Schulbücher per Bus

Nach fast drei Wochen Unterrichtszeit, hat bis heute noch kein Schüler ein aktuelles Lehrbuch und die Lehrer natürlich auch nicht. Somit wurde bisher auch kein Lehrstoff vermittelt, sondern die Zeit überbrückt mit Wiederholungen, Sport und Spiel…bis sich die Schüler aus der 9. Klasse beschwert haben. Daraufhin gab es gestern ein einstündiges Gespräch mit allen Eltern dieser Klasse über die Qualität in der Schule. Zu Recht!
Die Bestellung, Bezahlung und Lieferung der Schulbücher ist eine Odyssee! Was eigentlich ganz einfach mit einem Online-Bestellformular abgewickelt werden könnte, hat für uns wieder ein unvorstellbares Ausmass an Organisation bedeutet.

  1. Anzahl der Schüler in den jeweiligen Klassen feststellen (nicht so einfach, da zum Teil noch nicht einmal nach drei Wochen alle neuen Schüler bekannt sind. Teilweise werden Kinder von ihren Eltern einfach ohne weitere Info morgens in den Schulbus gesetzt und wir müssen dann nach und nach erst alle Informationen besorgen)
  2. Auswahl der benötigten Bücher treffen
  3. Bestellung bei einem Verlagshaus in Pune aufgeben (lange Zeit hieß es, das kann nur der Schulleiter direkt vor Ort machen. Bis wir verstanden hatten, dass es lediglich um das Ausfüllen eines Bestellformular geht, waren schon wieder ein paar Tage um)
  4. Bezahlung der Bücher organisieren
  5. Bücher beim Verlag abholen und verpacken lassen (unser Kontakt in Pune hatte natürlich für so etwas keine Zeit und er musste über mehrere Tage nachdrücklich telefonisch aufgefordert werden)
  6. Bücher mit einem Überlandbus von Pune nach Alegaon mitschicken
  7. Bücherlieferung mit einem Schulbus in Alegaon abholen (Abholung zu Hause beim Busfahrer, nachdem er von seiner Nachtfahrt ausgeschlafen hat)

Das Thema der Schulbuchbestellung wurde von uns bereits im Mai, weit vor Beginn des Schuljahres aufgeworfen. Dann hiess es aber erstmal „tomorrow, tomorrow!“ Zuständig und verantwortlich fühlt sich dann auch weiterhin niemand. Jeder Einzelne handelt nur nach konkreter Auftragserteilung durch uns. Da die Herren des bisherigen Schulmanagements oft kommen und gehen wie es ihnen, der Farm und der Familie gerade passt, wurde die Bestellung zeitlich verschleppt. Die Unzufriedenheit auf allen Seiten wuchs täglich.

Na dann wollen wir jetzt mal! Nun aber los! Wir bestellen gleich morgen. Wo ist nur das Bestellformular? Ok, muss erst noch heruntergeladen werden…morgen! Am nächsten Tag ist aber leider Stromausfall. Gut, dann halt morgen! ……

Nach tagelangen Gesprächen dieser Art haben wir aus lauter Verzweiflung die ganzen 7 o.g. Punkte selbst organisiert, und da war so manche Hürde dabei. Wie bekommt man eine grosse Menge Bargeld von Alegaon nach Pune? Visa-Karten gibt es hier nicht und Onlineüberweisungen sind auf dem Land auch nicht möglich. Noch nicht einmal alle Lehrer haben ein Girokonto. Vieles läuft in der Tat nur mit Bargeld oder durch Ausstellung eines Checks. Also war der Geldtransfer ein richtiges Problem. Thomas ist schliesslich zur Bank nach Sangola gefahren und hat am Schalter Bargeld auf ein Konto eingezahlt. Ein Vertreter des Managements hat dann für uns die Bestellung vor Ort in Pune übernommen und auch den Versand organisiert.

Der ganze Prozess hat uns wochenlang beschäftigt und wäre in Deutschland bestimmt in wenigen Tagen über die Bühne gegangen. Struktur ist doch was feines! Unterdessen ist uns aber klar, dass es keine Böswilligkeit ist. Das Nichtwissen um Effektivität und Effizienz ist für uns immer wieder erstaunlich.

Und nun war heute der grosse Paket-Tag. Alle Bücher sind angekommen und wurden heute von den Lehrern nach Klassenstufen sortiert. Ab morgen beginnt dann der richtige Unterricht. Endlich!

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