Die Präsenzphase im Rahmen meines Fernstudiums “Process Management Consulting” wurde auf Online-Seminare umgestellt. Das kam mir einerseits sehr gelegen, da ich somit keine aufwendige Reise nach Deutschland planen oder die Präsenztage in unseren kostbaren Heimaturlaub hineinquetschen musste. Andererseits graute es mir vor der Digitalisierung der Kommunikation und ich war gespannt, wie sich der inhaltliche Austausch zwischen den Studierenden gestalten würde.
An zwei Tagen müsste ich von 8:30 bis 17:00 Uhr an einem Webbinar teilnehmen, das war verpflichtend. Sollte mich die Technik im Stich lassen, würde ich das Seminar nicht bestehen und somit auch das Abschlusszertifikat nicht erhalten. So wollte man vermutlich sicherstellen, dass sich die Studierenden nicht nur für 5 Minuten in das Online-Seminar einwählten und dann einen Technikausfall für das weitere Fernbleiben verantwortlich machten.
Ich hatte eine Anmeldebestätigung von der Fernuniversität in Hamburg mit Zugangsdaten für “Adobe Connect” erhalten, in der explizit auf die Bedingungen der Teilnahme noch einmal hingewiesen wurde. Wenn die Einwahl nicht funktionierte, wäre ich schon aufgeschmissen, da ich keine anderen technischen Optionen selbständig ausführen können würde. Gott sei Dank war an meinem ersten Seminartag, am 01.07. ein Feiertag. Rwandas Tag der Unabhängigkeit vom Belgischen Protektorat und die Gründung der ersten Republik (1962-1973). Thomas war daher zu Hause und würde mir ggf. technisch weiterhelfen können. Ich war erleichtert.
Für mich war es das erste Mal, dass ich an einem Webinar in diesem zeitlichen Umfang teilnahm. Kurze Videokonferenzen hatte ich bereits hinter mich gebracht aber zwei volle Tage mit fachlichem Austausch, theoretischem Input, Gruppen- und Einzelarbeit stellte ich mir herausfordernd vor.
Die erste Herausforderung liess auch nicht lange auf sich warten und kam gleich mit der Einwahl in das Seminar. Ich hörte den Dozenten spreche, wurde aber von allen anderen Teilnehmenden nicht gehört. Thomas kam also gleich zum Einsatz: unterschiedliche Mikrophon- Einstellungen (Kopfhörer, Laptop) musste geprüft, die Modemeinstellung gecheckt und Skype als “Störfaktor” deaktiviert werden. Wer soll das denn bitte alles wissen? Mein Mann! Und es funktionierte. Ich konnte uneingeschränkt an dem Seminar teinehmen. Im Tagesverlauf musste ich mich zwar mehrfach neu einwählen aber das war kein Problem.
Trotzdem war ich hochgradig angespannt, da dieses Seminar eine für mich völlig ungewohnte Form der Kommunikation war. Im Gruppen-Chat konnte man sich mit den Mitstudierenden “unterhalten”. Zusätzlich stand ein Chat mit dem Veranstalter zur Verfügung, so dass man auch dem Moderator Nachrichten, Fragen, Anmerkungen zusenden konnte, die er umgehend für alle Anwesenden beantwortete.
Sofern man sich zu Wort melden wollte, musste man erst einen Button (Bild mit erhobener Hand) drücken, dann sein Mikrophon einschalten und auch der Moderator musste einen noch zum Sprechen “frei schalten” und erst dann war Sprechen möglich. Eine wahnsinnig zähe Kommunikation. Was mir am meisten fehlte, waren natürlich die nonverbalen Kommunikationssignale, der Einsatz von Ironie oder Humor. Das verpufft bei so einer digitalisierten Kommunikation komplett und man muss sich auf sachliche Antworten und kurze Inhalte im Chat beschränken. Zusätzlich sollte man im Verlauf des Webinars noch Beispiel-Dateien hochladen, kurze Videos anschauen, Notationsprogramme über den Web-Browser nutzen und Whiteboards beschriften. Das ging natürlich alles und ich habe das auch ganz gut hinbekommen aber es war furchtbar anstrengend und ich hoch konzentriert und danach fix und fertig. Das ist einfach nix für mich! Ein zwischenmenschlicher kommunikativer Austausch ist mir viel lieber. Ich sehe meinen Gesprächsparter, sehe ihm an wenn etwas nicht passt, kann spontan reagieren und situationsbezogen antworten. Das ist online unmöglich.
Allerdings steigt natürlich die Effizienz der online geführten Gespräche, da gerade über örtliche Distanzen der Gesprächspartner hinweg, zügig verhandelt werden muss. Kritik ist auch leichter zu äußern, da die Anonymität es erleichtert, direkt zu sein und eben nicht auf Nonverbales reagieren zu müssen. Es gibt also auch hier wieder zwei Seiten einer Medaille.
Insgesamt waren die zwei Tage eine gute Erfahrung und Übung. Ich bin mir sicher, auch zukünfitg im beruflichen Kontext mit wesentlich weniger Vorurteilen an Webinaren teilzunehmen. Herausforderung angenommen!