.
Und auch wir bleiben weiter zu Hause!