Schöner Wohnen

Im April hatte Thomas bereits ein wunderschönes Haus für uns angemietet. Es befindet sich etwa 15-20 Autominuten außerhalb von Kigali City, so dass das Umfeld schon wieder relativ ländlich ist. Europäer oder Expatriates  (Europäer, die im Ausland leben und arbeiten) wohnen hier eigentlich nicht. Die Stadt liegt ca 1600 Meter hoch und man braucht ordentlich PS, um die teilweise steilen Anstiege der holperigen Straßen motorisiert gut zu bewältigen.

Zum Einzug in das Haus hatte Thomas von der einheimischen Firma „Woodpecker“ einfache Holzmöbel aus Lagerpaletten herstellen lassen. Für Einheimische ist das preislich unvorstellbar, für uns jedoch ist es das IKEA Ruandas. Schlicht und einfach, ohne Schnörkel dazu Klasse und gute Qualität: Vollholz und Naturlacke.

Die erste Lieferung bestand aus einem Couchtisch mit einem Dreisitzer und zwei „Sesseln“ sowie einem Bett und zwei Nachttischen. Außerdem bestellte Thomas einen Esstisch mit sechs passenden Stühlen. Letztere sind von den Maßen allerdings etwas hoch geraten und müssen nochmal angepasst werden. Auf dem Stuhl kann ich nur beinebaumelnd sitzen. Die Arme auf den 95 cm hohen Esstisch abzulegen, ist mir nur mit angehobenen Schultern möglich. Also selbst wir großen und kräftigen Germanen passen nicht wirklich dran und drauf. Wo war nochmal die nächste Physiotherapeutische Praxis? Alles erinnert ein wenig an „die Ritter der Tafelrunde“…mächtig rustikal! Aber wir lieben es!

Der Couchtisch und die dazu gehörenden Sitzmöbel haben Rollen, so dass wir sie auch auf die Terrasse schieben und dadurch vielfältig nutzen können. Wenn das nicht nachhaltig ist! Vorbildlich, mein Ehemann!

Da unser Haus richtig groß ist, wirkt es derzeit mit den wenigen Möbeln noch uneingerichtet, fast leer und wenig gemütlich. Da komme nun ich ins Spiel! Deko ist mein zweiter Vorname. Ich liebe es zu dekorieren, zu gestalten und Ordnung zu schaffen. Am zweiten Tag nach meiner Ankunft ging es dann auch gleich auf zum Shoppen.

Auch in diesem Punkt wollten wir keine große Einkaufskette (für Ausländer gibt es Hochglanzshopppingcenter), sondern das einheimische Kunsthandwerk unterstützen und für uns ein wenig mehr Afrika-Flair schaffen. Es gibt in der Innenstadt unzählige kleine Läden mit dekorativen Dingen, die wir gar nicht kennen und aus Materialien, die wir eigentlich nicht benannt haben wollten (Kuhdung!!). Entschieden habe ich mich für zwei kleine, sehr typische und praktische afrikanische Stühle aus Holz. Sie haben genau die richtige Passform für die voluminösen Hinterteile einheimischer Frauen. Auch ich sitzt darin ganz wunderbar. Dazu habe ich noch zwei Bastschalen gewählt, die ebenfalls phantastisch auf die Stuhlform passen. So haben wir nun im Wohnzimmer eine, wie ich finde, einerseits dekorative und andererseits praktische Sitzmöbelkombination stehen.

Weiter Dekorationsideen werden sicherlich bald folgen.

Ankunft in einer anderen Welt

Thomas hatte für mich extra einen Flug nach Ruanda über die Türkei gebucht, da ich so 40 kg Gepäck statt nur 23 kg mitnehmen konnte. Und wie sich herausstellte, war diese Option genau richtig. 40 kg waren in Berlin schnell in zwei großen Hartschalenkoffern verpackt, die ich extra von meinen Eltern mitgenommen hatte. Bisher waren wir ja immer nur mit überschaubarem Rucksackgepäck unterwegs, man musste es schließlich die gesamte Urlaubszeit über tragen können. Nun stand allerdings eine „kleine Auswanderung“ bevor.

Am 15.08.2019 landete ich 23:38 Uhr in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda.

Nur 15 Autofahrtminuten vom Flughafen entfernt, liegt unser neues zu Hause. Eine Adresse gibt es nicht. Lediglich Bezirk und Ortsteil werden benannt. Wir wohnen in Kicukiru, Kagarama, Muyange, in der Nähe der Muyange Primary School und die Straße ist mit KK 468 beziffert. Diese liegt jedoch etliche Gehminuten von unserem Haus entfernt. In Deutschland würde unsere Adresse vergleichsweise wie folgt lauten: Treptow-Köpenick, Köpenick, Friedrichshagen, in der Nähe des alten Rathauses. Die Straße könnte die Friedrichshagener Str. sein. Post an so eine unkonkrete Adresse zu versenden, ist daher verständlicherweise nicht möglich.

Unser Anwesen ist richtig luxuriös, eine herrschaftliche Villa. Die Anfahrtswege jedoch sind katastrophal. Durch Straßenbauarbeiten bestehen überall tiefe Gräben, liegen aufgeschüttete verkrustete Erdberge, stapeln sich Feld- und Pflastersteine und es ist unbeschreiblich viel feiner trockener, rostroter Staub in der Luft. Er kriecht in jede Ritze, setzt sich sogar im Haus auf den Fussböden und einfach überall ab. Selbst geschlossene Schränke bleiben nicht verschont. Die Fusssohlen verfärben sich rötlich, sobald man barfuss durchs Haus läuft. Unglaublich! Wischen im Akkord ist angesagt. Wollte ich nicht abschalten und ausspannen?

Das mache ich auch! Erst einmal die Terrasse mit filmreifem Ausblick geniessen!

Rückkehr und Neuanfang

Thomas und ich hatten von März bis August 2018 eine sehr intensive und auch arbeitsreiche Sabbatzeit in Indien verbracht. Land und Leute waren uns dabei sehr ans Herz gewachsen. Nur schwer und tränenreich hatten wir von unserer Gastfamilie in Alegaon und Pune (Maharashtra) Abschied genommen.

Trotzdem! Ich freute mich auf Berlin, auf unser zu Hause, auf unsere Freunde, die Familie und natürlich auch auf den Job. Das halbe Jahr in Indien war einerseits lang und sehr ereignisreich, andererseits reichte es jedoch nicht aus, um schlechte Gewohnheiten abzulegen und Neues im Alltag einzubinden. So waren wir mit all unseren guten Vorsätzen und einem großen Veränderungswillen doch relativ schnell wieder in „good old Germany“ angekommen.

Kurz nach unserer Rückkehr bahnte sich bereits im Oktober 2018 ein Jobwechsel bei mir an. Thomas suchte intensiv nach einer passenden Stelle als Projektleiter (am liebsten mit internationaler Einbindung!).

Am 01.12.18 wechselte ich dann bei meinem langjährigen Arbeitgeber, der Stephanus gGmbH, von meiner Stelle als Leiterin eines ambulante Betreuungsbereiches für Menschen mit kognitiven Einschränkungen in die Hauptgeschäftsstelle des Geschäftsbereiches Wohnen & Assistenz. Dort nahm ich als Referentin für Projekte und Projektmanagement eine sehr interessante und herausfordernde Stelle an. Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetztes (BTHG) für den Geschäftsbereich und die verbundenen Service- sowie Vorstandsbereiche stand auf dem Plan. Das multiprofessionelle Projektteam bestand aus ca. 12 Leuten der Bereiche Facilitymanagement, IT/Software und Dokumentation, Compliancemanagement, Bereichs- und Unternehmenscontrolling, Qualitätsmanagement, Pädagogik, Strategisches Projektmanagement sowie Unternehmenskommunikation.

Dass ich mich innerhalb eines Jahres erneut mit dem Gedanken, für längere Zeit in eine „andere Welt“ zu reisen, tragen würde, war für mich unvorstellbar. Und doch kam es genau so.

Thomas erhielt im Dezember 2018 ein Angebot für eine Stelle als Projektmanager bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Ruanda. Ruanda? Wo ist das denn? War da nicht…? Unvorstellbar! 1994 Massengenozid! Hutu! Tutsi! Ich kannte nur Schlagworte und war beunruhigt und verunsichert.

Wir hatten nach zahlreichen Gesprächen und intensiven Diskussionen beschlossen, jeder von uns nimmt seine neue berufliche Tätigkeit auf, bringt das eigene Projekt voran und wir reisen viel „zwischen den Welten“ hin und her. Selbstverständlich wollten wir täglich miteinander telefonieren. Später würde ich dann für eine begrenzte Zeit nachkommen. Thomas begann seine Arbeit im Februar 2019. Ein anspruchsvolles Projekt! Er soll den Aufbau von Strukturen bei RISA (Rwanda Information Society Authority), einer Organisation, die dem Ministerium für ICT (Innovation, Communication, Technology) angeschlossen ist, initiieren. Digitalisierung spielt dabei eine ganz besondere Rolle.

Unsere Überlegungen, an getrennten Orten zu leben und zu arbeiten, erwies sich als nicht tragfähig. Im Alltag ohne den geliebten Menschen auszukommen, war für uns beide sehr schwer und so fällten wir erneut eine weitreichende Entscheidung. Ich würde nach Ruanda kommen und im Job eine unbezahlte Freistellung beantragen. Diesmal nicht nur für 6 Monate, sondern bis zum Projektende am 31.12.2020. Anderthalb Jahre!

Es begann für mich eine Zeit intensiver Vorbereitungen:

  • Haus zur Vermietung vorbereiten, d. h.
  • Ausräumen, aussortieren und Sachen verstauen
  • Hausschlüssel nachmachen, da unterschiedliche Parteien das Haus nutzen würden (Eltern, Freunde, Airbnb)
  • Auslandskrankenversicherung abschließen
  • Rentenversicherung klären
  • Visum beantragen
  • Möglichkeiten für die Nutzung unseres Autos bedenken
  • Impfungen erneuern und anpassen
  • Wichtige Berufs- und Studienabschlüssen notariell beglaubigen lassen
  • Erste Besuchsreise nach Ruanda für 1 Woche im Mai planen
  • Überlegungen, was ich in den 1,5 Jahren in Ruanda machen könnte und dazu Kontakte knüpfen, Institutionen anschreiben etc.
  • Planung der Abschiede, Treffen mit Freunden, Familie und Kolleg*innen

All diese Dinge waren für mich sehr emotional und haben mich zeitweise an meine Grenzen gebracht. Erneut habe ich jedoch erfahren dürfen, wie unterstützend und motivierend mein soziales Umfeld, beginnend mit der Familie und den Freunden aber auch mit den neuen Kolleg*inn ist. Ich bin überaus dankbar für so viele liebe Menschen um mich herum.

Dann bin ich also mal weg. 1,5 Jahre in Ruanda!

Meine Eltern verabschieden mich persönlich am Flughafen Tegel. Meike ruft kurz vorm Check in noch einmal an und wir „drücken“ uns durchs Telefon. Auch Lotti, Daggi, Gisela, Alex und viele Feund*innen melden sich kurz vorm Start. Der Abflug fällt mir immer schwerer und mein Blick verklärt sich durch Tränen.

Gorillas und Vulkane

Letztes Wochenende habe ich mich spontan entschlossen, mit zwei Studenten in den Norden mitzufahren, um in den Vulkanbergen zu wandern. Das Gebiet ist ja eigentlich wegen der Gorillas bekannt. Allerdings muss man für eine Sunde Gorillabesuch ca. 1500 Dollar bezahlen. Das ist sicherlich ganz nett aber außerhalb jeder Diskussion für mich. Eine Eintagestour auf den Bisoki mit Führer kostet 50 Eur. Die Tour dauert ca. 8h für 17km und 1000 Höhenmeter. Soweit die Fakten. Auf dem Weg dahin passiert man die typischen ländlichen Lehmhütten, die Gegend selbst hat sich mittlerweile ein wenig auf Touristen eingestellt. Der Startpunkt ist für alle der selbe. Es mischen sich also einfach Tourengeher mit exzentrisch reichen Amis, die sich die letzten Gorillafamilien ansehen wollen, die es noch gibt.

Vom Wetterbericht nicht so richtig vorhergesagt, gab es am Morgen bevor wir losgingen einen heftigen Regen, was sich dann später ziemlich auf die Tour auswirkte. Trotzdem ging es dann voller Enthusiasmus los.

Der Auf- und Abstieg geriet dann zum Schlammspektakel. Ein kleiner Tip – vermeidet es, bei schlammigen Verhältnissen mit profillosen Sneakern einen moderigen Berg hinaufzukrauchen. Das kann anstrengend werden.

Begleitet wurden wir natürlich wieder wie in Indien von Wildhütern mit Gewehr, Gorillas haben wir natürlich nicht gesehen, auch wenn wir an einer der Familien wohl ziemlich nah vorbeigelaufen sind.

Irgendwann waren wir dann aber wieder unten – ich war unterwegs ziemlich an meinen Grenzen, bin die letzten 100 Höhenmeter kaum vorangekommen, was sicher ein wenig mit der Höhe zu tun hatte – und natürlich damit, dass ich ein wenig aus der Form war.

Geburtstag in der Fremde

Es ist mal wieder soweit – ein weiterer Geburtstag in der Ferne – diesmal sogar ohne Sonni, was dieSituation nicht wirklich besser macht. Da ich jedoch mittlerweile in unser neues Zuhause eingezogen bin, habe ich mich kurz entschlossen durchgerungen, einen Teil meiner Kollegen zu einer kleinen Party einzuladen. Organisiert wird das alles ziemlich einfach. Man besorgt vom lokalen Hochzeitsausstatter 25 Stühle und zwei Tische, die auf Fahrrädern angeliefert werden.

Ich baue einen kleinen Geburtstagsschrein, damit Sonni wenigstens virtuell anwesend ist – da es Ostern ist, gab es sogar noch ein Osterlamm dazu.

Dann kommen noch zwei Kästen Bier dazu und eine Flasche Wein – den Rest an Getränken bringen die Gäste mit. Wichtig ist dann noch die Musik – dafür haben wir die Anlage der Eltern eines Kollegen abgebaut, damit es auch ordentlich laut ist – war auch ordentlich laut. Wichtig ist natürlich das Essen – dazu wird eine ganze Ziege am Markt gekauft und mit einem halben Tag Vorlauf zu Brochettes verarbeitet – das sind Fleischspieße, die mit viel Tomatentunke und weiteren Gewürzen veredelt werden und anschließend gegrillt. Dabei wird von der Ziege jedoch wirklich alles verarbeitet – alles! Beliebte Spezialität sind die Brochettes, die die Innereien dann verarbeiten. Dazu wird alles in den Darm gestopft, gekocht, in Scheiben geschnitten, gewürzt und dann gegrillt. Es schmeckte viel besser als der Herstellungsprozess vermuten ließ. Nur die Konsistenz war ein bisschen – ähm —— wenig, würde ich sagen.

Dann wurde die Musik aufgedreht und getanzt – was bei den Einheimischen ein wirklich sehenswerter Anblick ist – die können sich alle bewegen – egal in welcher körperlichen Verfassung – dick oder dünn – fit oder gebrechlich – hässlich wie die Nacht oder schön wie Sonni. Sehr beeindruckend und für mich selbst ein wenig beschämend. Aber Spaß hat’s gemacht. Hier noch ein paar Bilder von der Party.