Nach 5 Monaten habe ich das “Blutbankprojekt” nun beendet. Es war für mich sowohl inhaltlich als auch in der Zusammenarbeit mit den lokalen Fachkräften sowie in der Nutzung technischer Ausstattung eine neue Erfahrung.
Die technische Ausstattung war dabei noch das Einfachste, was es für mich zu lernen galt und das sage ich als absolute “Technikverweigerin”. Das Anschließen großer Flachbildschirme an Laptop oder Mobiltelefon mit unterschiedlichen technischen Schnittstellen bedingt unterschiedliche Anmeldeprozesse, die ich schrittweise “abspeichern” musste. Die Nutzung der Screens für Präsentationen ist jedoch genial und es macht Freude, Arbeitsinhalte so übermitteln zu können. Das simple Anwenden eines Headsets in online Diskussionen zur Vermeidung von akustischen Rückkopplungen und Audio Feedback oder anderen Störgeräuschen ist unterdessen selbstverständlich. Auch die Einwahl bei “Zoom” oder “Microsoft Teams” für online Meetings, in denen man Dateien auf seinem Laptop-Bildschirm teilt, gehören nun zu meinem neuen Repertoire. Unglaublich, dass das so etwas Neues für mich war, denn in der Wirtschaft sind das alles übliche Methoden, Tools und eine normale Arbeitsplatzausstattung. Von Thomas kenne ich das gar nicht anders. Jedoch im digital schmalspurig ausgebauten und ausgestatteten Sozial- und Bildungsbereich waren diese Arbeitsmittel bisher ein Novum. Ausgerechnet in Afrika und durch die Corona-Pandemie beflügelt, kam ich nun in deren Genuss.
Aus ursprünglich geplanten 8 Hauptprozessen habe ich 12 detailliertere Prozesse in BPMN designed. Sie sind alle in ihrer Komplexität sehr unterschiedlich und so haben die Diskussionen über die Inhalte und Handlungsabfolgen sowie zu den damit verbundenen Aktivitäten ebenfalls unterschiedlich viel Zeit in Anspruch genommen. Entstanden sind:
- Prozess zur Spenderakquisition und -mobilisation
- Prozess zur Spender Auswahl und Anmeldung
- Prozess des Blutspendens
- Prozess zur Bestimmung der Blutgruppe und der Antikörper
- Prozess zur Bestimmung von TTI (Transfusion Transmitted Infection)
- Prozess zur Herstellung von Blutkomponenten
- Lagerungsprozess
- Prozess zur Anforderung von Blutkonserven (Vorrat)
- Prozess zur Anforderung von Blutkonserven (Notfall)
- Kreuzprobe vor Bluttransfusionen
- Prozess zur Verteilung von Blutkonserven (Erhalt, Ausgabe und Rücksendung)
- Prozess der Hämovigilance
Bei den Diskussionen war für mich die größte Herausforderung, dass der Vertreter der Blutbank Rwanda, ein junger approbierter Mann, uns zwar die Prozesse in ihrem Ablauf genurös erklärt hatte, zwei Wochen später jedoch ganz andere Inhalte darstellte. Daher hatte ich mehrfach die Prozesse anpassen oder sogar umfangreich verändern müssen, um sie danach erneut “rückanzupassen”. Was für ein unermüdlicher Kreislauf und ein wunderbares Spielchen, was er sich da für mich ausgedacht hatte.
Aber wie sagt man in einer Kultur, in der Offenheit und sachliche Kritik nicht üblich sind, dass das einfach Mist ist? So entbrannte dann auch in meiner erhofften Abschlusspräsentation aller 12 Prozesse eine erneute Discussion mit ihm um grundlegende und bereits mehrfach geänderte Inhalte. Selbst zwei anderen anwesende Herren konnten mit ihren Argumenten den Vertreter der Blutbank nicht zur eigentlichen Abnahme der Prozesse oder auch nur ansatzweise zu Kompromissen bewegen. So wurden zwei Hauptprozesse von ihm einfach komplett gestrichen. Die brauche man ja eigentlich gar nicht, war seine Aussage. Hmmm! Wieso hatten wir dann Tage und Wochen mit deren Ausarbeitung zugebracht und Korrekturen eingearbeitet, um die Prozesse zu vereinfachen? Lag hier etwas das “Mann-Frau” Thema zugrunde? Schließlich hatte ich mit “meinen Prozessen” die seinen und bisherigen hinerfragt. Durften meine Prozessmodelle einfach nicht richtig und konsistent sein? Bedurfte es seines letzten Wortes, um das Projekt abzuschließen?
Ich gab auf, zerriss die Abbildungen mit den von ihm abgelehnten Hauptprozessen und schlug vor, letztmalig kleine Einarbeitungen vorzunehmen und damit das Projekt abzuschließen. Es konnte mir doch egal sein, ob die Prozesse gut dargestellt, inhaltlich konsistent und zur weiteren Nutzung für die Erstellung einer IT-Architektur geeignet waren.
Ich hatte bisher viel Freude an der Arbeit mit den unterschiedlichen BPM-Notations- Programmen. Außerdem hatte ich erst vor einem Monat extra eine Signavio Jahreslizenz für 1000 EUR erworben. Mein Favorit! Es machte richtig Spaß, damit zu zeichnen, verschiedene Ebenen darzustellen, Datenträger und genutzte IT-Systeme zu hinterlegen, Standards zu definieren und schließlich zu sehen, wie ein Prozess wächst.
“Learning by doing” hat für mich gut funktioniert. In wenigen Tagen habe ich auch noch ein Signavio Webinar, in dem ich bestimmt noch viel mehr Details in der Anwendung kennenlernen werde. Diese werde ich dann gleich weiter an den Blutbankprozessen ausprobieren und sie weiter optimieren. Das Projekt ist jedoch erst einmal offiziell beendet.