Indien Railway

Sonni und ich lieben Bahnfahren – und auch hier in Indien ist Bahnfahren oft die bessere Alternative zu Bus und Auto. Die Straßen sind teilweise gottserbärmlich, ein funktionierendes Schnellstraßensystem existiert nicht – und auch auf den vorhandenen mehrspurigen Straßen können einen die unvermittelt auftauchenden Speedbumps (manchmal die gefürchteten dreifach hintereinander gebauten) zu einer Vollbremsung zwingen, was insgesamt das Fahren auf der Straße mit Bus oder Auto mit Fahrer zu einer sehr ungemütlichen Angelegenheit werden lässt.
Wir sind daher inzwischen mehrfach Bahn gefahren. Es ist allerdings nicht so leicht, sich mit dem indischen Kartenverkaufssystem vertraut zu machen.
Es gibt 5 verschiedene Klassen, was auch Sinn macht, da die Züge oft einen ganzen Tag unterwegs sind. Die normalen Seater sehen so aus, wie man sich immer noch die indischen Züge vorstellt. Sie sind überfüllt, alles drängt sich zwischen Sitzen und Gängen mit durchgängig vergitterten aber offenen Fenstern – dafür sehr billig. Es schließen sich die einfachen Sleeper und die Aircondition Sleeper Abteile an, letztere dann entweder zwei- oder dreistöckig. Das sind aber keine echten Abteile. Alles ist offen, nur mit vollkommen verranzten Vorhängen kann man die einzelnen Abteile vom Gang trennen. Man bekommt aber frische Laken und Decken, die in Ordnung sind.
Die Fahrt ist aber ein Abenteuer, die Türen sind meistens auf, man blickt auf die wahnsinnig tolle Landschaft, die an einem vorüberzieht, insbesondere wenn sich der Zug mit vier Lokomotiven die Westghats hochquält. Teilweise kann fast man mitlaufen, so langsam geht es vorwärts. Schneller als 80 km/h wird es nie.

Eklig ist die Toilettensituation – nicht innen, da sind die Toiletten einigermaßen ok und sauber – aber es geht alles noch direkt nach draußen. Teilweise stinkt es deshalb bestialisch. Als ich auf dem Weg nach Goa eine Weile an der Tür stand und ein paar Spritzer Wasser abbekam von den vorausfahrenden Wagen, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher ob das alles nur Wasser war. Ich bin sonst recht hart im Nehmen was Sauberkeit und Ekelgrenze angeht (oft zum Leidwesen von Sonja) – aber hier war definitiv meine Grenze erreicht. Erst im Hotel in Goa nach mehrfachen Duschen hab ich mich wieder besser gefühlt.

Aber allein die Buchung ist schon ein Abenteuer für sich. Die indische Eisenbahn hat für alle Klassen oberhalb der einfachen Seater Klasse ein Online System entwickelt, das zwar technisch sehr gut funktioniert aber schon ein wenig an eine Lotterie erinnert. Die Züge sind normalerweise spätestens eine Woche vor Abfahrt ausgebucht. Wer danach bucht, wird auf eine Warteliste gesetzt und erfährt bis direkt vor Zugabfahrt (zu sehen mit unseren Namen auf den Fotos unten mit den großen Bildschirmen) ob er berücksichtigt wurde oder nicht. Es gibt sogar Webseiten, die einem an Hand der eigenen Wartelistennummer mitteilen, mit welcher Wahrscheinlichkeit man einen Platz erhält. Wenn man Pech hatte und nicht berücksichtigt wurde, dann wird der Preis für das Ticket abzüglich einer Bearbeitungsgebühr zurückerstattet. Allein das ist für uns schon eine Frechheit, denn wenn man unbedingt innerhalb einer gewissen Zeitspanne reisen muss, bieten sich nun die folgenden Möglichkeiten:

  • Man nimmt die normalen Seater, was z.B. Bei Übernachtzügen für uns nicht in Frage kommt, da total überfüllt.
  • Man lässt sich auf die Warteliste setzen und bangt bis zur Zugabfahrt, was man macht. Falls man es nicht schafft, nimmt man sich doch einen Seater, sollte jedoch dann sicherheitshalber seine Wartelistentickets (gegen Gebühr natürlich) stornieren, damit nicht eine Minute nachdem man die Seater Tickets gekauft hat, die eigenen Wartelistentickets plötzlich bestätigt werden.

Wir hatten Glück und haben rechtzeitig erfahren, dass wir von Wartelistenposition 46 mit 37% Wahrscheinlichkeit (laut Vorhersagewebsite) 12 Stunden vor Zugabfahrt per SMS informiert wurden, dass wir fahren dürfen. Erleichterung! Für Die Reise von Hampi nach Mysore (14h über Nacht) haben wir mit einer Buchung ein bestätigtes Ticket und ein Wartelistenticket auf Platz 1. Obwohl die Wahrscheinlichkeit hoch sein sollte, bangen wir natürlich etwas und sind gespannt, ob wir hier gut wegkommen.

Das ändert aber nichts daran, dass wir die Bahn lieben und immer noch allen anderen Verkehrsmitteln vorziehen.

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